Skip to main content

Full text of "04/124 - Plenarprotokoll vom 29.04.1964"

See other formats


Deutscher Bundestag 

124. Sitzung 

Bonn, den 29* April 1964 

Inhalt: 


Abg. Haussier tritt in den Bundestag ein 5951 A 
Zur Tagesordnung: 

Wagner (CDU/CSU) 5952 A, D 

Dr. Mommer (SPD) . . 5952 B, D, 5975 A 

Dr. Rutsdike (FDP) 5952 D 

Fragestunde (Drucksache IV/ 2202) 

Frage des Abg. Schmidt (Kempten): 

Rechtsverordnung gemäß § 95 BVFG 
Abs. 2 Satz 2 

Dr. Nahm, Staatssekretär . 5953 A, B, C 

Schmidt (Kempten) (FDP) . . . 5953 B, C 

Frage des Abg. Seifriz: 

Familienzuschlag gemäß § 81 des Ge- 
setzes für Jugendwohlfahrt 

Dr. Heck, Bundesminister .... 5953 D 

Frage des Abg, Metzger: 

Amazonas-Hospital in Pucallpa 

Scheel, Bundesminister 5953 D, 5954 A, B 


Metzger (SPD) 5954 A 

Fragen des Abg. Dr. Dichgans: 

Einfuhr von Getreide 5954 B 

Frage des Abg. Wächter: 


Orientierungspreise für Schlachtrinder 

Schwarz, Bundesminister 5954 C, 5955 A, B 
Wächter (FDP) .... 5954 D, 5955 B 


Fragen des Abg. Krug: 

Käsereimilchsonderstützung 

Schwarz, Bundesminister . . 5955 B, C, D, 

5956 A 

Schmidt (Kempten) (FDP) .... 5955 D 

Frage des Abg. Ramms: 

Entschädigung für Entzug der Traktat- 


ländereien 

Schwarz, Bundesminister . . . 5956 A, B, C 

Ramms (FDP) 5956 B, C 

Frage des Abg. Logemann: 

Abschöpfung für Schweineschwänze 

Schwarz, Bundesminister 5956 C 

Frage des Abg. Logemann: 

Abschöpfung für Schweinsohren 

Schwarz, Bundesminister 5956 D 


Frage des Abg. Logemann: 

Beschluß des Bundestages zur EWG- 
Agrarpreispolitik 

Schwarz, Bundesminister . . 5957 B, C, D 

Logemann (CDU/CSU) 5957 B 

Ertl (FDP) 5957 C 

Frage des Abg. Paul: 

Verhaftung Deutscher in der Tschecho- 
slowakei 

Dr. Carstens, Staatssekretär 5957 D, 5958 C 


Paul (SPD) 5958 C 

Dr. Czaja (CDU/CSU) 5958 C 


Druck r Bonner Universitäts-Budidruckerei, 53 Bonn 
Alleinvertrieb: Dr. Hans Heger, 532 Bad Godesberg, 
Postfach 821, Goethestraße 54, Tel. 6 35 51 



II 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frage des Abg. Kahn- Ackermann: 

Schulgeld in deutschen Auslandsschulen 


Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 5958 D, 

5959 B, C 

Kahn- Ackermann (SPD) .... 5959 A, B 

Strohmayr (SPD) 5959 C 

Dr. Huys (CDU/CSU) 5959 C 


Frage des Abg. Kahn- Ackermann: 

Vortragsreise des Prof. Fischer in USA 


Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 5959 D, 

5960 B, C, D 

Kahn- Ackermann (SPD) . . . 5960 A, B 

Sänger (SPD) 5960 C 

Vogt (CDU/CSU) 5960 D 


Fragen des Abg. Dr. Huys: 

Nichtfreigabe des Gepäcks deutscher 
Lehrer in Kairo 

Dr. Carstens, Staatssekretär 5961 A, C, D, 

5962 A, B, C 

Dr. Huys (CDU/CSU) . 5961 C, D, 5962 C 

Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 5962 A 

Kahn- Ackermann (SPD) 5962 B 

Frage des Abg. Rollmann: 

UNESCO-Institut für Pädagogik in 


Hamburg 

Dr. Carstens, Staatssekretär . . . 5962 D 

Rollmann (CDU/CSU) 5962 D 


Frage des Abg. Börner: 

Ratifizierungsgesetz zum Übereinkom- 
men zur Verringerung der Mehrstaa- 


tigkeit 

Höcherl, Bundesminister .... 5963 A, B 
Börner (SPD) 5963 B 


Frage des Abg. Jahn: 

Zweites Ausführungsgesetz zu Arti- 


kel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes 

Höcherl, Bundesminister . . . 5963 C, D, 

5964 A, B, C, D, 5965 A, B 

Jahn (SPD) 5963 C, D 

Rollmann (CDU/CSU) 5963 D 

Dr. Mommer (SPD) 5964 A 

Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU) . 5964 B, C 
Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 5964 C 

Dr. Bechert (SPD) . . . 5964 D, 5965 A 

Ritzel (SPD) 5965 A, B 

Erler (SPD) 5965 B 


Sammelübersicht 30 des Petitionsausschus- 
ses über Anträge zu Petitionen und syste- 
matische Übersicht über die in der Zeit 
vom 17. Oktober 1961 bis 31. März 1964 
eingegangenen Petitionen (Drucksache 
IV/2169) 5965 C 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung 
des Luftverkehrsgesetzes (6. Änderung) 
(Drucksache IV/ 1646) ; Schriftlicher Bericht 
des Verkehrsausschusses (Drucksache 
IV/2121) — Zweite und dritte Beratung — 5965 D 

Entwurf eines Gesetzes zu den Änderun- 
gen vom 11. April 1962 des Internatio- 
nalen Übereinkommens zur Verhütung 
der Verschmutzung der See durch Öl, 

1954, usw. (Drucksache IV/1703); Schrift- 
licher Bericht des Verkehrsausschusses 
(Drucksache IV/2130) — Zweite und dritte 
Beratung — 5966 A 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung 
des Güterkraftverkehrsgesetzes (Abg. 
Drachsler, Dr. Reinhard, Dr. Höchst, Glü- 
sing [Dithmarschen], Bauknecht, Bewe- 
runge und Fraktion der CDU/CSU) 
(Drucksache IV/ 1234) ; Schriftlicher Bericht 
des Verkehrsausschusses (Drucksache 
IV/2141) — Zweite und dritte Beratung — 5966 B 

Entwurf eines Gesetzes über den Übergang 
von Zuständigkeiten auf dem Gebiete des 
Rechts des Gesundheitswesens (Druck- 
sache IV/ 1832); Schriftlicher Bericht des 
Ausschusses für Inneres (Drucksache 
IV/2172) — Zweite und dritte Beratung — 5966 C 

Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen 
vom 31. Mai 1963 mit der Regierung von 
Indien über den Fluglinienverkehr (Druck- 
sache IV/1939); Schriftlicher Bericht des 
Verkehrsausschusses (Drucksache IV/ 

2189) — Zweite und dritte Beratung — 5966 D 

Entwurf eines Gesetzes über Bodennut- 
zungs- und Ernteerhebung (Drucksache 
IV/1795); Schriftlicher Bericht des Aus- 
schusses für Inneres (Drucksache IV/2 198) 

— Zweite und dritte Beratung — ... 5967 A 

Entwurf eines Gesetzes über eine Statistik 
der Arbeitskräfte in der Land- und Forst- 
wirtschaft (Drucksache IV/1794); Schrift- 
licher Bericht des Ausschusses für Inne- 
res (Drucksache IV/2 199) — Zweite und 
dritte Beratung — 5967 B 

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des 
Gesetzes über die Abwicklung des Reichs- 
nährstandes und seiner Zusammen- 
schlüsse (Abg. Bauknecht, Dr. Schmidt 
[Gellersen], Walter u. Gen.) (Drucksache 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


III 


IV/1277); Schriftlicher Bericht des Ernäh- 
rungsausschusses (Drucksache IV/2137) 

— Zweite und dritte Beratung — ... 5967 C 

Entwurf eines Gesetzes zur Förderung 
eines freiwilligen sozialen Jahres (CDU/ 

CSU, FDP); Schriftlicher Bericht des Aus- 
schusses für Familien- und Jugendfragen 
(Drucksache IV/2138) — Zweite und dritte 


Beratung — 

Frau Pitz-Savelsberg (CDU/CSU) . . 5967 D, 

5969 D 

Frau Eilers (SPD) 5968 A 

Frau Funcke (Hagen) (FDP) .... 5971 D 


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des 
Bundesbaugesetzes (FDP) ; (Drucksache 
IV/924); Schriftlicher Bericht des Finanz- 
ausschusses . (Drucksachen IV/2142, zu 
IV/2142) — Zweite und dritte Beratung — 

Dr. Besold (CDU/CSU) 5973 A 

Entwurf eines Siebenten Strafrechtsände- 
rungsgesetzes (CDU/CSU, FDP, SPD) 
(Drucksache IV/1817) ; Schriftlicher Bericht 
des Strafrechtsausschusses (Drucksache 
IV/2186) — Zweite und dritte Beratung — 5974 C 

Antrag betr. Verbesserung der Fahrwas- 
serverhältnisse auf dem Rhein (Abg. 

Josten, Buchstaller, Dr. Danz u. Gen.) 
(Drucksache IV/2020) 5975 A 

Antrag betr. Besetzung der Ämter des Prä- 
sidenten des Bundesrechnungshofes und 
des Bundesbeauftragten für die Wirt- 
schaftlichkeit der Verwaltung (SPD) 


(Drucksache IV/2048) 5975 B 

Antrag betr. EWG-Regelung für Kartoffeln 
(Abg. Logemann, Sander, Wächter, Murr, 

Mauk u. Gen.) (Drucksache IV/2153) . . 5975 B 

Antrag betr. Förderung der bäuerlichen 
Veredelungswirtschaft (Abg. Logemann, 
Wächter, Walter, Murr, Reichmann u. 

Gen.) (Drucksache IV/2154) 5975 C 

Übersicht 21 des Rechtsausschusses über 
Streitsachen vor dem Bundesverfassungs- 
gericht (Drucksache IV/2021) 5975 C 


Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ände- 
rung des Arzneimittelgesetzes (Druck- 
sachen IV/1370, IV/563); Schriftlicher Be- 
richt des Gesundheitsausschusses (Druck- 
sachen IV/2 162, ^IV/2162) — Zweite und 


dritte Beratung — 

Frau Dr. Hubert (SPD) 5975 D 

Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP) . 5976 B, 


5977 D, 5980 D 


Dr. Elbrächter (CDU/CSU) .... 
Dr. Dittrich (CDU/CSU) . 5978 B, 

Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD) . . . 

Sechsundfünfzigste Verordnung zur Ände- 
rung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zoll- 
aussetzung für Fische und Krebstiere 
1964) (Drucksache IV/2034) 

Sechzigste Verordnung zur Änderung des 
Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkontin- 
gente für EGKS- Waren) (Drucksache 
IV/2151) 

Einundsechzigste Verordnung zur Ände- 
rung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Wein 
zum Herstellen von Weindestillat) 

(Drucksache IV/2 152) . 

Bericht des Außenhandelsausschusses über 

die Fünfundvierzigste Verordnung zur 
Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 
(Kaschu-Nüsse usw.) (Drucksachen IV/ 
1937, IV/2095) 

Bericht des Außenhandelsausschusses über 
die Zwölfte Verordnung zur Änderung 
der Einfuhrliste — Anlage zum Außen- 
wirtschaftsgesetz — , Dreizehnte Verord- 
nung zur Änderung der Einfuhrliste — 
Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — 
(Drucksachen IV/1980, IV/1981, IV/2096) 

Bericht des Außenhandelsausschusses über 

die Fünfzigste Verordnung zur Ände- 
rung des Deutschen Zolltarifs 1963 (An- 
gleichungszoll für Dextrine und Stärke 
— Neufestsetzung) (Drucksachen IV/2032, 
IV/2182) 

Bericht des Ausschusses für Inneres über 
den Antrag der Fraktion der SPD betr. 
Neuregelung der Arbeitszeit der Beam- 
ten des Bundes (Drucksachen IV/1816, 
IV/2082) 

Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschus- 
ses über den Antrag der Abg. Dr. Schmidt 
(Gellersen), Frehsee, Seither, Saxowski 
u. Gen. betr. Sonderregelung für die Zu- 
lassung von Mähdreschern im Straßen- 
verkehr (Drucksachen IV/ 1701, IV/2 129) 

Schriftlicher Bericht des Verkehrsausschus- 
ses über den Antrag der Abg. Wächter, 
Ertl u. Gen. zur Beratung des Berichts 
der Bundesregierung über die Lage der 
Landwirtschaft betr. Senkung der Fracht- 
kosten für Schlachtrinder (Drucksache 
IV/2131, Umdruck 184) 


5976 D 
5980 A 
5979 B 


5982 A 


5982 A 


5982 B 


5982 B 


5982 C 


5982 C 


5982 D 


5983 A 


5983 A 



IV 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsaus- 
schusses über den Antrag der Abg. Dr. 
Martin, Neumann (Allensbach), Blumen- 
feld, Holkenbrink, Frau Dr. Maxsein u. 
Gen. betr. Untersuchung über die Wett- 
bewerbsgleichheit von Presse, Funk, 
Fernsehen und Film (Drucksachen IV/ 
1400, IV/2158) 


Sänger (SPD) 5983 B 

Dr. Arnold (CDU/CSU) 5984 C 

Dr, Aschoff (FDP) 5985 D 

Antrag des Bundesministers der Finanzen 
betr. Veräußerung einer Teilfläche des 
ehemaligen Flugplatzes Hamburg-Bah- 
renfeld (Drucksache IV/2046) 5986 A 


Antrag des Bundesministers der Finanzen 
betr. Veräußerung einer Teilfläche der 
ehemaligen Infanteriekaseme in Lübeck 

(Drucksache IV/2103) 5986 A 

Antrag des Bundesministers der Finanzen 
betr. Deutsche Pfandbrief anstatt; Erhö- 
hung des Grundkapitals usw. — (Druck- 
sache IV/2 146) 5986 A 

Antrag des Bundesministers der Finanzen 
betr. Veräußerung des ehemaligen Ma- 
rine-Prüfstandes in Frankenthal (Druck- 
sache IV/2 160) 5986 B 

Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Verordnung des 
Rats über die Anwendung von Artikel 85 
Absatz 3 EWG auf Gruppen von Verein- 
barungen, Beschlüssen und aufeinander 
abgestimmten Verhaltensweisen (Druck- 
sachen IV/2024, IV/2177, m IV/2177) . . 5986 C 

Schriftlicher Bericht des Ernährungsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Richtlinie des 
Rats über die Einzelheiten der Verwirk- 
lichung des freien Dienstleistungsver- 
kehrs in den Berufen der Landwirtschaft 
und des Gartenbaus (Drucksachen IV/2040, 

IV/2 181) 5986 D 

Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Verordnung des 
Rats über die Prämiensätze für die Ein- 
fuhr von Reis und Bruchreis (Drucksachen 
IV/2136, IV/2188) 5986 D 

Mündlicher Bericht des Ausschusses für 
Inneres über die Entwürfe für eine Ver- 
ordnung Nr. . . ./63/EURATOM, Nr. . , ./ 

63/EWG der Räte vom . . . zur Änderung 
der Berichtigungskoeffizienten für die 


Dienst- und Versorgungsbezüge der Be- 
amten und eine Verordnung Nr. . . ./63/ 
EURATOM, Nr. . . ./63/EWG der Räte 
vom . . . zur Anpassung bestimmter Be- 
richtigungskoeffizienten für die Dienst- 
und Versorgungsbezüge der Beamten 
(Drucksachen IV/2167, IV/2193) .... 5987 A 

Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Zweite Richtlinie 
auf dem Gebiete des Filmwesens (Druck- 
sachen IV/1975, IV/2197) 5987 B 

Schriftlicher Bericht des Ernährungsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Verordnung des 
Rats über die Bestimmung der zur Erzeu- 
gung von einem Kilogramm zum Ver- 
brauch bestimmter Geflügeleier in der 
Schale und der zur Erzeugung von einem 
Kilogramm Bruteier von Hausgeflügel er- 
forderlichen Futtergetreidemenge (Druck- 
sachen IV/2148, IV/2180) 5987 B 

Schriftlicher Bericht des Ernährungsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Verordnung des 
Rats über die Festlegung der Kriterien 
für die Interventionsregelung auf dem 
Rindfleischmarkt (Drucksachen IV/2 156, 
IV/2200) 5987 C 

Schriftlicher Bericht des Außenhandelsaus- 
ausschusses über die Vorschläge der 
Kommission der EWG für eine Verord- 
nung des Rats über die Änderung und 
Verlängerung der Verordnung Nr. 3/63/ 

EWG vom 24. Januar 1963 betreffend die 
wirtschaftlichen Beziehungen zu den Län- 
dern mit Staatshandel und eine Verord- 
nung des Rats über die Festsetzung der 
Abschöpfungsbeträge für Erzeugnisse der 
Geflügelwirtschaft, deren Zollsätze im 
GATT konsolidiert worden sind (Druck- 
sachen IV/2027, IV/2124, IV/2184) . . . 5987 D 

Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses 
über den Vorschlag der Kommission der 
EWG für eine Richtlinie des Rats zur 
Koordinierung der Schutzbestimmungen, 
die in den Mitgliedstaaten den Gesell- 
schaften im Sinne des Artikels 58 Ab- 
satz 2 im Interesse der Gesellschafter so- 
wie Dritter vorgeschrieben sind (Druck- 


sachen IV/2014, IV/2190) 

Dr. Reischl (SPD) 5988 B 

Dr. Wilhelmi (CDU/CSU) 5988 C 


Schriftlicher Bericht des Gesundheitsaus- 
schusses über den Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Zweite Richtlinie 
zur Angleichung der Rechts- und Ver- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


V 


waltungsvorsdiriften für pharmazeutische 
Spezialitäten (Drucksachen IV/2028, IV/ 

2194) 5988 D 


Entwurf eines Gesetzes über die Beweis- 
sidierung und Feststellung von Vermö- 
gensverlusten in der sowjetischen Besat- 
zungszone Deutschlands und im Sowjet- 
sektor von Berlin (Beweissicherungsge- 
setz) (Drucksache IV/1994) — Erste Be- 
ratung — 

Eichelbaum (CDU/CSU) 5989 B 


Dr. Kohut (FDP) 6018 D 

Gedat (CDU/CSU) 6022 D 

Höcherl, Bundesminister 6024 B 

Schultz (FDP) 6034 C 


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung miet- 
rechtlicher Vorschriften (Drucksache IV/ 
806); Zweiter Schriftlicher Bericht des 
Rechtsausschusses (Drucksachen IV/2195 
und ^ 2195) — Zweite Beratung; in Ver- 
bindung mit dem 


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des 
Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, 
des Rabattgesetzes und der Zugabever- 
ordnung (Abg. Frau Beyer [Frankfurt], 
Kurlbaum, Lange [Essen] und Fraktion 
der SPD) (Drucksache IV/2001) — Erste 
Beratung — 

Frau Beyer (Frankfurt) (SPD) . . . 5989 C 

Dr. Aschoff (FDP) 5990 C 

Schriftlicher Bericht des 2. Untersuchungs- 
ausschusses gemäß Antrag der Fraktion 

der SPD (Drucksachen IV/1544, IV/2170) 

Dorn (FDP) 5991 A, 6019 D 

Schmitt-Vockenhausen (SPD) . . . 5994 C, 

6023 A, 6033 D 

Dr. Süsterhenn (CDU/CSU) .... 5999 A 

Busse (FDP) 6003 B 

Dr. Schäfer (SPD) 6006 A 

Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) .... 6009 D 
Wagner (CDU/CSU) 6015 C 


Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des 
§ 556 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs 
(SPD) (Drucksache IV/1554); Schriftlicher 
Bericht des Rechtsausschusses (Druck- 
sache IV/2201) — Zweite Beratung — 

Jacobi (Köln) (SPD) . . . 6035 B, 6043 C, 

6045 C 

Dr. Hauser (CDU/CSU) . 6035 D, 6037 B, 

6039 D, 6042 A 

Busse (FDP) . . 6036 B, 6038 A, 6040 A, 
6042 D, 6044 C, 6048 B 

Jahn (SPD) . . . 6036 C, 6039 C, 6041 A 
Dr. Bücher, Bundesminister 6037 C, 6047 D 


Dr. Reischl (SPD) .... 6038 B, 6046 B 

Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP) . . 6039 A, 

6045 C 

Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU) . . 6044 A, 

6047 B 

Dr. Czaja (CDU/CSU) 6045 A 

Mick (CDU/CSU) 6048 B 

Nächste Sitzung 6049 C 


Anlagen 


6051 




Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5951 


(C) 


124. Sitzung 


Bonn, den 29. April 1964 


Stenographischer Bericht 


Beginn: 9.01 Uhr 

Vizepräsident Dr, Jaeger: Die Sitzung ist er- 
öffnet. 

Meine Damen und Herren, als Nachfolger für 
den durch Verzicht ausgeschiedenen Abgeordneten 
Dr. Vogel ist mit Wirkung vom 20. April 1964 der 
Abgeordnete Haussier in den Bundestag eingetreten. 

Die folgenden amtlichen Mitteilungen werden 
ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht 
auf genommen: 

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. April 1964 den 
nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß 
Artikel 77 Abs. 2 GG nicht gestellt: 

Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für 
das Rechnungsjahr 1964 (Haushaltsgesetz 1964) 

Gesetz über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundes- 
haushaltsplan für das Rechnungsjtahr 1963 (Nachtragshaus- 
haltsgesetz 1963) 

Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes 
zur Regelung von Ansprüchen aus Lebens- und Rentenver- 
sicherungen. 

Der Herr Vorsitzende des Vermittlungsausschusses des Deut- 
schen Bundestages und des Bundesrates hat am 16, April 1964 
mitgeteilt, daß der Vermittlungsausschuß in seiner 8. Sitzung am 
16. April 1964 folgenden Einigungsvorschlag beschlossen hat: 

Das vom Deutschen Bundestag in seiner 101. Sitzung am 
11. Dezember 1963 beschlossene Gesetz über die Jugendzahn- 
pflege wird bestätigt. 

Sein Schreiben ist als Drucksache IV/2159 verteilt. 

Der Herr Präsident des Bundesrates hat am 24. April 1964 mit- 
geteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 24. April 1964 
beschlossen hat, dem vom Deutschen Bundestag am 11. Dezember 
1963 verabschiedeten Gesetz über die Jugendzahnpflege gemäß 
Artikel 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen. Sein 
Schreiben ist als Drucksache IV/2203 verteilt. 

Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und 
Forsten hat am 23. April 1964 unter Bezug auf den Beschluß des 
Bundestages vom 11. Dezember 1963 über die Auswirkungen der 
Abschöpfungssenkung bei der Einfuhr von geschlachteten Hüh- 
nern nach Berlin berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache 
IV/2205 verteilt. 

Der Herr stellvertretende Vorsitzende des Außenhandelsaus- 
schusses hat am 22. April 1964 mitgeteilt, daß der federführende 
Außenhandels ausschuß und der mitbeteiligte Ausschuß für Er- 
nährung, Landwirtschaft und Forsten keine Bedenken gegen den 
zwischenzeitlich vom Rat beschlossenen Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Verordnung des Rats zur Aufstellung der 
Liste von Grunderzeugnissen, die als Berechnungsgrundlage für 
die Finanzierung der Erstattungen bei Ausfuhren nach dritten 
Ländern dienen — Drucksache IV/2135 — erhoben haben. 

Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten hat am 27. April 1964 mitgeteilt, daß der 
Ausschuß keine Bedenken gegen die Verordnung Nr. 37/64/EWG 
des Rats vom 25. März 1964 zur Festsetzung der oberen und der 
unteren Grenze der einzelstaatlichen Richtpreise für Milch für 
das Milchwirtschaftsjahr 1964/1965 erhoben hat. 

Der Herr stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für 
Verkehr, Post- und Fernmeldewesen hat am 22. April 1964 mit- 
geteilt, daß der federführende Ausschuß für Verkehr, Post- und 
Fernmeldewesen und der mitbeteiligte Ausschuß für Ernährung, 
Landwirtschaft und Forsten den Vorschlag der Kommission der 
EWG für eine Verordnung des Rats zur Festsetzung des Betra- 


ges, der den Transport- und Grenzübergangskosten einiger Milch- 
erzeugnisse entspricht — Drucksache IV/2149 — , zur Kenntnis 
genommen und beschlossen haben, von einer Berichterstattung 
abzusehen, weil der Ministerrat in seiner letzten Sitzung in 
Brüssel die Verordnung bereits verabschiedet hat. 

Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten hat am 23. April 1964 mitgeteilt, daß der 
Ausschuß beschlossen hat, zu dem Vorschlag der Kommission 
der EWG für eine Verordnung des Rats über die Festsetzung 
der Koeffizienten zur Berechnung der Abschöpfung für alle in 
Anhang II zur Verordnung Nr. 14/64/EWG genannten Erzeug- 
nisse — Drucksache IV/2168 — nicht mehr Stellung zu nehmen, 
nachdem der Ministerrat zwischenzeitlich über die oben ange- 
führte Verordnung bereits Beschluß gefaßt hat. 

Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten hat am 16. April 1964 mitgeteilt, daß der 
Ausschuß beschlossen hat, zu dem Vorschlag der Kommission der 
EWG für eine Verordnung des Rats über die Kriterien für die 
Festsetzung der Pauschalbeträge für Reis und Bruchreis — Druck- 
sache IV/2136 — nicht mehr Stellung zu nehmen, nachdem der 
Ministerrat zwischenzeitlich über die oben angeführte Verord- 
nung bereits Beschluß gefaßt hat. 

Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen 
hat am 21. April 1964 unter Bezugnahme auf § 17 Abs. 5 des 
Postverwaltungsgesetzes den Voranschlag der Deutschen Bundes- 
post für das Rechnungsjahr 1964 übersandt. Er liegt im Archiv 
zur Einsichtnahme aus. 

Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß (D) 
des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen 
überwiesen: 

Verordnung des Rats über die Bestimmung der zur Erzeu- 
gung von einem Kilogramm zum Verbrauch bestimmter Ge- 
flügele-ier in der Schale und der zur Erzeugung von einem 
Kilogiamm Bruteier von Hausgeflügel erforderlichen Futter- 
getreidemenge — Drucksache IV/2148 — 

an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit 
der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum 
am 29. April 1964 

Verordnung des Rats zur Festsetzung des Betrages, der den 
Transport- und Grenzübergangskosten einiger Milcherzeug- 
nisse entspricht — • Drucksache IV/2149 — 

an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen — 
federführend — und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirt- 
schaft und Forsten — mitberatend — mit der Bitte um Vorlage 
des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 

Verordnung des Rats über die Festlegung der Kriterien für 
die Interventionsregelung auf dem Rindfleischmarkt — Druck- 
sache IV/2156 — 

an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit 
der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum 
am 29. April 1964 

Verordnung Nr. . . ./63/EURATOM, Nr. . . ./63/EWG der 

Räte vom . . . zur Änderung der Berichtigungskoeffizienten 
für die Dienst- und Versorgungsbezüge der Beamten 

Verordnung Nr. . . ./63/EURATOM, Nr. . . ./63/EWG der 

Räte vom . . . zur Anpassung bestimmter Berichtigungs- 
koeffizienten für die Dienst- und 'Versorgungsbezüge der 
Beamten — Drucksache IV/2167 — 

an den Ausschuß für Inneres mit der Bitte um Vorlage des 
Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 29. April 1964 

Verordnung des Rats über die Festsetzung der Koeffizienten 
zur Berechnung der Abschöpfung für 'alle in Anhang II zur 
Verordnung Nr. 14/64/EWG aufgeführten Erzeugnisse — 
Drucksache IV/IV/2168 — 

an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit 
der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum 
am 29. April 1964 

Verordnung des Rats über die Einführung gemeinsamer 
Regeln für den grenzüberschreitenden Straßenpersonenver- 
kehr — Drucksache IV/2178 ~ 

an den Ausschuß für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen mit 
der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum 
am 21. Oktober 1964 



5952 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

(A) Verordnung des Rats über Qualitätsweine bestimmter An- 

baugebiete — Drucksadle IV/2179 — 

an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit 
der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor dem Plenum 
am 3. Juni 1964 

Dritte Richtlinie zur Durdiführung des Artikels 67 des Ver- 
trages — Drucksache IV/2187 — 

an den Wirtschaftsausschuß mit der Bitte um Vorlage des 
Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 10. Juni 1964. 

Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß 
des Bundestages vom 23. Februar 1962 die nachstehenden Vor- 
lagen überwiesen: 

Vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen 
Zolltarifs 1963 (Zollkontingent für weibliche Nutzrinder — 
1964) — Drucksache IV/2150 — 

an den Außenhandelsausschuß — federführend — und an den 
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — mitbe- 
ratend — mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor 
dem Plenum am 24. Juni 1964 

Achtund fünfzigste Verordnung zur Änderung des Deutschen 
Zolltarifs 1963 (Zucker — 1964) — Drucksache IV/2171 

an den Außenhandelsausschuß mit der Bitte um Vorlage des 
Berichts rechtzeitig vor dem Plenum am 24. Juni 1964. 

Das Wort zur Tagesordnung hat der Abgeord- 
nete Wagner. 

Wagner (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Namens der Fraktion der CDU/ 
CSU beantrage ich, die Tagesordnung um die zweite 
und dritte Beratung des von der Bundesregierung 
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- 
rung mietrechtlidier Vorschriften zu ergänzen. Die 
Bestimmungen dieses Gesetzentwurfes sollen zum 
1. Juli 1964 in Kraft treten. Wir haben zu diesem 
Zeitpunkt im Bundesgebiet 450 weiße Kreise. Wenn 
wir nicht rechtzeitig die Beratung abschlössen, be- 
stünde die Gefahr, daß Bestimmungen des sozialen 
Mietredits zu diesem Zeitpunkt keine Gültigkeit 
hätten. 

Ich bitte Sie deshalb, antragsgemäß zu beschließen 
und die Drucksachen IV/806 und IV/2195 auf die 
Tagesordnung zu setzen. 

Vizepräsident Dn Jaeger: Das Wort zur Tages- 
ordnung hat der Abgeordnete Dr. Mommer. 

Dr. Mommer (SPD): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Die Sozialdemokraten sind an 
einer schnellen Verabschiedung dieser Vorlage 
interessiert. Sie haben auch früher darauf gedrängt, 
daß wir bald zu ihrer Verabschiedung kommen. 

Aber der Bundestag kann nur ein bestimmtes 
Quantum Arbeit hinter sich bringen. Im Ältestenrat 
haben wir festgestellt, daß nach unseren Schätzun- 
geen 17 Stunden Beratung zur Abwicklung der vor- 
liegenden Tagesordnüng nötig sind. Die Fachleute 
sind sich einig darüber, daß zur Verabschiedung der 
Vorlage, die noch weiter auf die Tagesordnung ge- 
setzt werden soll, wenigstens vier Stunden not- 
wendig wären. Das würde also 21 Stunden bedeu- 
ten. Wir haben heute zehn Stunden zur Verfügung, 
von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends, minus 
zwei Stunden Mittagspause. Morgen wollen wir 
mittags durchtagen, sind aber am Nachmittag durch 
folgenden Umstand begrenzt. Übermorgen ist der 
1. Mai, das Fest der Arbeit. Wir Sozialdemokraten 
zumindest fühlen uns mit diesem Fest der Arbeit 
sehr verbunden 

(Zurufe von der CDU/CSU: Wir auch!) 


— • Sie auch! Gut, um so besser! Dann werden Sie 
sich meinen Argumenten nicht verschließen. Wir 
werden also morgen ab 14 Uhr, wenn die Züge in 
die ferneren Gebiete der Bundesrepublik fahren, 
nur mit allerschwächster Besetzung des Hauses 
rechnen können. Wenn Sie aber jetzt die Dauer der 
Beratungen auf 21 Stunden verlängern, dann müßten 
wir entsprechend heute oder morgen bis 10 Uhr 
abends und an beiden Tagen wenigstens bis 9 Uhr 
tagen. Das ist nicht möglich. Wenn man morgen 
abend irgendwo in der Bundesrepublik zu den Fei- 
ern des Festes der Arbeit eine Rede halten muß, 
dann muß man morgen nachmittag zu den Zügen. 

Aus diesem Grunde, meine Damen und Herren, 
ist es nicht möglich, Ihrem Wunsche zu entspre- 
chen. Wir werden aber auch nicht dagegen stimmen, 
sondern Ihnen allein die Verantwortung für einen 
so unvernünftigen Beschluß überlassen. Stimmen Sie 
bitte allein dafür! Wir werden uns der Stimme 
enthalten. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur 
Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten 
Wagner, die Drucksachen IV/806 und IV/2195 auf 
die Tagesordnung der gemeinsamen Sitzung von 
heute und morgen zu setzen. Wer dem zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Einige Gegenstimmen! 
Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist 
so beschlossen. 

(Abg. Dr. Rutschke: Zur Tagesordnung!) 

Sie wollen auch noch einen Antrag zur Tagesord- 
nung stellen? — Bitte, Herr Abgeordneter Rutschke. 

Dr. Rutschke (FDP): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Namens der FDP-Fraktion bean- 
trage ich, daß die Beratung der 17. Novelle zum 
Lastenausgleichsgesetz für morgen noch vorgesehen 
wird. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Ge- 
schäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mommer. 

Dr. Mommer (SPD): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Für diesen Antrag gilt erstens, 
was ich soeben zu dem Zusatzantrag der CDU/CSU- 
Fraktion gesagt habe. 

Zweitens könnte man dem Wunsche nur dann 
entsprechen, wenn bis dahin ein Bericht des Haus- 
haltsausschusses nach § 96 der Geschäftsordnung 
vorläge. Wie mir der Herr Vorsitzende des Haus- 
haltsausschusses gestern persönlich versicherte, 
werde es bis dahin keine Sitzung des Haushalts- 
ausschus^ses geben. Der Bericht wird also nicht vor- 
liegen, und dann kann man nach den Bestimmungen 
unserer Geschäftsordnung nicht beraten. Der Be- 
schluß ist also nicht möglich. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Ge- 
schäftsordnung hat der Abgeordnete Wagner. 

Wagner (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Ich glaube, wir sollten uns hier 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn-, Mittwoch, den 29. April 1964 


5953 


Wagner 

streng an die Bestimmungen unserer Geschäfts- 
ordnung halten, daß die Berichte der mitberatenden 
Ausschüsse, hier des Haushaltsausschusses, der nach 
§ 96 Stellung zu nehmen hätte, vorliegen müssen. 
Das ist nicht der Fall. Der Haushaltsausschuß hat 
eine Sitzung auch nicht geplant. Wir bedauern, des- 
halb nicht zustimmen zu können, daß dieser Punkt 
noch auf die Tagesordnung gesetzt wird. 


Vizepräsident Dn Jaeger: Eine weitere Zu- 
satzfrage, Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten). 

Schmidt (Kempten) (FDP): Sieht die Bundesregie- 
rung die Möglichkeit, eine Novellierung vorzuneh- 
men, die diese Vertretungsbefugnis und Beratungs- 
befugnis generell regelt? 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich lasse abstim- 
men. 

(Abg. Dr. Rutschke: Ich ziehe zurück!) 

— Sie ziehen den Antrag zurück, er ist erledigt. 

Damit kommen wir nunmehr zur 

Fragestunde (Drucksache IV/2202). 

Wir kommen zuerst zu der Frage aus dem Ge- 
schäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene, 
Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte — des Abgeord- 
neten Schmidt (Kempten) — : 

Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die gemäß § 95 BVFG 
Abs. 2 Satz 2 vorgesehene Reditsverordnung vorzulegen? 

Herr Staatssekretär, ich darf bitten. 

Dr. Nahm, Staatssekretär im Bundesministerium 
für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: 
Die in § 95 des Bundesvertriebenen- und Flücht- 
lingsgesetzes der Bundesregierung gegebene Er- 
mächtigung zum Erlaß einer Rechtsverordnung be- 
zieht sich lediglich auf die Unterbindung mißbräuch- 
ß) lieber Ausübung der auf Rechts-, Steuer- und Wirt- 
schaftsfragen beschränkten Beratertätigkeit. Eine 
Rechtsverordnung könnte also nur a) den unbe- 
stimmten Begriff „mißbräuchliche Ausübung" ge- 
nauer umschreiben und b) festlegen, welche Stelle 
für die Untersagung der Beratungsbefugnis zustän- 
dig ist. 


Dr. Nahm, Staatssekretär im Bundesministerium 
für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschä- 
digte: Wenn die Beratungsbefugnis in eine Vertre- 
tungsbefugnis umgewandelt und ausgeweitet wer- 
den soll, ist nur eine Novellierung möglich. Wenn 
der Bundesregierung hinreichendes Material vor- 
getragen wird, das eine solche Novellierung 
empfehlenswert erscheinen läßt, wird sie in eine 
ernsthafte Prüfung eintreten. Ich darf hinzufügen: 
Die Bundesregierung steht dieser Mitwirkung der 
Verbände bei der Beratung und der Hilfe für die 
Geschädigten sympathisch gegenüber. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, 
Herr Staatssekretär. 

Wir kommen zu der Frage des Herrn Abgeord- 
neten Seifriz aus dem Geschäftsbereich des Bundes- 
ministers für Familie und Jugend: 

Beabsiditigt der Herr Bundesfamilienminister, den Familien- 
zuschlag von 80 DM, der in § 81 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes für 
Jugendwohlfahrt festgelegt ist, zu erhöhen? 

Ich darf bitten, Herr Bundesminister. 


Dr.Hedi, Bundesminister für Familie und Jugend: 
Ich beantworte die Frage des Herrn Abgeordneten 
Seifriz mit Ja. 


(D) 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich danke Ihnen, 
Herr Minister. 


Ein Bedürfnis für eine solche Verordnung hat sich 
bisher nicht ergeben; denn Klagen darüber, daß die 
Vertriebenen- und Flüchtlingsorganisationen die 
ihnen in § 95 eingeräumte Beratungsbefugnis miß- 
braucht haben, sind uns glücklicherweise noch nicht 
zugegangen. 


Ich rufe die Frage des Herrn Abgeordneten Metz- 
ger aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers 
für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf: 

Ist die Bundesregierung bereit, das von dem deutschen Arzt 
Dr. Theodor Binder geleitete Amazonas-Hospital in Pucallpa 
(Peru) aus Mitteln der EntwidUungshilfe zu unterstützen? 

Ich darf bitten, Herr Bundesminister. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Schmidt (Kempten). 

Schmidt (Kempten) (FDP): Herr Staatssekretär, 
ist Ihnen bekannt, daß auf Grund des Nichtvorhan- 
denseins dieser generellen Regelung die Vertre- 
tungsbefugnis sehr unterschiedlich gehandhabt wird 
und dadurch gewisse Vertretungsorganisationen in 
Schwierigkeiten kommen? 

Dr. Nahm, Staatssekretär im Bundesministerium 
für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte: 
Nein, solche Vorgänge sind uns nicht bekannt. Aber 
ich will es näher umschreiben. Es ist nicht bekannt, 
daß sie in der Beratungsfunktion gehemmt wurden. 
Daß sie in Vertretungsfunktionen nicht zugelassen 
wurden, ist bekannt. Das ist aber durch eine Rechts- 
verordnung nicht zu heilen. 


Scheel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu- 
sammenarbeit: Die Bundesregierung hat bereits im 
Jahre 1962 erwogen, das von Dr. Binder geleitete 
Amazonas-Hospital bei Pucallpa in Peru und auch 
eventuelle Ergänzungsprojekte, die der Schaffung 
von Arbeitsplätzen für die indianische Bevölkerung 
der Uingegend dienen könnten, im Rahmen ihrer 
technischen Hilfe zu fördern. Damals hat die Bundes- 
regierung Entwicklungshilfe grundsätzlich nur auf 
Antrag der Regierung des jeweiligen Entwicklungs- 
landes gewährt. Ein entsprechender Antrag der 
peruanischen Regierung lag nicht vor, so daß im 
Jahre 1962 eine solche Förderung noch nicht erfol- 
gen konnte. 1963 haben wir eine Änderung des Ver- 
fahrens durchgeführt, durch die es ermöglicht wird, 
im Rahmen der technischen Hilfe auch Projekte zu 
fördern, die von deutschen Trägern durchgeführt 
werden. 



5954 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Bundesminister Scheel 

Herrn Dr. Binder wurde anläßlich seines Europa- 
besuches im Herbst 1963 erklärt, daß der Verein 
Deutsche Hilfe für das Amazonas-Hospital Albert 
Schweitzer e. V. in Hamburg als privater deutscher 
Träger einen Antrag auf Förderung des Hospitals 
und eines landwirtschaftlichen Ergänzungsprojektes 
stellen könnte. Ein Antrag des Vereins Deutsche 
Hilfe für das Amazonas-Hospital Albert Schweitzer 
e. V. Hamburg ist bis heute bei den zuständigen 
Ressorts noch nicht eingegangen. Dem Gesundheits- 
ministerium liegt lediglich ein Antrag der Albert- 
Schweitzer-Gesellschaft für internationale Hilfsbe- 
reitschaft Dortmund vor, die Entsendung eines 
Arztes und einer medizinisch-technischen Assistentin 
an das Amazonas-Hospital zu finanzieren. Die Bun- 
desregierung wird diesen Antrag und die möglicher- 
weise über Hamburg noch einlaufenden Anträge 
wohlwollend prüfen. 

Vizepräsident Dr, Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Metzger. 

Metzger (SPD) : Heißt „wohlwollend prüfen", daß, 
wenn ein Antrag vorliegt, dann tatsächlich auch ge- 
holfen wird? 

Scheelr Bundesminister für wirtschaftliche Zu- 
sammenarbeit: Wenn die Voraussetzungen gegeben 
sind, sicher! 

Metzger (SPD); Darf ich fragen, welche Voraus- 
Setzungen gegeben sein müssen. 

Scheelr Bundesminister für wirtschaftliche Zu- 
sammenarbeit: Das werden die einzelnen Fachmini- 
sterien bei der Prüfung der Anträge feststellen müs- 
sen; so werden z. B. die Feststellungen bei der Prü- 
fung des Antrages auf Entsendung von Ärzten und 
medizinisch-technischem Personal vom Gesundheits- 
miniisterium getroffen werden müssen. 

Vizepräsident Dr, Jaeger: Wir kommen zu 
den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundes- 
ministers für Ernährung, Landwirtschaft und For- 
sten. Ich rufe die Fragen IX/ 1 bis IX/3 — des Herrn 
Abgeordneten Dr. Dichgans — auf: 

Ist die Bundesregierung bereit, dem Deutschen Bundestag eine 
Übersicht vorzulegen, aus der sich ergibt, welAe Getreide- 
mengen von den Erzeuger- und Verbraucherländern der Welt 
aus- bzw. eingeführt werden? 

Zu welchen Preisen werden die von Deutsdiland eingeführten 
Getreidemengen zur Zeit am Weltmarkt gekauft, und welche 
Verteuerung ergibt sich durch die sogenannte Abschöpfung? 

Wie beantwortet sich die Frage IX/2 für die übrigen Länder 
der EWG? 

Der Fragesteller hat sich mit schriftlicher Beant- 
wortung einverstanden erklärt. Die Antwort des 
Herrn Bundesministers Schwarz vom 27. April 1964 
lautet: 

Zu 1. 

Um die sich aus den Erntesdiwankungen von Jahr zu Jahr 
ergebenden kurzfristigen Änderungen im Außenhandel mit Ge- 
treide weitgehend auszuschalten, sind aus den veröffentlichten 
Unterlagen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der 
Vereinten Nationen (FAO) 3 Jahresdurchschnitte für die Wirt- 
schaftsjahre (Juli — Juni) 1960/61 — 1962/63 gebildet worden. Die 
anliegende Tabelle *) enthält die Angaben über Ausfuhren, 

•) Siehe Anlage 2 


Einfuhren sowie den Ausfuhr- und Einfuhrüberschuß für diesen (C) 
Zeitraum einmal für Getreide insgesamt (Weizen und -mehl in 
Weizenwert, Roggen, Gerste, Hafer, Mais, Sorghum und Millet 
zusammen) sowie für Weizen und -mehl gesondert. Die Angabe© 
für die Länder des sino-sowjetisdien Blocks enthalten nicht die 
Angaben für den Außenhandel innerhalb dieses Blocks. Die An- 
gaben für diese Länder beziehen sich lediglich auf den Außen- 
handel mit der übrigen Welt und sind abgeleitet aus den An- 
gaben der übrigen Länder über Ausfuhren nach bzw. Einfuhren 
aus diesem Block. 

Zu 2. u. 3. 

In Durchführung der EWG-Marktordnung für Getreide ermittelt 
die Kommission der EWG anhand der Notierungen im allgemei- 
nen täglich die für die einzelnen Mitgliedsländer gültigen cif- 
Preise für die der Abschöpfungsregelung unterliegenden Ge- 
treidearten und Getreideerzeugnisse für Einfuhren aus Drittlän- 
dern. Dabei werden an Hand von vereinbarten Koeffizienten die 
Notierungen für einzelne Qualitäten auf den europäischen Quali- 
tätsstandard umgerechnet. Der bei dieser Regelung sich erge- 
bende niedrigste cif-Preis in europäischer Standardqualität wird 
von der Kommission der EWG je Erzeugnis und Mitgliedsland 
als der für die Berechnung der Abschöpfung maßgebende cif- 
Preis festgesetzt und laufend veröffentlicht. 

Im Rahmen der nationalen Regelungen der Getreidepreise 
werden ebenfalls sog. nationale Schwellenpreise (für europäische 
Qualität) an der nationalen Grenze festgesetzt. Sie erhöhen sich 
im Laufe des Wirtschaftsjahres durch die monatlichen Zuschläge 
(Reports). Die Differenz zwischen dem jeweiligen cif-Preis je 
Mitgliedsland und Schwellenpreis stellt die Abschöpfung gegen- 
über Drittländern dar. Die beiliegende Tabelle zeigt für alle 
Mitgliedsländer der EWG für Weichweizen, Roggen, Gerste und 
Mais als den wichtigsten Getreidearten Schwellenpreise, cif- 
Preise und Abschöpfungen für den Anfang des laufenden Wirt- 
schaftsjahres 1963/64 sowie für die beiden letzten verfügbaren 
Monate Januar und Februar 1964. 

Idi rufe die Frage IX/4 — des Herrn Abgeord- 
neten Wäditer — auf: 

Welche Vorstellung hat die Bundesregierung über die Höhe 
des deutschen Orientierungspreises für Schlachtrinder? 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten; Nach der EWG-Rindfleisch- 
verordnung, die vom Ministerrat am 5. Februar 
1964 beschlossen worden ist, können die Mitglied- 
staaten für das Wirtschaftsjahr 1964/65 den Orien- 
tierungspreis für Großvieh innerhalb der vom Rat 
festgelegten Unter- und Obergrenze, und zwar zwi- 
schen 205 und 235 DM je 100 kg Lebendgewicht, 
festsetzen. Für die Festsetzung dieser Unter- und 
Obergrenzen werden die in den einzelnen Mit- 
gliedstaaten im Referenzzeitraum vom 1. November 
1962 bis zum 31. Oktober 1963 auf den Referenz- 
märkten gezahlten Preise zugrunde gelegt und da- 
bei die günstigen Aussichten für die Erzeugung und 
den Verbrauch von Rindfleisch in der Gemeinschaft 
berücksichtigt. Der Referenzpreis der Bundesrepu- 
blik betrug 212 DM und konnte auf 218 DM je 
100 kg Lebendgewicht verbessert werden, um den 
Auswirkungen der außergewöhnlichen Trockenheit 
im Herbst 1962 Rechnung zu tragen. Der Orientie- 
rungspreis ist für den Beginn und die Höhe der Ab- 
schöpfung gegenüber Drittländern sowie den Beginn 
der Intervention und der Abschöpfung bei Einfuhren 
aus Mitgliedstaaten von besonderer Bedeutung. Da- 
her wird der Orientierungspreis unter Berücksich- 
tigung seiner besonderen politischen Bedeutung vom 
Bundeskabinett bestimmt. Die hierfür notwendige 
Vorlage wird in den nächsten Tagen fertiggestellt. 

Es ist mir daher leider nicht möglich, zu der Höhe 
des Orientierungspreises Einzelheiten bekanntzu- 
geben. 

Vizepräsident Dr, Jaeger: Eine Zusatzfrage 
des Herrn Abgeordneten Wächter. 

Wächter (FDP): Darf ich annehmen, daß Sie, Herr 
Minister, darüber unterrichtet sind, daß der Durch- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5955 


Wächter 

sdinittsmarktpreis auf den bekannten zwölf Märkten 
seit Anfang dieses Jahres 2,44 DM beträgt? Nach 
dem neuesten Bonner „On dit" sollen einzelne Res- 
sorts für einen Orientierungspreis von 2,20 DM ein- 
treten. Wenn das Wirklichkeit würde, müßten die 
Preise gegenüber den zur Zeit gültigen zunächst um 
2 DM auf 2,20 DM minus 4 Vo rückläufig sein, bevor 
die Einfuhr- und Vorratsstelle intervenieren kann. 
Damit hätten wir praktisch ein Preisniveau erreicht, 
das sich dem des Jahres 1962 bedenklich nähert. 
Sind Sie nun, Herr Minister, mit mir der Meinung, 
daß es insbesondere im Interesse der Betriebe, die 
auf den Absatz ihrer Schlachtrinder während der 
Weideabtriebszeit angewiesen sind — ich denke 
insbesondere an die der niedersächsischen und der 
schleswig-holsteinischen Küste und darüber hinaus 
auch an die der ausgesprochenen Gründlandbezirke 
Bayerns ■ — 

(Abg. Dr. Schäfer: Ist das eine Frage oder 
eine Rede?) 

besser wäre, wenn der Orientierungspreis auf die 
äußerste obere Grenze von 2,35 gesetzt würde? 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Herr Kollege, ich kann 
Ihnen im Augenblick keine Zahlen nennen. Das ist 
eine Angelegenheit des Kabinetts. Ich kann Ihnen 
nur folgendes sagen: die Vorstellungen meines 
Hauses liegen weit über der Zahl, die Sie zunächst 
nannten, nämlich 220. Wir werden sehen, wie wir 
endgültig abkommen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter 
Wächter, eine zweite Zusatzfrage. Aber es muß 
eine Frage sein. 

Wächter (FDP): Eine zweite Zusatzfrage, Herr 
Präsident. 

Sehen Sie, Herr Minister, während der Weideab- 
triebszeit Chancen einer Ausfuhr von Schlachtrin- 
dern in die übrigen EWG-Länder und in Drittländer? 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr. Ich rufe 
auch Frage IX/6 — des Abgeordneten Krug — auf: 

Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, 
wenn der Erzeugermilchpreis in den Käsereigebieten nach einem 
eventuellen Wegfall der KäsereimilchsonderstUtzung trotz der 
Europäischen Marktordnung spürbar unter den Butterei-Werk- 
milchpreis absinken sollte und damit die wirtschaftliche Lage der 
Landwirte in den ausgesprochenen Käsereigebieten, die auf 
Grund der vorliegenden Verhältnisse die Produktion nicht um- 
stellen können, sich noch mehr verschlechtern würde? 


SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Das einzelstaatliche Aus- 
gleichssystem ist von der EWG-Verordnung für 
Milcherzeugnisse grundsätzlich unberührt geblie- 
ben. Bei der Käsereimilchsonderstützung wird je- 
doch ein Abbau vorgenommen und über eine Er- 
höhung der Schwellenpreise bei Käse wieder aus- 
geglichen. Der Abbau bezieht sich jährlich auf 1/7 
der Differenz zwischen den derzeitigen Käseerlösen 
und der für das Milch Wirtschaftsjahr 1964/65 fest- 
gelegten unteren Grenze der Richtpreisschere 
(31,8 Dpf. je kg). Da bei dem erheblichen Marktan- 
teil der Käseeinfuhr eine Erhöhung des Schwellen- 
preises auch zu einer Anhebung der Markterlöse 
führen dürfte, wird sich die Verwertungsdifferenz 
zwischen der Butter- und der Käseverwertung ent- 
sprechend verringern. Es ist kaum anzunehmen, daß 
die damit verbundene geringfügige Preiserhöhung 
vom Verbraucher nicht getragen wird. Eine der- 
artige Verringerung der Differenz zwischen der But- 
ter- und Käseverwertung würde auch nach den 
Grundsätzen des § 12 des Milch- und Fettgesetzes 
zu einer entsprechenden Senkung der Käsereimilch- 
sonderstützung führen. Von einem Wegfall der 
Käsereimilchsonderstützung ohne entsprechende 
Mehreinnahmen aus Markterlösen kann also nicht 
ausgegangen werden. Nach dem System der EWG- 
Regelung ist nicht zu erwarten, daß die Käserei- 
milchverwertung spürbar unter die Butterverwer- 
tung absinkt. Sollte dies aus heute nicht überseh- 
baren Gründen trotzdem der Fall sein, so wird die 
Bundesregierung zu gegebener Zeit prüfen, welche 
Maßnahmen zu ergreifen sind. 


(D) 


SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Ausfuhrchancen werden sich 
nach den Möglichkeiten richten, die wir in der Zu- 
kunft durch die entsprechenden Regelungen an die 
Hand bekommen. Es sind zum mindesten auch 
außerhalb der EWG-Mitgliedländer Ausfuhr chancen 
vorhanden. Sollte die derzeitige Knappheit an Rin- 
dern bestehenbleiben — und das ist anzunehmen — , 
so werden, glaube ich, Absatzmöglichkeiten gege- 
ben sein. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur 
Frage IX/5 — des Abgeordneten Krug — : 

Ich frage die Bundesregierung, ob nach dem Inkrafttreten der 
Europäischen Mildimarktordnung die Käsereimildisondersttitzung 
auch dann ganz oder teilweise entfällt, wenn die Angleichung 
der Werkmildipreise in der Käserei an die Ergebnisse der 
Buttereiwirtschaft vom Markt her nicht möglich ist, wie dies ja 
nach der Sachlage zu befürchten ist. 

Herr Bundesminister, bitte. 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Herr Präsident, ich darf mir 
erlauben, beide Fragen gemeinsam zu beantworten. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage! 

Schmidt (Kempten) (FDP) : Herr Minister, darf ich 
Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie keine Gefahren 
für die Erzeuger von Käsereimilch in bezug auf 
ihre Einkommensituation für die Zukunft bis 1970 
und nach 1970 sehen? 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Ich sehe insoweit keine 
Schwierigkeiten, Herr Kollege, als die Differenz, die 
heute zwischen den Erlösen aus Butter und aus 
Käse vorliegt, durch Marktmehrerlöse ausgeglichen 
wird. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage. 

Schmidt (Kempten) (FDP): Herr Minister, sehen 
Sie gegebenenfalls eine Möglichkeit, doch auftre- 
tende Einkommensverluste und -rückgänge auf 
irgendeine Art und Weise im Rahmen der Richt- 
linien abzufangen? 



5956 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


^ ^ Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Herr Kollege, ich glaube, 
es ist im Augenblick müßig, darüber zu sprechen, 
was man tun wird, wenn der Fall eintritt, von dem 
Sie sprechen. Wir müssen die Gründe kennen, aus 
denen eine solche Situation entsteht, um dann nach 
Möglichkeiten zu suchen auszugleidien. Selbstver- 
ständlich bin ich bereit, die Zusage zu geben, daß 
wir alles tun werden, um auszugleichen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur 
Frage IX/7 — des Abgeordneten Ramms — : 

Ist die Bundesregierung bereit, die Traktatbauern, die ihre 
Grundstücke in Holland durch den Verkauf des Beheersinstituts 
verloren haben, aus fiskalischen Grundstücken oder in Zusam- 
menarbeit mit dem Land NRW aus Grundstücken des rheinischen 
Heimes so zu entschädigen, daß die Höfe wieder rentabel be- 
wirtschaftet werden können? 

Herr Minister, bitte! 

Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Die durch den Entzug der 
sogenannten Traktatländereien Geschädigten sollen 
nach dem dem Bundestag vorliegenden Regierungs- 
entwurf eines Reparationsschädengesetzes entschä- 
digt werden. In diesem Gesetzentwurf ist eine Ent- 
schädigung in Geld nach den Grundsätzen des 
Lastenausgleichs vorgesehen. Im Interesse der 
Gleichbehandlung aller unter dieses Gesetz fallen- 
den Geschädigten hält die Bundesregierung eine 
Entschädigung der Traktatbauern in Grundstücken 
nicht für möglich. 

Im übrigen darf ich auf meine Antwort zu der 
(®) Kleinen Anfrage vom 18. März 1963 — Bundestags- 
drucksache IV/ 1078 — hinweisen, in der ich dar- 
gelegt habe, daß die Betroffenen vorläufig zur 
Milderung von Härten unter bestimmten Voraus- 
setzungen Darlehen nach den Richtlinien über die 
Gewährung von Darlehen an Reparations-, Restitu- 
tions- und Rückerstattungsgeschädigte vom 4. Juni 
1960 in der erweiterten Fassung vom 30. April 1962 
erhalten können. Außerdem stehen im Grünen Plan 
erhebliche Mittel bereit, aus denen zinsgünstige Dar- 
lehen zum Ankauf von Ersatzland gewährt werden 
können. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage. 

Ramms (FDP): Herr Minister, sind Sie nicht mit 
mir der Meinung, daß diese Landenteignung nicht 
allein durch Geld wiedergutgemacht werden kann, 
da dadurch die Betriebe nicht rentabel werden? 

Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Herr Kollege, ich bin durch- 
aus der Auffassung, daß dem so ist. Wir können je- 
doch aus grundsätzlichen Erwägungen keine Aus- 
nahme von der Entschädigung in Geld machen, weil 
diese Frage in das gesamte Gebiet der Reparationen 
fällt und hier nicht besondere Regelungen für diesen 
Zweck getroffen werden können. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter. 


Ramms (FDP) : Herr Minister, sehen Sie auch 
keine Chance, durch den Kauf von holländischen 
Traktatgebieten, die auf deutschem Boden liegen, 
einen Ausgleich vornehmen zu können? 

Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Ich bin nicht in der Lage, 
Ihnen die Möglichkeiten im Augenblick aufzuzeigen, 
die hier gegeben sind. Sie sind aber geprüft worden, 
und es scheint mir so zu sein, daß ich diese Frage 
mit Nein beantworten muß. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich komme zur 
Frage IX/8 — des Abgeordneten Logemann — : 

War eine in Brüssel beschlossene eigene Abschöpfung für 
Schweineschwänze zur Ergänzung der Agrarmarktordnung für 
Schweinefleisch notwendig? 

Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Zur Frage des Herrn Kolle- 
gen Logemann: Seit der Einführung der EWG-Markt- 
ordnung für Schweinefleisch am 30. Juli 1962 unter- 
liegt auch der Schlachtabfall von Schweinen, d. h, 
auch der Schwänze und Ohren, der Abschöpfungs- 
regelung. Durch die Verordnung Nr. 34/64 des EWG- 
Ministerrats vom 25. März 1964, die Ihrer Anfrage, 
Herr Kollege, vermutlich zugrunde liegt, sind ledig- 
lich Klarstellungen zu einigen Positionen des Waren- 
verzeichnisses erfolgt, die sich aus den bisher ge- 
sammelten Erfahrungen ergeben haben. 

Bezüglich der Schwänze von Hausschweinen ist 
bestimmt worden, daß diese nicht mehr dem Ab- 
schöpfungssatz für „anderen Schlachtabfall", sondern 
einem noch niedrigeren Satz unterliegen sollen. Oh- 
ren von Hausschweinen sind zur Zeit im Warenver- 
zeichnis nicht besonders genannt und fallen deshalb 
unter den Abschöpfungssatz für anderen Schlacht- 
abfall. 

Mir ist bisher eine Absicht zur Änderung der 
abschöpfungstechni sehen Behandlung nicht bekannt- 
geworden. Sollte jedoch zu einem späteren Zeit- 
punkt ein Bedürfnis für eine Änderung des Waren- 
verzeichnisses auftreten, wird sich die Bundesregie- 
rung einer sachlich begründeten Änderung nicht ent- 
gegenstellen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Keine Zusatzfrage, 

Ich rufe auf die Frage IX/9 — des Abgeordneten 
Logemann — : 

Wird die Bundesregierung zustimmen, wenn in Brüssel ver- 
sucht werden sollte, die Perfektion der EWG-Agrarmarktord- 
nungen durch eine spezifische Abschöpfung für Schweinsohren 
noch weiter zu steigern? 

Bitte, Herr Minister! 

Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Erstens. Die Bundesregie- 
rung hat im Ministerrat allgemein und in beson- 
deren Einzelfällen den Abbau bestehender Wett- 
bewerbsverzerrungen mehrfach nachdrücklich gefor- 
dert, Einige dieser Verzerrungen sind inzwischen 
beseitigt worden. An die Bestimmungen über den 
schrittweisen Abbau der innergemeinschaftlichen 
Abschöpfungsbeträge bei Schweinefleisch, Eiern und 
Geflügel sind alle Mitgliedstaaten gebunden. Durch 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5957 


Bundesminister Schwarz 

diese Regelung sollen sämtliche Grenzbelastungen 
im Handelsverkehr der Mitgliedstaaten unterein- 
ander bis zum Ende der Übergangszeit beseitigt 
werden. Wollte man bei Schweinefleisch, Eiern und 
” Geflügel den allmählichen Abbau des Abschöpfungs- 
betrages unterbrechen oder die Abschöpfungshöhe 
vermindern, so müßte der Abbau späterhin in be- 
schleunigtem Tempo nachgeholt werden. Es er- 
scheint fraglich, ob damit unserer eigenen Erzeu- 
gung ein Dienst erwiesen würde. 

Wenn keine gemeinsame Marktordnung bestünde 
und statt der Abschöpfung noch Zölle erhoben wür- 
den, müßten schließlich auch die Zölle nach den Be- 
stimmungen des EWG-Vertrages periodisch gesenkt 
werden. 

Zweitens. Gegen die neu eingeführten Export- 
subventionen und Transportbeihilfen anderer Mit- 
gliedstaaten im Bereich der Obst- und Gemüsewirt- 
schaft hat die Bundesregierung mit Erfolg prote- 
stiert. Auch hier sind in dem Bemühen um den Ab- 
bau der Wettbewerbsverzerrungen Fortschritte ge- 
macht worden. Insoweit ist die Bundesregierung 
dem Beschluß des Hohen Hauses vom 14. November 
1963 gefolgt. Die Bundesregierung ist sich jedoch 
bewußt, daß dieser Abbau zum Teil noch in den 
Anfängen steht. 

Ein besonders schwieriges Problem stellen schließ- 
lich die unterschiedlichen Steuer- und Soziallasten 
sowie die verschiedenen Sozialleistungen in den 
EWG-Mitgliedstaaten dar. Die Bundesregierung 
wird die Entwicklung mit besonderer Wachsamkeit 
(B) verfolgen und weiterhin darauf drängen, alle Wett- 
bewerbsbedingungen zu harmonisieren, die Einfluß 
auf die Produktionskosten der Landwirtschaft 
haben. 

Vizepräsident Dr« Jaeger: Ich rufe auf die 
Frage IX/10 — des Abgeordneten Logemann — : 

Weldie Schritte hat die Bundesregierung in Brüssel unter- 
nommen, um den einstimmig gefaßten Bundestagsbesdiluß zur 
EWG-Agrarpreispolitik entsprechend den Drucksachen IV/1258 
und IV/1611 zu realisieren? 

Bitte, Herr Bundesminister! 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Wir halten diesen Beschluß 
nicht in dem Sinne für realisierbar, wie Sie es viel- 
leicht wünschen, daß nämlich in einer kurzen Frist 
alle dort aufgeführten Forderungen erfüllt sein 
werden. Wir sind aber der Auffassung, daß ein 
stetes Drängen auf eine Harmonisierung zu einem 
Erfolg führen wird, und ich darf darauf hinweisen, 
daß z. B. in der Frage der Drittlanderstattung bei 
Geflügel ein ganz erheblicher Erfolg erzielt wurde 
und daß auch die Frachtsubventionen bei Obst und 
Gemüse in Italien und Frankreich aufgehoben 
wurden. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage 1 

Logemann (CDU/CSU): Herr Minister, ist nach 
Ihrer Auffassung eine automatische Senkung der 
innergemeinschaftlichen Abschöpfung angesichts der 


Entwicklung der Erzeugerpreise in der Bundes- 
republik für die in Frage kommenden deutschen 
Veredelungserzeugnisse tragbar? 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Das ist zweifellos eine 
Frage, Herr Kollege, die ihre Berechtigung hat; 
denn die Senkung um jeweils zwei Zehntel bringt 
ganz zweifellos eine nicht unerhebliche Belastung. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Ertl. 

Ertl (FDP): Herr Minister, halten Sie diese auto- 
matische Senkung zu einem Zeitpunkt, zu dem der 
Getreidepreis nicht harmonisiert ist, für notwendig? 

SchwarZr Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Herr Kollege Ertl, es geht 
leider nicht darum, ob ich diese Angelegenheit für 
gerechtfertigt oder für nicht gerechtfertigt halte, 
sondern hier liegt eine Verordnung vor, die fest- 
setzt, daß wir so zu verfahren haben. An dieser 
Tatsache ist nichts mehr zu ändern. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter. 

Ertl (FDP) : Herr Minister, sind Sie dann vielleicht 
mit mir der Auffassung, daß die Verordnung am 
Prinzip vorbeigeht, weil der Sinn der Abschöpfun- 
gen letzten Endes ist, daß wir einen Ausgleich für 
den unterschiedlichen Futtergetreidepreis haben? * ^ 

Schwarz, Bundesminister für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten: Herr Kollege Ertl, ich glaube, 
es ist müßig, darüber zu streiten, ob das, was ge- 
schehen ist, richtig oder falsch war. Es handelt sich 
hier um Belastungen, die nach einem gewissen 
Rhythmus beseitigt werden. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Keine Zusatzfrage 
mehr? — Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister. 

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäfts- 
bereich des Auswärtigen Amts. Zuerst die Frage 
IV/1 — des Herrn Abgeordneten Paul — : 

Weldie Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, 
um zu verhindern, daß deutsche Besucher aus der Bundesrepu- 
blik in der Tschechoslowakei verhaftet und an das Ulbricht- 
regime ausgeliefert werden? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich darf die Frage des Herrn Abgeordneten 
Paul wie folgt beantworten. 

Die Bundesregierung hat sich fortlaufend bemüht, 
die Öffentlichkeit über das Sicherheitsrisiko zu 
unterrichten, das insbesondere für Personen, die aus 
der SBZ geflüchtet sind, mit Reisen in osteuropäi- 
sche Staaten verbunden ist. 

In Beantwortung zahlreicher Einzelanfragen und 
auf Anfragen der Presse hat das Auswärtige Amt 
darauf hingewiesen, daß zwischen der SBZ und den 
osteuropäischen Staaten Auslieferungsvereinbarun- 



5958 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Staatssekretär Dr. Carstens 

(A) gen bestehen, so daß Zonenflüchtlinge damit recii- 
nen müssen, daß die Behörden dieser Staaten Aus- 
lieferungsersuchen der SBZ stattgeben. 

Das Auswärtige Amt hat dabei gleichzeitig aus- 
geführt, daß die Bundesrepublik Deutschland keine 
amtlichen Beziehungen zur Tschechoslowakei unter- 
hält und daß in der Tschechoslowakei auch keine 
Schutzmachtvertretung für deutsche Interessen be- 
steht, so daß in Schwierigkeiten geratenen deutschen 
Staatsangehörigen kein Rechtsschutz gewährt wer- 
den kann. Das gleiche gilt für die übrigen osteuro- 
päischen Länder. Auch das Bestehen konsularischer 
Beziehungen zur Sowjetunion und zu Jugoslawien 
bietet keine Garantie dafür, daß SBZ-Flüchtlinge in 
diesen Staaten vor einem Zugriff der dortigen Be- 
hörden und einer Auslieferung an die SBZ in jedem 
Falle bewahrt werden können. 

Es handelt sich also um ein Problem, das nicht 
die Tschechoslowakei allein, sondern alle osteuro- 
päischen Staaten betrifft. Durch die kürzlich von der 
Tschechoslowakei eingeführten Einreiseerleichte- 
rungen und den begreiflichen Wunsch vieler Deut- 
scher aus der Bundesrepublik Deutschland, sich dort 
eventuell mit ihren Angehörigen aus der Zone zu 
treffen, hat diese Frage allerdings in bezug auf die- 
ses Land besondere Aktualität gewonnen. Die Or- 
ganisationen und Verbände des Reiseverkehrs sind 
daher nochmals auf das Sicherheitsrisiko hingewie- 
sen worden, das sich für Zonenflüchtlinge bei Reisen 
in die Tschechoslowakei mit der SBZ ergibt. 

Aus Anlaß der kürzlich erfolgten Verhaftung eines 
deutschen Ehepaares und seiner Auslieferung durch 
(B) die tschechoslowakischen Behörden an die SBZ hat 
ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in der Bundes- 
pressekonferenz am 3. April 1964 nochmals aus- 
führlich zu dieser Frage Stellung genommen. Diese 
Ausführungen haben ein breites Echo 

(Zurufe: Mikrofon versagt!) 

— Ich glaube, ich bin in der Lage, mich ohne Mikro- 
fon verständlich zu machen. 

(Zurufe.) 

— Darf ich den Versuch machen, Herr Abgeordneter, 
ohne Mikrofon weiter zu sprechen. 

Diese Ausführungen haben ein breites Echo in 
der deutschen Presse gefunden. Ich glaube daher, 
daß man grundsätzlich davon ausgehen kann, daß 
die deutsche Öffentlichkeit über diese Frage unter- 
richtet worden ist. Wir werden jedoch unser Be- 
mühen in dieser Richtung weiter fortsetzen. 

Vizepräsident Dn Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Paul. 

Paul (SPD): Herr Staatssekretär, .... 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter 
Paul, ich möchte Sie bitten, nach vorn zu kommen. 
Die Mikrofone sind ausgefallen. Wir müssen uns 
also behelfen. Sollten Sie nicht verstehen, meine 
Damen und Herren, bitte ich Sie, sich in die vorde- 
ren Plätze zu setzen, 


Paul (SPD): Herr Staatssekretär, sind Sie nicht ^ ^ 
der Meinung, daß hier ein Zustand der Rechtsun- 
sicherheit großen Ausmaßes besteht und daß man 
auf die Dauer nicht zugeben kann, daß Deutsche — 
es handelt sich ja um Deutsche, nicht nur SBZ-Deut- 
sche, sondern Deutsche schlechthin — in einem 
Nachbarstaat verhaftet werden und man ihnen sehr 
willkürlicher Weise unterschiebt, sie hätten Spio- 
nage begangen? Mit diesem Problem sollte man 
sich, so meine ich, doch ernsthaft auseinandersetzen. 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich teile Ihre Sorge, und ich teile auch Ihre 
Auffassung, Herr Abgeordneter. Ich muß nur pflicht- 
gemäß darauf hinweisen, welche Schwierigkeiten 
und welche Grenzen unseren Bemühungen bei der 
Verwirklichung unserer Ziele gesetzt sind. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage 
des Herrn Abgeordneten Czaja. 

Dr. Czaja (CDU/CSU): Ist unter diesen Umstän- 
den überhaupt ein Touristenverkehr in diese Staa- 
ten empfehlenswert? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß die Bun- 
desregierung keine Veranlassung hat, generelle 
Empfehlungen dieser Art abzugeben. Man muß zu- 
geben, daß angesichts der derzeitigen Verhältnisse 
in der Tschechoslowakei eine Möglichkeit für eine 
Begegnung zwischen Deutschen, die in der Bundes- 
republik Deutschland wohnen, und Deutschen, die 
in der SBZ wohnen, besteht, wie sie an anderer 
Stelle zur Zeit leider nicht gegeben ist. Infolgedes- 
sen möchte ich davon absehen, eine generelle Emp- 
fehlung etwa gegen die Ausführung solcher Reisen 
abzugeben. Aber es muß, glaube ich, immer wieder 
mit Nachdruck hingewiesen werden auf die Gefah- 
ren und Risiken, die mit der Ausführung solcher 
Reisen, insbesondere für diejenigen Deutschen ver- 
bunden sind, die aus der Zone geflüchtet und dann 
in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sind. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur 
Frage IV/2 ^ — des Herrn Abgeordneten Kahn-Acker- 
mann — : 

Ist der Bundesregierung bekannt, daß zahlreiche Eltern 
deutscher Kinder sowohl in Europa wie in Lateinamerika wegen 
des hohen Schulgeldes ihre Kinder nicht auf eine deutsche 
Auslandssdiule schicken können? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Die dem Auswärtigen Amt für die Förderung 
der deutschen Auslandsschulen zur Verfügung ste- 
henden Mittel reichen nicht aus, um an diesen Schu- 
len wie im innerdeutschen Schulwesen auf die Er- 
hebung von Schulgeld zu verzichten. Auch ist das 
Auswärtige Amt durch die Bundesrichtlinien zur 
Reichshaushaltsordnung gehalten, bei der Gewäh- 
rung von Zuwendungen aus Mitteln des Bundes- 
haushalts darauf zu achten, daß von den Einnahme- 
möglichkeiten der geförderten Schulen in angemes- 
sener Weise Gebrauch gemacht wird, 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5959 


Staatssekretär Dr. Carstens 

Die Höhe der Schulgelder hält sich, insbesondere 
in Europa, im allgemeinen in durchaus zumutbarem 
Rahmen. Sie liegen zumeist nicht unwesentlich unter 
denjenigen anderer ausländischer Schulen in dem 
betreffenden Gastland. Die monatlichen Schulgelder 
bewegen sich in Europa für das erste Kind in der 
Regel zwischen 20 und 35 DM. Je nach Kinderzahl 
gestaffelte Geschwisterermäßigung ist vorgesehen. 
In außereuropäischen Schulen, z. B. in Latein- 
amerika, mit fast durchweg wesentlich niedrigerem 
deutschen Schüleranteil sind die Sätze höher. In 
allen Schulen wird Schulgeldermäßigung aus so- 
zialen Gründen gewährt. 

Das Auswärtige Amt prüft indessen gegenwärtig, 
auf welche Weise es seine Förderungsmaßnahmen, 
vor allem in einigen südamerikanischen Ländern, 
im Rahmen seiner finanziellen Möglichkeiten auf 
eine Vermehrung der ganzen oder teilweisen Frei- 
stellen für die Kinder sozial schwächerer — deut- 
scher wie nichtdeutscher — Eltern abstellen kann. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Kahn- Ackermann! 

Kahn-Ackermann {SPD): Herr Staatssekretär, 
ist Ihnen bekannt, daß in einigen europäischen 
Städten, beispielsweise in Rom, die Schulgelder er- 
heblich über den von Ihnen genannten Sätzen liegen 
und daß sie noch dadurch erhöht werden, daß die 
Eltern für die nicht unbeträchtlichen Kosten der Zu- 
fahrt ihrer Kinder von ihrem Wohnhaus zur Schule 
jgj und zurück aufkommen müssen, Kosten, die in der 
' Regel ein Vielfaches des von Ihnen genannten Be- 
trages erreichen? 

Dr. Carstensr Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Es tut mir leid, Herr Abgeordneter, mir ist 
die Tatsache, daß in Rom wesentlich höhere Schul- 
geldsätze erhoben werden, nicht bekannt. Ich werde 
dieser Frage nachgehen. Naturgemäß ergeben sich 
zusätzliche Kosten aus dem Transport der Kinder 
zur Schule. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Kahn-Ackermann. 

Kahn-Ackermann (SPD): Herr Staatssekretär, 
sind Sie nicht der Auffassung, daß die — meiner 
Meinung nach etwas unzulänglichen — Kenntnisse 
der Bundesregierung über die tatsächlichen Verhält- 
nisse an unseren Auslandsschulen mit darauf zu- 
rückzuführen sind, daß die Schulabteilung im Aus- 
wärtigen Amt seit vielen Jahren — gemessen an 
der Zahl der zu betreuenden Schulen — völlig un- 
zulänglich besetzt ist? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Herr Abgeordneter, ich möchte zunächst ver- 
meiden, daß der Eindruck einer kausalen Beziehung 
zwischen der Größe der Schulabteilung und meiner 
Unkenntnis über Schulgelder in Rom entsteht. Ich 
bin überzeugt, daß die Schulabteilung des Auswär- 
tigen Amts genaue Auskünfte darüber geben 
könnte; bloß ich kann es leider im Augenblick nicht. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Noch eine Zusatz- 
frage? 

Strohmayr (SPD): Herr Staatssekretär, glauben 
Sie nicht, daß es zweckmäßig wäre, in dieser Sache 
eine Regelung zu treffen, damit nicht, wie es bis 
jetzt der Fall ist, wegen der hohen Schulgeldkosten 
in Auslandsschulen Kinder deutscher Eltern in ver- 
hältnismäßig minderwertige Landesschulen gehen 
und damit der deutschen Sprache und auch der 
deutschen Kultur verlorengehen? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich glaube, Herr Abgeordneter, daß der ge- 
genwärtige Zustand durch gezielte Maßnahmen ver- 
bessert werden kann, und darum bemühen wir uns. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Noch eine Zusatz- 
frage? — Herr Abgeordneter Huys. 

Dr.Huys (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, welche 
Konsequenzen hat man denn aus der Debatte über 
die Kultur im Ausland hinsichtlich der auslands- 
deutschen Schulen gezogen? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich möchte darauf, Herr Abgeordneter, zu 
einem späteren Zeitpunkt antworten. Ich bin auf 
die Frage nicht vorbereitet. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich glaube nicht, 
daß man diese Frage noch als Zusatzfrage betrach- 
ten kann. 

Wir kommen zu Frage IV/3 — des Herrn Abge- 
ordneten Kahn- Ackermann — : 

Trifft es zu, daß der von zahlreichen amerikanischen Insti- 
tutionen und Universitäten gegenwärtig zu Vortragsreisen ein- 
geladene Historiker Professor Fischer vom Auswärtigen Amt 
daran gehindert wurde, im Goethe-Institut in Washington einen 
Vortrag zu halten, obwohl er auf Anregung der Deutschen 
Botschaft dazu aufgefordert worden war? 

Bitte, Herr Staatssekretär. 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Die Antwort auf die gestellte Frage, ob Herr 
Professor Fischer durch das Auswärtige Amt daran 
gehindert wurde, im Goethe-Institut in Washington 
einen Vortrag zu halten, lautet: Nein. 

Es gibt in Washington weder ein Goethe-Institut 
noch ein anderes deutsches Kulturinstitut. Professor 
Fischer sollte an amerikanischen Universitäten spre- 
chen. Er hält sich gegenwärtig auf Einladung des 
American Council of Learned Societies zu diesem 
Zweck in den Vereinigten Staaten auf. Auf Ver- 
anlassung der deutschen Botschaft in Washington 
wollte ursprünglich das Goethe-Institut in München 
diese Vortragsreise finanzieren. Da jedoch die dem 
Goethe-Institut zur Verfügung stehenden Mittel nur 
für Vortragsreisen an deutschen Kulturinstituten im 
Ausland verwendet werden können, mußte das 
Goethe-Institut von der Finanzierung dieser Reise 
zurücktreten. 

Die Mittel, die dem Auswärtigen Amt für die För- 
derung von Vortragsreisen wie der von Professor 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5960 

Staatssekretär Dr. Carstens 

Fischer in Aussicht genommenen zur Verfügung 
stehen, sind infolge der in diesem Jahr vorgenom- 
menen Kürzung des Kulturhaushalts so knapp ge- 
worden, daß in diesem Jahr leider nicht die Möglich- 
keit besteht, den in Frage kommenden Betrag bereit- 
zustellen. Ich hoffe, daß dies im nächsten Jahr mög- 
lich sein wird. 

Für den Fall, daß Professor Fischer eine solche 
Reise zu einem späteren Zeitpunkt durchführen 
will, ist er gebeten worden, sich möglichst frühzeitig 
mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung zu setzen, 
das dann wie üblich die Deutsche Forschungs- 
gemeinschaft um eine gutachtliche Stellungnahm-e 
bitten wird. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage 
des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann. 

Kahn- Ackermann (SPD): Herr Staatssekretär, 
täusche ich mich, wenn ich mich erinnere, daß Ihr 
Kollege, Herr Lahr, in einer Sitzung des Kultur- 
politischen Ausschusses, in der wir über dieselbe 
Frage gesprochen haben, angegeben hat, daß zwar 
die Mittel — wie auch Sie sagten — knapp seien, 
daß aber ein bißchen wohl auch die Tatsache eine 
Rolle gespielt habe, daß die historischen Ansichten, 
die Herr Professor Fischer vertrete, nicht dazu Anlaß 
gegeben hätten, gerade eine Reise zu unterstützen, 
bei der Ansichten vertreten würden, die, wie er 
meinte, vielleicht nicht ganz im deutschen Interesse 
lägen? 

(B) 

Dr. CarstenSr Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Derartige Erwägungen haben keine Rolle ge- 
spielt, Herr Abgeordneter. Wohl aber hat eine 
Rolle gespielt — ich möchte das noch einmal unter- 
streichen — , daß das Goethe-Institut die Reise 
finanzieren wollte, ohne daß die Mittel des Goethe- 
Instituts für eine Finanzierung dieser Reise in Be- 
tracht kamen. Es kam also nur eine Finanzierung 
dieser Reise aus den allgemeinen Mitteln des Aus- 
wärtigen Amts in Frage, und die sind für das lau- 
fende Jahr beträchtlich gekürzt worden; ein entspre- 
chender Betrag stand nicht zur Verfügung. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage des Herrn Abgeordneten Kahn-Ackermann. 

Kahn- Ackermann (SPD): Herr Staatssekretär, 
ist Ihnen bekannt, daß das Goethe-Institut immer 
dann, wenn ihm eine Sache politisch nicht ganz paßt, 
erklärt, es stünden keine Mittel zur Verfügung — 
das trifft auch auf viele andere Bereiche zu — , und 
daß dann in einem köstlichen Schaukelspiel zwischen 
dem Goethe-Institut und dem Auswärtigen Amt die 
Verantwortlichkeit für die Knappheit und die Nicht- 
zuweisung von Mitteln sozusagen hin- und her- 
geschoben wird? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Das ist mir nicht bekannt, Herr Abgeordneter, 
und das hat im gegenwärtigen Fall auch gar keine 
Rolle gespielt. Das Goethe-Institut hat Mittel, aber 
es hat keine Mittel für den hier in Aussicht genom- 


menen Zweck. Die Mittel dafür konnte nur das Aus- 
wärtige Amt zur Verfügung stellen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Sänger! 

Sänger (SPD): Herr Staatssekretär, sind auch 
andere Vortragsreisen aus diesem Grunde abgesagt 
worden? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Es sind Reisen, die seit längerer Zeit geplant 
waren, durchgeführt und nicht abgesagt worden. 
Hier trat ja ein zusätzliches Projekt plötzlich auf. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Sänger! 

Sänger (SPD) : Herr Staatssekretär, ist bei diesem 
besonderen Fall und unter diesen besonderen Um- 
ständen auch in Erwägung gezoigen worden, welche 
sehr unangenehmen Wirkungen diese plötzliche 
Rückberufung ausgerechnet ides Hamburger Histo- 
rikers Fischer — Sie kennen das Buch — im Ausland 
hervorrufen mußte? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Herr Abgeordneter, bei der Entscheidung, die 
wir -getroffen haben, sind alle in Betracht kommen- 
den Erwägungen angestellt worden. Herr Professor 
Fischer ist gereist, wie ich eingangs dargelegt habe. 

Er hält seine Vorträge. Nur wird diese Vortragsreise (D) 
nicht mit deutschen öffentlichen Mitteln finanziert. 

(Abg. Sänger: Mit amerikanischen!) 

Statt dessen ist ihm und auch den interessierten 
amerikanischen Stellen , gesagt worden, daß wir 
durchaus bereit 'Sind, im nächsten Jahr eine solche 
Reise zu finanzieren unter der Voraussetzung, daß 
eine entsprechende Stellungnahme von der Deut- 
schen Forschungsgemeinschaft abgegeben wird. Wir 
halten uns hier an die Stellungnahme ,der unabhän- 
gigen Gesamtorganisation der deutschen Wissen- 
schaft. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Vogt! 

Vogt (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, wäre es 
nicht dankenswert — nachdem hier von Ihnen fest- 
gestellt worden ist, daß es in Washington überhaupt 
kein Goethe-Institut gibt, also die Frage in dieser 
Beziehung völlig danebengeht — , zu prüfen, wie 
eine solche Fehlinformation an eine Reihe von Kol- 
legen in diesem Hause gelangen konnte? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich möchte glauben, daß es sicherlich nützlich 
ist, zu prüfen, woher Fehlinformationen kommen 
bzw. wodurch sie entstehen können. 

(Heiterkeit.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Wir kommen zur 
Frage IV/4 des Herrn Abgeordneten Dr. Huys. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5961 


Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich die 
nächsten drei Fragen nacheinander beantworte; sie 
stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Bitte sehr. Dann 
rufe ich auf die Fragen IV/4, IV/5 und IV/6 — des 
Herrn Abgeordneten Dr. Huys — : 

Ist der Bundesregierung bekannt, daß fünf ehemalige Lehrer 
der Deutsdien Evangelischen Obersdiule in Kairo, über die 
Kultur ab teilung des AA nach dorthin verpfliditet, seit Juni 1963 
auf ihr Gepädc warten? 


Ist der Bundesregierung weiterhin bekannt, daß einer der in 
Frage IV/4 erwähnten deutschen Lehrer durch die Nichtfreigabe 
des Gepädcs in eine außerordentliche wirtschaftliche Notlage 
geraten ist, da er notwendige Ausgaben in Höhe von rd. 
1500 DM zur Errichtung eines behelfsmäßigen Haushalts und zur 
Anschaffung von Winterkleidung, Bettzeug, Unterrichtswerke 
usw. hat tätigen müssen? 


Ist der Bundesregierung bekannt, daß ein von der in Frage 
IV/5 erwähnten Lehrkraft gestellter Beihilfeantrag über das AA 
(Kulturabteilung) an das Bundesverwaltungsamt in Köln mit 
der Begründung abschlägig beantwortet worden ist, die Für- 
sorgepflicht für die ins Ausland verpflichteten Lehrkräfte ende 
mit Ablauf der Vertragszeit? 

Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Das Auswärtige Amt ist erst am 17. Novem- 
ber 1963 durch einen bis zum Sommer 1963 an der 
deutschen evangelischen Oberschule in Kairo tätig 
gewesenen Lehrer davon unterrichtet worden, daß 
sein persönliches Gepäck, welches er vor seiner 
Rückreise am 20. Juni 1963 einem Spediteur in Kairo 
übergeben hatte, noch nicht zollamtlich zur Verschif- 
fung freiigegeben worden sei. Das Auswärtige Amt 
hat daraufhin sofort die Deutsche Botschaft in Kairo 
angewiesen, sich bei den zuständigen ägyptischen 
(ß) Dienststellen unverzüglich nachdrücklich für die so- 
fortige Freigabe des Gepäcks einzusetzen. Die Frei- 
gabe war dadurch erschwert, daß der Lehrer seinen 
Dienstpaß verloren hatte, der seinen sechsjährigen 
Aufenthalt in der VAR hätte erkennen lassen kön- 
nen. Die Führung dieses Nachweises hätte nach den 
ägyptischen Bestimmungen über die Wiederausfuhr 
persönlicher Habe zu beschleunigter Abfertigung ge- 
führt. Den weisungsgemäß laufend .wiederholten Be- 
mühungen der Botschaft gelang es dennoch, die Ge- 
päckfreigabe durchzusetzen. 

Von vier weiteren Fällen, in denen es zu Schwie- 
rigkeiten bei der Zollabfertigung gekommen ist, er- 
fuhr das Auswärtige Amt erst vor wenigen Tagen, 
da die betroffenen Lehrer sich bisher nicht an das 
Auswärtige Amt gewandt hatten. Wie in Erfahrung 
gebracht werden konnte, ist :das Gepäck eines die- 
ser Lehrer mittlerweile in der BundesrepuJblik ein- 
getroffen ; dasjenige der drei übrigen steht vor der 
Freigabe. 

Nun die Antwort auf Ihre beiden weiteren Fragen, 
Herr Abgeordneter. Das Bundesverwaltungsamt hat 
im Auftrag des Auswärtigen Amts einen Antrag des 
Lehrers auf Gewährung einer Unterstützung unter 
analoger Anwendung der für die Bundesbeamten 
geltenden Unterstützungsgrundsätze geprüft. Das 
Bundesverwaltungsamt hat den Antragsteller davon 
unterrichtet, daß ihm auf diesem Wege von seiten 
des Bundes aus dem rein formellen Grunde nicht 
geholfen werden könne, daß nach den Vereinbarun- 
gen zwischen dem Auswärtigen Amt und den Kul- 
tusministern der Länder Leistungen auf Grund der 
Unterstützungsgrundsätze zur Beseitigung einer 


nach Rückkehr ins Inland bestehenden Notlage nicht 
mehr dem Bund obliegen. Das Auswärtige Amt hat 
dem Lehrer jedoch zugesagt, unverzüglich zu prüfen, 
auf welche andere Weise die ihm im Zusammenhang 
mit seiner Dienstleistung an einer Auslandsschule 
entstandenen Aufwendungen ersetzt werden kön- 
nen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- 
frage Herr Abgeordneter Dr. Huys. 

Dr. Huys (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, glau- 
ben Sie wirklich, daß es einem Botschafter passiert 
wäre, daß er seinen gesamten Hausstand ein Jahr 
lang — es ist jetzt mehr als ein Jaihr — nicht hätte 
nach Hause bekommen können? Glauben Sie, daß 
deutsche Lehrer im Ausland so behandelt werden 
können? 


Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Herr Abgeordneter, ich glaube, ein Botschaf- 
ter, dem das widerfahren wäre, hätte sich sofort an 
das Auswärtige Amt gewendet, 

(Abg. Dr. Huys: Eben!) 

und das Auswärtige Amt hätte ihm geholfen. In 
diesem Fall hat sich der betreffende Lehrer erst nach 
sehr langer Zeit an uns gewandt, und dadurch ist ein 
Teil der Verzögerung zu erklären. 


Dr. Huys (CDU/CSU) : Herr Staatssekretär — ich 
habe leider nur zwei Fragen — , glauben Sie, daß 
die Fürsorgepflicht, wie Sie sagen, mit dem Tag der 
Fürsorge endet, wenn sich die Fürsorgepflicht aus 
diesem Zeitraum herleitet? Sie sagen, mit dem 
15. September sei der Vertrag beendet und des- 
wegen brauche das Auswärtige Amt nicht mehr 
dafür zu sorgen. 


P) 


Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn im all- 
gemeinsten Sinne endet sicher nicht. Die Frage ist, 
wer in diesem Fall die Fürsorgelast zu tragen hat, 
der Bund oder die Länder. Das ist aber, glaube ich, 
eine Frage, über die man sich einigen wird. Ich habe 
in meiner Antwort zum Ausdruck gebracht, daß wir 
nach Mitteln und Wegen suchen, um dem betreffen- 
den Lehrer zu helfen. Der Lehrer soll natürlich nicht 
darunter leiden, daß das hier eine schwierig zu be- 
antwortende Frage ist. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter 
Huys, Sie haben drei Fragen gestellt. Sie dürfen also 
sechs Zusatzfragen stellen. — Bitte sehr! 


Dr. Huys (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, wer 
soll denn die Fürsorgepflicht übernehmen, der Bund 
oder das Land? 


Dr. Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Diese Frage muß noch geprüft werden, Herr 
Abgeordneter. Der Bund ist nach den geltenden 
Vereinbarungen nicht verpflichtet, diese Leistungen 
zu erbringen. Wir werden also bemüht sein, das in 



5962 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Staatssekretär Dr. Carstens 
fA) 

' ' Betracht kommende Land zum Handeln zu veran- 
lassen oder auf anderem Wege Abhilfe zu schaffen. 

(Zuruf rechts: Föderalismus!) 

Vizepräsident Dr, Jaeger: Zu einer Zusatz- 
frage Herr Abgeordneter Schmitt-Vockenhausen. 

Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Staats- 
sekretär, haben Sie hier mit Absicht vorgetragen, 
daß das Auswärtige Amt erst vor einigen Tagen 
davon Kenntnis erhalten hat? Ist das vielleicht so 
zu verstehen, daß die Botschaft oder andere deut- 
sche Stellen immerhin schon länger von dem Vor- 
fall Kenntnis hatten? 

Dr* CarstenSr Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: In meiner Antwort lag keine dahin gehende 
Absicht, Herr Abgeordneter. Ich kann Ihnen nicht 
beantworten, wann die Botschaft davon Kenntnis 
erhalten hat. Ich möchte aber als sicher unterstellen, 
daß die Botschaft in dem Augenblick, wo sie Kennt- 
nis davon erhielt, das Auswärtige Amt unter- 
richtete. 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Zu einer zweiten 
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Schmitt-Vocken- 
hausen. 

Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Sollten Sie nicht 
doch einmal nachprüfen, ob die Botschaft oder an- 
dere Stellen von der Sache Kenntnis erhalten ha- 
ben und ihr nicht rechtzeitig nachgegangen sind? 

Dr* CarstenSr Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich will das gern tun, Herr Abgeordneter. 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Herr Abgeordneter 
Kahn-Ackermann zu einer Zusatzfrage. 

Kahn- Ackermann (SPD): Herr Staatssekretär, 
finden Sie es nicht angebracht, nachzuprüfen, wa- 
rum die Botschaft, die von Anfang an über diesen 
Zustand unterrichtet war, es nicht für nötig gehalten 
hat, das Auswärtige Amt von dieser Tatsache in 
Kenntnis zu setzen? 

Dr* Carstens, Staatssekretär des Auswärtiaen 
Amts: Ich kann Ihre Frage in dieser Form nicht be- 
antworten, Herr Abgeordneter; denn mir ist nicht 
bekannt, daß die Botschaft von Anfang an unter- 
richtet war. Auf die vorhin gestellte Frage habe ich 
aber geantwortet, daß ich diesen Komplex prüfen 
lassen werde. 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Zu einer zweiten 
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Kahn- Ackermann. 

Kahn-Ackermann /(SPD): Darf ich Sie fragen, 
Herr Staatssekretär, warum das Auswärtige Amt 
bei den Verhandlungen über die Gewährung von 
Entwicklungshilfekrediten nicht eine Anregung auf- 
gegriffen hat, die ihm gegeben worden ist, bei der 
Vereinigten Arabischen Republik darauf zu dringen. 


fO 

daß die Mißlichkeit mit der Ausfuhr der persönlichen ' 
Habe und des Gepäcks unserer dort arbeitenden 
Spezialisten und sonstigen Beauftragten abgestellt 
wird, und für eine etwas schnellere Abwicklung als 
bisher gesorgt wird. 

Dr* Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Dieser Anregung ist entsprochen worden. 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Herr Abgeordneter 
Huys, Sie möchten die vierte Zusatzfrage stellen. 

Dr* Huys (CDU/CSU): Glauben Sie wirklich, Herr 
Staatssekretär, daß ich, der ich mich seit einem 
halben Jahr um diese Dinge bemüht habe, diese 
Frage gestellt hätte, wenn ich nicht ganz bestimmt 
davon unterrichtet gewesen wäre, daß der Botschaft 
bekannt war, daß die Möbel der fünf Leute seit 
mindestens fünf Monaten nicht zurückgebracht wor- 
den sind? 

Dr* Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Ich sagte schon, Herr Abgeordneter, ich werde 
diesen Teil der von Ihnen und dem Herrn Abge- 
ordneten Schmitt-Vockenhausen aufgeworfenen 
Frage prüfen lassen. 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Keine weitere Zu- 
satzfrage? 

Ich komme zu der von dem Abgeordneten Roll- 
mann gestellten Frage IV/7: 

Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, den Fort- (D) 
bestand des UNESCO-Instituts für Pädagogik in Hamburg audi 
dann sicherzustellen, wenn die Subventionen der UNESCO für 
dieses Institut eingeschränkt werden und auslaufen? 

Bitte, Herr Staatsekretär. 

Dr* Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung be- 
absichtigt, das UNESCO-INSTITUT FÜR PÄDAGO- 
GIK IN HAMBURG auch dann finanziell zu unter- 
stützen, wenn die Subvention seitens der UNESCO 
ausläuft. Sie ist bemüht, die Länder an den Kosten 
des Instituts zu beteiligen. Die Frage dieser Sub- 
ventionen wird Mitte Mai auf der nächsten Plenar- 
. Sitzung der Ständigen Konferenz der Kultusminister 
behandelt werden. Des weiteren hat die UNESCO 
bereits erkennen lassen, daß sie das Institut durch 
die Vergabe von bezahlten Aufträgen unterstützen 
wolle. 

Rollmann (CDU/CSU): Würden Sie bereit sein, 
Herr Staatssekretär, mich das Ergebnis der Bera- 
tungen mit der Kultusministerkonferenz wissen zu 
lassen? 

Dr* Carstens, Staatssekretär des Auswärtigen 
Amts: Das werde ich sehr gern tun, Herr Abgeord- 
neter. 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Ich danke Ihnen, 
Herr Staatssekretär. 

Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbe- 
reich des Bundesministers des Innern. Ich rufe die 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5963 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

von dem Abgeordneten Börner gestellte Frage V/1 
auf: 

Wann ist mit der Vorlage des Ratifizierungsgesetzes zum 
Übereinkommen zur Verringerung der Mehrstaatigkeit und über 
die Wehrpflicht von Mehrstaatlern zu rechnen? 

Bitte, Herr Bundesminister. 


Höcherlr Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege, das von Ihnen genannte Übereinkommen ist 
bisher noch von keinem der Unterzeichnerstaaten 
ratifiziert worden. Das Übereinkommen berührt ge- 
wisse Belange der gesamtdeutschen Staatsangehö- 
rigkeit. Es muß sorgfältig geprüft werden, inwieweit 
deuscherseits von gewissen im Übereinkommen vor- 
gesehenen Vorbehalten zur Wahrung dieser Be- 
lange Gebrauch zu machen ist. 


In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeu- 
tung, ob und inwieweit das Übereinkommen von 
den übrigen Unterzeichnerstaaten ratifiziert werden 
wird, insbesondere von Frankreich, da es insoweit 
für die Bundesrepublik die meisten praktischen 
Auswirkungen hat. 

Sobald diese Fragen im positiven Sinne geklärt 
sind, wird die Bundesregierung das Übereinkom- 
men zur Ratifizierung vorlegen. 


ß) 


Ich darf hinzufügen, daß an diesen Verhandlungen 
dreizehn Staaten beteiligt waren und nur sieben 
unterzeichnet haben. Es hat sich in anderen, ver- 
gleichbaren Fällen oft als gut erwiesen, zu warten, 
bis die anderen Staaten ratifiziert haben, weil die 
Auswirkungen für die anderen nicht so bedeutsam 
waren wie für unser eigenes Land. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- 
frage Herr Abgeordneter Börner. 


Börner (SPD) : Herr Bundesminister, ist Ihnen be- 
kannt, daß wegen dieses Sachverhalts Angehörige 
der Bundeswehr bei Übungen auf französischen 
Truppenübungsplätzen in die Gefahr kommen, von 
der französischen Polizei verhaftet zu werden, weil 
Frankreich glaubt, auf Grund der Geburt eines 
Elternteils in Frankreich die französische Staats- 
angehörigkeit geltend machen zu können? 


Höcherl, Bundesminister des Innern: Einzelfälle 
sind mir nicht bekannt. 

Vizepräsident Dn Jaeger: Zu einer zweiten 
Zusatzfrage Herr Abgeordneter Börner. 

Börner (SPD) : Sehen Sie die Möglichkeit, in Aus- 
wirkung des deutsch-französischen Vertrages diese 
leidige Angelegenheit in bilateralen bzw. binatio- 
nalen Verhandlungen zu regeln? 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Ich glaube, 
das ist der richtige Weg. Ich werde mit Anregungen 
an das Auswärtige Amt herantreten. 

Vizepräsident Dr, Jaeger: Ich rufe auf die von 

dem Abgeordneten Jahn gestellte Frage V/2: 

Wann wird die Bundesregierung in Ausführung des einstim- 
migen Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 1963 

den Entwurf eines Zweiten Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 
Abs. 2 des Grundgesetzes vorlegen? 


Höcherlr Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege Jahn, ich bin überzeugt, daß Sie all das, wo- 
nach Sie fragen, bereits wissen. Aber ich will trotz- 
dem wiederholen: 

Der einstimmig beschlossene Auftrag des Bundes- 
tages, ein Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 
des Grundgesetzes zu machen, begegnet außer- 
ordentlichen rechtlichen Schwierigkeiten, die ich die 
Ehre hatte Ihnen persönlich mit auseinandersetzen 
zu können. Der zweimalige Versuch, einen anderen 
Weg zu gehen, und zwar über eine Abänderung 
von Paßbestimmungen, hat ebenfalls in weiten Krei- 
sen nicht den Beifall gefunden, der notwendig wäre, 
um in diesem Bereich voranzukommen. Die letzten 
Entscheidungen sind in der Presse veröffentlicht und 
Ihnen als aufmerksamem Beobachter dieses Sachver- 
halts bestimmt sehr genau bekannt. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Zu einer Zusatz- 
frage Herr Abgeordneter Jahn. 

Jahn (SPD): Herr Minister, ist sich die Bundes- 
regierung bewußt, daß angesichts ihrer mehrfachen 
eigenen Erklärungen und der Tatsache, daß seit dem 
Beschluß des Bundestages nunmehr zehn Monate 
vergangen sind und noch immer kein Entwurf vor- 
gelegt worden ist, allmählich ernsthafte Zweifel an 
ihrer Bereitschaft entstehen müssen, das Problem 
überhaupt lösen zu wollen? 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege Jahn, ich möchte nun nicht die intimen Unter- (D) 
haltungen ausbreiten, die wir in dieser Frage hatten. 
Aber ich glaube, es wäre alles einfacher gewesen, 
wenn man den Vorschlag, den ich gemacht habe, 
nicht so heftig angegriffen hätte, und zwar nicht 
nur in parlamentarischen Kreisen, sondern darüber 
hinaus in der Öffentlichkeit,- so daß neue rechtliche 
Bedenken enstanden sind. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Jahn. 

Jahn (SPD) : Teilt die Bundesregierung ungeachtet 
der grundsätzlichen Bewertung des Auftrages aus 
Art. 26 des Grundgesetzes die Auffassung, daß für 
die Bundesrepublik eine besonders moralische und 
humanitäre Pflicht besteht, deutsche Bürger an jeder 
Tätigkeit zu hindern, die geeignet ist, die vielfach 
erklärten Pläne zur Vernichtung Israels zu unter- 
stützen? 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich habe im 
Bulletin darüber in Form eines Interviews ganz ein- 
deutige Erklärungen abgegeben. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Rollmann! 

Rollmann (CDU/CSU) : Herr Minister, ist es nicht 
so, daß die Überlegungen Ihres Hauses zu dieser 
Frage gerade von den Parteifreunden des Herrn 
Jahn attackiert und angegriffen worden sind? 



5964 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Höcherlr Bundesminister des Innern: Ich muß 
das leider zugeben. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Dr. Mommer. 

Dr. Mommer (SPD): Herr Minister, bestehen 
seitens des Bundesverteidigungsministeriums Be- 
denken, ein Gesetz zur Ausführung des Art. 26 zu 
erlassen? 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Nein, das 
ist mir nicht bekannt. Es beste'hen jedoch rein juri- 
stische Schwierigkeiten. Ich darf gleich den Begriff 
herausgreifen, der die größten Eormulierungsschwie- 
rigkeiten macht: es ist die »Frage des Angriffskrieges, 
ein Sachverhalt, der die internationale Rechtswelt 
schon seit geraumer Zeit, seit Jahrzehnten, beschäf- 
tigt, ohne daß -eine eindeutige und zufriedenstel- 
lende Formulierung und Definition gefunden worden 
wäre. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer. 

Dr. Mommer (SPD) : Herr Minister, sind es wirk- 
lich nur juristische Bedenken, oder gibt es z. B. von 
seiten des Auswärtigen Amtes auch politische Be- 
denken? 

jßj Höcherlr Bundesminister des Innern; Wir spre- 
chen von Art. 26 Abs. 1. Ich glaube, hier handelt es 
sich ausschließlich um juristische (Bedenken. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Dr. Böhm. 

Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU): Was gedenkt 
die Bundesregierung zu tun, um den nachteiligen 
Eindruck zu beseitigen, der in der in- und auslän- 
dischen Öffentlichkeit dadurch entstanden ist, daß 
nun schon seit Monaten vorbereitete und fertigge- 
stel’lte Gesetzentwürfe dem Kabinett Vorlagen, das 
Kabinett aber jedesmal infolge neu auftauchender 
Bedenken die Beschlußfassung unterließ, ohne daß 
aber die Erklärungen, die vom Bundespresseamt ab- 
gegeben worden sind, die Zweifel im In- und Aus- 
land zu beschwichtigen vermochten? 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Herr Pro- 
fessor Böhm, das Echo auf alle diese Vorgänge ist 
sehr differenziert. Im Inland hat es sehr heftige 
Angriffe gegen die Absichten des 'Innenministe- 
riums gegeben, auf dem Wege von Novellen zum 
Paßgesetz eine Lösung zu versuchen. Ich habe kaum 
Zustimmung, aber von allen Beiten Widerstand er- 
fahren. Im Ausland ist das Echo ebenfalls außer- 
ordentlich differenziert. Ich meine, daß die Diskus- 
sion über die Einzelheiten in einen Ausschuß, am 
besten in den Auswärtigen Ausschuß, verlegt wer- 
den sollte. Ich werde bemüht sein, die neu aufge- 
tauchten rechtlichen Schwierigkeiten zu überwinden. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Dr. Böhm. 

Dr. Böhm (Frankfurt) (CDU/CSU): Warum gibt 
die Bundesregierung nicht dem Bundestag und sei- 
nen Ausschüssen die Gelegenheit, die verfassungs- 
rechtlichen Fragen zu prüfen und im Zusammenwir- 
ken mit den Vertretern des Ministeriums hier im 
Hause zu befriedigenden Formulierungen zu kom- 
men? Mit anderen Worten; Warum leitet die Bun- 
desregierung dem Bundestag keinen Gesetzentwurf 
zu, der vielleicht noch nicht vollständig und nach 
allen Seiten hin ausgereift ist, weil für den Ein- 
druck im In- und Ausland die Beschleunigungsfrage 
eine Rolle spielt, also der Zeitpunkt, in dem dieses 
Hohe Haus mit der Sache befaßt wird? 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Meines 
Wissens hat es in einem Unterausschuß des Hauses 
bereits eingehende Diskussionen zwischen Mitglie- 
dern des Hauses und Regierungsvertretern gege- 
ben. Weiter meine ich, ein unfertiger Gesetzent- 
wurf, dem rechtliche Bedenken begegnen, sollte die- 
sem Haus nicht, zumindest nicht bewußt, vorgelegt 
werden. 

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Schmitt- Vockenhausen. 

Schmitt-Vockenhausen (SPD): Herr Minister, 
wäre es möglich, wenn eine neue Initiative aus dem 
Hause käme, daß die Bundesregierung ihre zustän- 
digen Referenten in die Ausschüsse schicken würde, 
damit diese dort die rechtlichen Bedenken vortra- 
gen könnten? Das wäre nämlich die geeignete Mög- 
lichkeit, die Sache zu fördern. 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Es bestehen 
keine Bedenken. Das kann ich Zusagen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter 
Dr. Bechert. 

Dr. Bechert (SPD) : Herr Minister, ist die Bundes- 
regierung bereit, bei den weiteren Erörterungen zu 
berücksichtigen, daß die Tätigkeit deutscher Wis- 
senschaftler in Ägypten zwar Anlaß, nicht aber der 
eigentliche Grund für die Forderung des Bundes- 
tages gewesen ist? 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege Bechert, wenn Sie das Interview im Bulletin 
lesen, dann werden Sie finden, daß alle gesetzgebe- 
rischen Absichten sich nicht auf einen einzelnen 
Fall erstrecken dürfen, sondern eine Gesamtheit von 
möglichen Fällen umfassen müssen. Es ist eine sel- 
tene Ausnahme, daß ein einziger Fall Anlaß für 
eine gesetzgeberische Aktion bietet. Hier muß klar- 
gestellt werden, daß es sich nicht um einen einzi- 
gen Vorgang handelt, sondern um die vielfältigen 
Möglichkeiten von Gefahrenherden, bei denen die 
Bundesrepublik durch persönliche Mitwirkung eines 
einzelnen Angehörigen der Bundesrepublik irgend- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5965 


(A) 


Bundesminister Höcherl 

wie in Mißkredit kommen könnte. Das ist so ein- 
deutig klargestellt worden, daß idi es hier nicht 
noch einmal wiederholen möchte. 


Vizepräsident Dn Jaeger; Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Dr. Bechert. 

Dn Bechert (SPD): Herr Minister, bestehen sei- 
tens des Auswärtigen Amts Bedenken, die sich auf 
das Verhältnis zu den arabischen Ländern beziehen? 

Hödierl, Bundesminister des Innern: Ich bitte, 
die Frage an das Auswärtige Amt zu richten. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Ritzel. 

Ritzel (SPD): .Herr Minister, da wohl auch in die- 
sem Falle der Bundeskanzler die Richtlinien der 
Politik bestimmen wird, möchte ich Sie fragen: Hat 
der Herr Bundeskanzler in dieser Frage bereits 
eine Richtlinie gefunden? 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege Ritzel, Sie möchten mit dieser Frage eine Ant- 
wort aus den Beratungen des Kabinetts haben. Eine 
solche Antwort kann ich Ihnen nicht geben. 

Zweitens: es handelt sich hier um Rechtsfragen 
und nicht um Richtlinienfragen. 

(Abg. Dr. Mommer: Eine hochpolitische 
(B) Frage!) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine zweite Zusatz- 
frage, Herr Abgeordneter Ritzel. 

Ritzel (SPD): Dann möchte ich anders formulie- 
ren. Herr Minister, Sie haben in Ihrem Hause seiner- 
zeit eine Vorlage entwickelt. Hat dieser Vorlage 
der Herr Bundeskanzler seine Zustimmung ge- 
geben? 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Jawohl. 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Eine Zusatzfrage, 
Herr Abgeordneter Erler. 

Erler (SPD): Herr Minister, wenn für die Ein- 
führung einer Genehmigungspflicht für die Produk- 
tion von, den Umgang und den Handel mit Kriegs- 
waffen die Definition des Angriffskrieges kein 
unübers teigbares Hindernis gewesen ist, warum 
sollte dann die Einführung einer Genehmigungs- 
pflicht für die Mitwirkung deutscher Staatsangehö- 
riger an der Produktion und Entwicklung derartiger 
Waffen im Ausland ein unübersteigbares Hindernis 
in der Definition des Angriffskrieges finden? 


Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege Erler, an und für sich wäre das eine Frage, die 
an das Wirtschaftsressort zu richten wäre. 

(Lachen bei der SPD.) 


Es handelt sich hier um ein Ausführungsgesetz zu 
Art. 26. Ich bin aber bereit, kurz darauf zu erwi- 
dern. Das Waffengesetz ist mit allen Möglichkeiten 
ausgeschöpft. Abs. 1 des Art. 26 bezieht sich nicht 
auf das Waffengesetz, sondern ganz allgemein auf 
das friedliche Zusammenleben und insbesondere 
auf die Mitwirkung bei angriffskriegerischen Hand- 
lungen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und 
Herren, wir stehen nun am Ende der Fragestunde. 

Wir kommen damit zu Punkt 2 der Tagesordnung: 

Bteratung der Sammelübersicht 30 des Aus- 
schusses für Petitionen (2. Ausschuß) über 
Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bun- 
destages zu Petitionen und systematische 
Übersicht über die beim Deutschen Bundes- 
tag in der Zeit vom 17. Oktober 1961 bis 
31. März 1964 eingegangenen Petitionen 
(Drucksache IV/2169). 

Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Aus- 
schußantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um 
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. 

— Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine 
Enthaltungen. Es ist so beschlossen. 

Punkt 3 der Tagesordnung wird erst nachmittags 
um 15 Uhr aufgerufen. 

Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung: 

Zweite und dritte Beratung des von der Bun- 
desregierung eingebrachten Entwurfs eines 
Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsge- 
setzes (6. Änderung) (Drucksache IV/1646); 
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ver- 
kehr, Post- und Fernmeldewesen (23, Aus- 
schuß) (Drucksache IV/2121); 

(Erste Beratung 98. Sitzung). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schmidt 
(Braunschweig). Er hat einen Schriftlichen Bericht 
vorgelegt, für den ich danke. 

Wir kommen in zweiter Beratung zu Art. 1 bis 5, 
Einleitung und Überschrift. Wird das Wort ge- 
wünscht? — Das ist nicht der Fall. 

Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustim- 
men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — 
Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist so beschlos- 
sen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das 
Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allge- 
meine Aussprache. 

Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zu- 
zustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. 

— Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit ich sehe, 
keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Auch keine 
Enthaltungen. Einstimmig angenommen. 

Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag 
der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP auf Um- 



5966 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

druck 440. — Das Wort wird nicht gewünscht. Wer 
dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, 
den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um 
die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthal- 
tungen — Keine Enthaltungen. Einstimmig ange- 
nommen. 

Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: 

Zweite und dritte Beratung des von der Bun- 
desregierung eingebrachten Entwurfs eines 
Gesetzes zu den Änderungen vom 11. April 
1962 des Internationalen Übereinkommens 
zur Verhütung der Verschmutzung der See 
durch öl, 1954, und zur Änderung des Geset- 
zes vom 21. März 1956 (Drucksache IV/1703); 
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ver- 
kehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Aus- 
schuß) (Drucksache IV/2130) 

(Erste Beratung 101. Sitzung). 

Der Herr Berichterstatter, der Abgeordnete Falke, 
hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt; ich danke 
ihm dafür. 

Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1 bis 6, 
die Einleitung und Überschrift auf. — Das Wort wird 
nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmun- 
gen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein 
Handzeichen, — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es 
ist so beschlossen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache ge- 
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur 
Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf in drit- 
ter Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich 
zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Ent- 
haltungen; einstimmig angenommen. 

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: 

Zweite und dritte Beratung des von den Ab- 
geordneten Drachsler, Dr. Reinhard, Dr. 
Höchst, Glüsing (Ditmarschen), Bauknecht, 
Bewerunge und Fraktion der CDU/CSU ein- 
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur 
Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes 
(Drucksache IV/1234); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ver- 
kehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Aus- 
schuß) (Drucksache IV/2141) 

(Erste Beratung 78. Sitzung) 

Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten 
Müller (Nordenham), für seinen Schriftlichen Be- 
richt. 

Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1, 2 und 
3 sowie die Einleitung und die Überschrift auf. — 
Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufge- 
rufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den 
bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die 
Gegenprobe. — Es ist so beschlossen. 


Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort 
wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine 
Aussprache. 

Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustim- 
men wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. 
Enthaltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig 
angenommen. 

Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: 

Zweite und dritte Beratung des von der Bun- 
derregierung eingebrachten Entwurfs eines 
Gesetzes über den Übergang von Zuständig- 
keiten auf dem Gebiete des Rechts des Ge- 
sundheitswesens (Drucksache IV/1832); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für In- 
neres (6. Ausschuß) (Drucksache IV/2172) 

(Erste Beratung 116. Sitzung) 

Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten 
Schmitt- Vockenhausen, für seinen Schriftlichen Be- 
richt. 

Ich rufe in zweiter Beratung die §§ 1 bis 5, die 
Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort 
wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Be- 
stimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich 
um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- 
probe. — Es ist so beschlossen. 

(D) 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache ge- 
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur 
Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als 
Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu 
erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit 
ich sehe, keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — 
Auch keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. 

Wir kommen nun zu dem zweiten Antrag des 
Ausschusses: 

die Bundesregierung soll erneut überprüfen, 
ob nicht die Zuständigkeit auf dem Gebiet der 
Veterinärmedizin geschlossen auf den Bun- 
desminister für Gesundheitswesen zu über- 
tragen ist. 

Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. 
Wer dem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte 
ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- 
probe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? — 
Auch keine Enthaltungen; einstimmig beschlossen. 

Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: 

Zweite und dritte Beratung des von der Bun- 
desregierung eingelbrachten Entwurfs eines 
Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 
1963 zwischen der Bundesrepublik Deutsch- 
land und der Regierung von Indien über den 
Fluglinienverkehr (Drucksache IV/1939); 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5967 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ver- 
kehr, Post- und Fernmeldewesen (23. Aus- 
schuß) (Drucksache IV/2189) 

(Erste Beratung ill8. Sitzung) 

Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten 
Dr. Höchst, für seinen Schriftlichen Bericht. 

Ich rufe in zweiter Beratung die Artikel 1 und 2, 
die Einleitung und die Überschrift auf. — Das Wort 
wird nicht gewünscht. Wer den auf gerufenen Bestim- 
mungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das 
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es 
ist so beschlossen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Wird das Wort in der allgemeinen Aussprache ge- 
wünscht? — Das ist nicht der Eall. Wer dem Gesetz- 
entwurf in der dritten Beratung zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. < — Ich bitte 
um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Ent- 
haltungen? — Keine Enthaltungen; einstimmig ver- 
abschiedet. 

Ich rufe Punkt 9 der Tagesoi^dnung auf: 

Zweite und dritte Beratung des von der Bun- 
desregierung eingebraditen Entwurfs eines 
Gesetzes über Bodennutzungs- und Ernte er- 
hebung (Drucksache JjV/d795); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inne- 
res (6. Ausschuß) (Drucksache IV/2198) 

(B) (Erste Beratung 107. Sitzung) 

Der Berichterstatter, der Abgeordneter Wehking, hat 
den Schriftlichen Bericht vorgelegt. Ich danke ihm 
dafür. 

Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1 bis 20, 
Einleitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht 
gewünscht. Wer den auf gerufenen Bestimmungen 
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- 
zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist 
so beschlossen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. 
Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zuzu- 
stimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — 
Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstim- 
men. Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Einstim- 
mig so beschlossen. 

Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: 

Zweite und dritte Beratung des von der Bun^ 
desregierung eingeb rächten Entwurfs eines 
Gesetzes über eine Statistik der Arbeitskräfte 
in der Land- und Forstwirtschaft (Drucksache 
IV/1794); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Inne- 
res (6. Ausschuß) (Drucksache IV/2199) 

(Erste Beratung 107. Sitzung) 

Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten 
Wehking, für seinen Schriftlichen Bericht. 


fCl 

Ich rufe in zweiter Beratung auf §§ 1 bis 6, Ein- ' ^ 
leitung und Überschrift. — Das Wort wird nicht ge- 
wünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zu- 
zustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- 
zeichen. ■ — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist 
so beschlossen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. 
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz- 
entwurf in dritter Beratung zuzustimmen wünscht, 
den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte um die 
Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. Enthaltun- 
gen? — Auch keine Enthaltungen. Einstimmig an- 
genommen. 

Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung: 

Zweite und dritte Beratung des von den Ab- 
geordneten Bauknecht, Dr. Schmidt (Geller- 
sen), Walter und Genossen eingebr achten 
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des 
Gesetzes über die Abwicklung des Reichs- 
nährstandes und seiner Zusammenschlüsse 
(Drucksache IV/1277); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für 
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 
(19. Ausschuß) (Drucksache IV/2137). 

(Erste Beratung 78. Sitzung) 

Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten 
Dr. Reinhard, für seinen Schriftlichen Bericht. 

Soweit mir bekannt ist, wird vorgeschlagen, den 
Gesetzentwurf an den Ausschuß für Ernährung, 
Landwirtschaft und Forsten zurückzuverweisen. — 
Widerspruch erfolgt nicht; es ist so zurückver- 
wiesen. 

Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: 

Zweite und dritte Beratung des von den 
Fraktionen der CDU/CSU, FDP eingebrachten 
Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung eines 
freiwilligen sozialen Jahres (Drucksache 
IV/986); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Fa- 
milien- und Jugendfragen (10. Ausschuß) 
(Drucksache IV/2138). 

(Erste Beratung 67. Sitzung) 

Ich danke der Berichterstatterin, der Frau Abgeord- 
neten Eilers, für den Schriftlichen Bericht. Wir kom- 
men zur zweiten Beratung. Ich rufe auf §§ 1 bis 16, 
Einleitung und Überschrift. — Das Wort hat die 
Abgeordnete Frau Pitz-Savelsberg. 

Frau Pitz-Savelsberg (CDU/CSU): Herr Präsi- 
dent! Meine Damen und Herren! Ich möchte einen 
Antrag zur dritten Lesung ankündigen. Die Druck- 
sache liegt leider im Augenblick noch nicht vor; sie 
kommt aber. Es handelt sich um den § 2. Im Abs. 1 
des § 2 ist in der letzten Sitzung des Jugendaus- 
schusses ein Passus gestrichen worden, der bei ge- 
nauerer Betrachtung nicht hätte gestrichen werden 
dürfen. Es steht nun in der Ausschußfassung: Träger 



5968 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — - 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frau Pitz-Savelsberg 
(Al 

' * sind die Verbände. Vorher hatte in § 2 Abs. 1 ge- 
standen: Träger sind die Verbände und ihre Unter- 
gliederungen. Man hat geglaubt, die Worte,, und 
ihre Untergliederungen" seien überflüssig. Es hat 
sich aber erwiesen, daß im Zusammenhang mit dem 
Beschäftigungsort, mit der Leistung der Versiche- 
rungsbeiträge und mit all diesen technischen Dingen 
die Erwähnung der Untergliederung im Gesetz not- 
wendig ist und daß wir sie wieder hineinbringen 
müssen. 

Das ist der Sinn des Antrages, den wir zur dritten 
Lesung vorlegen. Ich möchte Ihnen das jetzt schon 
erklären, damit Sie wissen, um was es sich handelt. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und 
Herren, zur zweiten Lesung liegt also noch kein 
Antrag vor. Wir können über die aufgerufenen Be- 
stimmungen §§ 1 bis 16, Einleitung und Überschrift 
abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich 
um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- 
probe. — Es ist so beschlossen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. — Das Wort 
hat Frau Abgeordnete Eilers. 

Frau Eilers (SPD): Herr Präsident! Meine Herren 
und Damen! Die Sozialdemokratische Partei unter- 
stützt die von den Fraktionen der CDU/CSU und der 
ß) FDP eingereichte Vorlage und ist sehr froh, daß wir 
heute endlich dazu kommen, das Gesetz zur Förde- 
rung eines freiwilligen sozialen Jahres zu verab- 
schieden. Wir haben leider über ein Jahr gebraucht, 
um diese Materie in 15 Ausschußsitzungen in richti- 
ger Weise zu regeln. Das hat zwei Gründe gehabt, 
von denen einer darin bestand, daß innerhalb der 
einbringenden Mehrheitspartei, der CDU/CSU, nicht 
entsprechend frühzeitig eine Koordinierung der Fra- 
gen herbeigeführt werden konnte. Der andere Grund 
war, daß der Herr Bundesarbeitsminister seine Mit- 
arbeiter in einer ziemlich großen Phase der Beratung 
leider nicht zur Verfügung stellen wollte, so daß wir 
dadurch praktisch erst am Anfang dieses Jahres zu 
endgültigen Formulierungen kommen konnten. 

Der Ihnen vorliegende Entwurf hat im Ausschuß 
erhebliche Änderungen erfahren, die Sie in der bei- 
liegenden Synopse nachlesen können. Wir wissen 
alle, CDU wie FDP und auch die SPD, daß wir mit 
dem vorliegenden Gesetz einen erheblichen Eingriff 
in bestehende Sozialrechtsgebiete vornehmen. Wir 
glauben aber, daß diese Änderung der sozialrecht- 
lichen Vorschriften — im (ganzen werden 11 Gesetze 
durch die Gesetzesvorlage zur Förderung eines frei- 
willigen (Sozialen Jahres betroffen — notwendig ist 
und daß das Opfer, das junge Menschen, die frei- 
willig ein Jahr ihres Lebens zur Verfügung stellen, 
auch entsprechend von uns anerkannt werden muß. 
Wir können diese jungen Leute nicht schlechter stel- 
len als solche, die in einer Berufsausbildung stehen 
und denen in der Kindergeldgesetzgebung, in der 
Steuergesetzgebung und vor allen Dingen auch in 
bezug auf die Anrechmmgen in der Rentengesetz- 


gebung Vorteile aus der Berufsausbildung erwach- 
sen. Die jungen Menschen, die im freiwilligen sozia- 
len Jahr tätig waren, konnten bisher diese Vorteile 
nicht für sich in Anspruch nehmen, d. h. sie waren 
gegenüber anderen Berufsgruppen benachteiligt. Ich 
glaube, daß es auch viele Eltern geben wird, die auf 
Grund der Möglichkeiten, welche durch das Gesetz 
zur Förderung eines freiwilligen Jahres jetzt er- 
öffnet werden, leichter bereit sind, ihre Kinder ein 
Jahr dem Dienst für die Gemeinschaft zur Verfügung 
zu stellen. 

Wir bedauern es — ich glaube, das kann man von 
allen Parteien sagen — , daß in § 1 Abs. 4 dieses 
Gesetzentwurfs die Altersgrenze auf das 17. Lebens- 
jahr festgesetzt ist. Wir hätten lieber, alle zusam- 
men glaube ich, das 18. Lebensjahr als Voraus- 
setzung für den Eintritt in das freiwillige soziale 
Jahr gesehen. Leider ist in den sozialen Berufen die 
Überbrückung der Zeit zwischen Schule und Berufs- 
tätigkeit so schwierig, daß wir uns doch entschieden 
haben, das 17. Lebensjahr als Eintrittsjahr zu neh- 
men. Unsere grundsätzlichen Bedenken — das muß 
ich für meine Fraktion hier sagen — beruhen darauf, 
daß man einen jungen Menschen mit 17 Jahren nor- 
malerweise ‘erheblich seelisch belastet mit den Din- 
gen, die ihm oft beim Dienst am Nächsten begegnen, 
sei es im Altersheim, im Krankenhaus oder auch in 
Einrichtungen für geistig und körperlich behinderte 
Kinder. Wir möchten hier keine Anträge auf Ände- 
rung stellen, sondern möchten nur feststellen, daß es 
wünschenswert wäre, wenn der Eintritt der jungen 
Leute in das freiwillige soziale Jahr etwas später 
läge. (D) 

Ein Punkt, über den im Ausschuß keine Einigung 
erzielt werden konnte und bei dem die SPD die 
Formulierung bis zum letzten als bedauerlich ansah, 
ist der, daß zu den Einrichtungen, in denen das frei- 
willige soziale Jahr abgeleistet werden kann, Ein- 
richtungen für die Familienpflege gehören. Wir 
haben die Sorge, daß mit dieser Formulierung bei 
kinderreichen Familien oder bei Familien, die durch 
den Ausfall der Mutter in eine besonders schwierige 
Situation geraten, die Hoffnung erweckt wird, sie 
könnten hier eine Hilfe von jungen Menschen be- 
kommen, die im freiwilligen sozialen Jahr tätig sind, 
eine Hilfe, mit der den Notständen in ihren Familien 
abgeholfen werden könne. Gedacht ist jiedoch — das 
wurde im Ausschuß klar herausgestellt und ist auch 
im Bericht festgelegt — nur an „Einrichtungen, die 
Familienpflege leisten" und die die jungen Men- 
schen aus einem internatsmäßigen Aufenthalt zu 
bestimmten Einsätzen im hauspflegerischen Bereich 
schicken. Uns Sozialdemokraten wäre es lieber ge- 
wesen, wenn diese Formulierung nicht in das Gesetz 
aufgenommen worden wäre, damit nicht, wie ich 
schon sagte, falsche Hoffnungen erweckt werden. 

Differenzen zwischen uns und den einbringenden 
Fraktionen bestehen auch hinsichtlich des § 2 Abs. 1 
in der Frage der Trägerschaft. Frau Pitz hat eben 
schon einen Änderungsantrag angekündigt, der die 
Frage der Trägerschaft auf zentraler Ebene oder auf 
unterer Ebene betrifft. Wir hatten seinerzeit in einer 
Ausschußberatung in Berlin bewußt die Trägerschaft 
auf unterer Ebene ausgeschlossen, um eine bessere 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5969 


Frau Eilers 

(A) 

Kontrolle aller Träger zu erreichen und so sicherzu- 
stellen, daß der Einsatz auch in fachlich gerecht- 
fertigter Weise erfolgt. 

Grundsätzlich sind wir nicht ganz glücklich dar- 
über — wir wollen allerdings keinen Änderungs- 
antrag stellen — , daß hinsichtlich der Behandlung 
der Träger des freiwilligen sozialen Jahres ein 
Unterschied gemacht werden soll, daß nämlich die 
großen Wohlfahrtsverbändie, die Kirchen und die 
Gebietskörperschaften eo ipso als Träger des frei- 
willigen sozialen Jahres anerkannt siein sollen, wäh- 
rend eventuell weiter hinzukommende Träger ein 
Anerkennungsverfahren bei der zuständigen Lan- 
desbehördie durchmacben müssen. Wir meinen, daß 
es richtiger wäre, vorzusehen, daß jeder, der als 
Träger des freiwilligen sozialen Jahres tätig werden 
will, ein Anerkennungsverfahren durchmachen muß. 

Ich darf hierzu die Äußerung eines Sachverständi- 
gen im Ausschuß anführen, der uns sagte: „Wir sind 
sehr froh, daß auch düe öffentliche Hand jetzt ein 
solches freiwilliges soziales Jahr einriditen kann, 
weil wir dadurch endlich die Möglichkeit haben, dem 
entsetzlichen Mangel an Kräften in Krankenanstal- 
ten, speziell auch dem Mangel an Hilfskräften, also 
an Putzkräften, abzuhelfen." Das machte uns in er- 
schreckender Weise klar, wie wenig dieser Herr 
Sachverständige den eigentlichen tieferen Sinn die- 
ses Gesetzes und der Einrichtung des freiwilligen 
sozialen Jahres verstanden hatte. 

Durch die Einrichtung des freiwilligen sozialen 
Jahres sollen nicht etwa mehr oder weniger preis- 

(ß) günstige Arbeitskräfte leicht beschafft werden, son- 
dern hier soll sich — das möchte ich grundsätzlich 
sagen — für den jungen Menschen eine Möglichkeit 
auftun, seine Tätigkeit freiwillig in den Dienst des 
Nächsten zu stellen. Der junge Mensch soll hierbei 
aber nicht nur ein Gebender sein, sondern jede 
Helferin und jeder Helfer im freiwilligen sozialen 
Jahr sollen aus dieser Tätigkeit zugleich auch einen 
Gewinn für die Reifung ihrer Persönlichkeit ziehen. 
Sie sollen auf diese Weise ihren Standpunkt in der 
Gesellschaft finden und für das ganze spätere 
Leben gefestigt werden. 

Daher ist es auch notwendig, daß den jungen 
Leuten in der Einleitung und in der begleitenden 
Betreuung fachlich und pädagogisch qualifizierte 
Kräfte an die Hand gegeben werden, die ihren Ein- 
satz unterstützend überwachen und sie wirklich 
beraten. Ich glaube, daß auf diese Weise manchem 
jungen Menschen über die Zeit seines Einsatzes 
hinaus eine wirkliche Hilfe für das ganze Leben ge- 
geben werden kann. 

Folgendes möchte ich noch zur Gesetzesvorlage 
sagen — ich habe es eben schon bei meinem Hinweis 
auf die Sachverständigenanhörung angedeutet — : es 
darf in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck ent- 
stehen, daß mit dem Gesetz zur Förderung eines 
freiwilligen sozialen Jahres, vor dessen Verabschie- 
dung wir jetzt stehen, dem Dilemma abgeholfen 
werden kann, dem wir alle uns in Krankenhäusern, 
Altersheimen und sonstigen Einrichtungen gegen- 
übersehen. Mit dem Gesetz zur Förderung eines 
freiwilligen sozialen Jahres können wir nicht die 


Personalnot in allen diesen Einrichtungen bekämp- 
fen. Wir können vielleicht auch da ein wenig lindern 
helfen; aber wir müssen auf diesem Gebiet doch 
etwas anderes. Grundsätzliches tun: wir müssen 
endlich daran denken, die Neuordnung der Kranken- 
pflege voranzutreiben. 

(Beifall bei der SPD.) 

Mit dem freiwilligen sozialen Jahr -soll einer leider 
noch zu geringen Gruppe von jungen Menschen 
eine Betätigungsmöglichkeit und Aufgabe gegeben 
werden. 

Ich möchte für meine Fraktion sagen — ich glaube 
aber, daß mir hier auch viele andere Kolleginnen und 
Kollegen zustimmen werden — : dieses Gesetz soll 
und darf kein Schrittmacher für eine Dienstpflicht 
oder für ein Pflicht jahr sein, 

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten 
der Regierungsparteien) 

das ja sowieso nur auf Grund einer Änderung des 
Grundgesetzes eingeführt werden könnte. Ich 
glaube, daß man sich hier einig ist. Das ist nicht 
gewollt und darf auch bei uns nie gewollt sein. Hier 
soll vielmehr jungen Menschen, die bereit sind, der 
Gemeinschaft ein Opfer darzubringen, dieses Opfer 
in gewisser, wenn auch bescheidener Weise hono- 
riert werden. Und dazu sagen wir von der Sozial- 
demokratischen Partei freudigen Herzens ja. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Frau 
Abgeordnete Pitz: ^ * 

Frau Pitz-Savelsberg (CDU/CSU): Herr Präsi- 
dent! Meine Damen und Herren! Seit der ersten 
Lesung dieses Initiativgesetzentwurfs der CDU/CSU 
und der FDP ist über ein Jahr vergangen. Wir haben 
aber in diesem Jahr intensiver Ausschuß arbeit eine 
breite Mehrheit für dieses Gesetz gefunden, wofür 
wir recht dankbar sind. 

Der Grundgedanke ist die Gleichstellung des 
freiwilligen sozialen Jahres mit der Berufsausbil- 
dung mit der Konsequenz, daß auch während dieser 
Zeit wie während der Zeit einer Berufsausbildung 
Leistungen wie Renten, Kinderzuschläge, Kinder- 
geld, Steuerermäßigungen und Vergünstigungen 
anderer Art weiterlaufen. Die Auffassung, daß die- 
ses Jahr Erwerbsarbeit sei, führte bisher dazu, daß 
mit dem Eintritt in einen solchen Dienst alle Bezüge 
fortfielen und sogar zurückgezahlt werden mußten, 
wenn sie in Unkenntnis der Lage angenommen wor- 
den waren. Das hat nicht nur zu einer Verbitterung 
weiter Kreise geführt, sondern das hat auch den 
Eltern den Mut genommen, sich zu entschließen, 
ihren Kindern ein solches Jahr zu gewähren. 

Die Gleichstellung mit der Berufsausbildung führt 
aber nicht dazu — so ist das irrtümlich aufgefaßt 
worden — , daß nun die Berufsausbildung um ein 
Jahr gekürzt werden könne oder daß das freiwillige 
Jahr in allen Fällen als Ersatz für ein Praktikum 
im Rahmen einer Berufsausbildung gelten könne. 

Ob, wie und in welchem Umfang eine Anrechnung 
auf ein soziales Praktikum erfolgen kann, hängt von 



5970 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frau Pitz-Savelsberg 

den jeweiligen Ausbildungsbestimmungen ab und 
gehört nicht in dieses Gesetz. In keinem Fall — das 
muß man betonen — kann das freiwillige soziale 
Jahr als Ersatz für den Wehrersatzdienst gelten. 

Es gibt viele Gründe, die die Förderung notwen- 
dig machen. In erster Linie sollen natürlich die 
Nachteile aus dem Weg geräumt werden, um die 
Bereitschaft zur Ableistung eines freiwilligen so- 
zialen Jahres zu erhöhen und dadurch mehr Hilfs- 
kräfte in die Einrichtungen zu bekommen, in denen 
überlastete Berufskräfte sehr dankbar für die Hilfe 
sind. Aber wir sehen neben diesen willkommenen 
Hilfsdiensten auch einen wesentlichen Wert für die 
Jugendlichen selbst. In der Tätigkeit für den Näch- 
sten, in der Durchführung der praktischen Nächsten- 
liebe wächst auch das Verantwortungsbewußtsein 
für das Gemeinwohl. Die gewonnenen Kenntnisse 
und Erfahrungen aus diesem Jahr werden überdies 
der jungen Frauengeneration einen bleibenden 
Wert bedeuten und werden ihr helfen bei der Be- 
wältigung ihrer eigenen späteren Aufgaben. 

Eine Förderung verdient dieses Jahr aber beson- 
ders deshalb, weil sich nur ein Teil der Jugend zur 
Verfügung stellt und dieser Teil der Jugend für 
das Gemeinwohl weit mehr tut als die Jugend 
sonst. 

Nun wird man fragen können: Ja, aber warum 
dann nicht eine Verpflichtung für die gesamte Ju- 
gend? Hier kommen wir an die Fragen, die Frau 
Kollegin Eilers eben besorgt erwähnt hat. Hier setzt 
nämlich draußen in der Öffentlichkeit die Diskus- 
' ^ sion um das Pflichtjahr ein. Sicherlich ist der Ein- 
wand berechtigt, daß die Freiwilligkeit nicht genü- 
gend Helferinnen herbeibringen wird, um alle 
Lücken zu füllen. Darauf müssen wir aber sagen, 
daß das freiwillige soziale Jahr keine arbeitsmarkt- 
politische Maßnahme ist, um in einer Mangel- 
situation auf dem Arbeitsmarkt Abhilfe zu schaffen. 

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) 

Im übrigen wird auch ein Pf licht jahr diesen Mangel 
nicht ausfüllen können. Ganz abgesehen davon, daß 
wir uns im Grundgesetz selbst die Barriere gesetzt 
haben, die kein Pflichtjahr zuläßt, und eigentlich die 
Diskussion hierüber überhaupt überflüssig ist, wäre 
es auch praktisch nicht durchzuführen. Ein normaler 
Entlaß jahr gang der Mädchen umfaßt im Durchschnitt 
400- bis 420 000. Die Betreuung dieser Mädchen, die 
alle gleichzeitig in den Einsatz kämen, erforderte 
eine Anzahl von mindestens 16- bis 20 000 hochqua- 
lifizierten sozialpädagogischen Kräften, und gerade 
diese Kräfte fehlen uns ja. Wenn man ein neuntes 
Schuljahr nicht durchführen kann, weil man nicht 
die dazugehörigen Lehrer hat, und wenn man die 
nötigen Betreuungskräfte nicht hat, um die Sache 
überhaupt zu einem Erfolg zu führen, dann kann 
man auch keinen Pflichtdienst für Mädchen durch- 
führen. Aber der Zwang, die Verpflichtung wider- 
spricht auch dem Wesen der Karitas an sich. Also 
auch aus inneren Gründen muß die Freiwilligkeit 
für diese Tätigkeit vorausgesetzt werden. 

(Beifall in der Mitte.) 


Zwang würde im übrigen die pflegerischen Be- 
rufe, die nicht sehr hoch im Ansehen stehen, um den 
letzten Rest ihres Ansehens bringen. Es sind keine 
Berufe, die lohnend sind im Hinblick auf Gelder- 
werb. Wenn wir diesen Berufen ihr Ansehen und 
ihren Rang wiedergeben wollen, können wir das 
niemals tun, indem wir Menschen dazu zwingen. 

(Beifall in der Mitte.) 

Wir können das nur dadurch tun, daß wir eine Elite 
schaffen, und das ist der Sinn dieses Gesetzes. Elite 
ist der Sauerteig jeder Gesellschaft. Wir stellen 
hohe Erwartungen an eine geistige Elite, an eine 
Führungselite. Hier im freiwilligen sozialen Jahr 
stellt sich eine Elite anderer Art. Es ist eine Elite 
mitmenschlichen Verhaltens, und hier ist der Ansatz 
gegeben zu einer Wandlung sozialen Denkens von 
innen her. 

Wenn man von den Sozialreformen spricht, muß man 
sich darüber klar sein, daß man das nicht mit Ge- 
setzen schafft. Man muß beim Menschen anfangen. 

Die Kernfigur aller Bemühungen muß der Mensch 
sein, dessen uneigennützige Hilfsbereitschaft aus 
dem sozialen Verantwortungsbewußtsein des ein- 
zelnen kommt. Und das hat die Jugend begriffen, 
wenigstens dieser Teil. Der Funke ist in ihr wach 
geworden, und wir müssen jetzt dafür sorgen, daß 
er nicht wieder erlischt. 

(Beifall in der Mitte.) 

Ich muß auch bemerken, daß das freiwillige soziale 
Jahr nicht durch den Gesetzgeber jetzt geschaffen 
worden ist. Es ist geschaffen worden durch freie pj 
Träger und existiert schon seit langen Jahren. Der 
Gesetzgeber hat sich nur darauf beschränkt, die 
Merkmale des Dienstes im Gesetz festzuhalten, so 
wie sie von der Praxis abgelesen sind. Die Verbände 
der freien Wohlfahrtspflege z. B. haben fast alle 
heute Einrichtungen des sozialen Jahres jüngeren 
oder älteren Datums. Die ältesten und bekanntesten 
und auch die verdientesten sind das „Diakonische 
Jahr" und das „Jahr für den Nächsten". 

Der Aufbau und die Pläne zur Durchführung sind 
ausschließlich Sache des Trägers. Die Träger müssen 
zugelassen sein. Es kann nicht jede kleine Vereini- 
gung die Trägerschaft eines freiwilligen sozialen 
Dienstes übernehmen. Das ist klar, wenn man sich 
das Gesetz ansieht und die Voraussetzungen und 
Bedingungen liest, die an eine solche Trägerschaft 
geknüpft sind. Zugelassen sind — das sagte Frau 
Eilers eben auch schon — 1. die Verbände der freien 
Wohlfahrtspflege — es ist deren ureigenste Auf- 
gabe, soziale Aufgaben zu übernehmen — , 2. die 
Kirchen und 3, die kommunalen Körperschaften. 
Weitere Träger — wir wissen nicht, wer sich noch 
darum bemühen wird — können zugelassen werden, 
wenn sie eine den Bestimmungen des Gesetzes ent- 
sprechende Durchführung gewährleisten. Die Zu- 
lassung erfolgt durch eine zuständige Landesbe- 
hörde. 

Die wesentlichsten Voraussetzungen für die Durch- 
führung eines freiwilligen sozialen Jahreis sind eine 
theoretische Einführung, eine pädagogische Betreuung 
während der Zeit des Dienstes und eine sorgfältige 
Veranstaltung zum Abschluß des Dienstes, um den 



5971 


Deutscher Bundestag — 4, Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frau Pitz-Savelsberg 

j'ungen Helfern und Helferinnen hefwußt zu machen, 
wie sie dieses Jahr in ihren eigenen Lebensplan ein- 
zuoi^dnen haben. Diese sorgfältige Führung und der 
psychologisch richtige Einsatz der jungen Kräfte 
auf Grund genauer Beobachtung sind notwendig, 
um den notwendigen Erfolg zu erreichen. So groß 
der Wert einer durchgestandenen Bewährungsprobe 
für einen jungen Menschen ist — und das ist das 
freiwillige soziale Jahr in allen Fällen — , so ver- 
heerend für das jugendliche Selbstbewußtsein ist das 
Erlebnis des Versagens vor einer selbstgestellten 
Aufgabe. 

Die sorgfältige Führung durch die Träger 'konnte 
bisher gewährleistet werden, und es gab wenig Ver- 
sager. In diesem Punkt, muß man sagen, haben sich 
die bisherigen Träger große Verdienste erworben. 
Deshalb glaubten wir, von einem Anerkennungsver- 
fahren, wie es ursprünglich vorgesehen war, ab sehen 
zu können. Es ergab sich nämlich, daß eine sinnvolle 
Abgrenzung zwischen den erfahrenen und von ihrer 
Aufgabe her sogar berufenen Trägern und den neu 
sich bewerbenden Gruppen sehr schwierig war. 

Meine Fraktion ist deshalb der Meinung, daß man 
die Träger wie die bekannten Wohlfahrtsverbände, 
deren Wirken im Bereich der sozialen Wohlfahrt 
von eh und je unbestritten ist, nicht wegen einer 
Einzelaufgabe, wie sie sich hier neu ergibt, die aber 
m Rahmen ihrer Ges amt auf gäbe liegt, nicht einem 
neuen Anerkennungs verfahren unterwerfen kann. 
Man kann das besonders dann nicht, wenn das Aner- 
kennungsverfahren mit Maßstäben arbeitet, die von 
diesem Träger selber in mühevoller Pionierarbeit 
entwickelt und nun schon jahelang praktiziert wor- 
den sind. Das Prinzip der Zulassung, wie es jetzt im 
Gesetz verankert ist, entspricht mehr den Gegeben- 
heiten, und es ist mit Mehrheit in den Ausschußbera- 
tungen im Gesetz festgelegt worden. 

Nun ein Wort zur Situation der Helferinnen. Die 
Freiheit der Träger in der Durchführung des frei- 
willigen sozialen Jahres wird — abgesehen von 
einigen technischen Anweisungen in bezug auf Zeug- 
nisse und Bescheinigungen — durch das Gesetz nicht 
berührt. Das Gesetz legt die versicherungsrechtliche 
und arbeitsrechtliche Stellung der Helferinnen und 
Helfer fest; das muß geklärt werden, damit Nach- 
teile vermieden werden. Die , Sozialhelferin ist sozial- 
versidiert. Der Träger übernimmt den vollen Ver- 
sicherungsbeitrag. Das Jahr ist ein Rentenjahr für 
die Sozialversicherten und für die Angehörigen des 
öffentlichen Dienstes eine anr-edinungsfähige Aus- 
bildungszeit; das letzte braucht im Gesetz nicht ge- 
regelt zu werden, weil sich das nach schon bestehen- 
den Rechtsgrundlagen ergibt. Der Dienst wird grund- 
sätzlich unentgeltlich und uneigennützig geleistet. 
Taschengeld und Sachbezüge ändern den Charakter 
der Uneigennützigkeit nicht, Man bedenke, welche 
Verdienstmöglicbkeiten für junge Menschen heute 
in der Wirtschaft bestehen, auf die sie verzichten, 
um ein Jahr lang gegen ein Taschengeld im Dienste 
der Karitas zu arbeiten. 

Sehr glücklich sind wir darüber, daß es uns gelun- 
gen ist, einen rückwirkenden Termin — ab 1. April 
1964 — in das Gesetz hineinzubringen. Dadurch wer- 
den noch die diesjährigen Schulentlassenen mit er- 


faßt, denen die Vorteile des Gesetzes dann zugute 
kommen. Ein späterer Inkraftsetzungstermin hätte 
im übrigen wegen der Umstellung auf das Gesetz zu 
Schwierigkeiten verwaltungstechnischer Art geführt. 

Mit diesem Gesetz sind also die vielbeklagten 
Benachteiligungen, unter denen die Helfer im frei- 
willigen sozialen Jahr zu leiden hatten, behoben. 
Damit hat der Bund alles getan, was im Rahmen sei- 
ner Zuständigkeit geschehen konnte. Damit ist aber 
nicht gesagt, daß alle Förderungsmöglichkeiten er- 
schöpft sind. Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß 
man auch in den Ländern die Absicht hat, diese För- 
derungsmaßn ahmen des Bundes durch eigene zu er- 
gänzen. Es ist zu wünschen und zu hoffen, daß mög- 
lichst viele Mädchen dem Ruf zum freiwilligen so- 
zialen Jahr folgen, nicht nur um zu helfen, sondern 
auch um für sich selbst, für ihre Persönlichkeitsent- 
faltung und für ihre späteren Aufgaben im Leben 
etwas zu gewinnen. Man kann sagen, daß das frei- 
willige soziale Jahr beste Lebensschule ist. 

Einige Bedenken sind noch in bezug auf den Ein- 
satz z. B. im Haushalt aufgetaucht. Ich sage grund- 
sätzlich, daß kein Einsatz erfolgt, der nicht über eine 
bewährte Organisation, durch eine Trägereinrich- 
tung geschieht. Ich darf weiter z. B. gegenüber den 
Bedenken, die dagegen erhoben werden, junge Mäd- 
chen in Krankenhäusern und Pflegeheimen einzuset- 
zen, sagen, daß hier die vorhandenen Bestimmungen 
zum Schutze Jugendlicher in der Krankenpflege und 
auch alle Jugendschutzbestimmungen gelten. Das 
sage ich denen, die glauben, daß nach dieser Rich- 
tung hin Bedenken bestehen können. Der freiwillige fpj 
soziale Dienst und damit auch die Berufe, im Rah- 
men derer er geschieht, werden an Ansehen und 
Anziehungskraft in dem Maße wachsen, in dem 
sich junge Menschen mit vollem Herzen zu diesem 
Dienst bekennen und dazu ja sagen. 

Im Namen meiner Fraktion bitte ich nun das Hohe 
Haus, zunächst den Antrag anzunehmen, den ich er- 
läutert habe und der Ihnen mittlerweile vorliegt, 
und zweitens, dem Gesetz zuzustimmen und es in 
dritter Lesung zu verabschieden. Damit ist der Weg 
frei gemacht für die Entwicklung einer Einrichtung, 
die wahrhaft in mancher Beziehung und in vielfacher 
Hinsicht segensreich ist. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Das Wort hat Frau 
Abgeordnete Funcke. 

Frau Funcke i(Hagen) (FDP): Herr Präsident! 
Meine Herren und Damen! Die Fraktion der FDP 
bejaht das Gesetz zur Förderung eines freiwilligen 
sozialen Jahres, das sie mit eingebracht hat, in vol- 
lem Umfang. Sie bejaht es insbesondere wegen der 
Freiwilligkeit. Ich möchte das an dieser Stelle 
ebenso wie meine beiden Vorrednerinnen noch ein- 
mal deutlich aussprechen; denn außerhalb dieses 
Hauses bestehen Befürchtungen und Hoffnungen, 
daß mit diesem Gesetz ein Pflichtjahr vorbereitet 
werden könnte; ja, auch Hoffnungen, zum Teil bei 
den jungen Menschen selbst, die das soziale Jahr 



5972 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frau Funcke (Hagen) 

an sich gern ableisten wollen, die aber die Entschei- 
dung dazu vor sich iselbst nicht fällen wollen und 
auch gegenüber den Eltern und der Meinung der 
Umwelt nicht durchfechten möchten. 

Wir meinen, gerade um die freiwillige Entschei- 
dung geht es in diesem Fall. Unsere Demokratie ist 
auf der freien Entscheidung zur Selbstverpflichtung 
aufgebaut. Wer die im Grundgesetz garantierte Frei- 
heit nur als Freiheit zur Selbstverwirklichung ver- 
steht, verfehlt den Sinn der freiwilligen Ordnung 
genauso wie derjenige, der allzu früh nach staat- 
lichen Zwangsmaßnahmen ruft. Es muß uns daher 
bei der Erziehung der heranwachsenden Generation 
entscheidend darauf ankommen, daß die Jugend die 
Fähigkeit zur selbstständigen Entscheidung von früh- 
auf übt und entwickelt. 

Gerade dieses Gesetz scheint uns in der Hilfe und 
der Sorge für den hilfsbedürftigen Menschen, die ja 
mehr als den Einsatz persönlicher Kräfte erfordern, 
eine besonders eindrucksvolle Möglichkeit zu geben, 
sich selbst aus freien Stücken eine Aufgabe zu set- 
zen und sich trotz mancher schwerer Erfahrungen 
immer wieder zu ihr zu bekennen. 

Unser Gesetz, das der Bundestag heute beschlie- 
ßen wird, kann dazu nur einige Steine aus dem 
Wege räumen, d. h. besonders schwere materielle 
Opfer für einzelne erleichtern. Die Hauptlast 
aber, die Entscheidung und die persönlichen Opfer 
an Zeit und Kraft, an persönlicher Hingabe kann 
und, so meinen wir, sollte auch den jungen Men- 
schen unserer Zeit nicht abgenommen werden, hier 
nicht und auch nicht an anderer Stelle. 

Vielleicht könnte dieses Gesetz auch ein Weg- 
weiser sein. Entgegen manchen Unkenrufen, die man 
immer wieder hört, ist unsere heranwachsende 
Generation nicht oberflächlicher und nicht ichbezo- 
gener als frühere Generationen. 

(Beifall bei den Regierungsparteien.) 

Sie ist ebenso hilfsbereit und ebenso einsatzfreudig 
wie die Jugend aller Zeiten. Aber entgegen der Ge- 
neration, die einmal die Jugendbewegung geschaf- 
fen hat, sucht sie die Wege zur Verwirklichung 
nicht selbst, sondern wartet, beobachtend und auf- 
merksam, welche Wege ihr die Erwachsenen wei- 
sen, um dann kritisch oder nacheifernd dazu Stel- 
lung zu nehmen. So könnte das Gesetz, hinter dem 
ja, wie wir gehört haben, der ganze Bundestag steht, 
ihr einen Fingerzeig dazu geben, einen Weg zu ge- 
hen, den man selbst nur ungewiß ertastet. 

Namens meiner Fraktion möchte ich an dieser 
Stelle all den jungen Mädchen und jungen Män- 
nern, die in den vergangenen zehn Jahren verant- 
wortungsvoll und still ein oder zwei Jahre ihres 
Lebens in den Dienst am Nächsten gestellt haben — 
es sind über 9000 — , unseren herzlichen Dank und 
unsere Anerkennung aussprechen. 

(Beifall.) 

Sie bewegten sich noch auf ungewisserem Boden. 
Doch haben sie uns gerade durch ihre Bewährung 
die Sicherheit gegeben, die aus Erfahrungen ge- 
wachsene Form des Dienstes rahmenmäßig in ein 
Gesetz zu bringen. 


Unsere Bitte geht heute über das Haus hinaus 
an die Eltern unserer heranwachsenden Jugend, daß 
sie Verständnis haben mögen, wenn sich ihre Söhne 
und Töchter zu einem sozialen Jahr entscheiden 
wollen, und daß sie ihnen den Entschluß nicht er- 
schweren. 

Sicherlich verlieren die jungen Leute ein Jahr 
ihrer 40- bis 50jährigen Berufstätigkeit. Vielleicht 
heiraten sie ein Jahr später. Sie verdienen ein Jahr 
lang nur gerade das Taschengeld. Aber was sie an 
gleicher Stelle gewinnen an menschlicher Einsicht, 
an sozialem Verständnis, an praktischen Fähigkei- 
ten, an Verantwortungsbewußtsein und Hilfsbereit- 
schaft, das wiegt, so scheint mir, für ihr ganzes 
Leben mehr. 

Die FDP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf zu. 

(Beifall bei den Regierungsparteien.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und 
Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. 
Ich schließe die allgemeine Aussprache. 

Wir kommen zur Einzelberatung des § 2. Ich 
weiß nicht, ob der Änderungsantrag, der von der 
Frau Abgeordneten Pitz-Savelsberg begründet 
wurde, Ihnen vorliegt. Es ist der Antrag Um- 
druck 451. Ich kann ihn verlesen, weil er sehr kurz 
ist: § 2 Abs. 1 Nr. 1 in der Ausschußfassung wird 
wie folgt ergänzt: hinter dem Wort „Verbände" 
wird das Komma gestrichen und werden die Worte 
„und ihre Untergliederungen" angefügt. Hiernach 
ist wohl wieder ein Komma zu setzen. 

Wird hierzu noch das Wort gewünscht? — Das 
ist nicht der Fall. Wer dem verlesenen Änderungs- 
antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das 
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Es ist so beschlossen. 

(Zurufe von der SPD: Enthaltungen!) 

— Wenn Sie absolut wollen: Enthaltungen? — Wir 
wenden hier das verkürzte Verfahren an. Nur bei 
der Schluß abstimmung wird ganz genau festgestellt, 
wie im einzelnen abgestimmt wird. Ich stelle aber 
fest, daß links zahlreiche Enthaltungen waren. 

Ich lasse nunmehr über § 2 mit der soeben be- 
schlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustim- 
men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — 
Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstim- 
men. Enthaltungen? — Einige Enthaltungen. 

Meine Damen und Herren, damit ist auch die Ein- 
zelberatung abgeschlossen, weil weitere Ände- 
rungsanträge nicht vorliegen. 

Wir kommen damit in 

dritter Beratung 

zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als 
Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu 
erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Keine 
Gegenstimmen. Enthaltungen? — Keine Enthaltun- 
gen. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenom- 
men. 

(Beifall bei den Regierungsparteien.) 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5973 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

Wir kämen jetzt zu Punkt 13 der Tagesordnung. 
Wie ich aber soeben höre, soll dieser Punkt von der 
Tagesordnung abgesetzt werden. Entspricht das dem 
allgemeinen Wunsch? — Kein Widerspruch; dann 
ist Punkt 13 von der Tagesordnung abgesetzt. 

Meine Damen und Herren, ich bin gebeten wor- 
den, den nächsten Punkt, Punkt 14 ^ — Arzneimittel- 
gesetz — , etwas später aufzurufen, weil sich ein 
Änderungsantrag hierzu noch in der Vervielfälti- 
gungsmaschine befindet. Sie werden damit einver- 
standen sein. 

Ich rufe nunmehr Punkt 15 auf; 

Zweite und dritte Beratung des von der Frak- 
tion der FDP eingebrachten Entwurfs eines 
Gesetzes zur Änderung des Bundesbaugeset- 
zes (Drucksache IV/924) ; 

Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses 
(14. Ausschuß) (Drucksachen IV/2142, 
^IV/2142). 

(Erste Beratung 64. Sitzung) 

Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Besold, 
dem ich für seinen Schriftlichen Bericht danke. Zur 
Ergänzung seines Berichts erteile ich Herrn Abge- 
ordneten Dr. Besold das Wort. 

Dr. Besold (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Zunächst darf ich feststellen, 
daß im Schriftlichen Bericht Drucksache ^ IV/2142 
auf Seite 2 unten links eine Druckfehlerkorrektur 
vorgenommen werden muß. Es heißt hier: „die schon 
(B) bisher „nur" Baulandsteuer herangezogen wurden." 
Es muß heißen: „zur Baulandsteuer herangezogen 
wurden." 

Es ist wohl angezeigt, noch etwas über die Gründe 
zu sagen, die die beiden Ausschüsse zu dem Be- 
schluß veranlaßt haben, die Vorschriften über die 
Baulandsteuer nach lediglich vierjähriger Geltungs- 
dauer aufzuheben. 

Bei der Einbringung des Änderungsgesetzes zum 
Bundesbaugesetz mit dem Ziele der Aufhebung der 
sogenannten Baulandsteuer im März vorigen Jahres 
wurden im Plenum folgende Vorstellungen ent- 
wickelt: Man sollte das Gesetz aufheben oder 
suspendieren oder modifizieren. Die Debatte im Ple- 
num vom 13. März 1963 ergab, daß die Ziele, die 
mit der Einführung der Baulandsteuer verfolgt wor- 
den waren, nämlich a) den Markt für baureife 
Grundstücke in Bewegung zu bringen, b) mehr Bau- 
land zu beschaffen und c) durch Vermehrung des 
Angebots an baureifen Grundstücken die Preissitua- 
tion auf dem Baumarkt zu verbessern, nicht erreicht 
worden sind — wohl infolge der allgemeinen kon- 
junkturellen Entwicklung und ihrer vielschichtigen 
Auswirkungen — und daß stattdessen negative Er- 
scheinungen eingetreten sind. Ich möchte Ihnen kurz 
ins Gedächtnis zurückrufen, was damals im Plenum 
gesagt worden ist. 

Es wurde behauptet, für den kleinen Mann habe 
die Baulandsteuer enteignungsähnlichen Charakter; 
sie sei als unmoralisch und unsozial empfunden 
worden; es seien auch Bundesverfassungsgerichts- 


verfahren bezüglich der Verfassungsmäßigkeit die- 
ses Gesetzes eingeleitet worden; auf Grund der 
nachträglich eingetretenen konjunkturellen Ent- 
wicklung wirke sich die Baulandsteuer bei den 
unteren und mittleren Schichten gegen die ange- 
strebte breite Streuung des Eigentums aus. Außer- 
dem wurde betont, daß die Baulandsteuer den Cha- 
rakter der Objektsteuer da und dort verloren habe, 
weil insbesondere Städte die Erhebung der Grund- 
steuer C dazu benutzten, übermäßige Hebesätze ein- 
zuführen * — bis zu 1000 Vo und darüber hinaus — 
und so auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des 
Eigentümers — ein Kriterium der Objektsteuer — 
keine Rücksicht nähmen. 

Sowohl der Wohnungsbauausschuß als mitbera- 
tender Ausschuß als auch der federführende Finanz- 
ausschuß empfehlen, die Vorschriften über die Bau- 
landsteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1963 aufzu- 
heben. Während der Finanzausschuß die ersatzlose 
Aufhebung empfiehlt, hat der Wohnungsbauaus- 
schuß mit den Stimmen der Koalition bei Stimment- 
haltung der Opposition den Vorschlag beschlossen, 
gleichzeitig mit der Aufhebung der Baulandsteuer 
die Steuermeßzahl für unbebaute baureife Grund- 
stücke auf 20 vom Tausend festzusetzen und ähn- 
lich wie bei den Steuermeßzahlen für Einfamilien- 
häuser eine Degression für kleine Grundstücke vor- 
zusehen. Dabei soll sich die Steuermeßzahl von 
20 vom Tausend für ein oder mehrere Grundstücke, 
die demselben Eigentümer gehören, bis zu einem 
Einheitswert von insgesamt 10 000 DM auf 10 vom 
Tausend ermäßigen. Gleichzeitig soll die Befugnis 
der Gemeinden, für die Baulandsteuer einen beson - ^ ^ 
deren Hebesatz festzusetzen, entfallen. Nach den 
Vorstellungen des Wohnungsbauausschusses soll 
damit vermieden werden, daß bei Aufhebung der 
Baulandsteuer automatisch die niedrigere Steuer- 
meßzahl von 5 vom Tausend in Kraft tritt. 

Nach eingehender Prüfung hat der Finanzaus- 
schuß jedoch, wie gesagt, die ersatzlose Aufhebung 
der Baulandsteuer vorgeschlagen. Ich darf Ihnen im 
folgenden die wesentlichen Gründe mitteilen, die 
ihn zu diesem Beschluß veranlaßt haben. 

1. Gegen den Alternativvorschlag des Wohnungs- 
bauausschusses sprechen im wesentlichen die glei- 
chen Argumente, die gegen die Baulandsteuer spre- 
chen. 

2. Eine Steuermeßzahl von 20 vom Tausend wäre 
doppelt so hoch wie die allgemeine Steuermeßzahl 
von 10 vom Tausend. Hierin würde sich ein Vor- 
griff auf die Neubewertung des Grundbesitzes, die 
einem besonderen Gesetz Vorbehalten ist, abzeich- 
nen. Dagegen sprechen wie bei der Baulandsteuer 
aus Gründen der Gleichbehandlung mit anderen 
Grundstücksarten erhebliche Bedenken. 

3. Die unter sozialen Gesichtspunkten vorge- 
schlagene Ermäßigung der Steuermeßzahl von 20 
V. T. auf 10 V. T. wäre sehr schwer praktikabel. Nur 
durch ein umständliches und zeitraubendes Verfah- 
ren könnte festgestellt werden, bei welchen von 
mehreren, gegebenenfalls sogar in verschiedenen 
Gemeinden liegenden Grundstücken die Ermäßigung 
für 10 000 DM des Einheitswerts eintritt und welche 



5974 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Besold 

Gemeinde diesen Steuerausfall tragen soll. Ganz 
allgemein ist der Ausschuß aber der Ansicht, daß 
durch die Baulandsteuer eine erhebliche Belastung 
für die Verwaltung entstanden ist, insbesondere 
durch die Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Be- 
urteilung der Baureife unbebauter Grundstücke so- 
wie durch die zahlreichen Ausnahmen von der Bau- 
landsteuerpflicht. 

(Vorsitz: Vizepräsident Schoettle.) 

4. Man ist zu der Überzeugung gekommen, daß 
die Baulandsteuer ihren Zweck nicht erreicht hat. 
Das Grundstücksangebot wurde nicht vermehrt, auf 
die Preisgestaltung hat sie keinen Einfluß gehabt. 

5. Die sozialen Auswirkungen sind infolge der 
konjunkturellen Entwicklung negativ. Der Klein- 
vermögensbesitzer würde am härtesten getroffen 
werden. 

6. Die Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit soll 
wiederhergestellt werden. Es kann nicht an der Tat- 
sache vorübergegangen werden, daß beim Verwal- 
tungsgericht in Hannover die Verfassungsmäßigkeit 
der Baulandsteuer in Frage gestellt wurde. Dieser 
Ansicht schließt sich auch ein Urteil des Finanz- 
gierichts Düsseldorf und ein Urteil des Finanzgerichts 
Kassel an. Außerdem muß auch festgestellt werden, 
daß in einigen Bundesländern der Vollzug der Bau- 
landsteuer ausgesetzt worden ist, in anderen wieder 
nicht. Sogar innerhalb einiger Bundesländer ist der 
Vollzug der Baulandsteuer in nebeneinander liegen- 
den Gemeinden ganz verschiedenartig gehandhabt 

(B) worden. 

Es soll auch darauf hingewiesen werden, daß bei 
den Feststellungen, die die Ausschüsse getroffen 
und die sie zu ihrer Empfehlung bewegt haben, eine 
Rolle spielt, daß das Aufkommen von 30 Millionen 
DM nicht so sehr ins Gewicht fällt, wenngleich die 
Haushalte auf jede Million angewiesen sind. Um die 
Auswirkungen der Baulandsteuer wieder ins rich- 
tige Lot zu bringen, dürfte der Ausfall von 30 Mil- 
lionen DM nicht ins Gewicht fallen. 

Endlich muß zum Schluß gesagt werden, daß die 
Wiederherstellung organischer und rechtsgleicher 
Verhältnisse auf dem Gebiete der Vermögens- 
besteuerung auch bei unbebauten baureifen Grund- 
stücken der Neuberwertung des Grundbesitzes und 
den daran anschließenden steuerlichen Maßnahmen 
Vorbehalten sein soll. 

Es wird daher empfohlen, daß das Plenum dem 
Antrag auf Drucksache IV/2142 zustimmt. Danach 
soll mit Wirkung vom 1. Januar 1963 die sogenannte 
Baulandsteuer aufgehoben werden. Es soll auch fest- 
gestellt werden, daß ein Teil dieser Steuer schon 
gestundet ist. Soweit Steuer erhoben wurde, müßte 
die erhobene Steuer für diesen Zeitraum erstattet 
werden. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Schoettle: Ich danke dem Herrn 
Berichterstatter. 

Die Aussprache ist eröffnet. — Das Wort wird 
anscheinend nicht gewünscht. Ich schließe die Aus- 
sprache. 


Wir stimmen ab über den Entwurf eines Gesetzes 
zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften, Art. 1, 

— Art. 2, — Art. 3, — Art. 4, — Einleitung und 
Überschrift. — Wer dem Gesetz dn dieser Form zu- 
stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. 
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzent- 
wurf ist in zweiter Beratung einstimmig verab- 
schiedet. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort ge- 
wünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Die 
Aussprache ist geschlossen. 

Wir kommen zur Schluß ab Stimmung über den 
Gesetzentwurf im ganzen. Wer ihm zustimmen will, 
den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Die Gegen- 
probe bitte! — Enthaltungen? — Keine Gegenstim- 
men, keine Enthaltungen. Der Gesetzentwurf ist ein- 
stimmig verabschiedet. 

Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung: 

Zweite und dritte Beratung des von den Frak- 
tionen der CDU/CSU, SPD, FDP eingebrachten 
Entwurfs eines Siebenten Strafrechtsände- 
rungsgesetzes (Drucksache IV/1817); 

Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses 
„Strafrecht" (Drucksache IV/2186). 

(Erste Beratung: 106. Sitzung.) 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. h. c. 
Güde. Ein Schriftlicher Bericht liegt vor. — • Der p) 
Berichterstatter wünscht diesen Bericht nicht zu er- 
gänzen. 

Ich eröffne die Aussprache in zweiter Beratung. 

— Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache 
ist geschlossen. 

Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1, 

— Art. 2, — Art 3 — Art. 4 entfällt — , Art. 5, — 
Art. 6, — Art. 7, — Einleitung und Überschrift. — 
Wer dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fas- 
sung zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- 
zeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltun- 
gen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. 
Der Gesetzentwurf ist in zweiter Lesung einstimmig 
verabschiedet. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort ge- 
wünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. Die 
Aussprache ist geschlossen. 

Wir kommen zur Schluß abstimmung über den 
Gesetzentwurf im ganzen. Wer ihm zustimmen will, 
den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Die Gegen- 
probe bitte! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf 
ist in dritter Beratung leinstimmig verabschiedet. 

Meine Damen und Herren, auf Grund des Be- 
schlusses am Beginn der Sitzung und einer Verein- 
barung zwischen den Fraktionen wird die Tagesord- 
nung am folgenden Punkt erweitert; 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5975 


Vizepräsident Sdioeltle 

a) Beratung des Zweiten , Schriftlichen Berichts 
des Rechtsausschusses (12. Ausschuß) über 
den von der Bundesregierung eingebraditen 
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung miet- 
rechtlicher Vorschriften (Drucksachen IV/806, 
IV/2195); 

b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechts- 
ausschusses (12. Ausschuß) über den von der 
Fraktion der SPD -eingebraditen Entwurf eines 
Gesetzes zur Änderung des § 556 a des Bür- 
gerlichen Gesetzbuchs (Drucksachen IV/1554, 
IV/2201). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Hauser. 
— Herr Dr. Mommer! 

Dr. Mommer (SPD): Herr Präsident, die Ände- 
rungsanträge liegen noch nicht vor, und deswegen 
können wir wohl nidit beraten. 

Vizepräsident Schoettle: Wir müssen also die 
Beratung zurückstellen. — Das Haus ist einverstan- 
den. Die Begründung war, daß die Änderungsan- 
träge noch nicht vorliegen. Das wollte ich noch hin- 
zufügen. 

Dann rufe ich auf Punkt 18 der Tagesordnung: 

Beratung des Antrags der Abgeordneten 
Josten, Buchstaller, Dr. Danz und Genossen 
betr. Verbesserung der Fahrwasserverhält- 
nisse auf dem Rhein, der verkehrsreidisten 
Wasserstraße Europas (Drucksache IV/2020). 

Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. 
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — Das 
ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. 
Der Antrag soll an den Ausschuß für Verkehr, Post- 
und Fernmeldewesen überwiesen werden. — Diesem 
Überweisungsantrag wird nicht widersprochen; es ist 
so beschlossen. 

Ich habe vergessen, dem Hause mitzuteilen, daß 
auf Grund einer interfraktionellen Absprache der 
Punkt 17 bis morgen zurüdcgestellt wird. 

Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: 

Beratung des Antrags der Fraktion der SPD 
betr. Besetzung der Ämter des Präsidenten 
des Bundesredinungshofes und des Bundes- 
beauftragten für die Wirtschaftlichkeit der 
Verwaltung (Drucksache IV/2048). 

Ich eröffne die Aussprache. Wird der Antrag be- 
gründet? — Der Antrag soll offenbar nicht begrün- 
det werden. — Das Wort wird nicht gewünscht. Ich 
schließe die Aussprache. Die Vorlage soll an den 
Haushaltsausschuß überwiesen werden. — Das Haus 
widerspricht dieser Überweisung nicht; es ist so be- 
schlossen. 

Ich rufe Punkt 20 auf: 

Beratung des Antrags der Abgeordneten 
Logemann, Sander, Wächter, Murr, Mauk und 
Genossen betr. EWG-Regelung für Kartoffeln 
(Drucksache IV/2153). 


(C) 

Soll der Antrag begründet werden? — Das scheint 
nicht der Fall zu sein. Ich eröffne die Aussprache 
über den Antrag. Wird das Wort gewünscht? — > 
Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist 
geschlossen. Der Antrag soll an den Ausschuß für 
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — feder- 
führend — und zur Mitberatung an den Außenhan- 
delsausschuß überwiesen werden. Wird diesem 
Überweisungsvorschlag widersprochen? — Das ist 
nicht der Fall; es ist so beschlossen. 

Ich rufe Punkt 21 auf: 

Beratung des Antrags der Abgeordneten 
Logemann, Wächter, Walter, Murr, Reich- 
mann und Genossen betr. Förderung der 
bäuerlichen Veredelungswirtschaft (Druck- 
sache IV/2154). 

Soll der Antrag begründet werden? — Das ist 
nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Wird das 
Wort gewünscht? — Das Wort wird nicht gewünscht. 
Die Aussprache ist geschlossen. Der Antrag soll an 
den Finanzausschuß — federführend — und zur Mit- 
beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirt- 
schaft und Forsten überwiesen werden. — Das Haus 
widerspricht diesem Vorschlag nicht; es ist so be- 
schlossen. 

Ich rufe Punkt 22 auf: 

Beratung der Übersicht 21 des Rechtsausschus- 
ses (12. Ausschuß) über die dem Deutschen 
Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem 
Bundesverfassungsgericht (Drucksache IV/ 
2021 ). 

Eine Berichterstattung dazu wird offenbar nicht 
gewünscht; die Vorlage liegt dem Hause vor. Wir 
kommen zur Beschlußfassung. Wer dem Antrag des 
Rechtsausschusses zustimmen will, den bitte ich um 
ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, keine Ent- 
haltungen. Der Antrag ist angenommen. 

Nunmehr soll der Punkt 14 auf gerufen werden: 

Zweite und dritte Beratung des Entwurfs 
eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des 
Arzneimittelgesetzes (Drucksachen IV/1370, 
IV/563); 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ge- 
sundheitswesen (11. Ausschuß) (Drucksachen 
IV/2162, ^IV/2162). 

(Erste Beratung; 83., 44. Sitzung.) 

Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Ausschusses 
für Gesundheitswesen vor. Wird dieser Bericht 
mündlich ergänzt? — Das Wort hat Frau Abgeord- 
nete Dr. Hubert als Berichterstatterin. 

Frau Dr. Hubert (SPD): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Ich darf mich auf meinen schrift- 
lich vorliegenden Bericht beziehen und dazu nur 
noch zwei ergänzende Bemerkungen machen. 

Zunächst möchte ich zu § 35 a folgendes hinzufü- 
gen. Dieser Paragraph bestimmt, daß Arzneimittel, 
die aus Stoffen unbekannter Wirksamkeit und aus 
Zusammensetzungen von Stoffen unbekannter Wirk- 
samkeit bestehen, drei Jahre unter die Rezeptpflicht 



5976 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frau Dr. Hubert 

fallen. Hiervon sind nicht nur dann Ausnahmen 
möglich, wenn die Wirkung neuer Zusammenset- 
zungen voraussehbar ist; vielmehr sind von vorn- 
herein von dieser automatischen Rezeptpflicht für 
drei Jahre auch Zusammensetzungen aus Stoffen 
bisher unbekannter Wirksamkeit ausgenommen, 
wenn sie bisher frei verkäuflich waren. 

Dann möchte ich noch § 53 Abs. 1 näher erläutern. 
Abs. 1 betrifft den Fall, daß, wenn die neuen Vor- 
aussetzungen für die Herstellung von Arzneimitteln 
für den Herstellung, sleiter nicht vorliegen, der Betref- 
mende aber bei Inkrafttreten des Gesetzes minde- 
stens zwei Jahre Arzneimittel hergestellt hat, für 
diese oder nach der Zusammensetzung gleichartige 
Arzneimittel die Erlaubnis zur Herstellung als er- 
teilt gilt. Der Ausschuß ist einhellig der Meinung, 
daß die Bestimmung des § 53 auch gelten soll, wenn 
diese Tätigkeit im Gebiet der sowjetisch besetzten 
Zone und in Ost-Berlin ausgeübt worden ist. Wir 
wollen, daß die Fortgeltung der Erlaubnis — durch 
Erstattung einer Anzeige gemäß § 53 Abs. 3 — auch 
den Personen zugute kommt, die bisher ihre Tätig- 
keit im dortigen Gebiet ausgeübt haben, aber durch 
die dortigen Verhältnisse zur Flucht in das Bundes- 
gebiet gezwungen wurden. Soweit nach Auslaufen 
der Anzeigemöglichkeit — Ende 1964 — noch Flücht- 
linge aus der sowjetisch besetzten Zone und Ost- 
Berlin herüberkommen, wird § 69 des Bundesver- 
trieb enengesetzes sinngemäß angewandt werden 
müssen. 

Zur Klarstellung möchte ich dies als die einhellige 
(B) Meinung des Ausschusses klarlegen. Ich glaube, es 
wird auch die einhellige Meinung des ganzen Hau- 
ses sein. 

(Beifall.) 

Vizepräsident Schoettie: Damit ist die Bericht- 
erstattung abgeschlossen. Wir kommen zur Aus- 
sprache in der zweiten Beratung. Wird das Wort 
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. 

Es liegen zwei Änderungsanträge vor. Werden sie 
begründet? — Das Wort hat Herr Abgeordneter 
Dr. Hamm zum Änderungsantrag Umdruck 441. 

Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP): Herr Präsi- 
dent! Meine Damen und Herren! In dem Zeitpunkt, 
in dem der Gesundheitsausschuß die Beratung des 
Zweiten Gesetzes zur Änderung des Ärzneimittel- 
gesetzes abgeschlossen hatte, hat am 4. März 1964 
das Bundesverfassungsgericht den § 36 Abs. 2 in 
dem Punkte für verfassungswidrig und demnach un- 
gültig erklärt, in dem es sich um das Aufsuchen von 
Bestellungen für Tierarzneimittel handelt. 

Die geltende Fassung des Arzneimittelgesetzes 
hatte solches Aufsuchen von Bestellungen untersagt. 
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Bestimmung 
für ungültig erklärt. So weit, so gut. Aber mit die- 
ser Aufhebung der Bestimmung ist zugleich die 
Möglichkeit gegeben, daß auch für apothekenpflich- 
tige Tierarzneimittel ein Aufsuchen von Bestellun- 
gen nunmehr zugelassen ist. Dem muß aus folgen- 
den Gründen entgegengetreten werden: 


fCl 

Das Arzneimittelgesetz sieht aus guten gesund- ' 
heitspolitlschen Gründen vor, daß bestimmte Arz- 
neimittel, auch Tierarzneimittel, nur über die Apo- 
theke abgegeben werden können. Nun wird man 
zwar sagen, mit einer Änderung dahin gehend, daß 
diese apothekenpflichtigen Arzmeimittel wiederum 
unter das Verbot des Aufsuchens von Bestellungen 
gestellt werden, sei nichts gewonnen. Das Arznei- 
mittelgesetz enthalte doch ohnehin die Bestimmung, 
wonach solche Arzneimittel nur von Apotheken und 
in diesem Falle auch von Tierärzten, die das Dis- 
pensierrecht haben, abgegeben werden können. Die 
Vertreter hätten also nichts davon, wenn sie Be- 
stellungen für apothekenpflichtige Tierarznemüttel 
aufsuchen, denn die Auslieferung müßte dann doch 
über die Apotheke oder den Tierarzt erfolgen. Aber, 
meine Damen und Herren, es kommt nicht selten 
vor, daß mit einem Betrieb, der solche Tierarznei- 
mittel — auch apothekenpflichtige — herstellt, 
gleichzeitig eine Versandapotheke verbunden wird. 

Um von vornherein solchen Mißbräuchen vorzubeu- 
gen, ist der Änderungsantrag auf Umdruck 441 ge- 
stellt. Wir glauben, daß es notwendig ist, eine sol- 
che Änderung .einzufügen, und sind der Auffassung, 
daß wir in dieser Hinsicht mit der Entscheidung des 
Bundesverfassungsgerichts völlig konform gehen. 

Ich darf — mit Genehmigung des Herrn Präsidenten 
— aus der Urteilsbegründung des Bundesverfas- 
sungsgerichts folgendes zitieren: 

Wenn die Beschwerdeführer meinen, daß die 
Apothekenpflichtigkeit dem Aufsuchen von Be- 
stellungen nicht entgegenstehe, sofern nur die 
Auslieferung über eine Apotheke erfolge, so 
kann offenbleiben, ob dies zutrifft. Unzuträg- 
lichkeiten, die sich hieraus ergeben, könnten je- 
denfalls durch ein die Rechtslage klarstellendes 
Verbot des Aufsuchens von Bestellungen auf 
apothekenpflichtige Mittel beseitigt werden. 

Ich darf Sie bitten, dem Antrag auf Umdruck 441 
Ihre Zustimmung zu geben. 

(Beifall.) 

Vizepräsident Schoettie: Das Wort zu diesem 
Antrag hat der Herr Abgeordnete Dr. Elbrächter. 

Dr. Elbrächter (CDU/CSU): Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus beschäf- 
tigt sich jetzt zum drittenmal mit dieser Frage. Wir 
hatten in der zweiten Legislaturperiode aus Anlaß 
der Änderung der Gewerbeordnung -Gelegenheit, 
diese Materie zu behandeln. Damals hat dieses Haus 
entschieden, daß es nicht erforderlich sei, bei Tier- 
arzneimitteln ein Verbot des Aufsuchens von Be- 
stellungen auszusprechen. Nun gebe ich zu, es 
sollte damals nicht das Ärzneimittelgesetz präjudi- 
ziert werden. 

In der dritten Legislaturperiode hat dieses Haus 
dem Antrag des Gesundheitsausschusses, das Auf- 
suchen von Bestellungen zu verbieten, zugestimmt. 

Ich darf erwähnen, daß der Gesundheitsausschuß 
diesen Beschluß damals nur mit einer Stimme Mehr- 
heit gefaßt hat, und ich verrate kein Geheimnis, 
wenn ich sage, daß die Abstimmung hier etwas 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5977 


Dr. Elbrächter 

anders ausgefallen wäre, wenn die sachlichen Argu- 
mente von diesem Hause wirklich gewürdigt wor- 
den wären. Was ich damals befürchtet habe, ist ein- 
getreten. Das Bundesverfassungsgericht hat den 
damaligen Entscheid dieses Hauses nicht gebilligt 
und die betreffende Bestimmung für nichtig erklärt, 
weil es darin einen unzulässigen Eingriff in die 
freie Berufsausübung sah. 

Es handelt sich nämlich, meine Damen und Her- 
ren, gar nicht um eine Frage der Gesundheitspolitik, 
überhaupt handelt es sich nicht um Fragen der 
menschlichen Gesundheit, sondern es geht um die 
Behandlung von Tieren durch den Besitzer selber 
mit Tierarzneimitteln. Es ist bei vielen bäuerlichen 
Betrieben ein alter Brauch, die Stallmittel nicht über 
die Apotheke zu beziehen, sondern, weil das beque- 
mer ist, durch Bestellungen, die sie bei Vertretern 
alteingeführter, renommierter Firmen aufgeben. Es 
ist gar kein gesundheitspolitischer Grund vorhan- 
den, dies zu untersagen. Es handelt sich nicht um 
Fragen der Gesundheit, und alle für das Verbot 
vorgebrachten Argumente sind doch reichlich dürf- 
tig. Ich darf hier einmal diese Kritik aussprechen, 
will mich aber im Hinblick auf den Zeitplan dieses 
Hauses darüber nicht groß verbreiten. Ich möchte 
nur darauf hinweisen, daß es einfach um Interessen 
geht. Die Wahrnehmung von Interessen ist natür- 
lich legitim. Es ist aber nicht Aufgabe dieses Hauses, 
einseitig zugunsten einer Schicht — in diesem Falle 
der Tierärzte oder der Apotheker — eine bestimmte 
Lage zu schaffen und dadurch andere, seit Jahr- 
zehnten eingeführte Betriebe zu behindern. 

i Ich bin also der Meinung, daß wir diesem Ände- 
rungsantrag nicht zustimmen sollten. 

Vizepräsident Schoettle: Herr Abgeordneter, 
gestatten Sie eine Zwischenfrage? — Bitte, Herr Dr. 
Hamm. 

Dr, Hamm (Kaiserslautern) (FDP): Herr Kollege 
Elbrächter, ist Ihnen klar, daß es sich nach diesem 
Antrag nicht um ein Verbot hinsichtlich solcher 
Stallmittel handelt, die nicht apothekenpflichtig 
sind, sondern nur hinsichtlich solcher, deren Abgabe 
laut Gesetz den Apotheken Vorbehalten ist? 

Dr. Elbrächter (CDU/CSU): Ich komme gleich 
auf dieses Argument zu sprechen. Ich darf also 
fortfahren. Es stimmt doch merkwürdig, daß der 
Fachausschuß sich mit dem Urteil des Bundesver- 
fassungsgerichts überhaupt nicht auseinandergesetzt 
hat. 

(Widerspruch bei der SPD.) 

— Der Antrag ist doch erst gestern den einzelnen 
Fraktionen vorgelegt worden, und mir ist gesagt 
worden, daß er im Ausschuß nicht beraten worden 
sei. Natürlich ist es das Recht von Kollegen in die- 
sem Hause, solche Änderungsanträge in der zwei- 
ten oder in der dritten Lesung zu stellen. Aber es 
stimmt mich doch bedenklich, daß man hier ausge- 
rechnet unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesver- 
fassungsgerichts einen Änderungsantrag stellt, nach 
dem dieses Verbot nun wieder eingeengt werden 
soll. 


(C) 

Nun komme ich zu dem, was Herr Kollege Hamm 
soeben sagte. Natürlich weiß ich, daß hier nur inso- 
fern eine Einengung erfolgen soll, als es sich um 
apothekenpflichtige Waren handelt. Nun kann man 
dahingestellt s^ein lassen, ob die Frage der Apothe- 
kenpflichtigkeit von Tierarzneimitteln wirklich eine 
Frage der Gesundheit ist. Ich bin da etwas anderer 
Meinung. Das Lebensmittelgesetz verbietet bei 
Tieren, deren Fleisch von Menschen verzehrt wird, 
die Anwendung solcher Stoffe, die irgendwie ge- 
eignet sind, die menschliche Gesundheit zu beein- 
trächtigen. Ich glaube, damit ist dem Schutz der 
menschlichen Gesundheit Genüge getan. 

Ich bin der Auffassung, daß hier insofern eine 
gewisse Gefahr besteht, als die Abgrenzung zwi- 
schen dem, was apothekenpflichtig ist, und dem, 
was nicht apothekenpflichtig ist, Herr Kollege 
Hamm, der Bürokratie überlassen bleibt. Ich habe 
leider die Erfahrung gemacht, daß die Interessen 
der Apotheker und der Tierärzte in der Ministerial- 
bürokratie bestens vertreten sind, während die 
Gruppe, die hier ihre Interessen anmeldet, gar nicht 
vertreten ist. Daher habe ich das Bedenken, daß 
durch die beantragte Einengung der Versuch ge- 
macht wird, das Urteil des Bundesverfassungs- 
gerichts einfach zu unterlaufen. Lassen Sie mich das 
ganz deutlich sagen. 

Ich bitte daher das Hohe Haus, nicht so zu ent- 
scheiden, wie es in dem Änderungsantrag begehrt 
wird. Ich betone noch einmal: es handelt sich nicht 
um Fragen der Gesundheit, es handelt sich ganz ein- 
fach um die Wahrnehmung von materiellen Interes- pj 
sen. Es würde sehr weit führen, wenn ich auf die 
Interessenlage gerade der Tierärzte näher eingehen 
wollte. 

(Zuruf von der SPD: Umgekehrt aber auch!) 

— Meine Damen und Herren, ich weiß, daß das ein 
Sonderfall ist, und ich weiß, daß es weder den Apo- 
theken noch den Tierärzten besonders gut geht. Das 
hängt mit vielen Dingen — Umstellung der Land- 
wirtschaft — zusammen. Aber es geht nicht an, daß 
wir im Interesse einer bestimmten Gruppe eine 
andere Gruppe benachteiligen. Das ist nicht Auf- 
gabe dieses Hauses. 

Vizepräsident Schoettle: Noch einmal zu die- 
sem Antrag Herr Abgeordneter Dr. Hamm! 

Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP): Herr Präsi- 
dent! Meine Damen und Herren! Zu meinem großen 
Bedauern muß ich Ihre Zeit noch einmal etwas in 
Anspruch nehmen. Aber hier sind einige Dinge vor- 
getragen worden, die nicht unwidersprochen bleiben 
dürfen. 

Erstens. Es geht uns bei der Frage Apotheken- 
pflicht oder nicht Apothekenpflicht weder um die 
Interessen der Tierärzte noch um die Interessen der 
Apotheker noch um die Interessen der Arzneimittel- 
hersteller. Es geht allein um die Frage — und die 
Berechtigung dieser Frage können Sie nicht bestrei- 
ten — , ob aus gesundheitspolitischen Gesichtspunk- 
ten, ob im Interesse des Schutzes der menschlichen 
oder auch der tierischen Gesundheit, die ja unmit- 
telbar eine Einwirkung auf die menschliche Gesund- 



5978 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Hamm (Kaiserslautern) 

heit hat, bestimmte Vorschriften notwendig sind 
oder nicht. Wir sind aber der Auffassung, daß sie 
notwendig sind. 

Zweitens. Das Lebensmittel- und das Futtermittel- 
gesetz finden nur insoweit Anwendung, als das 
Arzneimittelgesetz keine Anwendung findet. Das ist 
die Abgrenzung zwischen Arzneimitteln, Lebensmit- 
teln und Futtermitteln, wie sie sowohl im Arznei- 
mittelgesetz als auch im Lebensmittelgesetz als auch 
im Futtermittelgesetz vorgenommen ist. Es geht also 
nicht an, zu behaupten, das Lebensmittelgesetz biete 
ja einen genügenden Schutz für den Bürger. Man 
brauche also nicht den im Antrag angestrebten 
Schutz der Menschen gegen an Tiere verfütterte 
apothekenpflichtige Arzneimittel. Das ist falsch, weil 
es hier um das Arzneimittelrecht und um apothe- 
kenpflichtige Arzneimittel geht. 

Drittens: Ich bin der Meinung, die Stallmittel der 
Landwirtschaft, soweit sie außerhalb der Apotheke 
erhältlich sind, sollen dem Landwirt voll erhalten 
bleiben. Kein Mensch denkt daran, das Selbstbe- 
handlungsrecht des Landwirts insoweit einzuschrän- 
ken. Soweit aber öffentlich-rechtliche Gesichts- 
punkte, nämlich Fragen des Schutzes der Gesund- 
heit, zur Debatte stehen, muß der Staat dafür sor- 
gen, daß Instanzen eingeschaltet werden, die diesen 
Schutz übernehmen. Das sind in diesem Fall die 
Apotheke und auf Grund des Dispensierrechts der 
Tierarzt. Bei dieser Sachlage geht es nach unserer 
Meinung nicht an, daß eine Firma Vertreter durch 
das Land schickt, um Bestellungen auf apotheken- 
pflichtige Tierarzneimittel aufzunehmen und diese 
^ Mittel über ihre Versandapotheke direkt an den 
Tierhalter abzugeben. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Dittrich. Herr Kollege Dittrich, ich 
mache Sie darauf aufmerksam, daß ich unterrichtet 
worden bin. Sie wollten zu dem Antrag Umdruck 
442 sprechen. Ich bitte also um Nachsicht, wenn ich 
Sie vielleicht benachteiligt habe. 

Dr. Dittrich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Mein Kollege Dr. Elbrächter 
wird mir nachsehen, daß ich seine Ansicht nicht 
teile und ihm widerspreche. Herr Kollege Elbrächter 
hat die Dinge so dargestellt, als handelte es sich 
um den Kampf der Tierärzte und Apotheker auf der 
einen Seite und der veterinärpharmazeutischen In- 
dustrie auf der anderen Seite. So sehe ich die Dinge 
nicht. Ich glaube auch nicht, daß wir die Interessen 
einer Gruppe,* die nicht besonders vertreten ist, wie 
Sie meinen, wahrnehmen müßten. Es handelt sich 
vielmehr um das Problem, ob Vertreter draußen im 
Land, insbesondere in unseren landwirtschaftlichen 
Betrieben, Bestellungen auf apothekenpflichtige 
Arzneimittelspezialitäten aufnehmen dürfen.. Ich bin 
der Ansicht, daß das eine Gefahr für die Volksge- 
sundheit bedeuten würde. Sie machen es sich leicht, 
Herr Kollege Elbrächter, wenn Sie meinen, bei Tier- 
arzneimitteln gehe es nicht um Fragen der Gesund- 
heit. Ich weiß nicht, ob man dem beipflichten kann. 
Ich bin vielmehr der Ansicht, verehrter Kollege 


Elbrächter, daß gerade die Diskussionen der letzten 
Zeit gezeigt haben, welche Gefahr Tierarzneimittel, 
die in den Körper der Tiere gebracht werden, für 
die menschliche Gesundheit bedeuten können. 

Ich möchte ausdrücklich betonen, was mein Vor- 
redner, der Kollege Hamm, bereits zum Ausdruck 
gebracht hat, daß es den Vertretern der veterinär- 
pharmazeutischen Industrie unbenommen ist, Be- 
stellungen auf nichtapothekenpflichtige Arzneimit- 
tel draußen entgegenzunehmen. Nur Bestellungen 
auf die den Apotheken vorbehaltenen Arzneimittel 
sollen von den Vertretern nicht entgegengenommen 
werden dürfen. Es handelt sich meines Erachtens 
um ein gesundheitspolitisches Problem ersten Ran- 
ges, hinter dem wirtschaftliche Gesichtspunkte ein- 
zelner Interessengruppen zurücktreten müssen. Ich 
bitte deshalb, den Antrag auf Umdruck 441 anzu- 
nehmen. 

Vizepräsident Schoettle: Zu Art. 1 liegt noch 
der Antrag Umdruck 442 vor. Soll auch er be- 
gründet werden? — Herr Abgeordneter Dr. Dittrich, 
bitte. 

Dr. Dittrich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich in 
aller Kürze den Antrag auf Umdruck 442 begründe, 
der folgende Fassung des Abs. 1 Satz 2 in Art. 1 
Nr. 01 vorsieht: 

Auf Behältnissen von nicht mehr als drei Mil- 
lilitern Rauminhalt und auf Ampullen müssen (D) 
sich mindestens die Angaben nach Nummern 2, 

4, 5, 6 und 9 befinden. 

Meine Damen und Herren, außer Ampullen gibt 
es manche Behältnisse, insbesondere Tablettenröhr- 
chen und Tuben, die so klein sind, daß die Ober- 
fläche nicht ausreicht, alle Angaben in lesbarer , 
Schrift anzubringen. Der Ausschuß für Gesundheits- 
wesen hat sich deshalb entschlossen, § 9 Abs. 1 
Satz 2 wie folgt zu fassen — Sie mögen das aus dem 
Bericht entnehmen — : 

Auf Behältnissen von nicht mehr als drei Milli- 
litern Rauminhalt müssen sich mindestens die 
Angaben nach Nummern 2, 4, 5, 6 und 9 befin- 
den. 

Damit werden die Ampullen, die mehr als drei 
Milliliter Rauminhalt haben, von dieser verkürzten 
Beschriftung ausgeschlossen. Das ist nicht zweck- 
mäßig. Ich hätte die Möglichkeit, Ihnen diese Am- 
pullen hier einmal vorzuzeigen. Ich habe aber ab- 
sichtlich davon abgesehen, weil mein Kollege Unertl 
unlängst auch nicht die Bierflaschen mitgenommen 
hat. 

(Heiterkeit.) 

Ich glaube, daß wir die Fassung beschließen müs- 
sen, die hier beantragt ist, so daß die Ampullen, 
die samt und sonders klein sind und hinsichtlich der 
Beschriftung Schwierigkeiten bereiten, in gleicher 
Weise von der Verpflichtung der vollständigen An- 
gaben ausgenommen werden wie die Behältnisse 
von nicht mehr als drei Millilitern Rauminhalt. 



Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5979 


Dr. Dittrich 

Ich bitte deshalb, diesem Antrag auf Umdruck 442 
zuzustimmen. 

Vizepräsident Schoettle: Weitere Wortmel- 
dungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aus- 
sprache. 

Wir kommen zur Abstimmung. 

Ich rufe zunächst Art. 1 auf. Dazu liegen die 
beiden bereits begründeten Anträge auf Ümdruck 
442 und Umdruck 441 vor. Ich nehme den Antrag 
Umdruck 442 zuerst, weil er auch in der Reihenfolge 
der Entscheidungen an erster Stelle steht. Es ist der 
Antrag zu Art. 1 Nr. 01, der Ihnen auf dem rosa 
Umdruck vorliegt. 

Wer dem Antrag auf Umdruck 442 zustimmt, den 
bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Ge- 
genprobe! — Eine Gegenstimme. Enthaltungen? — 
Keine Enthaltungen. Der Antrag auf Umdruck 442 
ist gegen eine Stimme angenommen. 

Dann kommen wir zur Abstimmung über den An- 
trag Umdruck 441. Ich bitte diejenigen um ein Hand- 
zeichen, die zustimmen wollen. — Danke. Die Ge- 
genprobe! — ■ Das erste war eindeutig die Mehr- 
heit. Enthaltungen? — Eine Enthaltung. Bei einer 
Enthaltung und etlichen Gegenstimmen angenom- 
men. 

Wir kommen damit zur Abstimmung über Art. 1 
in der nunmehr durch die Entscheidung über die 
Anträge erreichten Fassung. Wer Art. 1 in der neuen 
Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Hand- 
(B) Zeichen. — Danke. Die Gegenprobe bitte! — Ent- 
haltungen? — Zwei Enthaltungen. Art 1 ist mit 
großer Mehrheit angenommen. 

Ich rufe auf Art. 1 a, — Art. 2, — Art. 2 a, — 
Art. 3, — Einleitung und Überschrift. — Wer den 
aufgerufenen Bestimmungen zustimmen will, den 
bitte ich um ein Handzeichen. — ■ Danke. Die Gegen- 
probe! — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen 
noch Enthaltungen; der Gesetzentwurf ist in zweiter 
Beratung einstimmig angenommen. 

Wir kommen zur 

dritten Beratung. 

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Ab- 
geordnete Dr. Schmidt (Offenbach). 

Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD): Herr Präsident! 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestat- 
ten Sie mir bitte namens der SPD-Fraktion einige 
wenige grundsätzliche Bemerkungen zu dem vor- 
liegenden Gesetzentwurf. Wenn wir Sozialdemo- 
kraten es auch bedauern, daß unser Antrag von An- 
fang 1962 so lange mit der Behandlung warten 
mußte, bis die längere Zeit vorangekündigte Regie- 
rungsvorlage kam, so sind wir heute doch befriedigt 
darüber, daß diese so dringend erforderliche Novel- 
lierung des Arzneimittelrechts endlich verabschiedet 
werden kann. Wir können auch mit Genugtuung 
feststellen, daß in dem vorliegenden Gesetzentwurf 
Regelungen gefunden wurden, die wir schon in der 
letzten Legislaturperiode gefordert hatten, die da- 
mals aber von der Mehrheit dieses Hauses abge- 


. fCl 

lehnt waren. Damit soll kein Streit über die Prion- ' ’ 
tät der Anträge entfacht werden. Aber es verdient 
meiner Auffasung nach festgehalten zu werden, daß 
sich die Opposition frühzeitig und in konstruktiver 
Form Gedanken um die Weiterentwicklung des 
Arzneimittelrechts gemacht hat und daß diese Ge- 
danken nun von allen Seiten des Hauses heute ak- 
zeptiert werden. 

Kernproblem der Novellierung ist die Einführung 
der Rezeptpflicht für Arzneimittel, die Stoffe mit 
bisher unbekannter Wirksamkeit enthalten. Ich 
brauche nicht näher darauf einzugehen, da das im 
Bericht ausführlich behandelt worden ist. Diese zeit- 
lich auf drei Jahre begrenzte Rezeptpflicht muß im 
Zusammenhang mit den Prüfungsbestimmungen ge- 
sehen werden. Wir begrüßen es, daß die volle Ver- 
antwortung für die Entwicklung und Prüfung neuer 
Arzneimittel allein dem Hersteller überlassen bleibt. 
Denn wir meinen, daß jede Teilung der Verant- 
wortung zwischen Hersteller und Staat unweigerlich 
auch zu einer Verwischung dieser Verantwortung 
führen wird. Das wäre sicher nicht gut. Der vom 
Ausschuß gefundene Weg zwingt den Hersteller zu 
einem Höchstmaß an Sorgfalt bei der Entwicklung 
und Prüfung neuer Arzneimittel, hält aber gleich- 
zeitig auch den Weg frei zur Entfaltung der For- 
schung in den einzelnen Produktionsstätten. 

Wir bejahen auch die Lösung einer Reihe von 
anderen Problemen in diesem Gesetz, die idi nur 
stichwortartig aufzeigen kann. So erscheint uns das 
zu beschließende Verbot der Verfütterung von Mast- 
hilfsmitteln, insbesondere der Thyreostatica, von be- 
sonderer Bedeutung, weil damit eine Gesetzeslücke 
geschlossen wird, nachdem bisher nur die Injektion 
und die Implantation solcher Mittel verboten waren. 

Auch die Aufforderung an die Bundesregierung, 
die zunehmende Verwendung rezeptpflichtiger Arz- 
neimittel in kosmetischen Artikeln in einem beson- 
deren Gesetz zu regeln, ist von wesentlicher Bedeu- 
tung. Wir erwarten bei aller Arbeitsüberlastung des 
Gesundheitsministeriums eine baldige Vorlage die- 
ses so wichtigen Gesetzentwurfs. 

Schließlich verdient festgehalten zu werden, daß 
auf unseren Antrag in Zukunft alle Arzneimittel, die 
einen negativen Einfluß auf das Verhalten im Stra- 
ßenverkehr ausüben können, mit einem besonde- 
ren, auch für den Laien verständlichen Warnhinweis 
zu kennzeichnen sind. 

(Beifall bei der SPD.) 

Hiermit kann ein wesentlicher Beitrag zur Verbes- 
serung der Verkehrssicherheit geleistet werden. 

Trotz all dieser positiven Lösungen bedauern wir 
es, daß die Koalitionsparteien sich nicht entschlie- 
ßen konnten, unsere Forderung zu unterstützen, in 
diesem Gesetz auch die Werbung für Arzneimittel 
zu regeln. So müssen wir das Gesetz über die Wer- 
bung auf dem Gebiet des Heilwesens isoliert und 
dazu noch verspätet behandeln, so daß die be- 
stehende Polizeiverordnung, die am 30. September 
dieses Jahres ausläuft, nochmals verlängert werden 
muß. Das ist sicher kein Zeichen für eine zielbewußt 
geführte Gesundheitspolitik. 



5980 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Schmidt (Offenbach) 

(A) Sozialdemokraten glauben, daß mit der vor- 

liegenden Novelle zum Arzneimittelgesetz eine gute, 
zeitgerechte und zudem praktikable Lösung gefun- 
den worden ist, die allen Verantwortlichen, vom 
Hersteller bis zum Arzt, die Möglichkeit bietet, nach 
diesem so wichtigen Gesetz verantwortungsbewußt 
zu handeln. In diesem Sinne geht diese Novelle 
über eine normale Rechtsregelung hinaus und erhält 
eine wesentliche gesundheitspolitische Bedeutung. 

Die SPD-Fraktidn wird deshalb dem Gesetz zu- 
stimmen, auch wenn eine Reihe von Problemen noch 
nicht ideal gelöst sind, wobei es sicher ist, daß es 
sich nicht um die letzte Novellierung handeln wird. 
Eine moderne Arzneimittelgesetzgebung muß sich 
immer den sich wandelnden Erkenntnissen der Wis- 
senschaft anpassen, wenn sie voll wirksam bleiben 
will. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der Ab- 
geordnete Dr. Dittridi. 

Dr. Dittrich (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion 
möchte ich zur zweiten Novelle zum Arzneimittel- 
gesetz in der bisher beschlossenen Fassung folgende 
Erklärung abgeben. 

Mancher wird fragen: Wie ist es möglich, daß 
ein Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln, das 
im Jahre 1961 von diesem Hohen Hause beschlos- 
sen wurde, jetzt schon zweier Novellierungen be- 
darf? Das ist einfach zu erklären, nämlich mit der 
Tatsache, daß die Forschung immer weiter voran- 
schreitet, daß die Industrie immer neue Arzneispe- 
zialitäten entwickelt und daß der Gesetzgeber 
Schwierigkeiten hat, diesen neuen Erkenntnissen 
mit der Gesetzgebung zu folgen. 

Als wir im Jahre 1961 dem Arzneimittelgesetz 
zustimmten, waren wir uns schon damals bewußt, 
daß noch zahlreiche Bestimmungen dieses Gesetzes 
ihre Bewährungsprobe würden bestehen müssen. 
Das Gesetz stellte in weiten Teilen Neuland dar. 
Wir wußten, daß erst in der Durchführung prak- 
tische Erfahrungen gesammelt werden mußten. Der 
Wert des Gesetzes wurde dadurch natürlich in kei- 
ner Weise gemindert. 

Mit der vorliegenden zweiten Novelle zu dem 
Gesetz wird nun versucht, die inzwischen gesam- 
melten Erfahrungen zur Geltung zu bringen, sei es 
durch Änderung geltender Bestimmungen, sei es 
durch Hinzufügung neuer Bestimmungen. 

Noch deutlicher als im Jahre 1961 hat sich in der 
Zwischenzeit gezeigt, welche Gefahren für die 
menschliche und tierische Gesundheit dem Ge- 
brauch von Arzneimitteln innewohnen können. Die 
Frage, in welcher Weise bei der ständig steigenden 
Produktion von pharmazeutischen Erzeugnissen und 
der zunehmenden Verwendung bisher nicht bekann- 
ter Stoffe und Zubereitungen die Sicherheit der Ver- 
brauchers aufrechterhalten werden kann, bewegt 
heute die Wissenschaftler der ganzen Welt. Wir 
sind der Überzeugung, daß zwar der Forschung nach 
neuen Mitteln keine Grenze gesetzt werden darf. 


daß aber der Schutz des Verbrauchers vor schäd- 
liehen Wirkungen gewährleistet bleiben muß. Wir 
wollen dabei, wie schon beim Erlaß des Gesetzes, 
an dem Grundsatz festhalten, daß die Verantwor- 
tung allein bei dem Hersteller zu liegen hat. Wir 
sind nicht der Ansicht — wie das soeben von dem 
Sprecher der Opposition vorgetragen worden ist — , 
daß wir damals, als wir das Arzneimittelgesetz 
schufen, gleichzeitig auch das Gesetz über die Wer- 
bung für Heilmittel hätten beschließen können. Eine 
solche Gesetzgebung ist so umfassend, daß sie der 
Deutsche Bundestag seinerzeit schon rein zeitlich 
nicht hätte bewältigen können. Es darf festgestellt 
werden, daß es die Bundesregierung war, die nach 
den bedauerlichen Contergan-Fällen die Initiative 
ergriff. Der Ausschuß für Gesundheitswesen hat 
eine Ausweitung des Regierungsentwurfs vorge- 
nommen, die die Zustimmung aller interessierten 
Kreise, ja, ich meine, der gesamten Bevölkerung 
finden kann. 

Vizepräsident Schoettle: Gestatten Sie eine 
Zwischenfrage? 

Dr. Dittrich (CDU/CSU) : Bitte sehr. 

Dr. Schmidt (Offenbach) (SPD): Herr Kollege 
Drittrich, ist Ihnen nicht bekannt, daß mehrere Mo- 
nate vor der Einbrignung der Regierungsvorlage 
schon eine Vorlage von meiner Fraktion eingereicht 
worden ist, die sich ebenfalls mit den Auswirkun- 
gen der tragischen Contergan-Fälle befaßt hat? 

Dr. Dittrich (CDU/CSU): Verzeihung, Herr Kol- 
lege Schmidt, natürlich ist mir das bekannt. Aber Sie 
werden es doch nicht für notwendig halten, daß ich 
das persönlich besonders unterstreiche. Das haben 
Sie mit Ihren Ausführungen schon getan, Herr Kol- 
lege Schmidt. Ich habe dem nichts mehr hinzuzu- 
setzen. Wir wollen hier doch nicht um Prioritäten 
streiten. Ein solcher Streit scheint mir hier nicht am 
Platze zu sein. 

Meine Damen und Herren, die ODU/GSU-Fraktion 
glaubt, daß die zweite Novelle zum Arzneimittel- 
gesetz für die Bundesrepublik wichtige Verbesse- 
rungen bringt. Das soll nicht besagen, daß die Frak- 
tion das Gesetz dann bereits für vollkommen hält. 
Wir Werden weiterhin aufmerksam seine Auswir- 
kungen verfolgen und, falls erforderlich, weitere 
Korrekturen ins Auge zu fassen haben. 

Die GDU/eSU-Fraktion wird diesiem zweiten An- 
derungsgesetz zum Arzneimittelgesetz ihre Zustim- 
mung geben. 

(Beifall bei der ODU/CSU.) 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Hamm. 

Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP): Herr Präsi- 
dent! Meine Damen und Herren! Die PDP-Fraktion 
dieses Hauses, für die zu sprechen ich die Ehre habe, 
wird dem zweiten Änderungsgesetz zum Ärznei- 
mittelgesetz zustimmen und begrüßt die Verab- 
schiedung dieser wichtigen Vorlage. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5981 


Dr. Hamm (Kaiserslautern) 

Herr Kollege Schmidt von der SPD hat an den 
Koalitionsfraktionen eine allgemeine Kritik geübt, 
die mir als dem Vorsitzenden des Gesundheitsaus- 
schusses Veranlassung gibt, besonders auf folgendes 
hinzuweisen. Der Gesundheitsausschuß hat alles Für 
und Wider bei der Neuregelung dieses Gesetzes 
intensiv geprüft und nach reiflicher Überlegung den 
Ihnen vorliegende Änderungsgesetzentwurf verab- 
schiedet. 

Meine Damien und Herren, wenn es möglich wäre, 
durch eine staatliche materielle Prüfung eines Arz- 
neimittels Arzneimittelschäden zu verhindern, dann 
wären wir die ersten, die eine solche staatliche Prü- 
fung einführen würden. Leider ist das nicht möglich. 
Der Staat kann noch viel weniger als der Wissen- 
schaftler, der in der pharmazeutischen Industrie ein 
Arzneimittel von Null bis zu seiner Anmeldung ent- 
wickelt und prüft, feststellen, ob dieses Arzneimittel 
verborgene schädliche Nebenwirkungen hat oder 
nicht. Wenn man eine solche staatliche Prüfung 
einführte, würde man vielleicht manchmal einen 
relativen Schutz erreichen. Möglicherweise! Ich 
stelle das in Frage. Auf der anderen Seite würde 
man die sehr wichtige Entwicklung neuer Arznei- 
mittel so hemmen, daß der (Fortschritt der Therapie, 
der Fortschritt in der Heilung mit Arzneimitteln in 
Frage gestellt wäre. 

(Ahg. Frau Dr. Hubert: Da sind wir uns ja 
alle einig!) 

Wir haben im Gesundheitsausschuß eine Regelung 
gefunden, die die Verantwortung des Herstellers 
(B) neuer Medikamente noch verstärken soll. Wir spre- 
chen ihn sogar persönlich an, indem wir für die An- 
meldung eine ausdrückliche schriftliche Erklärung 
verlangen, wonach er alles getan hat, um dieses 
neue Arzneimittel ausreichend und sorgfältig zu 
prüfen. Das ist der eine Punkt dieser Gesetzesvor- 
lage. 

Vizepräsident Schoettle: Gestatten Sie eine 
Zwiscbenfrage? 

Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP): Bitte schön. 

Frau Dr. Hubert (SPD) : Herr Kollege Hamm, es 
ist Ihnen doch klar, daß wir im Ausschuß in dieser 
Sache völlig einig waren? 

Dr. Hamm (Kaiserslautern) (FDP): Ja natürlich! 
Ich spreche ja nicht gegen Sie, Frau Kollegin; ich 
gebe eine Schlußerklärung. 

Der zweite wesentliche Punkt des Gesetzes ist 
die automatische Rezeptpflicht. Auch hier haben die 
Beratungen ergeben, daß eine automatische Rezept- 
pflicht für neue Arzneimittel durchaus ein Weg ist, 
durch den der Schutz des Bürgers vor Nebenwirkun- 
gen neuer Arzneimittel verstärkt werden kann. Es 
kam uns aber darauf an, die Institution der Rezept- 
pflicht, die eine besondeere Bedeutung hat — der 
Arzt soll das Mittel verschreiben — , nicht auszu- 
höhlen und die Rezeptflicht nur auf die Arzneimittel 
anzuwenden, die wirklich geeignet sind, automa- 
tisch unter die Rezeptflicht gestellt zu werden. 


(CI 

Schließlich hat der Ausschuß für Gesundheits- 
wesen die Beratung des Änderungsgesetzes nicht 
auf das Arzneimittelgesetz beschränkt, sondern er 
schlägt auch eine Änderung des Lebensmittelgeset- 
zes vor. Arzneiliche Mastmittel, die Tieren vor der 
Schlachtung gegeben werden, dürfen nicht mehr 
verfüttert werden. Ich halte das für eine sehr 
wesentliche gesundheitspolitische Frage, weil durch 
die Verfütterung solcher Mittel auch die mensch- 
liche Gesundheit gefährdet werden kann. Dazu 
haben wir weiter vorgeschlagen, die Einfuhr von 
Schlachtvieh, das mit solchen nicht ungefährlichen 
arzneilichen Mastmitteln gefüttert wird, intensiver 
als bisher kontrollieren. 

Die jetzt vorgesehene Neuregelung des Ärznei- 
mittelgesetzes war gesundheitspolitisch notwendig. 

Die Entwicklung auf dem Gebiet des Arzneimittel- 
wesens ist schnell. Deshalb mußte das Gesetz eine 
entsprechende Anpassung erfahren. 

Eine weitere wichtige Aufgabe, die Regelung der 
Werbung auf dem Gebiet des Heilwesens, steht uns 
bevor. Diese Aufgabe konnte mit der Novellierung 
des Arzneimittelgesetzes nicht verbunden werden. 
Denn dadurch hätte sich deren Beratung weiter ver- 
zögert, was wir wegen der Geschehnisse, die uns zu 
dieser Gesetzesänderung veranlaßt haben, nicht 
hätten verantworten können. 

Die FDP-Fraktion hält die in dem vorliegenden 
Gesetzentwurf getroffene Regelung für richtig und 
stimmt daher dem Gesetzentwurf zu. 

(Beifall bei der FDP.) pj 

Vizepräsident Schoettle: Weitere Wortmel- 
dungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache 
in der dritten Beratung geschlossen. 

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Gesetz- 
entwurf in der Fassung, die er durch die zweite 
Beratung erhalten hat, zustimmt, den bitte ich, sich 
zu erheben. — Die Gegenprobe bitte! — Enthaltun- 
gen? — Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. 
Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung einstim- 
mig angenommen und das Gesetz damit verab- 
schiedet. 

Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 2 des 
Ausschußantrags, durch die Beschlußfassung über 
den soeben angenommenen Gesetzentwurf den von 
der SPD eingebraditen Entwurf eines Gesetzes zur 
Änderung des Gesetzes über den Verkehr mit 
Arzneimitteln sowie die zu dieser Novelle einge- 
gangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Wer 
dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. — 
Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das Haus stimmt 
zu. 

Schließlich haben wir abzustimmen über die Ent- 
schließungen unter Ziffer 3 des Ausschußantrags 
auf Drucksache IV/2162. Sind Sie damit einverstan- 
den, daß wir über die Buchstaben a bis c zusammen 
abstimmen? — Das ist der Fall. Dann bitte ich die 
Damen und Herren, die diesen Entschließungen zu- 
stimmen, um ein Handzeichen. — Danke. Die Ge- 
genprobe! — Enthaltungen? — Diese Entschließun- 
gen sind einstimmig angenommen worden. 



5982 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Schoettle 
Ich rufe Punkt 23 a auf: 

Beratung der von der Bundesregierung vor- 
gelegten Sechsundfünfzigsten Verordnung zur 
Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zoll- 
aussetzung für Fische und Krebstiere — 1964) 

Drucksache IV/2034). 

Wird dazu von der Bundesregierung das Wort 
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Auch sonst wird 
das Wort nicht gewünscht. 

Vorgeschlagen ist die Überweisung an den 
Außenhandelsausschuß. — Das Haus widerspricht 
diesem Vorschlag nicht. Es ist so beschlossen. 

Punkt 23 b; 

Beratung der von der Bundesregiertmg vor- 
gelegten Sechzigsten Verordnung zur Ände- 
rung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Zollkon- 
tingente für EGKS-Waren) (Drucksache IV/ 
2151). 

EGKS ist also nicht chinesisch, sondern heißt im 
normalen Deutsch „Europäische Gemeinschaft für 
Kohle und Stahl". Ich sage das für den Fall, daß 
einzelne Kollegen nicht auf den ersten Blick begrif- 
fen haben sollten, was diese Abkürzung bedeutet. 

Begründet wird die Vorlage nicht. Das Wort wird 
ebenfalls nicht gewünscht. Die Vorlage soll an den 
Außenhandelsausschuß überwiesen werden. — Das 
Haus widerspricht nicht. Dann ist so beschlossen. 

Punkt 23 c: 

(ö) 

Beratung der von der Bundesregierung vor- 
gelegten Einundsechzigsten Verordnung zur 
Änderung des Deutschen Zolltarifs 1963 (Wein 
zum Herstellen von Weindestillat) (Druck- 
sache IV/2152). 

Auch diese Vorlage wird nicht begründet. Das 
Wort wird ebenfalls nicht gewünscht. 

Die Vorlage soll an den Außenhandel saus schuß 

— federführend — und an den Ausschuß für Er- 
nährung, Landwirtschaft und Forsten — mitberatend 

— überwiesen werden. Stimmt das Haus diesen 
Vorschlägen zu? — Ich höre keinen Widerspruch. 
Dann ist so beschlossen. 

Ich rufe Punkt 24 a auf: 

Beratung des Berichts des Außenhandelsaus- 
schusses (17. Ausschuß) über die von der Bun- 
desregierung erlassene Fünfundvierzigste 
Verordnung zur Änderung des Deutschen 
Zolltarifs 1963 (Kaschu-Nüsse usw.) (Druck- 
sachen IV/ 1937, IV/2095). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Diebäcker. 

(Abg. Diebäcker: Ich verzichte! Ich verweise 
auf den schriftlichen Bericht.) 

— Wir haben festgestellt, daß Berichterstatter nicht 
verzichten können. Das Haus kaün lediglich den 
Berichterstattern für ihre Mühe danken. Immerhin: 
Es ist keine Ergänzung des schriftlich vorliegenden 
„mündlichen" Berichts notwendig. 


Es ist auch nicht notwendig, daß abgestimmt wird. 
Da aus der Mitte des Hauses kein Antrag vorliegt, 
stelle ich fest, daß das Haus von dem Bericht Kennt- 
nis nimmt. 

Punkt 24 b; 

Beratung des Berichts des Außenhandels- 
ausschusses (17. Ausschuß) über die von der 
Bundesregierung erlassene Zwölfte Verord- 
nung zur Änderung der Einfuhrliste — An- 
lage zum Außenwirtschaftsgesetz — Drei- 
zehnte Verordnung zur Änderung der Ein- 
fuhrliste — Anlage zum Außenwirtschafts- 
gesetz — (Drucksachen IV/1980, IV/1981, 
IV/2096). 

Eine Ergänzung des von Herrn Abgeordneten San- 
der erstatteten Berichts wird nicht gewünscht. 

Ich stelle fest, daß das Haus von dem vorliegen- 
den Bericht Kenntnis nimmt und isomit eine Auf- 
hebung der Verordnungen nicht verlangt. 

Punkt 24 c : 

Beratung des Berichts des Außenhandelsaus- 
ischusses (17. Ausschuß) über die von der Bun- 
desregierung erlassene Fünfzigste Verord- 
nung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 
1963 (Angleichungszoll für Dextrine und 
Stärke — Neufestsetzung) (Drucksachen 
IV/2032, IV/2182). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Krug. Der 
Berichterstatter wünscht nicht, seinen Bericht zu er- 
gänzen. Das Haus stimmt der Empfehlung des Aus- 
Schusses zu, die Aufhebung der Verordnung nicht zu 
verlangen. 

Punkt 25 der Tagesordnung wird am 30. April 
aufgerufen. 

Punkt 26: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Inneres (6. Ausschuß) über den 
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Neu- 
regelung der Arbeitszeit der Beamten des 
Bundes (Drucksachen IV/1816, IV/2082). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wagner. 
Soll der vorliegende Bericht noch ergänzt werden? 
— Das wird offensichtlich nicht gewünscht. Wird 
sonst das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. 
Dann schließe ich die Aussprache. 

Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag der Frak- 
tion der SPD für erledigt zu erklären. Wer dem An- 
trag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich 
um ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Ent- 
haltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ange- 
nommen. 

Ich werde gebeten, das Haus darauf aufmerk- 
sam zu machen, daß alle Steuervorlagen — die 
Punkte 17, 27, 36, 43, 44, 45, 46 und 47 — erst am 
Donnerstag aufgerufen werden. 

Ich rufe Punkt 28 auf: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Verkehr, Post- und Fernmelde- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2,9, April 1964 


5983 


Vizepräsident Schoettle 

wesen (23. Ausschuß) über den Antrag der 
Abgeordneten Dr. Schmidt (Gellersen), Freh- 
see, Seither, Saxowski und Genossen betref- 
fend Sonderregelung für die Zulassung von 
Mähdreschern im Straßenverkehr (Druck- 
sachen IV/17Q1, IV/2129). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Lermer. Soll 
der Bericht ergänzt werden? — Das ist nicht der Fall. 

Ich eröiffne die Aussprache. — Das Wort wird 
nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. 

Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag der Abge- 
ordneten Dr. Schmidt (Gellersen), Frehsee und Ge- 
nossen für erledigt zu erklären. Wer stimmt dem 
Antrag des Ausschusses zu? — Danke. Gegenprobe I 
— Der Antrag des Ausschusses ist angenommen. 

Ich rufe auf Punkt 29 : 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Verkehr, Post- und Fernmelde- 
wesen (23. Ausschuß) über den Antrag der 
Abgeordneten Wächter, Ertl und Genossen 
zur Beratung des Berichts der Bundesregie- 
rung über die Lage der Landwirtschaft gemäß 
§§ 4 und 5 des Landwirtschaftsgesetzes be- 
treffend Senkung der Frachtkosten für 
Schlachtrinder (Drucksache IV/2131, Umdruck 
184). 

Berichterstatter ist der Abgeordnete Faller. — 
Der Bericht soll nicht ergänzt werden. 

Der Ausschuß schlägt vor, den Antrag der Abge- 
(B) ordneten Wächter, Ertl und Genossen für erledigt 
zu erklären. Wer zustimmen will, den bitte ich um 
ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? 
— Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Es ist 
entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses be- 
schlossen. 

Ich rufe auf Punkt 30: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirt- 
schaftsausschusses (16. Ausschuß) über den 
Antrag der Abgeordneten Dr. Martin, Neu- 
mann (Allensbach), Blumenfeld, Holkenbrink, 
Frau Dr. Maxsein und Genossen betreffend 
Untersuchung über die Wetthewerbsgleidi- 
heit von Presse, Funk/Fernsehen und Film 
(Drucksachen IV/1400, IV/2158). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Arnold. 
Soll der Bericht ergänzt werden? — Das wird offen- 
sichtlich nicht gewünscht. 

— ■ Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat Herr 
Abgeordneter Sänger. 

Sänger (SPD); Meine Damen und Herren! Der 
Antrag, den wir im November vergangenen Jahres 
hier im Plenum hatten und der mit dem Satz be- 
gann: „Die Bundesregierung wird ersucht", ist da- 
mals nicht an die Bundesregierung gegangen, son- 
dern in den Ausschuß zurück, und zwar in den Kul- 
turpolitischen — mitberatend — und in den Wirt- 
schaftspolitischen Ausschuß als federführenden Aus- 
schuß. Nun kommt er von da wieder zu uns. Wir 
werden also jetzt die Bundesregierung bitten, diese 


Kommission einzuberufen, die den Wettbewerb ^ ^ 
zwischen Presse, Film, Funk und Fernsehen zu über- 
prüfen hat. Meine Freunde sind damit einverstan- 
den, daß wir der Regierung den Auftrag geben, an 
sie die Bitte richten, diese Kommission zu berufen 
und sobald wie möglich eine umfangreiche, aus- 
reichende, objektive, unabhängige Berichterstattung 
darüber zu geben, wie die Wettbewerbsverhältnisse 
tatsächlich aussehen. Wir werden also für den An- 
trag stimmen. 

Aber, meine Damen und Herren, wenn man diesen 
Antrag in seinem Wortlaut mit der Begründung 
vergleicht, die er erhalten hat, oder mit dem Bericht, 
der erstattet worden ist, so sind doch einige Be- 
merkungen notwendig. So richtig es erscheint, die 
Regierung zu bitten, eine solche Kommission einzu- 
berufen und dies bald zu tun, damit wir bald über 
einen solchen Bericht verfügen, so notwendig er- 
scheint es aber auch, darauf hinzuweisen, daß diese 
Kommission ausreichend Ruhe und Zeit haben muß, 
damit sie einen sorgfältig bearbeiteten Bericht vor- 
legen kann. Die gründliche Arbeit, die wir erwar- 
ten, muß uns endlich Klarheit über die wirklichen 
Wettbewerbs Verhältnisse schaffen. Wir dürfen nicht 
mehr auf heute von dieser, morgen von jener Seite 
hingeworfene Zahlen angewiesen sein. 

Ich habe einige Anmerkungen zu dem Bericht zu 
machen. Merkwürdigerweise hat der Wirtschafts- 
ausschuß in der Vorlage das Wort „sachverständig" 
in bezug auf die Kommission gestrichen. Er will da- 
mit sicherlich nicht sagen, daß kein Sachverstand be- 
rufen werden soll; er schreibt dies ja auch. Er will, 
daß vor allem die Unabhängigkeit der Kommission (D) 
betont wird. Mir scheint, beides ist notwendig, so- 
wohl die Unabhängigkeit als auch der Sachverstand. 
Hier ist nämlich die Entwicklung mehrerer Jahr- 
zehnte zu überprüfen, in denen oft sehr unsachver- 
ständige Entscheidungen getroffen worden sind; 
möglicherweise sind mangelhafte Erkenntnisse jetzt 
auszugleichen, es ist manches nachzuholen und zu 
korrigieren. 

' Auf jeden Fall erwarten wir Lösungsvorschläge, 
die dazu führen, daß alle Medien in der Demokratie 
zu voller Wirkung kommen und daß Sachverstand 
und Unabhängigkeit uns angeben, wie das ge- 
schehen kann. Es wird Aufgabe der Regierung sein, 
die Kommission in einer Weise zusammenzusetzen, 
durch die eine unabhängige und objektive Bericht- 
erstattung ermöglicht wird. Dabei sollten nicht allein 
— wie es in dem Bericht des Ausschusses heißt — 
Wirtschaftskenntnisse erforderlich sein. Mir scheint, 
daß auch die Sachkenntnis der tatsächlichen Verhält- 
nisse in Presse, Film und Rundfunk ausführlich und 
gründlich berücksichtigt werden muß. 

Eine zweite Bemerkung! Die Auskünfte, die wir 
erhalten wollen, müssen vollständig sein. Ich glaube, 
es ist notwendig, das zu sagen. Aber nicht minder 
notwendig ist es, hinzuzufügen, daß sie natürlich 
auch richtig sein müssen. 

Der Ausschuß fragt, ob das Ganze ohne Gesetz 
möglich sei. Ich glaube, daß das durchaus möglich 
ist. Die Presse hat ein Interesse daran, daß die Tat- 
sachen klargestellt werden. Die Verleger werden 



5984 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Sänger 

die Karten ebenso auf den Tisch legen müssen, wie 
die Rundfunkanstalten das tun müssen. 

Zweckmäßig scheint mir zu sein, daß von keiner 
Seite Verzögerungen provoziert werden. Der Aus- 
schußbericht sagt, daß, falls die Auskünfte nicht er- 
teilt würden, erst ein Gesetz geschaffen werden 
müßte, wie das in früheren Fällen in Aussicht ge- 
nommen war. Dadurck würde eine Verzögerung von 
beträchtlichem Ausmaße eintreten, an der niemand 
ein Interesse haben kann. 

Mir scheint, daß das wichtige Moment, klare, zu- 
verlässige, redliche Auskünfte zu geben, in diesem 
Augenblick noch einmal betont werden sollte. Wir 
alle wollen ja die Tatsachen erkunden. Dabei ist es 
selbstverständlich, daß diejenigen, die in der Kom- 
mission solche Auskünfte erhalten, darüber Schwei- 
gen bewahren; denn sonst kann man niemals eine 
vernünftige Enquete vornehmen. Das gilt selbstver- 
ständlich für alle Mitglieder der Kommission. 

Nun ein dritter Punkt! In dem Bericht wird ge- 
sagt, daß es sich wesentlich um Markenartikel- 
werbung handele. Der Bericht konnte nicht darauf 
eingehen, aber er hat — wie mir scheint: zweckmä- 
ßigerweise — angedeutet, daß damit ein wichtiges 
Thema angeschnitten worden ist, nämlich die Frage 
der Verhältnisse der mittleren und kleineren Presse 
und ihr Verhältnis zur großen Presse. Das ist eine 
wichtige Frage, die auch der Untersuchung mit be- 
darf. 

Schließlich sollte auch der Wettbewerb zwischen 
Film und Fernsehen nicht ausgelassen werden; der 
* Bericht sagt das ebenfalls, und wir sollten das nicht 
vergessen. Wir müssen uns dabei der Tatsache be- 
wußt bleiben, daß wirtschaftliche Kraft, die heute 
sehr stark bei Funk und Fernsehen liegt, niemals 
dazu benutzt werden darf, daß wirtschaftlich' schwä- 
chere Teile dieser Medien unserer demokratischen 
Arbeit unterdrückt werden. 

Letztens. Der Vergleich mit den Verhältnissen in 
anderen Ländern sollte, so meine ich, nicht so be- 
grenzt werden, wie es im Bericht — nicht so sehr im 
Antrag — geschieht. Der Antrag sagt nämlich, man 
sollte mit anderen Ländern vergleichen, z. B. mit 
den Vereinigten Staaten, mit England und mit 
Japan, während es im Bericht heißt, man sollte ver- 
gleichen mit Amerika, England und Japan — also 
ohne die Worte „z. B." — , diesen drei Ländern, in 
denen ein privates Fernsehen und ein Privatfunk 
existieren. Mir scheint, wenn wir Vergleiche mit 
den Verhältnissen in anderen Ländern vornehmen, 
sollten wir auch solche Länder in Betracht ziehen, 
in denen der Privatfunk, aus welchen Gründen im- 
mer, verboten ist. 

So objektiv wie möglich soll untersucht werden 
und so unabhängig wie möglich und niemand zu- 
liebe und niemand zuleide. Denn wir brauchen eine 
Ordnung der Zusammenarbeit der Medien und nicht 
das Gegeneinanderarbeiten. 

Wenn wir den Anfang damit machten, daß Funk 
und Fernsehen sich insbesondere der großen Erfah- 
rung der Presse auf dem Gebiet der Nachrichten- 
sammlung und -bearbeitung bedienen, so sollten 
wir die Fortsetzung finden, indem wir untersuchen. 


ob auch strukturelle Änderungen notwendig erschei- 
nen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort als Be- 
richterstatter hat der Abgeordnete Dr. Arnold. 

Dr, Arnold (CDU/CSU): Der Antrag der Abge- 
ordneten Dr. Martin, Neumann, Blumenfeld, Hol- 
kenbrink, Frau Dr. Maxsein und Genossen über die 
Untersuchung der Wettbewerbsgleichheit von 
Presse, Funk, Fernsehen und Film wurde in der 
97. Sitzung des Deutschen Bundestages am 15. No- 
vember 1963 dem Wirtschaftsausschuß — federfüh- 
rend — überwiesen. Der Ausschuß ist in eine sehr 
eingehende Beratung eingetreten; er ist zu folgen- 
den Überlegungen gekommen. 

Eine Untersuchung und ständige Beobachtung der 
meinungsbildenden Medien hinsichtlich ihrer Orga- 
nisation, der Art der Ausübung ihrer Tätigkeit und 
ihrer wirtschaftlichen Struktur ist unter vielen 
Aspekten im Interesse der Gleichgewichtigkeit die- 
ser Medien zur Wahrung der demokratischen 
Grundsätze zu jeder Zeit zweckmäßig und sogar 
dringend geboten. Der Wirtschaftsausschuß hat sich 
jedoch in Kenntnis dieser Notwendigkeit bewußt 
darauf beschränkt, eine Untersuchung anzuregen, 
die allein auf die wirtschaftlichen Aspekte ausge- 
richtet ist. 

Unter den Gesichtspunkten der Wettbewerbs- 
gleichheit erscheint eine solche Untersuchung dann 
dringend geboten, wenn durch die unterschiedliche 
Rechtsstruktur, wie sie bei der Presse einerseits 
und dem Funk andererseits gegeben ist, Wettbe- 
werbsungleichheiten bestehen oder sich ergeben 
können. 

Eine Beschränkung auf die wirtschaftlichen 
Aspekte ist aber auch mit Rücksicht auf die Verfas- 
sung dringend geboten, um jeden Verdacht einer 
Zuständigkeitsüberschneidung zwischen Bund und 
Ländern auszuschließen. 

Schließlich sieht der Wirtschaftsausschuß eine 
Untersuchung der wirtschaftlichen Basis auch als die 
Voraussetzung an, um das Gesamtverhältnis Presse 
— Funk einmal zu überdenken; eine gesunde unab- 
hängige wirtschaftliche Basis beider Institutionen ist 
nämlich die unabdingbare Voraussetzung für eine 
freie Nachrichtenübermittlung und auch eine freie 
Meinungsbildung. 

Unter diesen Gesichtspunkten hat der Wirt- 
schaftsausschuß ausdrücklich die Meinung vertreten, 
daß die Federführung für die geplante Untersu- 
chung beim Bundesminister für Wirtschaft liegen 
soll. Das Bundeswirtschaftsministerium hat auf 
Grund der Konzentrationsenquete und auf Grund 
einiger anderer Untersuchungen besondere Erfah- 
rungen für die Programmierung und Durchführung 
solcher Untersuchungen. Dieses Ministerium wird 
deshalb der untersuchungführenden Stelle sehr 
zweckdienliche Hinweise geben können, und es 
wird dafür sorgen können, daß die Untersuchung 
in der kürzesten Frist mit dem geringsten Aufwand 
durchgeführt wird. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5985 


Dr. Arnold 

Nach Auffassung des Wirtschaftsaussdiusses soll 
nidit die Vermögensstruktur der einzelnen Unter- 
nehmen 'Gegenstand der Untersuchung sein; es soll 
auch nicht festgestellt werden, oh die derzeitige Ko- 
sten- und Ertragslage den wirtschaftlichen Erforder- 
nissen entspricht. Vielmehr legt der Wirtsdiafts- 
aussdiuß Wert darauf, daß geklärt werde, oh durch 
die Begrenzung der von den Ländern zugelassenen 
Rundfunk- und Fernsehanst alten die Vielfalt der 
Nachrichtenübermittlung eingeschränkt wird. Da 
Funk und Fernsehen unter völlig landeren Organi- 
sationsformen ihre Tätigkeit ausühen und eine 
andersartige Kostenstruktur haben und nicht wie 
die Presse einem scharfen Konikurrenzkampf ausge- 
setzt sind, isind Wettbeweihsverzerrungen zum 
Nachteil der Presse denkbar. 

Vizepräsident Schoettle: Herr Berichterstatter, 
darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Ich meine, 
es ist nicht nötig, dem Haus Ihren Schriftlichen B'e- 
richt vorzulesen. Wenn Sie Ergänzungen vornehmen 
wollen, ist Ihnen das unbenommen. Aber ich glaube, 
um Zeit zu sparen, sollten wir uns nach Möglichkeit 
mit dem Schriftlichen Bericht begnügen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Dr. Arnold (CDU/CSU): Einen Augenblick noch, 
Herr Präsident. Ich beschränke mich auf einige Er- 
gänzungen. 

Vizepräsident Schoettle: Gut. Ich hatte nur 
die Unfreundlichkeit, mich hier einzumischen, weil 
ich vom Hause her gebeten worden bin, zu verhin- 
dern, daß ein Bericht noch einmal vorgelesen wird. 

Dr. Arnold (CDU/CSU): Ich werde mich daran 
halten und werde also nur noch einige Gesichts- 
punkte heraussteilen. 

(Zurufe.) 

— Ich verlese nicht den Bericht, sondern es geht mir 
darum, einige tragende Gesichtspunkte noch einmal 
herauszustellen. 

Vizepräsident Schoettle: Herr Kollege, wenn 
das eine Kritik an meiner Intervention gewesen sein 
sollte, dann möchte ich sie mir verbeten haben. 

Dr. Arnold (CDU/CSU); Nein, ich habe das nur 
zur Klarstellung auf Zwischenrufe gesagt, die hier 
aus dem Plenum gekomimen sind. Es war keine 
Kritik an der Amtsführung des Präsidenten. 

(Dr. Mommer: Das ist nicht üblich, Herr 
Kollege, den Bericht noch einmal vorzu- 
lesen! — Weiterer Zuruf von der SPD.) 

Vizepräsident Schoettle: Ich bitte, nicht weiter 
zu unterbrechen. 

Dr. Arnold (CDU/CSU): Herr Kollege Mommer, 
ich komme ohnehin zum Bchluß; es ist also gar kein 
Grund zur Aufregung vorhanden. 

(Zuruf von der SPD: Doch, doch!) 


Der zweite Gesichtspunkt — lassen Sie mich 
diesen noch klar heraussteilen — war der, daß auch 
die Tatsache der Werbung durch Funk und Fern- 
sehen dann ein Wettbewerbsnachteil für die Presse 
sein kann, wenn sich hier die Werbung weiter aus- 
dehnt. 

Aus diesen Überlegungen und aus den Motiven, 
die in meinem ausführlichen Schriftlichen Bericht 
dem Hause dargelegt isind, hat der Wirtschaftsaus- 
schuß einstimmig beschlossen. Ihnen die Einsetzung 
einer solchen Kommission vorzuschlagen. 

Ich darf abschließend für die Fraktion der CDU^ 
CSU die Gesichtspunkte noch einmlal nachdrücklich 
unterstreichen und hervorheben, welch großes 
Interesse wir daran haben, daß diese Untersuchun- 
gen nunmehr anfangen. Sprecher meiner Fraktion 
haben das von dieser Stelle aus bei früheren Gele- 
genheiten nachdrücklich zum Ausdruck gebracht. 

Wir erwarten, daß die Bundesregierung nunmehr, 
nachdem die parlamentarischen Voraussetzungen 
geklärt sind, zügig an diese Arbeit herangeht und 
dem Hohen Hause so schnell, wie es geht, einen 
Bericht über die Wettbewerbssituation dieser Me- 
dien vorlegt. 

(Beifall.) 

Vizepräsident Schoettie: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Aschoff. 

Dr. Aschoff 1 (FDP) : Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Ich habe sicherheitshalber keinen Zet- (D) 
tel mitgebracht, so daß ich nicht in die Gefahr 
komme, etwas vorzulesen oder vorlesen zu müssen. 

Ich kann midi auch ganz kurz fassen. 

Die Fraktion der FDP begrüßt diesen Antrag und 
unterstützt den Vorschlag des Wirtschaftsausschus- 
ses. Da ich selbst die Ehre habe, diesem Ausschuß 
vorzusitzen, wäre es mir möglich, noch einige der 
„hintergründigen" Gesichtspunkte zu erörtern. Ich 
möchte darauf verzichten, da sich sowohl der Herr 
Vertreter der SPD als auch der Herr Vertreter der 
CDU im wesentlichen mit dem identifizierten, was 
der Ausschuß in seinem Bericht gesagt hat. 

Uns liegt an zwei Dingen. Wir möchten zunächst 
einmal mit absoluter Sachlichkeit die wirtschaft- 
lichen und organisatorischen Voraussetzungen prü- 
fen lassen. Dazu gehört, daß in dieser Kommission 
— das ist unsere Aufafssung — auch Männer sitzen 
müssen, die die außerordentlich schwierigen organi- 
satorischen Formen unserer Medien, insbesondere 
der Fernseh- und Rundfunkanstalten, verstehen. 
Das Ergebnis dieser Untersuchung muß — • darauf 
legen wir Wert — gewährleisten, daß im Geschehen 
der Meinungsbildung auch in Zukunft die Vielfalt 
unserer meinungsbildenden Medien, insbesondere 
auch die kleine Presse, erhalten bleibt. 

kh glaube, daß wir mit dieser Untersuchung einen 
guten Schritt weiterkommen werden. Ob daraus 
später organisatorische oder politische Konsequen- 
zen zu ziehen sind, darauf wird eine Antwort erst 
gegeben werden können, wenn die wirtschaftlichen 



59Ö6 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Asdioff 

(A) Voraussetzungen geklärt sind. Bis dahin sollten wir 
darüber keine weiteren Diskussionen führen. 

(Beifall.) 

Vizepräsident Schoettle: Weitere Wortmeldun- 
gen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlos- 
sen. 

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 
des Ausschusses. Wer ihm zustimmen will, den bitte 
ich um ein Handzeichen. — Danke. Die Gegenprobe! 
— Enthaltungen? — Der Antrag des Ausschusses 
ist einstimmig angenommen. 

Ich rufe auf Punkt 31 : 

a) Beratung des Antrags des Bundesministers 
der Finanzen betr. Veräußerung einer Teil- 
fläche des ehemaligen Flugplatzes Hamburg- 
Bahrenfeld an die Freie und Hansestadt Ham- 
burg (Drucksache IV/2046) ; 

b) Beratung des Antrags des Bundesministers 
der Finanzen betr. Veräußerung einer Teil- 
fläche der ehemaligen Infanteriekaserne in 
Lübeck an die Firma Edeka Großhandel 
Lübeck GmbH (Drucksache IV/2103); 

c) Beratung des Antrags des Bundesministers 
der Finanzen betr. Deutsche Pfandbrief anstatt; 

hier: Erhöhung des Grundkapitals und 
Übernahme neuer Stammeinlagen 
durch das Land Nordrhein-Westfalen 
und das Saarland (Drucksache 
IV/2146); 

d) Beratung des Antrags des Bundesministers 
der Finanzen betr, Veräußerung des ehemali- 
gen Marine-Prüfstandes in Frankenthal (Pfalz) 
an die Firma Aktiengesellschaft Kühnle, 
Kopp & Kausch in Frankenthal (Drucksache 
IV/2160). 

Zunächst Punkt 31 a! Das Wort wird dazu nicht 
gewünscht. Der Antrag soll an den Ausschuß für 
wirtschaftlichen Besitz des Bundes überwiesen wer- 
den. — Das Haus widerspricht nicht. Es ist so be- 
schlossen. 

Punkt 31 b! Das Wort wird dazu nicht gewünscht. 
Der Antrag soll ebenfalls an den Ausschuß für wirt- 
schaftlichen Besitz des Bundes überwiesen werden. 
— Es erfolgt kein Widerspruch. Es ist so beschlos- 
sen. 

Punkt 31 c! Eine Begründung erfolgt nicht. Das 
Wort wird nicht gewünscht. Es ist vorgeschlagen 
worden, den Antrag an den Ausschuß für wirtschaft- 
lichen Besitz des Bundes zu überweisen. — Kein 
Widerspruch; es ist so beschlossen. 

Punkt 31 d! Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. 
Es ist vorgeschlagen worden, den Antrag an den 
Ausschuß für wirtschaftlichen Besitz des Bundes zu 
überweisen. — Kein Widerspruch; es ist so be- 
schlossen. 


Ich rufe auf Punkt 32 der Tagesordnung, und zwar 
zunächst Punkt 32 a: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirt- 
schaftsausschusses (16. Ausschuß) über den 
von der Bundesregierung zur Unterrichtung 
vorgelegten Vorschlag der Kommission der 
EWG für eine Verordnung des Rats über die 
Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 EWG 
auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüs- 
sen und aufeinander abgestimmten Verhal- 
tensweisen (Drucksachen IV/2024, IV/2177, ^ 
IV/2177). 

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Deringer. 

Es wird keine Ergänzung des Berichts gewünscht. Es 
liegt ein Änderungsantrag Dr. Böhm (Frankfurt) und 
Genossen auf Umdruck 439 vor. Soll dieser Ände- 
rungsantrag begründet werden? — Das scheint nicht 
der Fall zu sein. 

Dann kommen wir zur Abstimmung über den 
Änderungsantrag auf Umdruck 439. Wer will die- 
sem Änderungsantrag zustimmen? — Danke, Die 
Gegenprobe! — Ich hatte den Eindruck, daß das 
nicht ganz klar ist. Wir wiederholen die Abstim- 
mung. Wer dem Änderungsantrag auf Umdruck 439 
zustimmt, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich bitte 
um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. 
Der Antrag ist abgelehnt. 

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 
des Ausschusses auf Drucksache IV/2177. Wer dem 
Antrag des Ausschusses zustimmt, den bitte ich um 
ein Handzeichen. — Der Antrag des Ausschusses ist 
angenommen. 

Punkt 32 b: 

Beratung des. Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und 
Forsten (19. Ausschuß) über den von der Bun- 
desregierung zur Unterrichtung vorgelegten 

Vorschlag der Kommission der EWG für eine 
Richtlinie des Rats über die Einzelheiten der 
Verwirklichung des freien Dienstleistungs- 
verkehrs in den Berufen der Landwirtschaft 
und des Gartenbaus (Drucksachen IV/2040, 
IV/2181). 

Hierzu liegt kein Antrag vor. Der Antrag des 
Ausschusses lautet, den Vorschlag der Kommission 
zur Kenntnis zu nehmen. Da aus dem Hause kein 
Widerspruch erfolgt, stelle ich fest, daß das Haus 
Kenntnis genommen hat. 

Punkt 32 c; 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Au- 
ßenhandelsausschusses (17. Ausschuß) über 
den von der Bundesregierung zur Unterrich- 
tung vorgelegten Vorschlag der Kommission 
der EWG für eine Verordnung des Rats über 
die Prämiensätze für die Einfuhr von Reis 
und Bruchreis (Drucksachen IV/2 136, IV/2 188). 

Der Ausschuß antrag auf Drucksache IV/2 188, 
Seite 2, lautet: 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5987 


Vizepräsident Schoettle 

Der Bundestag wolle beschließen, den Vor- 
schlag der Kommision für eine Verordnung des 
Rats . . . zur Kenntnis zu nehmen. 

Wir streiten uns hier oben, ob es sich um zustim- 
mende Kenntnisnahme oder um bloße Kenntnis- 
nahme handelt. Ich bin der Meinung, daß das Haus 
auch nach der Vorlage des Ausschusses nur Kennt- 
nis nehmen soll. Die Nuancen sind manchmal wich- 
tig, Darf ich feststellen, daß kein Widerspruch gegen 
die Kenntnisnahme erfolgt? — Dann nimmt das 
Haus Kenntnis. 

Punkt 32 d: 

Beratung des Mündlichen Berichts des Aus- 
schusses für Inneres (6. Ausschuß) über die 
von der Bundesregierung zur Unterrichtung 
vorgelegten Entwürfe für 

eine Verordnung Nr. . . ./63/EURATOM, 

Nr. . . ./63/EWG der Räte vom . ! zur 

Änderung der Berichtigungskoeffizienten für 
die Dienst- und Versorgungsbezüge der Be- 
amten 

eine Verordnung Nr. . . ./63/EURATOM, 

Nr. . . ./63/EWG der Räte vom zur 

Anpassung bestimmter Berichtigungskoeffi- 
zienten für die Dienst- und Versorgungsbe- 
züge der Beamten (Drucksachen IV/2167, 
IV/2193). 

Berichterstatter: Abgeordneter Anders 

Der Vorschlag des Ausschusses lautet auf zustim- 
^ ^ mende Kenntnisnahme. Dieses Mal sind wir xms 
auch hier oben einig. 

Das Wort wird nicht gewünscht, obwohl es, wenn 
ich mich recht erinnere, in den mitberatenden Aus- 
schüssen gelegentlich Meinungen gegeben hat, die 
hier zum Ausdruck zu bringen vielleicht nicht ganz 
ohne Nutzen gewesen wäre. Aber da das nicht ge- 
wünscht wird, schlage ich vor, daß das Haus ent- 
sprechend dem Antrag des Ausschusses zustimmend 
Kenntnis nimmt. — Dem wird nicht widersprochen; 
das Haus nimmt zustimmend Kenntnis. 

Punkt 32 e: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Wirt- 
schaftsausschusses (16. Ausschuß) über den 
von der Bundesregierung zur Unterrichtung 
vorgelegten Vorschlag der Kommission der 
EWG für eine Zweite Richtlinie auf dem Ge- 
biete des Filmwesens (Drucksachen IV/1975, 
IV/2197). 

Berichterstatter: Abgeordneter Porzner 

Auch dazu wird das Wort nicht gewünscht. 

Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache 
IV/2197 lautet, Kenntnis zu nehmen. — Diesem Vor- 
schlag wird nicht widersprochen. Das Haus nimmt 
Kenntnis. 

Ich rufe Punkt 33 auf: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und 
Forsten (19, Ausschuß) über den von der 


Bundesregierung zur Unterrichtung vorgeleg- 

ten Vorschlag der Kommission der EWG für 
eine Verordnung des Rats über die Bestim- 
mung der zur Erzeugung von einem Kilo- 
gramm zum Verbrauch bestimmter Geflügel- 
eier in der Schale und der zur Erzeugung von 
einem Kilogramm Bruteier von Hausgeflügel 
erforderlichen Futtergetreidemenge (Druck- 
sachen IV/2148, IV/2180). 

Berichterstatter: Abgeordneter Dr, Siemer 

Der Antrag des Ausschusses liegt vor auf Druck- 
sache IV/2180, dritte Seite. Er schlägt vor, erstens, 
den Vorschlag der Kommission zur Kenntnis zu 
nehmen. — Zunächst einmal stelle ich fest: das 
Haus nimmt Kenntnis von dem Vorschlag der Kom- 
mission. 

Zweitens söll die Bundesregierung ersucht wer- 
den, bei den Beratungen in Brüssel darauf hinzu- 
wirken, daß . . . usw. Wer diesem Vorschlag des 
Ausschusses zustimmt, den bitte ich um ein Hand- 
zeichen. — Danke. Die Gegenprobe! — Enthaltun- 
gen? — Der Vorschlag des Ausschusses ist einstim- 
mig angenommen. 

Ich rufe auf Punkt 34: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Ernährung, Landwirtschaft und 
Forsten (19. Ausschuß) über den von der 
Bundesregierung zur Unterrichtung vorgeleg- 
ten Vorschlag der Kommission der EWG für 
eine Verordnung des Rats über die Fest- 
legung der Kriterien für die Interventions- (D) 
regelung auf dem Rindfleischmarkt (Druck- 
sachen IV/2156, IV/2200). 

Berichterstatter: Abgeordneter Wächter 

Das Wort wird nicht gewünscht. 

Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache 
IV/2200 lautet, den Vorschlag der Kommission zur 
Kenntnis zu nehmen. Dann folgt eine Entschließung 
in drei verschiedenen Punkten. Ich schlage vor, daß 
wir insgesamt über diesen Vorschlag des Ausschus- 
ses entscheiden: erstens Kenntnisnahme und zwei- 
tens die einzelnen Maßnahmen. Wer dem Vorschlag 
des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um 
ein Handzeichen. — Danke. Gegenprobe! — Enthal- 
tungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen. 

Ich rufe auf Punkt 35: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Außen- 
handelsausschusses (17. Ausschuß) über die 
von der Bundesregierung zur Unterrichtung 
vor gelegten Vorschläge der Kommission der 
EWG für 

eine Verordnung des Rats über die Änderung 
und Verlängerung der Verordnung Nr. 3/63/ 
EWG vom 24. Januar 1963 betreffend die 
wirtschaftlichen Beziehungen zu den Ländern 
mit Staatshandel (landwirtschaftliche Erzeug- 
nisse der Verordnungen Nr. 19, 20, 21 und 22) 

eine Verordnung des Rats über die Festset- 
zung der Abschöpfungsbeträge für Erzeug- 



5988 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Schoettle 

nisse der Geflügelwirtsdiaft, deren Zollsätze 
im GATT konsolidiert worden sind (Druck- 
sachen IV/2027, IV/2124, IV/2184). 

Berichterstatter ist Herr Dr. Löhr. Er hat offenbar 
kein Bedürfnis, seinen Bericht zu ergänzen. Der Vor- 
schlag des Ausschusses lautet auf Kenntnisnahme; 
außerdem hat der Ausschuß eine Entschließung an 
die Bundesregierung vor gelegt. 

Wir kommen zur Abstimmung über beide Vor- 
schläge des Ausschusses. Wer ihnen zuslimmt, den 
bitte ich um ein Handzeichen. — Danke. Gegen- 
probe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenom- 
men. 

Punkt 36 der Tagesordnung soll erst am Donners- 
tag aufgerufen werden, da es sich um eine Vorlage 
mit finanziellem Charakter handelt. 

Ich rufe auf Punkt 37 : 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Rechts- 
ausschusses (12. Ausschuß) über den von der 
Bundesregierung zur Unterrichtung vorgeleg- 
ten Vorschlag der Kommission der EWG für 
eine Richtlinie des Rats zur Koordinierung 
der Schutzbestimmungen, die in den Mitglied- 
staaten den Gesellschaften im Sinne des Ar- 
tikels 58 Absatz 2 im Interesse der Gesell- 
schafter sowie Dritter vor geschrieben sind, 
um diese Bestimmungen gleichwertig zu ge- 
stalten (Drucksachen IV/2Q14, IV/2190). 

Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Wilhelmi. 
Wünscht der Berichterstatter das Wort? — Das ist 
nicht der Fall. 

Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der 
Abgeordnete Dr. Reischl. 

Dr. Reischl (SPD): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Zu der vorliegenden Richtlinie habe ich 
namens der SPD-Fraktion folgende Erklärung abzu- 
geben. Wir begrüßen sehr die Vereinheitlichung 
des Gesellschaftsrechts; denn man muß im zwischen- 
staatlichen Verkehr wissen, mit wem man es zu tun 
hat. Die SPD-Fraktion stimmt daher dem Bericht zu 
und ist auch damit einverstanden, daß er noch einige 
vom deutschen Rechtsstandpunkt aus erforderliche 
Vorbehalte enthält, deren Klärung bei den weite- 
ren Verhandlungen versucht werden soll. 

Zu einem dieser Vorbehalte jedoch muß die SPD- 
Fraktion ihrerseits einen Vorbehalt machen. Wir 
stimmen zwar dem Antrag auch insoweit zu, als die 
Frage der Publizität der GmbH noch dem nationalen 
Recht überlassen bleiben soll, bis über die Voraus- 
setzungen dieser Publizität, vor allem über den In- 
halt des Jahresabschlusses, ebenfalls eine einheit- 
liche Richtlinie ergangen ist. Aber wir können nicht 
ohne weiteres der Begründung im Ausschußbericht 
für diese Zurückstellung zustimmen. In der Begrün- 
dung im Ausschußbericht klingen nämlich grund- 
sätzliche Bedenken gegen die Publizitätspflicht für 
die GmbH an, die von unserem Standpunkt aus 
nicht unwidersprochen bleiben können. Daher soll 
diese Erklärung lediglich für meine Fraktion die 
Nuancen der Begründung anders setzen. Ich betone 


aber nochmals, daß wir dem Antrag selber in vollem 
Umfang zustimmen. 

Die SPD ist für die Publizitätspflicht auch der 
GmbH, aber nur der volkswirtschaftlich bedeut- 
samen ganz großen GmbHs. Wir haben hierfür auch 
in Art. II unseres Änderungsgesetzentwurfs zum 
Aktienrecht — Drucksache IV/203 — einen Anhalts- 
punkt für die Abgrenzung der volkswirtschaftlich be- 
deutsamen GmbHs gegeben. Die SPD-Fraktion 
würde es sehr begrüßen, wenn die endgültige Richt- 
linie für die großen GmbHs die Publizität allgemein 
für den ganzen europäischen Bereich vorschriebe, 
wobei gleichzeitig natürlich eine Angleichung des 
Aussagewertes der Bilanzen, der Gewinn- und Ver- 
lustrechnungen und der Geschäftsberichte erfolgen 
sollte. Mit diesem Vorbehalt stimmen wir dem An- 
trag des Rechtsausschusses zu. 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Wilhelmi. 

Dr. Wilhelmi (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Namens meiner Fraktion freut 
es mich, feststellen zu können, daß das ganze Haus 
im Grundsatz einig ist. Gestatten Sie mir nur ein 
paar Worte zu der vom Kollegen Reischl für die 
SPD aufgeworfenen Frage. Es handelt sich um einen 
der wichtigsten Komplexe in der Gestaltung des 
Rechts der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 
Wir sind uns mit der Regierung darüber einig, daß 
wir nach Beendigung der Beratung des Aktienrechts 
mit der Reform des Rechts der Gesellschaft mit be- 
schränkter Haftung beginnen. 

Wir halten es aber nicht für richtig, die zentrale 
Frage, um die es sich bei dieser Reform handelt, 
nämlich die Frage der Publizität der sogenannten 
großen GmbH, jetzt schon zu behandeln. Das bedarf 
eines genauen Durchdenkens. Deshalb ist der Be- 
richt in der Ihnen jetzt vorliegenden Vorlage völlig 
neutral gehalten. Er nimmt zu dieser Frage nicht 
Stellung, oder man kann sagen: er stellt nur negativ 
fest, daß die* Regelung so, wie der Vorschlag der 
EWG lautet, unter keinen Umständen unseren Vor- 
stellungen entspricht. Ich glaube, man sollte es des- 
halb dabei belassen. Ich bin froh, daß trotz der 
grundsätzlichen Ausführungen des Herrn Kollegen 
Reischl diese Vorlage, die sich ja auf internationa- 
lem Gebiet bewegt, vom ganzen Haus einstimmig 
angenommen wird. 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort wird wei- 
ter nicht begehrt. Ich schließe die Aussprache. 

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 
des Ausschusses auf Seite 4 der Drucksache IV/2190. 
Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich 
um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltun- 
gen? — Ohne Gegenstimmen und ohne Enthaltun- 
gen einstimmig beschlossen. 

Ich rufe auf Punkt 38 der Tagesordnung: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des Aus- 
schusses für Gesundheitswesen (11. Ausschuß) 
über den von der Bundesregierung zur Unter- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5989 


Vizepräsident Schoettle 

riditung vorgelegten Vorschlag der Kommis- 
sion der EWG für eine Zweite Richtlinie zur 
Angleichung der Rechts- und Verwaltungs- 
vorschriften für pharmazeutische Spezialitäten 

(Drucksachen IV/2028, IV/2194). 

Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Huys, 
wünscht seinen Bericht nicht zu ergänzen. Das Wort 
wird weiter nicht begehrt. 

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 
des Ausschusses auf Seite 2 der Drucksache IV/2194. 
Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen 
will, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegen- 
probe! — Enthaltungen? — Weder Gegenstimmen 
noch Enthaltungen; der Antrag des Ausschusses ist 
einstimmig angenommen. 

Ich rufe auf Punkt 40 der Tagesordnung: 

Erste Beratung des von der Bundesregierung 
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über 
die Beweissicherung und Feststellung von 
Vermögensverlusten in der sowjetischen 
Besatzungszone Deutschlands und im Sowjet- 
sektor von Berlin (Beweissicherungsgesetz) 
(Drucksache IV/ 1994). 

Soll die Regierungsvorlage begründet werden? — 
(Zurufe: Nein!) 

Offenbar ist niemand zur Begründung anwesend. 
Wird das Wort gewünscht? 

(Abg. Eichelbaum: Zur Überweisung!) 

(B) — Darauf komme ich selber, Herr Kollege. 

Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort ge- 
wünscht? — Das ist nicht der Fall. Die Aussprache 
ist geschlossen. 

Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Aus- 
schuß für den Lastenausgleich — federführend — 
sowie an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß 
für gesamtdeutsche und Berliner Fragen — mitbe- 
ratend — zu überweisen. — Bitte, Herr Kollege 
Eichelbaum, 

Eichelbaum (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Ich beantrage, den Gesetzent- 
wurf denselben Ausschüssen zu überweisen, die den 
Gesetzentwurf der SPD Drucksache IV/694, das 
Flüchtlingsgesetz, zu behandeln haben, weil in die- 
sem Gesetzentwurf der Opposition genau dasselbe 
Problem behandelt wird, das sich beim Beweissiche- 
rungsgesetz stellt. Das würde bedeuten: Überwei- 
sung an den Ausschuß für den Lastenausgleich — 
federführend — sowie an den Ausschuß für gesamt- 
deutsche und Berliner Fragen und den Ausschuß 
für Heimatvertriebene zur Mitberatung. 

Vizepräsident Schoettle: Den Rechtsausschuß 
wollen Sie ausklammern? 

(Zurufe: Ja!) 

Besteht Übereinstimmung darüber, daß der Rechts- 
ausschuß nicht beteiligt werden soll? 

(Zustimmung.) 


— Dann zu dem Vorschlag, den Gesetzentwurf an 
den Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen. 
Besteht darüber Einverständnis? — Ich kann also 
feststellen, daß die Regierungsvorlage an den Aus- 
schuß für den Lastenausgleich — federführend — 
sowie an den Ausschuß für gesamtdeutsche und 
Berliner Fragen und den Ausschuß für Heimatver- 
triebene zur Mitberatung überwiesen werden soll. — 

Sie sind damit einverstanden; es ist so beschlossen. 

Ich rufe auf Punkt 41 der Tagesordnung: 

Erste Beratung des von den Abgeordneten 
Frau Beyer (Frankfurt), Kurlbaum, Lange 
(Essen) und Fraktion der SPD eingebrachten 
Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des 
Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, des 
Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung 
(Drucksache IV/2001). 

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? — 
Frau Abgeordnete Beyer! 

Frau Beyer (Frankfurt) (SPD): Herr Präsident! 
Meine Herren und Damen! Bei dem Gesetzentwurf 
Drucksache IV/2001 handelt es sich um eine Ände- 
rung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, 
die bereits am 4. Dezember anläßlich der Großen 
Anfrage meiner Fraktion zur Erreichung eines 
größeren Verbraucherschutzes und einer besseren 
Verbraucheraufklärung angekündigt wurde. 

Es geht uns hier um zwei wichtige Punkte: ein- 
mal darum, den Warentest als Mittel der verglei- 
chenden Werbung zuzulassen, zum anderen darum, pj 
den Verbraucherverbänden ein Klagerecht einzu- 
räumen. 

Um die Zulassung des Warentests bzw. der 
Warenprüfung zu erreichen, schlagen wir vor, daß 
Abs. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wett- 
bewerb, das aus dem Jahre 1909 stammt und 1957 
Änderungen erfahren hat, einen Abs. 2 erhält, der 
folgendes sagen soll: 

Warenprüfungen durch Warentestinstitute, de- 
ren Zweck die objektive und unparteiliche Auf- 
klärung der Verbraucher über Beschaffenheit, 
Wirksamkeit, Tauglichkeit, Sicherheit und Preis- 
würdigkeit von Waren und gewerblichen Lei- 
stungen ist, . . . 

sind als Mittel der vergleichenden Werbung zuge- 
lassen. 

Natürlich müssen die Warenprüfungen mit wis- 
senschaftlich anerkannten Methoden durchgeführt 
werden und Sachlichkeit und Unparteilichkeit ge- 
währleisten. Außerdem sollen die Prüfungsergeb- 
nisse nicht verzerrt und unrichtig wiedergegeben 
werden. 

Wir geben dem Bundesminister für Wirtschaft die 
Möglichkeit, durch Rechtsverordnung namentlich 
festzulegen, welche Institute solche Warenprüfungen 
vorzunehmen haben. 

Damit haben wir sichergestellt, daß nicht jeder 
Warentest, der durchgeführt wird, als Mittel der 
vergleichenden Werbung angewandt werden kann. 
Wir glauben, eine solche Änderung ist einfach not- 



5990 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Schoettle 

(A) 'vvendig, wenn wir — - das ist wohl der Wille des 
ganzen Hauses. — Warenprüfungen durch ein aner- 
kanntes Warentestinstitut vornehmen lassen wollen. 

Ich darf weiter folgendes anfügen. § 1 des Geset- 
zes enthält heute nur eine Präambel. Ihr Inhalt ist 
durch die Rechtsprechung entwickelt worden. Die 
Rechtsprechung hat einmal festgelegt, was als sitten- 
widrig anzusehen ist, zum anderen, was in der Wer- 
bung nicht wettbewerbswidrig ist. 

Inzwischen ist uns der Bericht der Bundesregie- 
rung Drucksache IV/ 1976 vorgelegt worden. Darin 
heißt es: 

Während ein Teil die vergleichende Werbung 
als solche ohne weitere Voraussetzungen zu- 
lassen will, sofern sie nur wahrheitsgemäß ist 
— diese Auffassung wird heute nach einer leb- 
haften Diskussion im Schrifttum kaum noch ver- 
treten — , wollen andere nur den Vergleich von 
technischen Daten und den Preisvergleich zu- 
lassen. Wieder andere dagegen halten einen 
Vergleich nur dann für zulässig, wenn er „voll- 
ständig" ist, d, h. wenn er alle Umstände dar- 
legt, die für den Kaufentschluß wesentlich sind. 
Gegen die bisherige Rechtsprechung werden 
Bedenken erhoben, weil sie eine sachgerechte 
Aufklärung der Verbraucher erschwere, wäh- 
rend eine grundsätzliche Zulassung der ver- 
gleichenden Werbung eine größere Markttrans- 
parenz zur Folge habe . . . 

So steht es also wörtlich im Bericht, den die Bundes- 
regierung gegeben hat. Damit wird deutlich, daß 
W doch noch sehr unterschiedliche Meinungen u. a. 
auch bezüglich der Veröffentlichungen von Waren- 
prüfungen durch Warentestinstitute bestehen. 

Wenn wir nun verhindern wollen, daß es, wenn 
wir das Warentestinstitut errichten und Waren- 
prüfungen mit den von mir eben angeführten Merk- 
malen durchgeführt werden, zu neuen Klagen 
kommt, dann müssen wir uns bereit finden, das 
Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb entsprechend 
zu ändern und den von meiner Fraktion vorgeschla- 
genen Abs. 2, den ich Ihnen eben zum Teil vorge- 
lesen habe, in § 1 einzufügen. 

Art. I Nr. 2 der Vorlage Drucksache IV/2001 be- 
handelt das Klagerecht der Verbraucherverbände. 
Hierzu hat die Bundesregierung dem Bundesrat 
einen Entwurf zugeleitet. Deshalb kann ich mich 
dazu kurz fassen. In der Begründung des Entwurfs 
der Bundesregierung heißt es unter Nr. 4; 

Die Bundesregierung hält es daher im Interesse 
des Schutzes der Veihraucher für notwendig, 
daß sie durch ihre Verbände gegen unlautere 
Formen des Wettbewerbs Vorgehen können, so- 
weit sie durch diese in ihren Interessen beein- 
trächtigt werden. 

Es gibt also in dieser Hinsicht keine Meinungsver- 
schiedenheiten, da auch die Bundesregierung auf 
Grund der in der Industrie vorliegenden Tatbe- 
stände zu der Auffassung gekommen ist, daß ein 
Klagerecht nicht nur den Gewerbetreibenden Vor- 
behalten bleiben darf, sondern auch den Verbrau- 
cherverbänden eingeräumt werden muß. 


Die aufgezeigte Änderung bedingt zwangsläufig, ' ' 
die Möglichkeit der Klage durch Verbraucherver- 
bände auch in das Rabattgesetz und in die Zugabe- 
verordnung einzufügen. Das ist in Art. II und III 
unseres Gesetzentwurfs vorgesehen. 

Art. IV enthält die Berlinklausel. 

Ich bitte rSie, unseren Antrag an den Wirtschafts- 
ausschuß — federführend — und an den Rechtsaus- 
schuß zur Mitberatung zu überweisen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Schoettle; Das Wort hat der Ab- 
geordnete Dr. Aschoff. 

Dr. Aschoff (FDP): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Wir stimmen der beantragten Aus- 
schußüberweisung zu. Ich möchte hier nur eine kurze 
Feststellung treffen. 

Sehr verehrte Frau Kollegin Beyer, Sie haben 
selbst darauf hingewiesen — ich bin Ihnen dafür 
sehr dankbar — , daß, nachdem die Bundesregierung 
eine Vorlage gemacht hat, eine Unterhaltung über 
die von Ihnen vorgetragenen Probleme in diesem 
Augenblick nicht dringlich ist. Ich möchte das Haus 
daran erinnern, daß der Wirtschaftsausschuß schon 
seit längerer Zeit mit dem Problem des Warentest- 
instituts befaßt ist und daß es nicht seine Schuld ist, 
daß man auf diesem Gebiet noch izu keinem Ergebnis 
gekommen ist. Das liegt vielmehr daran, daß sich 
die betreffenden Kreise und das Ministerium nicht 
über eine endgültige Formulierung einigen konnten. 
Meine Fraktion wird siich voraussichtlich — eine (D) 
Festlegung in diesem Augenblick ist nicht möglich, 
weil wir die endgültigen Vorlagen nicht haben — 
den Gedanken nähern, die im letzten Entwurf des 
Ministeriums enthalten sind. 

Die Frage des Klagerechts der Verbraucherver- 
bände wird wahrscheinlich eine unterschiedliche Be- 
urteilung , erfahren, zumindest hinsichtlich der Vor- 
aussetzungen und der Zielsetzung eines solchen 
Klagerechts. 

Wir siind uns wohl darin einig, daß der von Ihnen 
eingebrachte Antrag in der Beratung der anderen 
Dinge mit aufgehen wird. Wir isind jedenfalls genau- 
so wie Sie daran interessiert, daß es auf diesem 
Gebiet bald zu einer im Interesse der Allgemeinheit 
liegenden Klärung kommt. 

(Beifall bei der FDP.) 

Vizepräsident Schoettle: Das Wort wird nicht ^ 
weiter gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. 

Es ist vorgeschlagen, die Vorlage an den Wirt- 
schaftsausschuß — federführend — und an den 
Rechtsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. — 
Gegen diesen Vorschlag erhebt sich kein Wider- 
spruch; es ist so beschlossen. 

Wir treten nun in die Mittagspause ein. Fort- 
setzung der Sitzung um 15 Uhr. 

Die Sitzung ist unterbrochen. 

(Unterbrechung der Sitzung von 12.58 bis 
15.02 Uhr.) 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5991 


(A) Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Die Sitzung 
ist wieder eröffnet. Ich rufe Punkt 3 der Tagesord- 
nung auf: 

Beratung des Schriftlichen Berichts des 2. 
Untersuchungsausschusses gemäß Antrag der 
Fraktion der SPD (Drucksachen IV/1544, IV/ 
2170). 

Ich frage den Herrn Berichterstatter, Herrn Abge- 
ordneten Dorn, ob er das Wort zu nehmen wünscht. 

Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abge- 
ordnete Dorn. 

Dorn (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehr- 
ten Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat 
in seiner 91. Sitzung am 23. Oktober 1963 einen 
Untersuchungsausschuß von sieben Mitgliedern ein- 
gesetzt. 

Dem Untersuchungsausschuß ist vom Bundestag 
die Aufgabe gestellt worden, zu untersuchen: 

1. Auf Grund welcher Dienstvorschriften sind 
bisher durch das Bundesamt für Verfassungs- 
schutz Verfahren zur Post-, Telefon- oder 
Fernschreibüberwachung über alliierte 
Dienststellen eingeleitet worden? 

2. Auf welcher Rechtsgrundlage sind gegebe- 
nenfalls derartige Dienstvorschriften erlas- 
sen worden? 

3. In welcher Form hat die Bundesregierung 
das Bundesamt für Verfassungsschutz über 
das Ergebnis ihrer Konsultationen mit den 
Alliierten auf Grund der abgeschlossenen 
Verträge unterrichtet? 

4. Welche Bedienstete des Bundesamtes für 
Verfassungsschutz hatten die Möglichkeit, 
Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung 
auszulösen? 

5. Wie war für diese Fälle das Verfahren gere- 
gelt? 

6. Sind bei der Telefon-, Post- und Fernschreib- 
überwachung nur die vom Bundesamt für 
Verfassungsschutz für verdächtig gehaltenen 
Personen unmittelbar überwacht worden, 
oder sind bei Gelegenheit derartiger Über- 
wachungen auch unbeteiligte Personen ein- 
bezogen worden? 

7. Auf Grund welcher Dienstvorschriften wurde 
das durch Telefon-, Post- oder Fernschreib- 
überwachung erlangte Material ausgewertet? 

8. Wie waren insbesondere die Schutzvorschrif- 
ten gegen eine mißbräuchliche Auswertung 
derartigen Materials? 

9. Welche Vorschriften gab es über die Unter- 
richtung von Persönlichkeiten des öffent- 
lichen Lebens, wenn diese durch die Auswer- 
tung des Materials in Fälle einbezogen wor- 
den sind? 

Die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und der 
FDP haben folgende ordentliche und stellvertre- 
tende Mitglieder für den 2. Untersuchungsausschuß 


benannt: ordentliche Mitglieder CDU/CSU: Dr. h. c. 
Güde, Dr. Süsterhenn, Wagner; SPD: Dr. Müller- 
Emmert, Dr. Schäfer, Schmitt-Vockenhausen; FDP: 
Dorn; stellvertretende Mitglieder CDU/CSU: Dr. Bie- 
ringer, Dr. Even (Düsseldorf), Dr. Zimmermann 
(München); SPD: Dr. Frede, Lautenschlager, Urban; 
FDP: Busse. 

In der konstituierenden Sitzung am 7. November 
1963 wurden die Abgeordneten Schmitt- Vockenhau- 
sen zum Vorsitzenden und Dr. Süsterhenn zum stell- 
vertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsaus- 
schusses gewählt und Abgeordneter Dorn zum Be- 
richterstatter bestellt. 

Mit der konstituierenden Sitzung hat der Unter- 
suchungsausschuß insgesamt 17 Sitzungen abgehal- 
ten, in denen zum Teil in öffentlicher und zum Teil 
in nichtöffentlicher Sitzung Zeugenvernehmungen 
durchgeführt wurden. In allen Sitzungen ist streng 
darauf geachtet worden, daß keine Fragenkomplexe, 
die der Geheimhaltung unterlagen und als solche 
von dem Beauftragten des Innenministers erklärt 
wurden, in öffentlicher Sitzung behandelt wurden. 
Weiter hat der Ausschuß in nichtöffentlicher Sitzung 
seine Beratungen und Zeugenvernehmungen und 
Beschlußfassungen vorgenommen. Darüber hinaus 
haben die Abgeordneten Dr. Güde, Dr. Müller- 
Emmert und Dorn das Bundesamt für Verfassungs- 
schutz in Köln aufgesucht, um selbst einen Eindruck 
von der Arbeitspraxis zu gewinnen. 

Der Bundesminister des Innern und der Präsident 
des Bundesamtes für Verfassungsschutz haben den 
vom Ausschuß geladenen Zeugen, soweit dies erfor- 
derlich war, die entsprechenden Aussagegenehmi- 
gungen erteilt. Diese Aussagegenehmigungen waren 
lediglich im Hinblick auf Art. 38 des Zusatzabkom- 
mens zum NATO-Truppenstatut hinsichtlich der Ge- 
heimhaltung bestimmter alliierter Sicherheitsinfor- 
mationen beschränkt. 

Dem Untersuchungsausschuß haben vor allem fol- 
gende schriftliche Unterlagen für seine Beratungen 
Vorgelegen: 1. Bericht des Bundesministers des In- 
nern vom November 1963 zu den einzelnen Beweis- 
themen, 2. Zusammenstellung über Geheimhaltungs- 
vorschriften, Anweisungen und Richtlinien und 
Hausverfügungen des Bundesamtes für Verfassungs- 
schutz im Zusammenhang mit den Beweisthemen, 
3. Bericht des Bundesministers des Innern vom 3. Fe- 
bruar 1964 über die Anwendbarkeit des Art. 38 des 
Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut in 
Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsaus- 
schüssen und 4. das Gutachten des Oberlandes- 
gerichtspräsidenten a. D. Dr. Silberstein vom Fe- 
bruar 1964 gemäß Auftrag des Bundeskanzlers vom 
5. November 1963. 

Der 2. Untersuchungsausschuß hat den ihm ge- 
stellten Auftrag mit der größtmöglichen Beschleuni- 
gung durchgeführt. Er hat seine Beratungen zum Teil 
auf den Freitagnachmittag und in sitzungsfreie Wo- 
chen verlegen müssen, da u. a. auch die Besetzung 
des Stenographischen Dienstes in diesem Haus nicht 
stark genug war, um während der Ausschußwochen 
oder in den Plenarwochen Sitzungen des Unter- 
suchungsausschusses zu protokollieren. 



5992 


Deutscher Bundestag — 4, Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dorn 

Als Ergebnis der Untersuchung ist folgendes fest- 
zustellen; Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß das 
Bundesamt für Verfassungsschutz seit etwa 1956 
durch Mitteilung von Verdachtsfällen im Rahmen 
des Austauschs von Sidierheitsinformatiomen die 
Alliierten zur Einleitung von Verfahren zur Post-, 
Telefon- oder Fernschreibüberwachung veranlaßt 
hat. Soweit in den folgenden Ergebnissen der Unter- 
suchung Mißbrauchsmöglichkeiten erwähnt werden, 
ist hervorzuheben, daß Mißbräuche nicht festgestellt 
wurden. Gleichzeitig muß aber betont werden, daß 
wegen der Unvollständigkeit der Aktenführung und 
wegen inzwischen erfolgter Vernichtung von Abhör- 
material ein Mißbrauch nicht ausgeschlossen werden 
kann. Die Kleine Kommission der drei Bundestags- 
fraktionen, die vor der Einsetzung des Untersu- 
chungsausschusses sich mit den Fragen des Bundes- 
amtes für Verfassungsschutz befaßte, hat in ihrer 
Sitzung am 3. Oktober 1963 beschlossen, daß alle 
Kenntnisse alliierter Stellen aus Post- und Telefon- 
überwachung, die nicht als Kenntnisse zur Wahrung 
des gemeinsamen Sicherheitsinteresses im Sinne der 
Verträge, gelten, unter Aufsicht des Präsidenten des 
Bundesamtes für Verfassungsschutz zu vernichten 
sind. In allen Fällen sind sie zu vernichten, sobald 
sie zur Beurteilung des laufenden Falles entbehrlich 
sind. 

Der 2. Untersuchungsausschuß ist im einzelnen 
bei der Prüfung der neun Fragen zu folgenden Er- 
gebnissen gekommen. 

Frage 1 : 

(Bl 

■ ^ Auf Grund welcher Dienstvorschriften sind 

bisher durch das Bundesamt für Verfassungs- 
schutz Verfahren zur Post- oder Fernschreib- 
überwachung über alliierte Dienststellen ein- 
geleitet worden? 

Ergebnis der Untersuchung; 

Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß schriftliche 
Dienstvorschriften für die Veranlassung alliierter 
Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachungen 
nicht bestanden haben. Es lagen nur allgemein ge- 
haltene und unvollständige mündliche Anweisun- 
gen der Amtsleitung vor, die die Voraussetzungen 
für die Veranlassung alliierter Post-, Telefon- oder 
Fernschreibüberwachungen nicht klar umschrieben. 
Daher gaben diese Anweisungen der Amtsleitung 
auch keine ausreichende Möglichkeit, Einzelfälle 
auf ihre korrekte Erledigung zu überprüfen. 

Ferner ergab die Beweisaufnahme, daß nicht alle 
Sachbearbeiter, die direkte Verbindung mit Alliier- 
ten hatten, über die mündlichen Anweisungen 
unterrichtet waren. Es war darüber hinaus keine 
Vorsorge getroffen, daß ein möglicher Mißbrauch 
der Initiative von der Amtsleitung erkannt wurde. 

Frage 2: 

Auf welcher Rechtsgrundlage sind gegebenen- 
falls derartige Dienstvorschriften erlassen 
worden? 

Ergebnis der Untersuchung: 

Die Rechtsgrundlage, von der auszugehen ist, 
bilden folgende Verträge: 


1. der Deutschland vertrag, der am 5. Mai 1955 
in Kraft getreten ist, mit seinem Artikel 5 Abs, 2; 

2. der Truppen vertrag, der zugleich mit dem 
Deutschlandvertrag in Kraft getreten ist, in seinem 
Artikel 4. 

3. Der Truppenvertrag wurde ersetzt durch das 
NATO-Truppenstatut sowie das Zusatzabkommen 
dazu, das am 1. Juli 1963 in Kraft getreten ist. Hier 
ist insbesondere der Artikel 3 des Zusatzabkom- 
mens zu berücksichtigen. 

Nach diesen Bestimmungen ist die Ausübung der 
alliierten Vorbehaltsrechte von einer Gefährdung 
der Sicherheit der alliierten Truppen abhängig. 

In der Praxis müssen zwei Gruppen von Fällen 
unterschieden werden: 

1. Fälle, die das alliierte Sicherheitsinteresse, und 

2. Fälle, die nur das deutsche Sicherheitsinteresse 
berühren. 

Zu 1 ist festzustellen: Nach den von mir genann- 
ten Verträgen war in den Fällen, in denen das 
alliierte Sicherheitsinteresse berührt war, die MÖ- 
lichkeit der Post-, Telefon- oder Fernschreibüber- 
wachung gegeben. Diese Voraussetzung wurde 
allerdings in der Praxis sehr weit ausgelegt. 

Zu 2: In den Fällen, in denen nur deutsche Sicher- 
heitsinteressen berührt waren, sind die Ausübung 
des alliierten Rechts der Post-, Telefon- und Fern- 
schreibüberwachung durch die Alliierten und in- 
folgedessen ihre Inanspruchnahme durch deutsche (d) 
Behörden weder unmittelbar noch mittelbar zuläs- 
sig. Die Beweisaufnahme hat gezeigt, daß ernstlich 
bezweifelt werden muß, ob in allen Fällen, in denen 
auf deutsche Anregung die alliierten Vorbehalts- 
rechte ausgeübt wurden, das alliierte Sicherheits- 
interesse berührt war. Eine konkrete Nachprüfung 
der in Frage kommenden Einzelfälle war allerdings, 
wie sich aus der Beweiserhebung ergibt, nicht mög- 
lich. 

Frage 3: 

In welcher Form hat die Bundesregierung das 
Bundesamt für Verfassungsschutz über das 
Ergebnis ihrer Konsultationen mit den Alliier- 
ten auf Grund der abgeschlossenen Verträge 
unterrichtet? 

Ergebnis der Untersuchung: 

In den Jahren 1955 bis 1958 haben zwischen der 
Bundesregierung und den Alliierten Konsultationen 
über den Umfang und die Ablösung der alliierten 
Vorbehaltsrechte stattgefunden. Das Bundesmini- 
sterium des Innern hat zu keiner Zeit das Bundes- 
amt für Verfassungsschutz über die Voraussetzun- 
gen der Ausübung der alliierten Vorbehaltsrechte 
unterrichtet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz 
hat seinerseits das Innenministerium über diese 
Voraussetzungen nicht befragt. 

Frage 4: 

Welche Bediensteten des Bundesamtes für 
Verfassungsschutz hatten die Möglichkeit, 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5993 


Dorn 

(A) Post-, Telefon- und Fernschreibüberwachung ] 

auszulösen? 

Ergebnis zur Untersuchung; 

Es gab keine schriftlichen Anweisungen darüber, 
wer zur Auslösung einer Post-, Telefon- und Fern- 
schreibüberwachung durch die Alliierten befugt war. 
In Abteilungsleiter- und Referentenbesprechungen 
ist mündlich darauf hingewiesen worden — • wenn 
auch nicht regelmäßig und nur in einem Falle akten- 
kundig — , daß eine solche Initiative nur der Ab- 
teilungsleiter oder dessen Stellvertreter einleiten 
. dürfe. 

Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, daß zu- 
mindest in der Abteilung IV auch die Referenten 
und der Leiter der Außenstelle Frankfurt deutsche 
Initiativen ausgelöst haben. 

Wie schon zu Frage 1 ausgeführt worden ist, er- 
gab ferner die Beweisaufnahme, daß nicht alle Sach- 
bearbeiter, die direkte Verbindung mit den Alliier- 
ten hatten, über die mündlichen Anweisungen unter- 
richtet waren. 

Frage 5: 

Wie war für diese Fälle das Verfahren geregelt? 

Ergebnis der Untersuchung: 

Eine Dienstvorschrift, die das Verfahren allge- 
mein geregelt hätte, bestand nicht. Lediglich in der 
Abteilung III bestand eine schriftliche Anweisung 
vom 29. April 1958 über die registraturmäßige Er- 
fassung, Aufbewahrung und Vernichtung des aus 
der Post-, Telefon- oder Fernschreibüberwachung 
angefallenen Materials. 

In der Abteilung IV und auch in der Außenstelle 
Frankfurt ist das Material sehr unterschiedlich er- 
faßt, aufbewahrt, behandelt und vernichtet worden. 
Aktenvorgänge sind in vielen Fällen nicht feststell- 
bar gewesen. Ein geregeltes Verfahren hat es hier- 
für in der Abteilung IV nicht gegeben. 

Im Mai 1961 haben die britischen Verbündeten 
verlangt, deutsche Initiativen in Zukunft schriftlich 
zu begründen. Das ist seit dieser Zeit geschehen, 
während gegenüber den amerikanischen und fran- 
zösischen Verbündeten bis vor kurzem nur das 
mündliche Verfahren galt. 

Frage 6: 

Sind bei der Telefon-, Post- und Fernschreib- 
überwachung nur die vom Bundesamt für Ver- 
fassungsschutz für verdächtig gehaltenen Per- 
sonen unmittelbar überwacht worden oder sind 
bei Gelegenheit in derartige Überwachungen 
auch unbeteiligte Personen einbezogen worden? 

Ergebnis der Untersuchung: 

Die Überwachung des Post-, Telefon- oder Fern- 
schreibverkehrs verdächtiger Personen führt zwangs- 
läufig dazu, daß auch Unverdächtige, die in Verbin- 
dung mit ihnen stehen, einbezogen werden. Bedenk- 
lich ist nur, daß es keine Vorschriften über die Aus- 
scheidung und Vernichtung des über unverdächtige 
Personen angefallenen Materials gab. 


Frage 7: 

Auf Grund welcher Dienstvorschriften wurde 
das durch Telefon-, Post- oder Fernschreibüber- 
wachung erlangte Material ausgewertet? 

Ergebnis der Untersuchung: 

Für die Auswertung des oben angeführten Mate- 
rials gab es im Bundesamt für Verfassungsschutz 
keine Dienstvorschriften, soweit nicht in den in der 
Anwort zu Frage 8 aufgeführten Vorschriften Ein- 
zelbestimmungen enthalten sind. 

Frage 8: 

Wie waren insbesondere die Schutzvorschriften 
gegen eine mißbräuchliche Auswertung des 
Materials? 

Ergebnis der Untersuchung: 

Gegen eine mißbräuchliche Auswertung bestan- 
den folgende Vorschriften: 

1. die Verschlußsachenanweisung für die Bundes- 
behörden, 

2. die Sicherheitsanweisung für das Bundesamt füi 
Verfassungsschutz, 

3. die Richtlinien für die Auswertung im politischen 
Nachrichtendienst vom 20. September 1952, 

4. die Hausverfügung 14/61 betr. die Herstellung 
von Vervielfältigungen und 

5. die Hausverfügung 4/63 betr. die Aufbewahrung 
von Verschlußsachen. 

Die Mitarbeiter wurden bei ihrem Eintritt in das 
Bundesamt für Verfassungsschutz und in zeitlich 
größeren Abständen über einen Teil dieser Vor- 
schriften belehrt. Es ist aber unbestritten, daß die 
Gefahr mißbräuchlicher Verwertung bestanden hat, 
da nicht nur Abteilungsleiter, sondern auch Refe- 
renten, Sachbearbeiter und Angehörige der Außen- 
stellen Material von den Alliierten erhielten. 

Die Vorschriften waren zum Teil auch unzurei- 
chend, und in der Abteilung IV und in den Außen- 
stellen bestanden keine Dienstvorschriften über die 
registraturmäßige Behandlung von solchem Mate- 
rial. Darüber hinaus ist mit Sicherheit in der Abtei- 
lung IV Material ohne Vernichtungsverhandlung 
vernichtet worden. Weitere Mißbrauchsmöglichkei- 
ten ergaben sich schließlich daraus, daß die Über- 
nahme und Weitergabe des Materials zum größten 
Teil ohne Quittungen erfolgte. 

Frage 9; 

Welche Vorschriften gab es über die Unter- 
richtung von Persönlichkeiten des öffentlichen 
Lebens, die durch die Auswertung des Mate- 
rials in Fälle einbezogen worden sind? 

Ergebnis der Untersuchung: 

Vorschriften darüber gab es nicht. 

Meine Damen und Herren, ich komme dann zu 

den Schlußfolgerungen. 



5994 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dorn 

1. Der Bundesminister des Innern hat vor und 
während der Untersuchung schon eine Reihe von 
Maßnahmen getroffen, die sich durch die Unter- 
suchung als notwendig erwiesen. 

So hat der Bundesminister des Innern das Bundes- 
amt für Verfassungsschutz Ende September 1963 
mündlich und im Dezember 1963 schriftlich ange- 
wiesen, Ersuchen an alliierte Dienststellen zur Ein- 
leitung von Post-, Telefon- oder Fernschreibüber- 
wachungen in Zukunft schriftlich zu stellen, wie es 
gegenüber den britischen Verbündeten seit 1961 
notwendig war. Ferner ist festgelegt worden, daß 
die Anregungen gegenüber den Alliierten lediglich 
vom Präsidenten oder von dem Vizepräsidenten den 
Verbündeten zugeleitet werden dürfen. Darüber 
hinaus sind die Arbeiten an einem deutschen Ge- 
setz zur Ausführung des Art. 10 des Grundgesetzes 
und zur Ablösung der alliierten Vorbehaltsrechte 
zur Post- und Telefonüberwachung auf Anregung 
der Kleinen Kommission, der sich der Unter- 
suchungsausschuß anschließt, wieder aufgenommen 
worden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat 
außerdem um die Jahreswende zahlreiche Vorschrif- 
ten über die registraturmäßige Erfassung, Aufbe- 
wahrung und Vernichtung des aus einer Post-, Tele- 
fon- oder Fernschreibüberwachung angefallenen 
Materials erlassen. 

Die Bundesregierung wird nach Auffassung des 
Ausschusses prüfen müssen, welche organisatori- 
schen und personellen Konsequenzen sich im Bun- 
desministerium des Innern und im Bundesamt für 
(B) Verfassungsschutz aus der Untersuchung ergeben. 

Darüber hinaus muß festgestellt werden, daß die 
Untersuchung ergeben hat, daß die Erfüllung der 
Aufgaben des Verfassungsschutzes und der übrigen 
Nachrichtendienste auch der ständigen Kontrolle des 
Deutschen Bundestages bedarf. 

Ich darf Ihnen, meine sehr verehrten Damen und 
Herren, nunmehr den Antrag des Untersuchungs- 
ausschusses vortragen, der in der letzten Sitzung 
des Ausschusses einstimmig beschlossen wurde. Der 
Untersuchungsausschuß bittet das Parlament um Zu- 
stimmung zu folgendem Antrag: 

Der Bundestag wolle beschließen: 

1. Der vom 2. Untersuchungsausschuß vorgelegte 
Bericht wird zustimmend zur Kenntnis genom- 
men. 

2. Die Bundesregierung wird ersucht, dem Deut- 
schen Bundestag bis zum 1. Oktober 1964 zu be- 
richten, welche organisatorischen und personel- 
len Maßnahmen auf Grund der Untersuchung 
vorgenommen worden sind. 

3. Die Bundesregierung wird außerdem ersucht, 
dem Deutschen Bundestag bis zum 1. Oktober 
1964 Vorschläge über die parlamentarische Kon- 
trolle der Nachrichtendienste vorzulegen. 

(Beifall.) 

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Ich danke 
dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aus- 


sprache ein. Das Wort hat der Abgeordnete Schmitt- 
Vockenhausen. 

Schmitt- Vockenhausen (SPD): Herr Präsident! 
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 
Schluß der Arbeiten des 2. Untersuchungsausschus- 
ses erlauben Sie mir einige Vorbemerkungen, bevor 
ich zu dem eigentlichen Thema komme. 

Ich möchte zunächst Ihnen, Herr Kollege Dorn, als 
dem Berichterstatter des Ausschusses für Ihre wert- 
volle Arbeit danken. Ich danke auch dem Sekre- 
tariat des Ausschusses und nicht ;zuletzt Ihnen, 
meine verehrten Kollegen aller Fraktionen, herz- 
lich für die gute, korrekte und auch menschlich an- 
genehme Zusammenarbeit in diesen Wochen. Wir 
sind ja in einer solchen Arbeit nicht, wie man 
schon irrtümlich gemeint hat, hohe Richter, die weit 
entfernt von der Tageskritik zu richten haben, son- 
dern wir stehen mitten im politischen Leben und 
müssen tagtäglich in den verschiedenen Formen uns 
immer wieder in der politischen Auseinander- 
. Setzung stellen und tätig werden. Wer die Arbeit 
von Untersuchungsausschüssen verfolgt, der weiß, 
daß auch die Mitglieder solcher Ausschüsse oft vor 
schweren persönlichen Entscheidungen stehen. 
Wenn es uns gelungen ist, bei aller Schwierigkeit 
der Materie und bei aller Verschiedenheit der Auf- 
fassungen ohne Rücksicht auf Vorurteile einen ein- 
stimmigen Bericht vorzulegen, so bin ich überzeugt, 
daß die deutsche Öffentlichkeit das entsprechend 
würdigen wird. Wir legen der deutschen Öffent- 
lichkeit einen Bericht vor, und das Parlament sollte 
dieser deutschen Öffentlichkeit für ihre Anteil- 
nahme sowohl an der Sache als auch an der Arbeit 
des Untersuchungsausschusses dankbar sein. Ur- 
sache dieser Anteilnahme und des lebhaften Inter- 
esses war für den überwiegenden Teil der deutschen 
Öffentlichkeit der Wunsch nach Sicherung unserer 
rechtsstaatlichen Ordnung. 

Wir sollten auch den Presseorganen dankbar sein, 
die die Finger auf die Wunden der festgestellten 
Mängel unserer rechtsstaatlichen Ordnung gelegt 
haben, auch wenn ihnen im Hinblick auf die ge- 
heime Tätigkeit des Bundesamtes für Verfassungs- 
schutz die Mängel nicht sofort so überschaubar ge- 
wesen sind, wie sie heute vor uns liegen. 

Selbstverständlich wurde im Laufe der Unter- 
suchungen auch das eine oder andere überspitzt 
und überzogen dargestellt, weil nun einmal die 
Tätigkeit des Amtes geheim ist. Das kann bei aller 
Wahrung der journalistischen Sorgfaltspflicht Vor- 
kommen. Fehler dieser Art können korrigiert wer- 
den. 

Viel nachteiliger war die Reaktion einer Zeitung 
— der ich heute nur noch einen Nachruf widmen 
kann — , die jede Kritik als Majestätsbeleidigung 
abtun wollte. 

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!) 

Presse, Rundfunk und Fernsehen haben sich hier 
um das Funktionieren unserer öffentlichen Meinung 
in unserer rechtsstaatlichen Ordnung mit Erfolg be- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5995 


Schmitt- Vockenhausen 

müht. Wir bejahen diese Kontrollfunktion, die aller- 
dings eine andere ist als die, die das Parlament 
wahrzunehmen hat. 

(Abg. Dr. Barzel: Billigen Sie die „Pano- 
r ama " - Sendung ?) 

— Herr Kollege Barzel, das ist nicht Gegenstand 
der Untersuchung. 

(Abg. Dr. Barzel: Aber Sie sprechen allge- 
mein!) 

Lassen Sie mich einiges dazu sagen, wie es 
eigentlich zu diesem Untersuchungsausschuß ge- 
kommen ist. Als „Die Zeit" sich im September 1963 
erstmalig über die Abhörpraxis äußerte, hätte die 
deutsche Öffentlichkeit nicht so empfindlich reagiert, 
wenn von dem Herrn Bundesinnenminister nicht zu- 
nächst alles abgestritten worden wäre. Denn schließ- 
lich — und das hat ja auch „Die Zeit" mehrfach zum 
Ausdruck gebracht — kann sich doch niemand dar- 
über freuen^ wenn ein solches Amt monatelang im 
Blickpunkt der Öffentlichen Meinung steht. 

Wenn auch das Bundesamt für Verfassungsschutz 

kein geheimer Nachrichtendienst im eigentlichen 
Sinne des Wortes ist, sondern eine Behörde, so liegt 
doch nicht nur dem Amt, sondern auch uns allen 
nichts daran, daß seine Arbeit ständig in der Öffent- 
lichkeit diskutiert wird. Ich möchte die Gelegenheit 
benutzen, auch einmal ein Wort der Anerkennung 
und des Dankes für die Arbeit des Amtes auf zahl- 
reichen Gebieten zu sagen, die erfreulicherweise zu 
keinen Mängeln und Beanstandungen geführt 
haben. 

(Beifall im ganzen Hause.) 

Wenn gelegentlich einmal gefragt worden ist, 
wer denn eigentlich den Verfassungsschutz schütze, 
so geht diese Frage ins Leere; denn ich habe nir- 
gends in der deutschen Öffentlichkeit ernst zu neh- 
mende Stimmen gehört, die sich grundsätzlich gegen 
die Arbeit des Bundesamtes richten. Im Gegenteil: es 
besteht volle Übereinstimmung darüber, wie not- 
wendig und wichtig diese Arbeit für die Ordnung 
unseres Staates ist. 

Es bleibt die Frage: Mußte denn diese Sache 
eigentlich zu einer Affäre werden? 

(Zurufe von der Mitte.) 

Leider ist es ja so, daß für Regierungen unange- 
nehme Dinge meist erst dadurch zu Affären werden, 
daß verantwortliche Minister, wenn Veröffent- 
lichungen erfolgen, zunächst einmal alles bestreiten 
und dann nach und nach unter dem Druck der Tat- 
sachen neue, rückwärtige Stellungen beziehen. 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) 

Der Herr Bundesminister des Innern hat am 
9. November 1962 anläßlich der „Spiegel" -Affäre 
auf die Frage, ob in der Bundesrepublik das Post- 
und Fernmeldegeheimnis in vollem Umfange ge- 
wahrt werde, wörtlich geantwortet: „Ich kann die 
Frage mit Ja beantworten." 

Am 5. September 1963 — nach dem Bericht in der 
angesehenen Wochenzeitung „Die Zeit" über die 


fC) 

Telefonüberwachung — sagte er zunächst, ihm sei 
nicht das geringste von der Sache bekannt, er werde 
gegebenenfalls die Schuldigen hinauswerfen. Am 
8. September, drei Tage später, nach einer Blitz- 
konferenz in seinem Heimatort, wurde er schon vor- 
sichtiger. Er meinte damals: Es liegen keine Rechts- 
verletzungen vor. 

Am 11. September 1963 und am 21. September 
1963 hat dann die Bundesregierung nach einem Be- 
richt des Herrn Bundesinnenministers u. a. folgen- 
des erklärt: 

Bei der Untersuchung des Bundesinnenministe- 
riums ist kein Fall festgestellt worden, daß der 
deutsche Verfassungsschutz die Verbündeten 
gebeten hat, den Fernsprech- oder Postverkehr 
bestimmter Personen zu überwachen. 

Diese Erklärung bedrückt mich am meisten. Sie 
wurde nach einer Kabinettssitzung und nach Ihrem 
Bericht, Herr Minister, abgegeben. Haben Sie selbst 
zu diesem Zeitpunkt daran geglaubt? Haben Sie das 
Kabinett getäuscht? Oder wußte die ganze Bundes- 
regierung um die Tragweite dieser Erklärung? Es 
ist unverantwortlich, solche Erklärungen abzugeben. 
Eine Bundesregierung kann sich politisch irren. Sie 
darf aber Tatbestände nicht falsch wiedergeben. 

(Beifall bei der SPD und der FDP.) 

Sie selbst sollte die Folge bedenken, unglaubwürdig 
zu erscheinen. 

Es gibt eine Reihe wi der sprrüchM eher Erklärungen, pj 
Ich habe sie gesammelt und hier. Am 13. September 
haben Sie, Herr Minister, im Rias gesagt: 

Es ist nicht ein einziger Sachverhalt, der neu 
wäre. Es wird so getan, als ob das neu wäre. 
Das möchte ich noch einmal in aller Klarheit 
feststellen. 

Drei Tage später, am 16., haben Sie dann gesagt, 
daß Sie sich über die Abhörtätigkeit in der Zwi- 
schenzeit vergewissern mußten. Also war es doch 
notwendig, einiges zu prüfen. In dem gleichen 
Interview haben Sie erklärt, daß alliierte Dienst- 
stellen gebeten wurden, ganz allgemein ihre Er- 
kenntnisse zur Aufklärung des Falls unseren Dienst- 
stellen zur Verfügung zu stellen. In der Erklärung 
vom 11. September, veröffentlicht im „Bulletin" vom 
13. September, hat der Bundesinnenminister unter 
Punkt 3 nachdrücklich festgestellt: 

Es ist bisher trotz gründlicher Untersuchung 
kein einziger Fall festgestellt worden, in dem 
das Bundesamt für Verfassungsschutz die Ver- 
bündeten gebeten hätte, den Fernisprech- oder 
Postverkehr bestimmter Personen zu über- 
wachen. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Dr. Kohut (FDP): Darf ich eine Zwischenfrage 
stellen? — Herr Kollege, glauben Sie, daß in Eng- 
land unter solchen Umständen ein Minister noch 
einen Tag länger im Amt gewesen wäre? 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) 



5996 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Meine Damen 
und Herren, die politischen Schlußfolgerungen aus 
der Debatte sind von uns gemeinisam zu ziehen. 

Noch im gleichen Monat, am 30. September, mußte 
der Minister in der Sendung „Report" zugeben, daß 
es in den letzten fünf Jahren insgesamt rund 
65 Fälle, im letzten Jahr 23 Fälle waren, bei denen 
„auf Grund unserer Mitteilung" abgehört worden 
war. Am 12. Oktober bat der Minister eingeräumt, 
daß in jedem einzelnen Fall eingehend mündlich 
und schriftlich mit der anderen Seite verhandelt 
worden sei. 

Nun noch eine besondere Arabeske. Am 3. Okto- 
ber meldete AP um 16.37 Uhr: „Innenminister 
Höcherl hält nichts von strafrechtlichen Schritten 
gegen die Zeitschrift ,Die Zeit'. Nicht einmal drei- 
einhalb Stunden später, um 19.51 Uhr, wußte DPA 
bereits zu berichten: „Höcherl stellt Strafantrag ge 
gen »Zeit'^Redakteure". 

Es ging dann Weiter der Streit um die Frage, in 
wieviiel Fällen das Bundesamt für Verfassungsschutz 
die Kontrollmaßnahmen ausgelöst hat. Sie wissen, 
meine Damen und Herren, daß die von dem Herrn 
Minister genannten Zahlen durch den Herrn Ober- 
landesgerichtspräsidenten a.D. Dr. Silberstein in- 
zwischen nach oben berichtigt worden sind. 

Man könnte diese eindrucksvolle Liste von mini- 
steriellen Erklärungen unid .Stellungnahmen noch er- 
gänzen und verlängern. Sie sehen, meine Damen 
und Herren, wie widersprüchlich der Herr Minister 
in der Öffentlichkeit argumentiert hat. Es ist ver- 
* ständlich, daß die Öffentlichkeit durch derartige Ant- 
worten und, wie er es nennt, „Untersuchungen" des 
Innenministeriums mißtrauisch wuiide. Das Miß- 
trauen war sogar in den eigenen Reihen vorhanden. 
In der Zeitung „Die Welt" vom 25. September 
zitiert der angesehene Bonner Korrespondent Peter 
Horch eiinen „bayrischen Landsmann und Partei- 
freund des Bundesinnenministers", der ihm wörtlich 
gesagt habe: 

Das nutzt jetzt gar nichts mehr. Höcherl muß 
endlich die Hosen ganz runterlassen. So zenti- 
meterweise geht das ndcht. 

(Heitenkeit.) 

Ich hoffe, daß diese etwas drastische Ausdrucks- 
weise, die nicht von mir, sondern von einem Herrn 
der CSU stammt, mir nicht als unparlamentarisch 
angekreidet wird. 

Nach dem gleichen Bericht hat einer der Freunde 
Höcherls hinzugesetzt: 

Wenn in diesem Amt etwas geschehen ist, was 
nicht mit Recht und Gesetz in Einklang steht, 
dann trägt er 

— gemeint ist der Minister — 

dafür die Verantwortung, ob er es wußte oder 
nicht. 

(Sehr wahr! bei der SPD.) 

Dem kann ich nur beipflichten. In einer gesunden 
und funktionierenden Demokratie hätte ein Mini- 
ster, in dessen Amtsbereich sich so etwas ereignet 
hätte und der so viele widersprüchliche Erklärungen 


in einer solchen Sache abgegeben hätte, von sich aus 
den Hut genommen. Es ist ganz gleichgültig, ob der 
Minister bewußt unzutreffende Darstellungen gab 
oder ob ihn seine Beamten schlecht informierten. Er 
trägt in jedem Fall, wie der Herr von der CSU rich- 
tig gesagt hat, die Verantwortung. 

Sie wissen, daß sich dann der Innenausschuß und 
auch die Kleine Kommission mit den Problemen, die 
hier zur Debatte standen, beschäftigt haben und 
einiges im Beisein auch der Herren Fraktionsvor- 
sitzenden bzw. stellvertretenden Fraktionsvorsitzen- 
den klären konnten, wenn auch keine volle Klärung 
erreicht wurde. 

Die Kleine Kommission hat immerhin erreicht, 
daß für die Übergangszeit, bis klare deutsche 
Rechtsgrundlagen vorliegen, die verfassungsmäßigen 
Grenzen gewahrt werden, und die Bundesregierung 
umgehend um die Vorlage eines Ausführungsgeset- 
zes zu Art. 10 des Grundgesetzes gebeten, das auch 
die alliierten Vorbehaltsrechte ablösen sollte. 

Schon bei diesen Erörterungen in der Kleinen 
Kommission ergab sich, daß erfreulicherweise kein 
Anhalt vorlag, aus dem sich ergeben hätte, daß die 
Telefon- und Postüberwachung parteipolitisch miß- 
braucht worden wäre. Die Bundesregierung hat mit 
einem gewissen Stolz diese Erklärung an ihre Fah- 
nen geheftet. Ich frage mich: warum eigentlich? Das 
muß man doch einfach voraussetzen, daß in einem 
solchen Amt kein parteipolitischer Mißbrauch statt- 
findet. 

(Beifall bei der SPD.) 

Denn, meine Damen und Herren, wenn Mißbräuche 
auf diesem Gebiet vorhanden gewesen wären, dann 
wäre ja unserem Staat wirklich ein kaum wieder- 
gutzumachender Schaden zugefügt worden. 

Es trat damit eine unvorhergesehene Wendung 
ein. Im „Stern" erschien ein Aufsatz, in dem ein 
Zeuge für eine sehr saloppe Praxis des Amtes auf- 
geboten wurde. Nachdem mir von der Chefredaktion 
ein Gespräch mit diesem Zeugen ermöglicht wurde, 
war ich der Auffassung, daß diese Informationen 
sorgfältig geprüft werden sollten,, und zu einer sol- 
chen Prüfung war nur ein Untersuchungsausschuß 
befähigt. Diese Informationen zeigten, daß die Bun- 
desregierung auch in der Kleinen Kommission immer 
noch keine ausreichende Aufklärung geschaffen 
hatte. 

Man hat damals viele Fragen gestellt, warum wir 
den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsaus- 
schusses nicht schon länger gestellt hätten. Manche 
meinten sogar, wir wollten keine volle Aufklärung. 
Das ist alles nicht richtig. Ein Untersuchungsaus- 
schuß kann nur arbeiten, wenn Zeugen zur Verfü- 
gung stehen, die bereit sind auszusagen. Ein Aus- 
schuß kann nicht im Nebel mit der Stange herum- 
tappen; denn nichts wäre schlimmer, meine Damen 
und Herren, als wenn am Schluß die ganze Sache wie 
das Hornberger Schießen ausgegangen wäre und das 
Parlament als Institution nach den nicht immer guten 
Erfahrungen mit Untersuchungsausschüissen auch 
noch Schaden genommen hätte. 

Meine Fraktion hat sich auch aus diesem Grunde 
bei den Fragen darauf beschränkt, Auskünfte über 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5997 


Schmitt- Vockenhausen 

(A) 

die Praxis und das Verfahren zu fordern, weil auch 
die Antragsteller nicht wollten, daß die Arbeit des 
Amtes für Verfassungsschutz lahmgelegt wird. Der 
Untersuchungsausschuß wollte nicht die Arbeit ge- 
fährden, sondern er sollte den Beamten und Ange- 
stellten die Sicherheit geben, daß sie mit der vollen 
Deckung der deutschen Öffentlichkeit ihre Arbeit 
leisten können. 

In diesem Stadium war nun die Einsetzung des 
Untersuchungsausschusses unumgänglich; denn die 
Aufgabe, über behauptete Mißstände in der Ver- 
waltung Aufklärung zu schaffen, gegebenenfalls zu- 
sätzliches Material für Gesetzgebung und Verwal- 
tungsreformen zu sammeln, mußte ja gelöst werden. 
Wenn Sie das Ergebnis des Untersuchungsausschus- 
ses in dem Bericht des Herrn Berichterstatters vor 
wenigen Minuten noch einmal verfolgt haben, dann 
werden Sie mir zugestehen müssen, daß es sich bei 
dem 2. Untersuchungsausschuß — auch hinsichtlich 
seines Ergebnisses — um die klassische Form des 
Untersuchungsausschusses des Parlaments gehandelt 
hat. 

Es ist mehrfach die Frage erörtert worden, ob an 
Stelle des Untersuchungsausschusses nicht auch die 
Untersuchung des Herrn Oberlandesgerichtspräsi- 
denten a. D. Dr. Silberstein ausgereicht hätte. Sie 
wissen, daß der Herr Bundesinnenminister unmit- 
telbar vor der entscheidenden Fraktionssitzung der 
SPD dem Herrn Bundeskanzler Herrn Oberlandes- 
gerichtspräsidenten Dr. Silberstein als Untersu- 

(B) chungsführer vor ge schlagen hatte. Nachdem ich den 
in der Sache ausgezeichneten Silberstein-Bericht ge- 
lesen habe, stimme ich zu, daß sicher viele Fragen 
auch durch diese Untersuchung hätten geklärt wer- 
den können. Nur der Schwerpimkt .der parlamenta- 
rischen Untersuchung war nicht identisch mit der 
Untersuchung, die Herr Silberstein durchgeführt hat. 

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!) 

Der Silberstein-Bericht ist auch aus einem recht 
verblüffenden Grund nicht ausreichend. Er wurde im 
Gegensatz zu dem Bericht von Lord Denning, der ja 
zu einem Bestseller geworden ist und im Buchhandel 
zu einem großen Erfolg wurde, für geheim erklärt. 

(Abg. Dr. Barzel: Anderes Thema!) 

— Herr Kollege Barzel, 

(Abg. Dr. Barzel: Der Verleger!) 

auch in diesem Bericht hätten nicht alle Passagen die 
Geheimhaltung notwendig; darüber sind Sie sich 
sicher mit mir einig. Obwohl dieser Bericht — und 
jetzt kommt das Entscheidende — eine recht ein- 
drucksvolle Kritik an verschiedenen Stellen der 
Amtsleitung und des bürokratischen Verfahrens im 
Bundesamt für Verfassungsschutz enthielt, waren die 
offiziellen Verlautbarungen über diesen Bericht sanft 
und gutmütig. Hier hat die Bundesregierung ein 
zweites Mal der Öffentlichkeit einen falschen Ein- 
druck vermittelt. 

(Abg. Dr. Schäfer: Sehr richtig!) 


Wenn geheim, dann alles geheim, aber nicht eine 
Auswahl, die die Dinge auf den Kopf stellt und 
nicht die Möglichkeit gibt zu korrigieren! 

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der 
FDP.) 

Hätte die Bundesregierung nicht zugestimmt, daß 
der Silberstein-Bericht auch dem Untersuchungs- 
ausschuß zur Kenntnis gebracht würde, hätte die 
Gefahr bestanden, daß die Konsequenzen aus dem 
Silberstein-Bericht ebenso sanft behandelt worden 
wären wie die offizielle Verlautbarung über seinen 
Inhalt. Schon aus diesem Grund hätte der geheime 
Silberstein-Bericht nicht ausgereicht. Ich bedaure, 
daß Teile des Berichts an die Öffentlichkeit gekom- 
men sind, mehr allerdings, daß die Bundesregierung 
ihn nicht von sich aus der deutschen Öffentlichkeit 
übergeben hat. 

(Sehr gut! bei der SPD.) 

Ich erwähne das Schicksal der Silberstein-Unter- 
suchung deshalb so ausführlich, weil in der deut- 
schen Öffentlichkeit die Frage aufgeworfen worden 
ist, ob auf Grund der Erfahrungen mit der Silber- 
stein-Untersuchung nunmehr überhaupt Untersu- 
diungsausschüsse des Parlaments vielleicht nicht 
mehr erforderlich seien. Gewiß, es wird Fälle geben, 
in denen eine Silberstein-Untersuchung richtiger ist 
als die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. 
Aber im vorliegenden Fall haben wir ein Beispiel 
dafür, daß auf die Einsetzung eines Untersuchungs- 
ausschusses trotz des guten Berichts nicht verzichtet 
werden kann, zumal die Öffentlichkeit — wie alle (D) 
politischen Kräfte, so auch die Opposition — das 
Recht hat, sich selbst ein Bild machen zu können. 

Es scheint notwendig, in diesem Zusammenhang 
auch noch einmal hervorzuheben, was Gegenstand 
der Untersuchung war. Gegenstand der Untersu- 
diung waren Rechtsfragen und Verwaltungsfragen 
im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit den Alliier- 
ten hinsichtlich der Post-, Telefon- und Fernschreib- 
überwachung. Das geht ja auch eindeutig aus dem 
Antrag der SPD-Fraktion auf Einsetzung des Unter- 
suchungsausschusses mit den neun gestellten Fra- 
gen hervor. Gegenstand der Untersuchung waren 
nicht — wie gelegentlich in sehr gezielten und deut- 
lichen Ablenkungsmanövern behauptet wurde — 
Behauptungen wie, daß selbst in Notfällen solche 
Uberwachungsmaßnahmen ausgeschlossen sein müß- 
ten, daß von deutscher Seite Maßnahmen durch- 
geführt worden seien, daß politischer Mißbrauch ge- 
trieben worden sei. Schon die Kleine Kommission 
hatte ausdrücklich und einstimmig festgestellt, daß 
offensichtlich ein parteipolitischer Mißbrauch nicht 
vorliege. 

Ich habe in diesem Zusammenhang bedauert, daß 
die Angelegenheit hin und wieder auch etwas sen- 
sationell dargestellt worden ist. Denn nichts eignet 
sich weniger für Schlagzeilen als eine im Grunde 
staatsrechtliche und büromäßige Untersuchung der 
Arbeit des Verfassungsschutzamtes. 

(Unruhe bei den Regierungsparteien. — Zu- 
ruf von der Mitte: Beweise!?) 



5998 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


(A) Schmitt- Vockenhausen 

— Meine Damen und Herren, wären Sie in den Aus- 
schuß gekommen, hätten Sie sich alle selber ein 
Bild machen können. 

Ich möchte nun auf die Dauer der Arbeiten des 
Untersuchungsausschusses eingehen. Ich bedaure, 
daß gelegentlich gesagt worden ist: Es dauert etwas 
lange. Meine Damen und Herren, wir haben sehr 
schnell gearbeitet, wenn man die Dauer dieses 
Untersuchungsausschusses mit der anderer Aus- 
schüsse vergleicht. Denken Sie bitte an die Dauer 
des John- Ausschusses, der jahrelang tätig gewesen 
ist, denken Sie an den Ausschuß über die Personal- 
politik im Auswärtigen Amt und an all die anderen 
Untersuchungsausschüsse, die sich meist über eine 
ganze Legislaturperiode erstreckt haben. 

Dem Untersuchungsausschuß sind natürlich nicht 
immer nur von seiten des Herrn Ministers Rosen zu- 
geschickt worden, sondern, wenn ich einmal eine 
Bemerkung von Ihnen, Herr Minister, variieren 
darf, wir haben gelegentlich auch einen Pfeil aus 
„Höcherls Köcherl" erhalten. Uns ist der Vorwurf 
gemacht worden, wir beachteten nicht genügend 
die alliierten Geheimhaltungsinteressen, und außer- 
dem kam noch ein Schuß vor den Bug aus der vor- 
hin von mir zitierten, inzwischen verstorbenen Zei- 
tung. Dieser Pfeil traf aber nicht meine Brust, son- 
dern schwirrte verblüffenderweise auf einen hohen 
Beamten des Innenministeriums; den hat er aber 
gottlob auch nur gestreift. Ich will dazu hier keine 
weiteren Ausführungen machen, sondern mich auf 
die Wiedergabe der einstimmigen Erklärung der 

(B) Ausschußmitglieder in der 10. Sitzung beschränken, 
wonach der Untersuchungsausschuß „einmütig der 
Auffassung ist, daß die bisherigen Verhandlungen 
unter der Leitung seines Vorsitzenden in peinlicher 
Korrektheit und unter Beachtung aller notwendigen 
Geheimhaltungsinteressen nach dem bestehenden 
Recht geführt worden sind.“ 

Nun, Herr Minister, Sie haben mehrfach, vor 
allem in der Zeit der Einsetzung des Untersuchungs- 
ausschusses, Ihren Ärger über den Ausschuß öffent- 
lich bezeugt und einmal gemeint, es handele sich 
um ein Strafgericht gegen einen renitenten Innen- 
minister. Lassen Sie mich dazu Ihnen ganz freund- 
schaftlich sagen: Ich habe stets Ihr Bemühen begrüßt 
— und werde das auch begrüßen — , Sachfragen, 
wie Sie, Herr Minister, so schön sagen, auf dem 
Sofa zu besprechen. Das kann in vielen Fällen auch 
gut sein, und ich hätte in einem bestimmten Zeit- 
punkt durchaus Verständnis für Ihren Wunsch ge- 
habt. Zu diesem Zeitpunkt, als der Untersuchungs- 
ausschuß kam, nach so vielen widersprüchlichen 
Erklärungen, hätte dieses Verfahren sicher zu einem 
großen Vertrauensverlust für unsere junge Demo- 
kratie geführt. 

(Beifall bei der SPD.) 

Es bleibt für Sie, Herr Minister, die wichtige 
Frage, wie Sie der deutschen Öffentlichkeit erklä- 
ren, wie es zu den Widersprüchen und falschen 
Erklärungen vom 11. und 21. September kam, wer 
Sie falsch unterrichtet hat und wie Sie dazu gekom- 
men sind, daß Sie die deutsche Öffentlichkeit falsch 
unterrichtet haben. Es wäre gut, wenn das in allem 
Freimut geschehen könnte. 


Bei dieser Gelegenheit darf ich auf einen Ände- 
rungsantrag meiner Freunde zu dem Antrag des 
Untersuchungsausschusses hinweisen. Wir bitten, 
den Antrag des 2. Untersuchungsausschusses wie 
folgt zu ergänzen: 

4. Der Deutsche Bundestag bedauert, daß die 
in dem Ausschußbericht festgestellten Miß- 
stände in den zurückliegenden Jahren von 
dem aufsichtsführenden, Bundesministerium 
des Innern durch Unterlassung geeigneter 
Dienstaufsichtsmaßnahmen nicht festgestellt 
worden sind, insbesondere keine Schutz- 
maßnahmen gegen Mißbräuche getroffen 
worden sind. 

5. Der Deutsche Bundestag mißbilligt, daß der 
Bundesminister des Innern ohne ausrei- 
chende Untersuchungen mehrfach die Öffent- 
lichkeit unrichtig oder irreführend unter- 
richtet hat. 

Ich nehme Bezug auf die Erklärungen im Bulletin 
der Bundesregierung vom 11. bzw. 13. und 21. Sep- 
tember 1963, vor allem auf den Punkt 3. Ich bitte 
Sie, das noch einmal im Bulletin nachzulesen. In der 
Erklärung vom 13. September 1963 heißt es unter 
Punkt 3, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz 
in keinem einzigen Fall die Verbündeten gebeten 
habe, den Fernsprech- oder Postverkehr bestimm- 
ter Personen zu überwachen. Ich erinnere auch an 
Punkt 5 dieser Erklärung, wo behauptet wird, es 
habe ein streng rechtlich geregeltes Verfahren gege- 
ben, Ferner gehört dazu die Erklärung des Ministers P) 
in der Sendung „Bayern fragt Bonn“ : 

Sie meinen, daß bei uns ein untergeordneter 
Beamter, offenbar des Verfassungsschutzes, dar- 
über entscheiden könnte. Das ist nicht richtig. 

Die Entscheidung darüber, ob ein Telefonge- 
heimnis in Anspruch genommen wird, liegt 
allein bei den Verbündeten, und zwar nicht bei 
den gleichlaufenden Stellen des verbündeten 
Geheimdienstes, sondern bei sehr beachtlichen, 
sehr gehobenen Dienststellen unserer Verbün- 
deten. 

Auch diese Behauptung ist durch die Ausschußbera- 
tungen und durch die Berichterstattung widerlegt 
worden. Eigentlich geht es auch weniger um Sie, 
Herr Minister, es geht auch nicht um eine Partei, es 
soll hier niemand gedeckt oder desavouiert werden; 
es geht ganz einfach darum, daß unsere Bürger zu 
unserer Verwaltung und nicht zuletzt auch zu einem 
Ministerwort wieder Vertrauen haben müssen. 

(Beifall bei der SPD und der FDP.) 

Ein Rechtsstaat kann es sich nicht leisten, Vorwürfe 
völlig ungeklärt zu lassen. Es geht darum, daß wir 
in unserem Volk das Gefühl für Recht und Ordnung 
erhalten und stärken. 

Der Untersuchungsausschuß hat dazu beigetragen. 
Tun Sie nun für die Regierung das Ihrige im Sinne 
der Beschlüsse des Ausschusses! 

(Abg. Dr. Barzel: Keine Mißbräuche!) 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sit2ung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


5999 


Schmitt- Vockenhausen 

Es ist durchaus möglich, daß es am Schluß keine Sie- 
ger und Besiegten gibt, sondern nur den Erfolg einer 
wachsamen Demokratie in unserem Lande. 

(Beifall bei der SPD und der FDP. — Zu- 
rufe von der Mitte.) 


Präsident D, Dr. Gerstenmaier: Einen Augen- 
blick, Herr Abgeordneter! Der Wortlaut, den Sie als 
Änderungsantrag verlesen haben, entspricht nicht 
ganz dem Änderungsantrag Umdruck 453. Haben 
Sie das geändert? 

(Abq. Schmitt-Vockenhausen: Das ist geän- 
dert!) 

— Also eine Änderung von Ihnen zu diesem Um- 
druck 453? 

(Abg. Schmitt- Vockenhausen: Nein, der 
Text, der jetzt verteilt ist!) 

— Ist das der richtige Text? 

(Abg. Schmitt- Vockenhausen: Der Ände- 
rungsantrag wird verteilt!) 

— Also das ist der Änderungsantrag Umdruck 453. 
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Süsterhenn. 

Dr. Süsterhenn (CDU/CSU): Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Die Feststellungen im Be- 
richt des parlamentarischen Untersuchungsaussdius- 
ses zur Frage der Telefonüberwachung können nach 
meiner Überzeugung und auch nach überzeugimg 
meiner politischen Freunde in ihrer Bedeutung nur 
richtig und vollständig gewürdigt werden, wenn 
man sie auf dem politischen und psychologischen 
Hintergrund der Umstände und Emotionen sieht, 
die letztlich zur Einsetzung dieses Untersuchungs- 
ausschusses geführt haben. Es waren ja letzten 
Endes nicht lediglich Rechts- und Verwaltungsfra- 
gen, welche die Öffentlichkeit erregt haben. Es 
ging der Öffentlichkeit gewiß nicht darum, nun 
Material für eine Gesetzes- oder Verwaltungsre- 
form zu sammeln. Vielmehr muß man feststellen, 
daß seit dem Herbst des vergangenen Jahres eine 
weitgehende Beunruhigung in der gesamten deut- 
schen Öffentlichkeit zu spüren war, 

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!) 

und diese Beunruhigung ist hervorgerufen worden 
nicht durch ein Interesse an irgendwelchen büro- 
kratischen oder organisatorischen Regelungen, son- 
dern durch alarmierende Mitteilungen über angeb- 
lich skandalöse Verhältnisse beim Verfassungs- 
schutz. 

Insbesondere wurden Vorwürfe über angeblich 
illegale, willkürliche und mißbräuchliche Praktiken 
bei der Telefonüberwachung erhoben, und weite 
Kreise der Öffentlichkeit waren geradezu empört. 
Es wurde auch behauptet, die vom Verfassungs- 
schutz veranlaßte Telefonüberwachung erstredce 
sich nicht nur auf Personen, die der verfassungs- 
feindlichen Arbeit oder der Spionage verdächtigt 
seien, sondern — ich zitiere wörtlich — „auch auf 
viele andere Bundesbürger, darunter zahlreiche 


Journalisten, Bundestagsabgeordnete und führende 
Politiker". 

(Zuruf von der SPD: Konrad Adenauer!) 

. — Der hat ja nur gesagt, daß es im Telefon „ge- 
knackt" habe-, er hat aber niemals die Behauptung 
aufgestellt, daß er vom Verfassungsschutz über- 
wacht worden sei. 

(Beifall in der Mitte. — Lachen bei der 

SPD. — Abg. Dr. Mommer: Lesen Sie doch 
mal nach, was er gesagt hat!) 

— Meine Herren, ich nehme hier nicht Stellung zu 
den Erklärungen des Herrn Adenauer, sondern zu 
dem Bericht des Untersuchungsausschusses, zu sei- 
nen Hintergründen und seiner Veranlassung. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Meine Damen und Herren, es ist Ihnen vielleicht 
unangenehm, daß ich diese Dinge zitiere; 

(Lachen bei der SPD.) 

ich kann Ihnen das durchaus nachfühlen. Es wurde 
ja auch die Behauptung aufgestellt, die Verteidiger 
der beschuldigten Journalisten in der „Spiegel- 
Affäre" seien vom Verfassungsschutz überwacht 
worden. Und, meine Damen und Herren von der 
Linken, gerade Ihr Herr Fraktionsgeschäftsführer, 
der Herr Kollege Dr. Schäfer, hat doch ganz er- 
heblich mit zu der allgemein Beunruhigung stei- 
gernd beigetragen durch seine erwiesenermaßen 
falsche Behauptung, 

(Beifall in der Mitte — Zurufe von der (D) 
SPD) 

die dann von „Panorama" gesendet wurde, hier im 
Bundestag sei in der Telefonzentrale eine Abhör- 
anlage eingebaut. 

(Pfuü-Rufe und Beifall bei der CDU/CSU.) 

Das ist mehr als eine bürokratische Angelegenheit. 

(Abg. Wehner: Das ist mehr als ein Phari- 
säer!) 

Weiterhin wurde in der Presse behauptet, es ge- 
höre zu den Praktiken dieses Verfassungsschutzes, 
Abhöranlagen in Hotelzimmern anzubringen, und 
es entstand natürlich eine weitgehende Beunruhi- 
gung wegen dieses mit Recht zu rügenden Eingrif- 
fes in die Intimsphäre. Sie konnten in der Presse 
auch lesen, und zwar gestützt auf Aussagen und An- 
gaben eines ehemaligen Verfassungsschützers, daß 
im Verfassungsschutzamt ein frischfröhlicher Be- 
trieb geherrscht habe und daß manche Abhörergeb- 
nisse, insbesondere soweit es sich um irgendwelches 
Liebesgeflüster gehandelt habe, mehr oder weniger 
zur persönlichen Belustigung der Verfassungsschüt- 
zer gedient habe. 

Meine Damen und Herren, wenn man die Gesamt- 
heit dieser Vorwürfe zusammenfaßt, muß man zu 
dem Ergebnis kommen, daß in der Öffentlichkeit 
mit Recht eine gewaltige Empörung über derartige 
Dinge entstanden ist. Ich freue mich über die loben- 
den und anerkennenden Worte, die heute der Kol- 
lege Schmitt-Vockenhausen für die Mitglieder des 
Verfassungsschutzes gefunden hat. Aber damals 



6000 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Süsterhenn 

herrschte doch in der Öffentlichkeit der Eindruck, 
als handle es sich da um einen Verein von üblen 
Burschen, der nicht darauf ausgehe, die Verfassung 
zu schützen, sondern nur darauf, sie mißbräuchlich 
zu obskuren Zwecken zu verletzen. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von 
der SPD.) 

Es entstand damals sogar so etwas wie eine regel- 
rechte Abhörpsychose, und es war doch so, daß 
nicht nur der von Ihnen zitierte Bundeskanzler 
Adenauer es in der Leitung hat „knacken" hören, 
sondern das war — wenn ich hier einmal die viel- 
zitierte Symbolfigur „Lieschen Müller" nehme — 
allgemein verbreitet, und Lieschen Müller wagte es 
eben nicht mehr, ihr Liebesgeflüster den Telefon- 
drähten anzuvertrauen, weil ja auch 

(Abg. Wehner: Hören Sie doch mit der Er- 
wähnung des „Liebesgeflüsters" auf!) 

— Entschuldigen Sie mal, welchen Anstoß nehmen 
Sie daran? Auch ein Liebesgeflüster hat Anspruch 
auf Schutz der Persönlichkeitssphäre, Herr Wehner. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Und, meine Damen und Herren, wenn meine Frak- 
tion damals der Einsetzung dieses Untersuchungs- 
ausschusses zugestimmt hat, dann hat sie das nicht 
zuletzt auch getan, um einmal diese in der Öffent- 
lichkeit verbreiteten angeblichen Mängel und Miß- 
stände klarstellen zu lassen. 

(Beifall in der Mitte.) 

(B) Nun zum Ergebnis der Ausschußuntersuchung. 
Der Ausschußbericht ist, wie Sie wissen, einstim- 
mig angenommen worden. Ich gehörte selber die- 
sem Ausschuß an und habe diesen Bericht mit 
akzeptiert. Aber wenn Sie gut zuhörten, wie der 
Herr Berichterstatter diesen Bericht verlesen hat, 
mußten Sie bemerken, daß der Untersuchungsaus- 
schuß im wesentlichen festgestellt hat, daß Ver- 
fahrensmodalitäten, für die Regelung der persön- 
lichen Kompetenzen zur Einleitung der alliierten 
Überwachung, für die Formen der Registrierung, 
der Aufbewahrung, der aktenmäßigen Behandlung, 
der Auswertung, der Sicherstellung, der Geheim- 
haltung und schließlich auch der Vernichtung und 
der Anfertigung von Protokollen und Verhandlun- 
gen Über die Vernichtung des Materials, die für ei- 
nen geordneten Behördenbetrieb allgemein erfor- 
derlichen Dienstvorschriften entweder zum Teil nicht 
vorhanden oder zum Teil nicht ausreichend waren 
oder nur in mündlichen Anweisungen bestanden. 

Ich stehe gar nicht an zu erklären, daß das zwei- 
fellos bedauerliche organisatorisch-bürokratische 
Mängel sind. Aber man muß auch den Versuch 
machen, das Vorhandensein dieser Mängel nun 
irgendwie zu erklären und sie sich als gründlicher 
Beurteiler begreiflich zu machen. Da scheint mir 
sehr wesentlich zu sein, daß in den Verhandlungen 
des 1. Untersuchungsausschusses, der im Jahre 1955 
zur Behandlung der Affäre John eingesetzt worden 
war Kritik am Bundesinnenministerium geübt wor- 
den ist, weil es das Bundesamt für Verfassungs- 
schutz fast wie eine Ministerialabteilung behandelt 
und eine zu straffe Aufsicht ausgeübt habe. Gegen- 


über dieser Praxis wurde damals von dem Unter- 
suchungsausschuß in dem Bericht des damaligen 
Abgeordneten Bucerius ausdrücklich der Wunsch 
geäußert, das Ministerium solle in Zukunft lediglich 
Kontrolle und nicht leitende Aufsicht ausüben. 

(Sehr wahr! in der Mitte.) 

Damals hat man also die Zügel zu straff angespannt. 


Wir sind nun in unserem 2. Untersuchungsaus- 
schuß zu dem Ergebnis gekommen, daß das Lockern 
der Zügel auf dem Gebiete der Organisationskon- 
trolle vielleicht etwas zu großzügig gehandhabt 
worden ist. Wir haben ja gar keine bürokratischen 
Mängel irgendwie abgestritten; sie ergeben sich 
ganz klar aus diesem Bericht. 

Sodann ist die Frage aufgeworfen worden, war- 
um der Präsident des Bundesamts für Verfassungs- 
schutz nun nicht etwa seinerseits die entsprechen- 
den Organisationsanordnungen und -anweisungen 
und bürokratischen Regelungen schriftlich 
getroffen habe, die das Bundesinnenministerium 
hätte vielleicht treffen können. Ich glaube, daß man 
hier folgendes nicht unberücksichtigt lassen darf. 
Der Herr Kollege Schmitt- Vockenhausen hat gesagt; 
der Verfassungsschutz ist zwar einerseits eine Be- 
hörde, hat aber andererseits doch sehr, sehr viele 
Züge gemeinsam mit einem geheimen Nachrichten- 
dienst, und wenn er diese gemeinsamen Züge 
nicht hätte, könnte er seine Arbeit überhaupt ein- 
stellen und wäre von vornherein zum Mißerfolg 
verurteilt. 


Es liegt nun einmal in der Natur derartiger ge- 
heimer Nachrichtendienste, daß sie ihren besonde- 
ren Arbeitsstil haben, daß sie ihrer Natur nach 
wesentlich anders und vor allem weniger bürokra- 
tisch arbeiten als etwa ein Grundbuch- oder ein 
Katasteramt. Das sind eben wesentliche Unter- 
schiede. Ohne ein gewisses Maß von Flexibilität 
kann sich die Arbeit eines derartigen Dienstes über- 
haupt nicht mit einiger Aussicht auf Erfolg ab- 
spielen. 


(D) 


Hinzu kommt, daß alle derartigen Institutionen 
geheimdienstlichen Charakters gezwungen sind, 
sich mit einem sich tarnenden, mit einem konspira- 
tiv arbeitenden Gegner auseinanderzusetzen. Von 
der Arbeitsmethode des Gegners her wird einem 
solchen Dienst ja auch eine entsprechende Arbeits- 
methode aufgezwungen. Daher gehört es zum 
selbstverständlichen Arbeitsstil aller dieser Behör- 
den oder Dienste in der gesamten Welt, erstens 
möglichst wenig schriftlich zu fixieren, zweitens 
möglichst schweigsam gegen jedermann sowohl im 
eigenen Hause als auch im Verkehr mit außen- 
stehenden Behörden zu sein sowie auch, den ein- 
zelnen Bediensteten nach Möglichkeit nur mit dem 
engen Ausschnitt von Tatsachen vertraut zu machen, 
die der einzelne Bedienstete notwendigerweise wis- 
sen muß, um die ihm gestellte Aufgabe zu erfüllen. 


(Könen [Düsseldorf]: Dann muß man auch 
die Leute gut aussuchen, die man da hin- 
schickt!) 


Der Dank, den der Herr Kollege Schmitt- Vockenhau- 
sen für den Verfassungsschutz eben zum Aus- 
druck gebracht hat, beweist doch, daß man bei der 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — l24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6001 


Dr. Süsterhenn 

Personalauswahl zumindest nicht generell derartige 
Fehler gemacht hat, wie Sie es durch Ihren Zwi- 
schenruf offensichtlich andeuten wollen. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Meine Damen und Herren, auch für den Ausschuß, 
auch für mich war es überraschend, zu erfahren, daß 
das Ministerium und insbesondere auch der Herr 
Minister, oder eigentlich umgekehrt, daß vor allen 
Dingen die damit betrauten Beamten und dann in 
letzter Linie auch der Herr Minister eigentlich über 
diese Form der Zusammenarbeit zwischen dem Ver- 
fassungsschutz und den alliierten Stellen nicht infor- 
miert waren. Ich habe versucht, mir das zu erklären, 
und bin, nicht alleine, zu dem Ergebnis gekommen, 
daß der Umstand mitgewirkt haben kann und sicher 
hat, daß in den bestehenden Verträgen - — Deutsch- 
landvertrag, Zusatzabkommen zum NATO-Truppen- 
statut usw. — Konsultationen zwischen den Alliier- 
ten und der Bundesregierung über die Ausübung 
der alliierten Vorbehaltsrechte vorgesehen sind und 
daher von den Beamten des Verfassungsschutzamtes 
durchaus angenommen werden konnte, daß die Bun- 
desregierung auf Grund dieser Konsultationen über 
die Formen der Zusammenarbeit des Verfassungs- 
schutzes mit den alliierten Dienststellen im Bilde 
war. Bedauerlicherweise ist sie nicht iim Bilde ge- 
wesen, nicht ins Bild gekommen. Hier ist zweifellos 
eine stärkere Befassung seitens des Bundesinnen- 
ministeriums mit der Arbeit des Bundesverfassungs- 
schutzes eine für ein geordnetes Staatswesen drin- 
gende und nicht außer acht zu lassende Notwen- 
digkeit. 

(B) 

Aber das entscheidende Faktum, das der Unter- 
suchungsausschuß festgestellt hat, ist ja folgendes. 
Er ist in seiner Arbeit zu dem Ergebnis gekommen, 
daß trotz gewisser bürokratischer und organisato- 
rischer Mängel ein Mißbrauch bei den Anregungen 
zur Telefon- oder Postüberwachung nicht festgestellt 
wurde. Dieses Ergebnis deckt sich auch mit den 
Feststellungen der sogenannten Kleinen Kommis- 
sion, die bereits vom Herrn Kollegen Schmitt- 
Vockenhausen zitiert wurde. Sie ist zu dem Ergeb- 
nis gekommen, daß sich aus den ihr zur Verfügung 
stehenden Unterlagen kein Anhalt für die Annahme 
eines Mißbrauchs derTelefon- und Post Überwachung 
in der innenpolitischen Auseinandersetzung ergeben 
hat. Zum gleichen Ergebnis — daß kein Mißbrauch 
festgestellt worden sei — kam auch der von der 
Bundesregierung mit der Überprüfung des Bundes- 
amtes für Verfassungsschutz beauftragte Oberlan- 
desgerichtspräsident a. D. Dr. Silberstein, wie dies 
ausdrücklich in einer Presseerklärung von ihm be- 
kanntgemacht worden ist. 

Das Allerinteressanteste ist folgendes: Die beiden 
sogenannten Kronzeugen der in der öffentlichen 
Meinung vorhandenen Anklage, die Belastungszeu- 
gen, von denen man die große Sensation und ge- 
radezu die Überführung des Bundesinnenministe- 
riums und des Bundesamtes für Verfassungsschutz 
erwartete, auch der Herr Patsch und der Herr Bethke 
haben keinen Mißbrauch behauptet. Bethke hat so- 
gar erklärt, er kenne keinen Mißbrauchsfall. Meine 
Damen und Herren, das festgestellt zu wissen, 


scheint mir für die deutsche Öffentlichkeit von einer 
ganz wesentlichen Bedeutung zu sein. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit sagen, daß 
von einer verfassungswidrigen Bespitzelung demo- 
kratischer Politiker, Journalisten, Anwälte oder son- 
stiger Bürger überhaupt keine Rede sein kann, 

(Beifall bei der CDU/CSU) 

daß sich in dieser Richtung bei den durchgeJührten 
Untersuchungen nicht die geringsten Anhaltspunkte 
ergeben haben. Selbstverständlich müssen sich im 
Interesse der Staiatssicherheit auch politische Persön- 
lichkeiten ebenso wie sonstige Bürger mit einer 
Überwachung abfiinden, wenn gegen sie hinrei- 
chende Verdachtsmomente wegen verfassungsfeind- 
lichen, hoch- oder landesverräterischen Verhaltens 
bestehen. Ich nenne hier den Fall — nicht um eine 
Partei damit zu belasten, sondern weil er der be- 
kannteste gewesen ist — Frenzel. Man könnte auch 
noch andere Fälle nennen. 

(Abg. Dr. Mommer: Wollen Säe Schmidt- 
Wittmack auch nennen?) 

— Ich habe Sie geradezu aufgefordert, durch 
Zwischenrufe — — 

(Abg. Wehner: Ich sage nur: Schweigen! — 
Weitere Zurufe von der SPD.) 

— Der eine schweigt, der andere macht den Zwi- 
schenruf. 

(Abg. Wehner: Ich sagte bloß: Schweigen!) 

— Das miag jeder Abgeordnete machen, wie er will. 

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die 
Telefon- und Postüberwachung verdächtiger Per- 
sonen führt notwendigerweise dazu, daß auch Un- 
verdächtige, die mit den Verdächtigen in Verbin- 
dung stehen, in die Überwachung einbezogen wer- 
den. Wenn z. B. die Telefongespräche einer Person 
überwacht werden, die in hinreichendem Verdacht 
steht, einem feindlichen Spionagering anzugehören, 
dann ist es unvermeidlich, daß auch die Gespräche 
der bei dem Verdächtigen anrufenden Personen zur 
Kenntnis der überwachungsstelle gelangen. Es gibt 
überhaupt keine andere Möglichkeit, wenn man 
eine Überwachung vornehmen will. 

Der Untersuchungsausschuß hat dies einstimmig 
als eine zwangsläufige Folge bezeichnet und ledig- 
lich Bedenken dagegen angemeldet, daß es beim. 
Bundesamt für Verfassungsschutz keine besonderen 
Vorschriften über die Ausscheidung und Vernich- 
tung des über unverdächtige Personen angelaufenen 
Materials gab. Aber, meine Damen und Herren, da- 
für, daß infolge des Fehlens solcher einschlägiger 
Vorschriften das gegen unverdächtige Personen an- 
gefallene Material in irgendeiner Form mißbräuch- 
lich verwertet wurde, hat sich nicht der geringste 
Anhaltspunkt ergeben, und eine diesbezügliche Be- 
hauptung ist in den ganzen Verhandlungen des 
Untersuchungsausschusses auch niemals von irgend- 
jemandem aufgestellt worden. 

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU.) 



6002 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Süsterhenn 
(Al 

Der Untersudiungsaussdiuß hat an einer Stelle 
gesagt, daß zwar einerseits ein Mißbrauch nicht fest- 
gestellt wurde, andererseits aber auch ein Miß- 
brauch bei der Anregung der Telefon- oder Post- 
überwachung nicht ausgeschlossen werden könne 
und daß die Gefahr mißbräuchlicher Benutzung des 
angefallenen Materials bestanden habe. Meine Da- 
men und Herren, diese Feststellung, die ich als Aus- 
schußmitglied ja auch zu verantworten habe und 
auch zu verantworten gewillt bin, enthält in gewis- 
ser Hinsicht eine Selbstverstänidlichkeit, als nirgendr 
wo und niemals die Gefahr des Mißbrauchis von In- 
stitutionen oder Befugnissen völlig ausgeschlossen 
werden kann. Das ist letzten Endes immer eine 
Frage des Viertrauens, nicht nur bei den Mitgliedern 
und Mitarbeitern des Verfassungsschutzes, sondern 
auch bei jedem Nachtwächter, dem ich einen 
Schlüssel in die Hand drücke, damit er nachts in die 
fremden Büro- oder Fabrikräume hineingehen kann. 
Letzten Endes ist also der Charakter entscheidend. 
Da muß ich aber sagen 

(Lachen bei der SPD.) 

— Ich weiß nicht, was da zu lachen ist. Ich glaube, 
wir sind doch alle der Überzeugung, daß es 'auf den 
Charakter ankommt. Oder wollen Sie dem irgend- 
wie widersprechen, Herr Kollege Hermsdorf? Das 
unterstelle ich Ihnen gar nicht. 

(Zurufe von der SPD.) 

Meine Damen und Herren, hinsichtlich der cha- 
rakterlichen Qualität der als Zeugen vor dem Unter- 
(3) suchungsausschuß vernommenen iführenden Persön- 
lichkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz 
ist nicht nur nichts Negatives festgestellt worden, 
sondern jedenfalls ich habe den Eindruck gewonnen 
— und ich glaube, auch die anderen Mitglieder — , 
daß sie in vollem Bewußtsein ihrer hohen Verant- 
wortung, die sie in einem demokratischen Rechts- 
staat haben, ihre Aufgaben ausgefüihrt haben. Sogar 
der Belastungszeuge Bethke hat gesagt, daß er auch 
ohne Vorhandensein der im einzelnen notwendigen 
Vorschriften aus seinem eigenen Gewissen heraus 
sich richtig und anständig und korrekt verhalten hat. 

Es scheint mir notwendig zu sein, hier über die 
grundsätzliche Einstellung der Leitung des Bundes- 
amtes für Verfassungsschutz noch einen Hinweis zu 
geben, der den Beweis dafür erbringt, daß sich das 
Bundesverfassungsschutzamt genauso von den 
Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit leiten läßt, wie 
wir das als Parlament tun und wie wir es von der 
Exekutive und von der rechtssprechenden Gewalt 
erwarten. In einer Schriftenreihe für den Bundes- 
verfassungsschutz, die zwar speziell für die Anlei- 
tung V-Leute herausgegeben worden ist, die aber 
Gegenstand der gesamten Schulung aller Verfas- 
sungsschützer gewesen ist, heißt es: 

Der absolute Rechtsstaat, den das Bonner 
Grundgesetz verwirklicht, kennt keine justiz- 
freien Hoheitsakte. 

Meine Damen und Herren, das ist eine Erklärung 
des Verfassungsschutzes und nicht etwa des Bun- 
desverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsge- 
richt hätte das nicht rechtsstaatlicher ausdrücken 


können, als es hier vom Verfassungsschutz aus ge- 
schehen ist. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Meine Damen und Herren! Es wird auch eine 
Unterscheidung gemacht zwischen solchen Inter- 
essen, die gemeinsame deutsche und alliierte Inter- 
essen waren, wo also in bestimmten Fällen alliierte 
Interessen mitberührt waren, und solchen Fällen, wo 
es sich ausschließlich um deutsche Interessen gehan- 
delt habe, und bezüglich der letzten vertritt der 
Ausschuß die Auffassung, daß, sofern es sich um 
ausschließlich deutsche Interessen gehandelt habe, 
eine Inanspruchnahme der Uberwachungsmöglich- 
keiten mit Hilfe der Allierten unzulässig gewesen 
sei. Es ist auch gesagt, daß sich Verdachtsmomente 
ergeben haben, daß die Frage der Mitbeteiligung 
alliierter Interessen etwas extensiv ausgelegt und 
nicht immer genügend berücksichtigt worden ist. 
Auch hier aber, meine Damen und Herren, muß man 
von der sachlichen Schwierigkeit ausgehen. Wir sind 
schließlich Mitglieder des Bündnissystems der NATO 
und er WEU, und die deutschen und die alliierten 
Truppen, die auf dem Boden der Bundesrepublik 
stehen, unterstehen einem integrierten Oberkom- 
mando. Jede Störung der verfassungsmäßigen inne- 
ren Ordnung wird sich daher zwangsläufig irgend- 
wie politisch und unter Umständen auch militärisch 
auf dieses Bündnissystem zum mindesten auswirken 
können, so daß die Entscheidung in der Frage der 
Grenzziehung weitgehend eine Angelegenheit des 
Ermessens, wenn nicht sogar der subjektiven Wer- 
tung ist. 

(D) 

Bei einer Würdigung des Ermittlungsergebnisses 
des Untersuchungsausschusses drängt sich einem 
die Feststellung auf, daß der kreißende Berg von 
Vorwürfen, Unterstellungen, Verdächtigungen, Ver- 
drehungen und Falschbehauptungen tatsächlich nur 
ein winziges Mäuslein geboren hat. 

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) 

Aber wenn es um die Wahrung der Grund- und 
Menschenrechte geht, wenn es sich um Eingriffe in 
die Persönlichkeitssphäre des Bürgers handelt, ver- 
dient auch ein Mäuschen ernste Beachtung, selbst 
wenn es sich, wie im vorliegenden Falle, nur um 
ein bürokratisches Mäuslein handeln sollte. 

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.) 

Aus diesem Grunde haben auch meine politischen 
Freunde und ich sich der Forderung des Untersu- 
chungsausschusses angeschlossen, daß die organisa- 
torischen Mängel, soweit sie inzwischen noch nicht 
behoben sind, behoben werden sollen. Die Bundes- 
regierung mag darüber ihre Überlegungen anstel- 
len. Wir sind auch der Meinung, daß es zweckmäßig 
ist — der Herr Bundesinnenminister hat das übri- 
gens schon einmal angeb oten — , daß das Parlament 
in Form eines Beirats wie bei anderen Institutionen 
so auch bei der Institution des Verfassungsschutzes 
mit vertreten ist. 

Ich möchte zum Schluß kommen imd folgendes 
sagen. 

(Zuruf von der SPD: Das Mäuslein! — 
Heiterkeit.) 



6003 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Süsterhenn 

(A) 

' ' — Es war wirklich nur ein Mäuschen, 

(Lachen und Widerspruch bei der SPD) 

und es wird auch Ihnen nicht gelingen, es zu einem 
Elefanten aufzublasen. 

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU 
— Abg. Blachstein: Abhörmäuschen Süster- 
hennl) 

— Sie können mich „Abhörmäuschen Süsterhenn" 
mit genau derselben Berechtigung nennen, wie Herr 
Wehner den Innenminister „Mithörminister" ge- 
nannt hat, der ebenso wenig mitgehört hat, wie ich 
abgehört habe. 

Meine Damen und Herren! Der Verfassungsschutz 
ist immer eine heikle Angelegenheit. Individuelle 
Interessen und die Erfordernisse der öffentlichen 
Sicherheit und des Gemeinwohls, die für den Rechts- 
staat typischen Forderungen des strengen Formen- 
zwanges, des gesetzlich geordneten Verfahrens 
sowie die Notwendigkeit der Flexibilität zur wirk- 
samen Beobachtung und Abwehr staatsfeindlicher 
Kräfte stehen stets in einem unvermeidlichen Span- 
nungsverhältnis. Wir sind alle daran interessiert, 
dieses Spannungsverhältnis in einer möglichst 
rechtsstaatlichen Weise zu lösen. Ich glaube, daß 
den Weg dazu der amerikanische Justizminister 
Bob Kennedy gewiesen hat, wenn er gegenüber dem 
Repräsentantenhaus und dem Senat erklärte: 

Ich vertrete mit Nachdruck den Standpunkt, daß 
jeder Bürger der Vereinigten Staaten ein Recht 
darauf hat, daß niemand seine Telefongespräche 
mithört. 

(B) 

— Einschließlich Liebesgeflüster, Herr Wehner! 

(Heiterkeit.) 

Dieses Recht ist jedoch, wie die meisten per- 
sönlichen Rechte innerhalb der Gesellschaft, 
nicht absolut frei von Einschränkungen. Die 
Gesellschaft hat auch ein Recht, wirksame 
exekutive Mittel einzusetzen, um sich gegen 
Spionage und staatsfeindliche Umtriebe, gegen 
Mord und Entführung sowie gegen das organi- 
sierte Verbrecher- und Schiebertum zu schüt- 
zen. 

Dem habe ich nichts hinzuzufügen. 

(Lebhafter anhaltender Beifall bei der 
CDU/CSU.) 

Präsident D. Dn Gerstenmaier: Das Wort hat 
der Abgeordnete Busse. 

Busse (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- 
ehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Als dieses 
Hohe Haus sich das letzte Mal mit Problemen des 
Verfassungsrechts, des Rechtsstaates befaßte, 
herrschte eine erfreuliche Übereinstimmung, Da- 
mals besprachen wir den Fall Argoud. Quer durch 
die Fraktionen hindurch, ohne Unterschied der Par- 
teien, wurde klargestellt, daß sowohl im Hinblick 
auf die Vergangenheit unseres Volkes wie auch auf 
unsere gegenwärtige Situation, unabhängig von 
parteipolitischer Zugehörigkeit auf nichts dringender 
geachtet werden müsse als darauf, daß die Ver- 


fassung, die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland ge- 
wahrt würden. Wir haben damals aus dieser Grund- 
einstellung Forderungen dem Ausland, unseren 
Freunden, den Franzosen, gegenüber abgeleitet, und 
wir können mit Freude feststellen, daß die Regie- 
rung diesem gemeinsamen Appell dieses Hohen 
Hauses damals gefolgt ist. 

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir würden 
unglaubwürdig werden, wenn wir diese Forderung 
auf strenge Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit nur 
nach außen richteten, wenn wir nicht ebenso strenge 
Maßstabe für unser eigenes Verhalten im Innern 
anlegten. 

Wir haben es daher begrüßt, daß, als die Proble- 
matik um die Abhörpraxis des Verfassungsschutz- 
amtes auftauchte, das Hohe Haus sich entschloß, 
einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der die 
Dinge klären sollte. Es fiel bei den Beratungen des 
Ausschusses einmal das Wort, daß es sich um einen 
Ausschuß der SPD gehandelt habe. Ich bin dem da- 
mals schon entgegengetreten. Zwar ist der Aus- 
schuß von der SPD beantragt worden, beschlossen 
worden ist er vom ganzen Hause. Die Untersuchung 
ist von den Vertretern des ganzen Hauses geführt 
worden, und ich darf als erfreulich feststellen, daß 
die Untersuchung in diesem Ausschuß in dem Sinne 
geführt worden ist, wie wir es einzig für möglich 
gehalten haben. Die einstimmige Feststellung eines 
Sachverhalts, die einstimmige Feststellung gewisser 
Konsequenzen, die sich aus diesem Sachverhalt er- 
gaben, sind doch Anzeichen dafür, daß sie aus einem 
gemeinsamen Geiste heraus erarbeitet worden sind. 

Diese Tatsache scheint mir in zweierlei Hinsicht 
von Bedeutung. Erstens zeigt die Reaktion der 
Öffentlichkeit, daß das bis dahin nicht immer sehr 
hoch angesehene Institut der parlamentarischen 
Untersuchungsausschüsse durch die Arbeit dieses 
Ausschusses doch in ein recht gutes Licht gerückt 
worden ist; die Öffentlichkeit hat positiv auf das 
reagiert, was dieser Ausschuß geleistet hat. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Eine zweite Konsequenz möchte ich aber ebenso 
klar ziehen. Auch das ist klar ad absurdum geführt, 
was — ich will es einmal so sagen — an Quer- 
schüssen gekommen ist; sei es die erste Warnung 
vor Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschus- 
ses, man möge sich ja nicht gegen Strafgesetze ver- 
gehen, sei es die zweite Warnung, daß man doch 
die Geheimhaltungsbestimmungen den Alliierten 
gegenüber beachten müsse. Wir waren damals über- 
rascht, daß diese Dinge zunächst nicht dem Ausschuß 
gegenüber geäußert, sondern in die deutsche Öffent- 
lichkeit gebracht wurden. Erst dann war Gelegen- 
heit gegeben, daß der Ausschuß selber dazu Stel- 
lung nahm. Er hat sich gleichfalls in einmütiger 
Weise dahin ausgesprochen, daß alle diese Angriffe 
unberechtigt seien. Ich glaube, wir sollten das auch 
hier zur Klarstellung der Verhältnisse eindeutig 
aussprechen. 

Leider bin ich nicht in der Lage, von allen, die 
darüber hinaus an der Arbeit des Ausschusses be- 
teiligt waren, gleich Gutes hier zu sagen. Ich könnte 
manches Beispiel anführeii. Ich will mich auf ein 



6004 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Busse 

meines Erachtens recht eklatantes Beispiel beschrän- 
ken, das auch für die weitere Beurteilung des Falles 
von Bedeutung sein dürfte. 

Nachdem zunächst laufend erklärt worden war, es 
lägen nur mündliche Anweisungen über die Behand- 
lung von Telefoninitiativen von deutscher Seite vor, 
stellte sich eines Tages heraus, daß doch ein Proto- 
koll über eine Sitzung vorlag, in der mit den Dezer- 
nenten diese Frage besprochen worden war. Dieses 
Protokoll hatte nicht etwa zum Inhalt, daß, wie und 
unter welchen Umständen man deutsche Initiativen 
ergreifen könnte, sondern es besagte, daß — nach 
vorhergegangenen Erörterungen — Aufträge von 
deutschen Stellen an die Alliierten zum Abhören 
von Telefongesprächen nicht zulässig seien. Die Her- 
ren vom Verfassungsschutzamt erklärten dazu: 
Selbstverständlich sind wir nicht in der Lage, Auf- 
träge zu erteilen; die Alliierten nehmen doch von 
uns keine Aufträge im engeren Sinne des Wortes 
entgegen; wir können sie höchstens bitten, wir kön- 
nen höchstens Initiativen in die Wege leiten. — Ich 
fragte damals, ob denn Anlaß dazu Vorgelegen habe, 
klarzustellen, daß deutsche Stellen keine Aufträge 
in diesem engeren Sinne des Wortes erteilen dürf- 
ten. Man erklärte: nein, ein solcher Anlaß habe nicht 
Vorgelegen. Der Ausschuß ist dann aber in mühe- 
voller Arbeit den Anlässen nachgegangen und hat 
festgestellt — es hat lange gedauert, bis wir diese 
Dinge einigermaßen klar hatten — , daß vorher dar- 
über gesprochen worden war, wo denn die Grenzen 
der verschiedenen Sicherheitsdienste in rechtlicher 
Hinsicht lägen. Das Ergebnis dieser Untersuchungen 
ß)war dann die Besprechung bei den Dezernenten. 
Unter diesem Aspekt gesehen, glaube ich, ist die 
Ausdrucksweise: das Verfassungsschutzamt war 
nicht berechtigt, Aufträge an die Alliierten zu ertei- 
len, eindeutig klar. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Ich kann wohl, ohne einen Fehlschluß zu ziehen, 
daraus folgern, daß mindestens die Problematik, die 
sich ergab, im Verfassungsschutzamt eindeutig er- 
kannt worden war. Denn daß eine Problematik vor- 
liegt, darüber sind wir, glaube ich, alle einig. 

Ich will hier nicht den Streit der Juristen über die 
rechtlichen Möglichkeiten vertiefen; aber ich meine, 
hier doch folgendes ganz klar sagen zu sollen. Art. 10 
des Grundgesetzes und die Vorbehaltsrechte der 
Alliierten stehen in einem gewissen Widerspruch 
zueinander. 

(Sehr richtig! bei der SPD.) 

Eine deutsche Stelle — - und darauf kommt es mir 
an — kann aber nur im Rahmen des Grundgesetzes 
praktizieren. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Wenn das aus tatsächlichen Gründen, aus staat- 
lichen Notwendigkeiten nicht möglich ist, so zeigt 
das Grundgesetz den Weg, der von der Regierung 
gegangen werden muß. 

(Zustimmung bei der SPD.) 

Wir sind zur Zeit in Deutschland in einer relativ 
glücklichen Lage. Unser Parlament verfügt über eine 
Opposition, die manchmal wegen ihres Mangels an 


Opposition getadelt wird. Eines kann man ihr nicht 
nachsagen: daß sie in diesem Parlament eine Ob- 
struktion betreibt. Jeder in diesem Hause — davon 
bin ich zutiefst überzeugt - — ist bereit, der Regie- 
rung, die aus diesem Hause gebildet ist, die Mög- 
lichkeiten zu geben, die notwendig sind, um ver- 
fassungsmäßige Ordnung, Recht und Sicherheit im 
deutschen Volke und in der Bundesrepublik zu ge- 
währleisten. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Wenn das aber die allgemeine Auffassung dieses 
Hauses ist, dann kann jede Regierung mit gutem 
Gewissen vor dieses Haus hintreten und das, was in 
der nächsten Zeit geschehen muß, tun. Sie kann ein 
Gesetz vorlegen, das klar die Befugnisse regelt, die 
die Regierung, die die deutschen Behörden dann 
haben. Und wenn ein solches Gesetz da ist, sind 
alle Zwielichtigkeiten aus der Welt geschafft. Was 
heute möglich ist, war auch seit 1956 möglich. Daß 
es nicht geschehen ist, hat mit dazu beigetragen, 
daß wir in diese zwielichtige Situation hineinge- 
raten sind. 

Ein Weiteres zu den internen Verhältnissen im 
Amte. Da ist gesagt worden — und die Herren vom 
Verfassungsschutzamt haben uns das auch vorge- 
tragen — : Die Besonderheit unseres Amtes ver- 
bietet es, Dienstanweisungen zu erlassen, Vorschrif- 
ten zu machen, wie man nun dies oder jenes machen 
solle. Meine Damen und Herren, heute liegen diese 
Dienstanweisungen, diese Vorschriften vor. Heute 
ist es möglich, und ich frage mich: Warum ist es 
heute erst möglich, diese Dinge zu regeln? pj 

(Abg. Dr. Schäfer: Richtig!) 

Warum hat man es nicht längst so gemacht? 

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.) 

Geht man von diesem Gesichtspunkt aus, so muß 
ich in der Tat sagen, daß bei der Schwierigkeit der 
Frage, die hier zur Entscheidung stand, die leiten- 
den Herren des Verfassungsschutzamtes - — ich will 
mich hier ganz neutral ausdrücken — ^ ihrer Pflicht 
nicht genügend nachgekommen sind. Das mindeste, 
was in einer solchen Situation hätte geschehen müs- 
sen, wäre gewesen, daß man diese Angelegenheit 
mit der für verfassungsrechtliche Fragen zuständi- 
gen Stelle im Innenministerium besprochen hätte. 
Auf Grund meiner kurzen Erfahrungen in diesem 
Hause und mit den Herren des Innenministeriums, 
die diese Stelle betreuen, habe ich den festen Glau- 
ben und die Überzeugung, daß die Dinge dann an- 
ders gelaufen wären, als sie damals tatsächlich ge- 
laufen sind. 

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.) 

Insofern ist es, glaube ich, doch wohl berechtigt, 
daß der Ausschuß vorschlägt, daß diese Dinge sehr 
sorgfältig überprüft werden sollen — • auch dies ist 
ein gemeinsamer Vorschlag des Ausschusses — und 
daß darüber berichtet werden soll, welche Konse- 
quenzen sich aus diesen Tatsachen ergeben. 

Diese Notwendigkeiten ergeben sich aber auch 
aus einem anderen Grunde. Von den zahlreichen 
Fällen, die hier insbesondere von Herrn Kollegen 
Schmitt- Vockenhausen heute erörtert worden sind, 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6005 


Busse 

möchte ich nur noch einmal den aufgreifen, der sich 
hier im Parlament abgespielt hat — ich brauche ihn 
nicht zu wiederholen — , als auf die Frage des Kol- 
legen Schäfer das klare Ja des Herrn Innenmini- 
sters erfolgte. Ich gehe dabei davon aus — es hat 
sich für mich bisher kein Anhaltspunkt für etwas 
anderes ergeben — , daß der Herr Minister diese 
Antwort gutgläubig erteilt hat. Um zu einer ande- 
ren Schlußfolgerung kommen zu können, müßte ich 
erst sehr konkrete Unterlagen haben. Hat er die 
Antwort aber gutgläubig erteilt, so war er mangel- 
haft informiert worden. Bevor eine solche Antwort 
gegeben werden konnte, mußte er sich bei den in 
seinem Ministerium dafür zuständigen Beamten in- 
formieren. Diese konnten ihm erst die Möglichkeit 
zu einer solchen Antwort geben, nachdem sie die 
entsprechenden Rückfragen gestellt hatten. 

(Beifall bei der SPD.) 

Daß das unterblieben ist und daß dadurch hier beim 
Parlament tatsächlich Eindrücke hervorgerufen wor- 
den sind, die mit der Wirklichkeit nicht in Einklang 
stehen, meine Damen und Herren, ich glaube, das 
wird man schlecht billigen können. Und wir meinen 
auch, daß sich daraus Konsequenzen ergeben soll- 
ten, Konsequenzen, die wir nicht heute hier zu 
ziehen haben, sondern über die wir bis zum 1. Ok- 
tober den Bericht des Herrn Innenministers erwar- 
ten. 


(Bl 


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich 
komme zum Schluß meiner Ausführungen, da ich 
nicht die Absicht habe, über das eigentliche Thema 
hinauszugehen, das uns im Untersuchungsausschuß 
gestellt war, und mehr zu sagen, als im Rahmen der 
Erfüllung dieses Auftrages hier heute gesagt wer- 
den muß. Nur eines möchte ich noch mit wenigen 
Worten streifen, da ich eine Klarstellung dieses 
Punktes, wenn er auch in unserem Bericht und in 
den Anträgen des Ausschusses bisher nicht erwähnt 
ist, einfach für notwendig halte. 


Es ist immer wieder die Frage aufgetaucht, ob 
und wieweit das Innenministerium über die tatsäch- 
lich geübte Praxis informiert gewesen ist. Hier sind 
wir, glaube ich, bei der Untersuchung im Ausschuß 
nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen. 
Aus den Unterlagen ergibt sich, daß schon im Jahre 
1956 Fragen aufgeworfen wurden — und zwar von 
dem heutigen Staatssekretär Bargatzky — , die mit 
dem Problem, das uns hier beschäftigt, in engstem Zu- 
sammenhang stehen, Fragen aus dem Ministerium 
heraus an das Verfassungsschutzamt. Wir wissen 
weiter, daß im Innenministerium laufend an der 
Frage eines Ausführungsgesetzes zu Art. 10 des 
Grundgesetzes gearbeitet worden ist, wenn auch 
nicht mit dem nötigen Elan, der erst aufgetreten ist, 
als diese ganzen Untersuchungen liefen. 

Wir wissen endlich, daß der Verbindungsoffizier 
der Engländer dem Präsidenten des Verfassungs- 
schutzamts erklärt hat, er habe, bevor das Formular, 
das für die schriftlichen Anträge später benutzt wor- 
den sei, festgelegt worden sei, diese Angelegenheit 
im Innenministerium besprochen. Derselbe Verbin- 
dungsoffizier hat zwar in einer Unterredung mit 
Herrn Staatssekretär Dr. Schäfer diese Erklärung 


(O 

nicht aufrechterhalten. Er hat sie aber im Gegensatz ^ * 
zu anderen Dingen auch dem Präsidenten des Ver- 
fassungsschutzamts gegenüber nicht widerrufen. 

Was mich unbefriedigt läßt, ist die Unklarheit, die 
hierin wieder mal steckt. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Es ist die Zwielichtigkeit, die sich in allzu vielen • 
Dingen findet. Diese Zwielichtigkeit halten wir mit 
der Klarheit, die das Grundgesetz von uns verlangt 
— nur so können wir es praktizieren, nicht mit 
Zwielichtigkeiten — , für nicht vereinbar. 

Wir haben uns weder heute hier noch im Unter- 
suchungsausschuß mit den Fragen auseinanderzuset- 
zen gehabt, die in der Presse und sonst in der 
Öffentlichkeit lang und breit diskutiert worden sind. 

Die Feststellungen, die wir einstimmig getroffen 
haben, sind in manchem Punkt nicht völlig erschöp- 
fend, wie ich dargelegt habe. Sie zeigen aber ein- 
deutig, daß nicht alles so gewesen ist, wie es hätte 
sein sollen. Daß die Konsequenzen, die der Aus- 
schuß daraus gezogen hat, wiederum einstimmig ge- 
zogen worden sind, zeigt trotz allen Ausführungen, 
die auch heute von diesem Platz gemacht worden 
sind, daß im Grunde genommen jeder anerkennen 
muß, daß diese Konsequenzen einfach gezogen wer- 
den müssen. 

(Beifall bei der FDP und der SPD und bei 
Abgeordneten der CDU/CSU.) 

Die Regierung — ich spreche das nun als Mitglied 
einer Fraktion aus, die die Regierung mit stellt — 
wäre meines Erachtens schlecht beraten, wenn sie 
lediglich sagte: Es war alles gut, aber künftig wol- (D) 
len wir es noch besser machen. Es soll ruhig aner- 
kannt werden, daß nicht alles gut war. Dann haben 
die Presse, die diese Dinge angerührt hat, die Kleine 
Kommission, die sie zunächst aufgegriffen hat, und 
der Untersuchungsausschuß, der dann die Unter- 
suchungen durchgeführt hat, deren Resultat jetzt 
vorliegt, wirklich ihre Aufgabe erfüllt. Denn das 
sind die Gründe gewesen, warum heute jedenfalls 
schon eine wesentlich bessere Organisation — 
Dienstanweisungen, Dienstauf sicht — im Verfas- 
sungsschutzamt vorhanden ist und warum wir auch 
in absehbarer Zeit — wir haben heute unter den 
Drucksachen die Unterlagen gefunden — das Aus- 
führungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes be- 
kommen werden. Diese Resultate sind mir viel we- 
sentlicher als alles andere, was sonst hier heute ge- 
sagt worden ist. Sie. zeigen, daß, wenn Mißstände 
klar angesprochen werden und der gute Wille vor- 
handen ist, sie zu beseitigen, allen Beteiligten das 
entsprechende Lob gespendet werden muß. 

Nun zu Ihrem Antrag, meine Damen und Herren 
von der SPD. Wir haben einstimmig im Ausschuß 
gewisse Anträge formuliert. Ich hoffe, daß sie nach 
den Darlegungen, die heute hier gemacht wurden, 
von der Regierungsseite richtig verstanden werden. 

Es sollten uns bis zum 1. Oktober nicht nur die ma- 
teriellen Unterlagen, die Gesetze und ähnliches hier 
vorliegen, sondern wir wollen auch erfahren, welche 
weiteren Konsequenzen von der Regierung daraus 
gezogen sind. 

(Beifall bei der FDP und bei der SPD.) 



6006 


Deutscher Bundestag • — ■ 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


(A) 

Wir haben keinen Auftrag gehabt — und ich 
lehne es auch ab, heute dazu irgendeine Erklärung 
abzugeben, bevor nicht auch diese Dinge im einzel- 
nen substantiiert untersucht worden sind — , das 
Verhalten des Herrn Ministers zu untersuchen. Das 
steht in keiner Ihrer Fragen, die Sie formuliert 
haben, die von Ihnen ausgingen, und ehe wir da 
nicht in ganz substantiierte Untersuchungen eintre- 
ten können — dazu ist das Parlament heute in die- 
sen Stunden einfach nicht in der Lage — , (Solange 
werden wir diesen weiteren Anträgen, die Sie ge- 
stellt haben, unsere Zustimmung nicht geben, da- 
gegen im übrigen dem Anträge des Ausschusses zu- 
stimmen. 

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der 
CDU/CSU.) 

Präsident D, Dr. Gerstenmaier: Das Wort 
hat der Abgeordnete Dr. Schäfer. 

Dr. Schäfer (SPD): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Ich bin dem Herrn Kollegen Busse sehr 
dankbar, daß er zu der sachlichen Atmosphäre, die 
uns im Untersuchungsausschuß während aller Sit- 
zungen beherrscht hat, wieder zurückgeführt hat. 
Wir dürfen wohl feststellen, daß Herr Kollege 
Schmitt- Vockenhausen durchaus im Rahmen der Ar- 
beit des Untersuchungsausschusses fortfahrend seine 
Darlegungen hier gemacht hat. Herr Kollege S ü - 
sterhenn hat eine neue Methode eingeführt, in- 
dem er einen Artikel, der im „Rheinischen Merkur" 
am 1. Mai veröffentlicht wird — ich habe ihn schon 
(ß) hier liegen: „Es knackt in der Leitung"; Sie kennen 
ja Ihren eigenen Artikel, Herr Kollege Süster- 
henn — , 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Natürlich!) 

mit kleinen Änderungen und Kommentaren hier 
verlesen hat. Es ist dem Herrn Präsidenten sicher 
entgangen; denn es würde der Gepflogenheit des 
Hauses nicht entsprechen, eigene' Zeitungsartikel 
hier vorzulesen und zu kommentieren. 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Ich häbe keine Zei- 
tungsartikel verlesen; ich habe eine freie 
Rede gehalten, gestütet auf Notizen!) 

— Ich habe das streckenweise wörtlich verfolgt 
unter Assistenz einiger Kollegen; man kann das ja 
nachher im Protokoll vergleichen, Herr Kollege. 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Der Artikel ist eben 
mein geistiges Eigentum! — Zuruf von der 
SPD: Das haben wir gemerkt! — Heiterkeit 
bei der SPD.) 

— Das möchte ich Ihnen aller^dings nicht bestreiten, 
daß das Ihr geistiges Eigentum ist. 

(Beifall bei der SPD.) 

Nun, Sie haben iso Atmosphäre machen wollen. 
Das zeugt nicht immer gerade von Überzeugung, 
daß man in der Sache recht hat. Sie haben die 
Panorama-Angelegenheit angeführt. Das gibt mir 
einen willkommenen Anlaß, iden Brief des Präsiden- 
ten dieses Hohen Hauses in das Protokoll des Bun- 
destages zu bringen. Ich darf die ersten zwei Ab- 
sätze verlesen ; 


Der Präsident Bonn, den 10. Oktober 1963 

des Deutschen Bundestages 

An 

Herrn Bundestagsabgeordneten 
Dr. Friedrich Schäfer 
im Hause 

Sehr geehrter Herr Kollege! 

Im Anschluß an die letzte Sitzung des Ältestenr 
rates bestätige ich Ihnen, daß ich mich davon 
überzeugt habe, daß Ihnen seitens des Präsi- 
denten des Deutschen Bundestages kein Vor- 
wurf über Ihr Verhalten in der Panorama- An- 
gelegenheit gemacht werden kann. 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Gestatten Sie eine 
Zwischenfrage?) 

— Ich bin noch nicht -fertig; ich zitiere: 

Es ist zwar erwiesen und von Ihnen in und 
außerhalb der Sitzung des Ältestenrates mehr- 
fach bestätigt worden, daß Sie bei Ihrer Äuße- 
rung gegenüber den Panorama^Mitarbeitern 
eine objektiv falsche Aussage gemacht haben, 

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU) 

aber es ist inzwischen ebenfalls erwiesen, daß 
Sie dabei tatsächlich selber das Opfer eines 
Irrtums waren. 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Darf ich jetzt eine 

Zwischenfrage stellen?) (D) 

Ich darf Ihr Erinnerungsvermögen auffrischen, 
Herr Kollege Süsterhenn, indem ich aus dem Proto- 
koll vom 9. November 1962 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Darf ich eine Frage 
stellen?) 

— ich zitiere; ich kann mich hier von Ihnen nicht 
stören lassen; Sie können nachher fragen — , indem 
ich aus dem Protokoll vom 9. November 1962 zitiere. 

Ich hatte den Herrn Innenminister gefragt. Der Herr 
Innenminister hat in Vertretung des Ministers für 
das Post- und Fernmeldewesen geantwortet. Ich 
habe gefragt: 

Ich frage die Bundesregierung, ob auf Grund 
der durchgeführten Dienstaufsicht Vorsorge da- 
für getroffen ist, daß das Grundrecht des Art. 10 
des Grundgesetzes, wonach das Briefgeheimnis 
sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis un- 
verletzlich sind, in vollem Umfang, soweit die 
deutsche Zuständigkeit dafür gegeben ist, ge- 
wahrt ist. 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Ich kann 
die Frage mit Ja beantworten. 

Dann meldete sich der Herr Bundeskanzler zu Wort 
und führte folgendes aus — Seite 2085, unter C; ich 
will es Ihnen erleichtern, das wiederzufinden — ; 

Dr. Adenauer, Bundeskanzler: Seit einiger Zeit 
wage ich nicht mehr, vertrauliche Sachen — 
geheime Sachen kommen nicht in Frage — 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6007 


Dr. Schäfer 

über meinen Fernsprecher von Rhöndorf nach 
Bonn zu sprechen, 

(Hört! Hört! bei der SPD) 

(Hört Hört! bei der SPD) 

(Heiterkeit) 

weil offenbar ständig andere damit verbunden 
sind. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Ich habe den Herrn Postminister — < — 

(Abg. Wehner: Da sind wir ja Leidens- 
genossen! — Heiterkeit!) 

— Ja eben. 

(Anhaltende Heiterkeit!) 

Ich habe den Herrn Postminister gebeten, doch 
gerade diesen Fall auch genau zu untersuchen. 
Er hat mir gestern hier im Saale erklärt, daß er 
einen besonderen Untersuchungstrupp aus Mün- 
chen kommen lasse, der diese Verhältnisse des 
Mithörens untersuchen werde. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe 
von der SPD.) 

Das gab unserem Kollegen Schmidt (Wuppertal) 
als Vorsitzendem der Interparlamentarischen 
Arbeitsgemeinschaft Anlaß, sich mit Schreiben vom 
14. Januar 1963 an den Herrn Bundeskanzler zu 
wenden, die Frage des Mithörens von Telefonge- 
sprächen anzuschneiden und um Auskunft zu bitten, 
welche Firmen solche Instrumente hersteilen und 
wie der Stand der Technik ist und wie man sich 
_ dagegen schützen soll. Der Bundeskanzler über- 
sandte mit Schreiben vom. 26. Mai 1963 eine Stel 
lungnahme an die Interparlamentarische Arbeits- 
gemeinschaft, über die die Interparlamentarische 
Arbeitsgemeinschaft mit Drucksache 306 am 28. Juni 
1963 berichtete. Herr Kollege Süsterhenn, das ist 
der Vorgang. Ich wundere mich, daß Sie hier Dinge 
vorgetragen haben, die mit dieser unmittelbaren 
Arbeit nichts zu tun haben. 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Darf ich eine Frage 
stellen?) 

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Eine Zwi- 
schenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Süsterhenn! 

Dr. Süsterhenn (CDU/CSU): Herr Kollege, wol- 
len Sie mit der Zitierung dieser Ausführungen etwa 
zum Ausdruck bringen, daß alle diese Dinge auf 
das Wirken des deutschen Verfassungsschutzes 
oder sogar auf das Fehlen irgendwelcher Organisa- 
tionsanordnungen im Verfassungsschutz zurückzu- 
führen seien? 

Dr. Schäfer (SPD): Herr Kollege Süsterhenn, ich 
will damit zum Ausdruck bringen, daß der erste 
Teil Ihrer Ausführungen ungewöhnlich war im Zu- 
sammenhang mit dem, was hier zur Debatte steht. 

(Beifall bei der SPD. — Abg. Schmitt- 
Vockenhausen: Doch mit Absicht! — Wei- 
tere Zurufe von der SPD. — Gegenrufe von 
der CDU/CSU.) 

In diesem Hause besteht Einigkeit darüber — 
und es sollte von niemandem in Zweifel gezogen 


(C) 

werden — , daß Verfassungsschutz notwendig ist, 
Verfassungsschutz zum Schutz unseres Staates, zum 
Schutz der Grundfreiheiten. Ich habe mir die sehr 
beachtliche Arbeit des Privatdozenten Evers „Pri- 
vatsphäre und Ämter für Verfassungsschutz" ein- 
mal vorgenommen. Ich möchte den Herrn Bundes- 
minister bitten, dieses sehr beachtliche Werk bei 
der Weiterschulung und Unterrichtung der Beamten 
des Verfassungsschutzes zum Unterrichtsmaterial zu 
machen. Wenn man das früher getan hätte und 
wenn man das beherzigt hätte, was dort gesagt ist, 
wäre sicher manches von vornherein verhindert 
worden. Ich darf Herrn Evers zitieren. Er sagt in der 
Einleitung: 

Das Grundgesetz gewährleistet Freiheit nur in 
einer bestimmten Herrschaftsform, nämlich der 
freiheitlichen demokratischen Grundordnung. 
Darunter ist, der Begriffsbestimmung des Bun- 
desverfassungsgerichts folgend, eine rechts- 
staatliche Herrschaftsordnung zu verstehen, die 
auf der Grundlage der Selbstbestimmung des 
Volkes, der Freiheit und Gleichheit beruht und 
jegliche Gewalt- und Willkürherrschaft aus- 
schließt. 

Er fährt dann fort, daß mit den im Verfassungs- 
schutz erforderlichen Maßnahmen der Staat gerade 
in den Freiheitsbereich des einzelnen eingreife, der 
durch das Grundgesetz in weiterem Umfang als 
herkömmlich gesichert werden solle. Wir haben uns 
vor einigen Jahren dagegen gewandt, als Versuche 
unternommen wurden, den Verfassungsschutz zum 
Staatssicherheitsdienst — nicht nur dem Namen pj 
nach, sondern auch aus einer falsch verstandenen 
Einstellung — umzuwandeln. Damals haben wir aus- 
geführt — und das gilt für uns heute noch — , daß 
der Verfassungschutz nicht den Staat als solchen 
allein zu schützen hat, sondern daß er zu schützen 
hat alle diejenigen Organisationen, die diesen 
Staat mit Leben füllen: die Parteien, die Kirchen, 
die Gewerkschaften, die Wirtschaftsverbände, all 
die vielen Organisationen, die Verfassungsleben 
darstellen und die in unserem zweigeteilten Vater- 
land der besonderen Aufmerksamkeit empfohlen 
werden müssen. 

In einem Rechtsstaat ist es notwendig, daß gerade 
solche Fragen, die im Schnitt des Interesses des ein- 
zelnen und des Interesses der Gesamtheit stehen, 
geregelt werden und daß diese Grundzüge, diese 
Rechtsbestimmungen gewissenhaft befolgt werden. 
Evers formuliert hierzu: 

Der Verfassungsschutz darf daher nicht die 
wesentlichen Grundzüge eines demokratischen 
Staatssystems aufheben oder verfälschen, und 
er darf sich nicht Mittel totalitärer Herrschafts- 
formen, auch nicht aus der Abwehr heraus, auf- 
drängen lassen. 

Gerade auf das letzte möchte ich besonderen Wert 
legen. 

Vor diesen Feststellungen war die Arbeit des 
Untersuchungsausschusses durchzuführen. Es war 
also zu untersuchen, ob der Verfassungsschutz seine 
Aufgaben, insbesondere in der Zusammenarbeit mit 
den Alliierten, rechtsstaatlich durchführe oder ob 



6008 


Deutscher Bundestaig — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Sdiäfer 

er hier die Bestimmungen vierletze. Es war zu 
prüfen, ob das Bundesministerium des Innern seine 
Aufsichts- und politische Leitungspflicht hier kor- 
rekt wahrgenommen habe oder ob das nicht der 
Fall sei. 

Da es sich um die Zusammenarbeit mit den alliier- 
ten Stellen handelt, kommt außer dem Gesetz vom 
27. September 1950 der General vertrag vom 5. Mai 
1955 in Frage. Wir hatten zunächst, zwischen 1950 
und 1955, den Zustand, daß die Alliierten auf Grund 
des Besatzungsstatuts vom 12. Mai 1949 auch die 
Verantwortung für Grundgesetz und Länderverfas- 
sungen trugen und damit auch die Verantwortung 
für den Verfassungsschutz. Der Generalvertrag hat 
aber gerade in diesem Punkt die entscheidende 
Änderung gebracht, und hier ist der Punkt, bei dem 
wir prüfen müssen, ob Bundesverfassungsschutzamt 
und Bundesinnenministerium ihre politische Aufgabe 
wahrgenommen haben. 

Ich darf auch auf Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandver- 
trages, Art. 4 des Truppenvertrages und — seit 
1. Juli 1963 — Art. 3 des Zusatzabkommens zum 
NATO-Truppenstatut verweisen. Sie finden den 
Wortlaut auf Seite 3 der Drucksache IV/2170. 

Bei der Durchführung der Zusammenarbeit mit 
den Alliierten darf kein deutscher Beamter Hand- 
lungen ausführen, die im Gegensatz zu den Bestim- 
mungen des Grundgesetzes stehen. In Art. 5 Abs. 2 
des Deutschlandvertrages wird darauf Bezug genom- 
men, daß die von den Drei Mächten bisher inne- 
gehabten oder ausgeübten Rechte nur nach Konsul- 
(B) tation und nur dann ausgeübt werden dürfen, wenn 
die Bundesregierung in den Konsultationen zu- 
stimmt. Daraus entstanden für das Ministerium und 
für die Leitung des Bundesamtes für Verfassungs- 
schutz besondere Pflichten. Das Bundesverfassungs- 
gericht hat sich mit dieser Fragestellung wiederholt 
befaßt. Ich darf insbesondere auf die in Band 3, 
Seite 368, und in Band 14, Seite 1, abgedruckten 
Urteile hinweisen. Danach ist folgendes festzuhal- 
ten. 

Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages hätte vom 
Bundesamt für Verfassungsschutz seiner weiteren 
Arbeit nicht zugrunde gelegt werden dürfen, so- 
lange nicht dem Bundesamt mitgeteilt worden war, 
in welchem Umfange Einverständnis im Wege der 
Konsultation über die weitere Ausübung der früher 
von den Alliierten innegehabten Rechte erzielt wor- 
den ist. 

Das Innenministerium hat sich seinerseits nicht 
veranlaßt gesehen, das Bundesamt für Verfassungs- 
schutz darüber zu informieren — eine ernstlich zu 
rügende Unterlassung. Das Bundesamt für Verfas- 
sungsschutz hat seinerseits keinen Anlaß genom- 
men, die Rechtsgrundlage seiner Arbeit zu über- 
prüfen und nach Kenntnisnahme von Art. 5 Abs. 2 
des Deutschlandvertrags beim Innenministerium 
rückzufragen, wie denn nun die Rechtslage sei, ob 
Konsultationen stattgefunden hätten und ob und 
in welchem Umfange die Bundesregierung ihre Zu- 
stimmung zu weiteren Maßnahmen der Alliierten 
gegeben habe. Beide Stellen haben das nicht getan. 
Damit muß man feststellen, daß das Bundesamt für 
Verfassungsschutz, ohne sich um die Verfassungs- 


rechtslage zu kümmern, an die Alliierten, an die (C) 
Verbündeten mit sogenannten Anregungen heran- 
getreten ist und daß das Bundesinnenministerium 
sich zu keinem Zeitpunkt die Mühe gemacht hat, 
nachzuprüfen, inwieweit das Bundesamt für Ver- 
fassungsschutz seine Arbeit rechtmäßig durchführt. 

Entscheidend ist aber noch folgender Gesichts- 
punkt, mit dem sich gerade das Bundesverfassungs- 
gericht noch befaßt hat. Das Bundesverfassungs- 
gericht stellt bei anderer Gelegenheit fest, daß die 
Regierung und alle Stellen die Aufgabe haben, den 
dem Grundgesetz konformen Zustand herzustellen. 
Das heißt: Soweit aus der Zeit vor dem Inkrafttre- 
ten des Grundgesetzes Rechte in Kraft sind, die die 
Bestimmungen des Grundgesetzes einschränken, hat 
die Regierung alles zu tun, um die Ablösung dieser 
Rechte zu erreichen. Sie hat das durch entsprechende 
Gesetzesvorlagen zu tun und sie hat sich ihrerseits 
darum zu bemühen. 

Die Bundesregierung hat sich um eine Notstands- 
gesetzgebung bemüht. Die Notstandsgesetzgebung, 
die 1960 vorgelegt wurde, wurde in diesem Hause 
von allen Fraktionen gemeinsam nicht weiter be- 
handelt. Es muß hier aber gesagt werden, daß die 
Notstandsgesetzgebung • — im Gegensatz zu dem, 
was Herr Innenminister Höcherl wohl infolge eines 
Irrtums auf eine Frage des Abgeordneten Schmitt- 
Vockenhausen antwortete — nicht die Grundlage 
dafür gewesen wäre, die alliierten Rechte bezüglich 
der Telefon- und Postkontrolle abzulösen, weil 
sie davon — das ist unbestritten — unabhängig 
sind. 

Es ist ein — ich möchte sagen — erfreuliches und 
wichtiges Ergebnis der Arbeit des Ausschusses, daß 
dieser Gesetzentwurf heute wenigstens in die Ge- 
setzgebungsarbeit einbezogen worden ist, so daß 
wir damit rechnen können, daß die Frage des Art. 10 
einer befriedigenden Regelung zugeführt wird. Die 
Bundesregierung hat die politische Aufgabe, die — 
ich darf es noch einmal sagen — darin besteht, die 
Bestimmungen des Grundgesetzes — die noch nicht 
voll in Kraft sein können, weil noch alliierte Rechte 
bestehen — in Kraft zu setzen, vollkommen ver- 
nachlässigt. Es besteht doch kein Zweifel daran, daß 
sich die Verhältnisse seit 1955, seit man im General- 
vertrag diese Regelung getroffen hatte, wesentlich 
weiterentwickelt haben und daß es in Verhandlun- 
gen mit den Alliierten auch durchaus erreichbar ge- 
wesen wäre, zu einem Übereinkommen in der Rich- 
tung zu kommen, diese Ablösung durch Vereinba- 
rungen zu erreichen. Diese kritische Feststellung des 
Nichthandelns und der Nichtwahrnehmung der Mög- 
lichkeiten zur vollen Inkraftsetzung des Grundge- 
setzes muß hier getroffen werden. 

Man muß dann aber des weiteren prüfen, inwie- 
weit das Bundesamt für Verfassungsschutz seiner 
Tätigkeit eine Rechtsauslegung zugrunde gelegt hat, 
die wir nicht teilen können. Das Bundesamt für Ver- 
fassungsschutz hat, nachdem die Dinge untersucht 
wurden, den Standpunkt vertreten, daß alle Fragen 
der Spionage, Spionageabwehr und des Linksradi- 
kalismus auch den Schutz und die Sicherheit der 
alliierten Truppen in Deutschland berührten. Das ist 
eine Recht.skonstruktion — ich sage ausdrücklich 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6009 


Dr. Schäfer 

Konstruktion — , die wohl niemand ernsthaft auf- 
rechterhalten kann. Denn die Alliierten haben ja 
selbst gezeigt, daß sie es so nicht verstanden. Sie 
haben es damit gezeigt, daß sie das Material, das 
dort auf Anregung der deutschen Stellen entstanden 
ist, ohne eigene Prüfung und ohne eigene Auswer- 
tung unmittelbar an die deutschen Stellen mit dem 
Anheimstellen weitergeleitet haben, damit zu ver- 
fahren, wie sie es für richtig hielten. Die Alliierten 
haben also damit eine Hilfestellung in den unteren 
Bereichen — nicht in den Bereichen des Politisch- 
Verantwortlichen ■ — gegeben, daß sie als verlän- 
gerter Arm des Bundesamtes für Verfassungsschutz 
gewirkt haben. Evers stellt dazu fest: 

Ein schwerer Verstoß gegen das Recht wäre es, 
wenn deutsche Stellen auf diesem der demokra- 
tischen Kontrolle entzogenen Umwege Grund- 
rechtsbe Stimmungen umgehen würden, um sich 
Nachrichten mit Mitteln zu verschaffen, die 
ihnen nach deutschem Recht ausdrücklich ver- 
sagt sind. 

Der Untersuchungsausschuß kam zu der Feststel- 
lung und mußte dazu kommen, daß sich das Bundes- 
amt für Verfassungsschutz tatsächlich auf diese 
Weise entgegen den Bestimmungen des Art. 10 und 
damit unter Mißachtung des Grundgesetzes Material 
verschafft hat. 

Man muß des weiteren prüfen, wie es möglich 
war, daß eine solche Praxis nahezu sieben Jahre 
lang durchgeführt wurde, ohne daß das Innenmini- 
sterium etwas tat. Aus den Zeugenaussagen ergab 
^ ^ sich, daß man es im Innenministerium nicht für not- 
wendig hielt, eine Kontrolle durchzuführen. Der zu- 
ständige Referent sagte auf die Frage, was denn im 
Wege der Dienst auf sicht überhaupt gemacht worden 
sei: 

Wir haben zunächst dafür gesorgt, daß das Amt 
effektiv arbeitet. Das schien uns das allerwich- 
tigste zu sein, einen erfolgreichen Nachrichten- 
dienst zu haben und sicherzustellen, daß die 
Ergebnisse des Amts so schnell wie möglich an 
die Ministerien und insbesondere an uns heran- 
kommen. 

Und dann sagte er: 

Wir hatten in Präsident Schrübbers einen aus- 
gezeichneten Juristen. Da Herr Schrübbers im- 
mer wieder versicherte, daß er stets darum be- 
müht bleibe und daß bei dem in seiner Verant- 
wortung Liegenden nach rechtsstaatlichen Prin- 
zipien gearbeitet werde, glaubte ich, mich dar- 
auf verlassen zu können, daß das auch ge- 
schehe. 

Eine wirklich interessante Begründung! So übt 
man Fachaufsicht nicht aus, daß man sagt: Der Be- 
treffende, der der Fachaufsicht unterliegt, erklärt ja, 
daß alles in Ordnung ist; also haben wir keinen 
Anlaß zu Überprüfungen. 

Der gleiche Zeuge sagte kurz darauf: 

Die Rechtsauffassung hätten wir uns zweifellos 
durch den Kopf gehen lassen. Aber bei Zwei- 
feln, die Herr Schrübbers darüber gehabt hätte, 


hätten wir das zu einem früheren Zeitpunkt 
getan, als es nun geschehen ist. Wir hätten uns 
dann ein Rechtsgutachten der Verfassungsab- 
teilung besorgt. 

Mit anderen Worten, man hat seit dem Abschluß 
des John-Untersuchungsausschusses — so wurde es 
nahezu auch dargestellt — im Innenministerium 
nichts mehr getan, was mit einer echten Fachaufsicht 
zusammenhängt. Als 1960 der neue Staatssekretär 
kam, bemühte er sich offensichtlich auch nicht sehr 
darum, bei einer ersten Einarbeitung auch diese Fra- 
gen zu prüfen, sondern man hat die Dinge so schlei- 
fen lassen, wie sie waren. 

Der Untersuchungsausschuß muß daher im End- 
ergebnis zu der Feststellung kommen — das ist 
unsere Schlußfolgerung — : die Bundesregierung, 
insbesondere der verantwortliche Bundesinnenmini- 
ster, hat die politische Aufgabe, den Rechtszustand 
des Grundgesetzes herzustellen, nicht erfüllt. Er und 
— dafür ist er verantwortlich — seine Beamten ha- 
ben die ihm obliegende Fachaufsicht nicht ausrei- 
chend durchgeführt. Der Präsident des Bundesamtes 
für Verfassungsschutz hat sich nicht entsprechend 
den Bestimmungen des Generalvertrages um die 
verfassungsrechtliche Begründung bemüht, sondern 
hat aus rein operativen Gründen geglaubt, sich über 
rein rechtliche Bestimmungen hinwegsetzen zu kön- 
nen. Wir halten es für unbedingt erforderlich, daß 
der Bundestag in seiner Gesamtheit nicht nur den 
ersten drei Punkten der Empfehlung des Untersu- 
chungsausschusses, sondern auch den beiden ande- 
ren Punkten zustimmt. 

(Beifall bei der SPD.) 

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Das Wort hat 
der Herr Abgeordnete Dr. Qü'de. 

Dr. h. c. Güde (CDU/CSU): Herr Präsident! Mei- 
ne Damen und Herren! Ich kann den Herrn Kollegen 
Dr. Schäfer beruhigen. Ich habe keinen Aufsatz ge- 
schrieben. Er braucht also nicht fünf Minuten auf 
meine Belehrung zu verschwenden. Nur eines sage 
ich ihm gleich. Er hat gemeint, der Herr Kollege Dr. 
Süsterhenn habe die Atmosphäre verdorben, indem 
er die Mitwirkung des Herrn Kollegen Dr. Schäfer 
an der Panorama-Affäre erwähnt habe. Erstens ist 
unbestreitbar: diese Panorama- Affäre stand mitten 
im ersten Wirbel dieser ganzen Abhörgeschichte. 
Zweitens frage ich: Warum haben Sie sie mit all den 
Zitaten zugedeckt? Es gäbe viel interessantere Dinge 
von Ihrer Seite darauf zu sagen, als Briefe und ich 
weiß nicht was zu zitieren. Aber das nur vorweg 
auf Sie, Herr Kollege Dr. Schäfer. 

Herr Kollege Schmitt- Vockenhausen hat einige 
Vorbemerkungen gemacht. Ich will auch ein paar 
Worte Vorbemerkungen sagen. Er hat zu Recht die 
einmütige Äußerung des Ausschusses zitiert, daß er, 
der Vorsitzende, den Ausschuß korrekt geführt 
habe. In peinlicher Korrektheit! Jawohl, das bestä- 
tige ich ihm. Nur eines muß ich sagen, nicht um ihn 
jetzt anzugreifen, sondern weil das eine gewisse 
Interessantheit auch für dieses Parlament als Parla- 
ment hat. Mich hat unentwegt schockiert, daß der 
Herr Vorsitzende zwar peinlich korrekt den Vorsitz 



6010 


Deutscher Bundestag — 4, Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. h. c. Güde 

geführt hat, atber «daß er dann zu den Schlagzeilen in 
den Pausen zwischen den Ausschußsitzungen sehr 
lebhaft beigetragen hat, 

(Beifall bei der CDU/CSU) 

zu jenen Schlagzeilen, die er vorhin so beklagt hat. 
Ich habe die meisten Schlagzeilen im Zusammenhang 
mit Äußerungen meines sehr geehrten Herrn Aus- 
sdiußvorsitzenden gelesen. — Bitte, Herr Kollege 
Mommer! 

Dn Mommer (SPD): Herr Kollege Güde, wollen 
Sie sagen, daß ein Ausschußvorsitzender aufhören 
soll, ein politischer Mensch zu sein, 

(Lachen bei der GDU/CSU) 

und daß er etwas von seiner Freiheit verliert, wenn 
er den Vorsitz in einem Ausschuß übernimmt? 

Dn h. c* Güde (CDU/CSU) : Nein, Herr Kollege 
Mommer, ich sage es ohne alle Aggressivität. Ich war 
zum erstenmal Mitglied eines Untersuchungsaus- 
schusses in diesem Hause. Mich hat natürlich die 
Frage beschäftigt, die draußen in der Publizistik 
durchweg erörtert wird: Wo liegen die etwaigen 
Unzuträglichkeiten parlamentarischer Untersu- 
chungsausschüsse? Wenn der Herr Kollege Schmitt- 
Vockenhausen Vorsitzender eines Gerichts gewesen 
wäre, wäre er bei der zweiten Sitzung wegen Be- 
fangenheit abgelehnt worden. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. 
Schäfer, Abg. Dr. Mommer: Es ist ja kein 
Gericht! — Abg. Dr. Mommer meldet sich 
zu einer Zwischenfrage.) 

— Nein, Herr Kollege Dr. Mommer, Sie dürfen sich 
die Frage sparen. Das ist kein Gericht. Nur eines 
ist sicher. Wenn die parlamentarischen Untersu- 
chungsausschüsse wirksamer sein sollen, brauchten 
sie einen unparteiischen Vorsitzenden. 

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. 
Wehner: Das ganze Parlament sollte im 
Dienst der Regierung unparteiisch gemacht 
werden, dann hätten Sie, was Sie brauchen! 

Abg. Blachstein: Tiefgekühlt! Eisschrank! 
Weg mit der Politik!) 

— Gar nicht, sondern dann könnte man herzhaft 
unter einem unparteiischen Vorsitzenden streiten. — 

(Abg. Wehner: Sterilisiert werden muß das!) 

Bitte, Herr Dr. Mommer! 

Dr. Mommer (SPD) : Herr Kollege Dr. Güde, was 
haben Sie denn zu einem früheren Vorsitzenden 
eines Untersuchungsausschusses gesagt, der Ihrer 
Fraktion angehörte? 

(Abg. Dr. Schäfer: Und der davon sprach, 
daß Sie kein Eigentor schießen wollen!) 

Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) : Ich sage Ihnen, das 
war meine erste eigene Erfahrung; und ich bin so 
frei. Ihnen meine erste eigene Erfahrung mitzutei- 


len. Da Sie sich aber so wundern, lese ich Ihnen 
ganz geschwind Eschenburg vor, wo es heißt: 

Die parlamentarischen Untersuchungsausschüsse 
in ihrer jetzigen Gestalt haben isich als eine 
Fehlkonstruktion erwiesen. Abgeordnete mit- 
einander rivalisierender Parteien sind nicht ge- 
eignet, die Aufhellung eines Sachverhalts her- 
beizuführen; denn sie sind nicht an der Auf- 
hellung an sich interessiert, sondern nur an 
einem bestimmten Ergebnis der Untersuchung. 
Sie belasten und entlasten je nach Parteiinter- 
esse. 

(Abg. Schwabe: Auch Eschenburg irrt!) 

Präsident D. Dr. Gerstenmaier: Gestatten Sie 
eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. 
Schäfer? — Bitte! 


Dr. Schäfer (SPD): Herr Kollege Dr. Güde, sind 
Sie nicht mit mir der Meinung, daß es diesem Unter- 
suchungsausschuß dank allseitiger korrekter Mit- 
arbeit gelungen ist, Aufklärung zu «schaffen? 

Dr. h.c. Güde (CDU/CSU): Ich habe mir für 
mein Teil vorgenommen, Tatsachen festzustellen, so 
wie ich sehe und nur so, gleichgültig, ob das dem 
Herrn Innenminister oder Ihnen paßt, und ich kon- 
zediere jedem anderen Ausschußmitglied dasselbe. 

Aber da Sie mich schon ansprechen, eine zweite 
allgemeine Bemerkung. Was mich noch bitterer stört: 
Es kam während des ganzen Verfahrens dieses 
Untersuchungsausschusses laufend zu Indiskretionen. 
Sie, Herr Schmitt-Vockenhausen, haben vorhin be- 
dauernd gesagt, daß der Silberstein-Bericht teilweise 
an die Öffentlichkeit gekommen sei. Ja, ich habe 
wörtliche Zitate aus ihm gelesen und kann nur un- 
entwegt sagen: Von mir stammen sie nicht, von 
meinen Freunden stammen sie nicht. 

(Zurufe von der SPD.) 

— Ich sage nur: Von meinen Freunden stammen sie 
so wenig wie von mir; denn sie sind durchweg in 
einem Zusammenhang gebraucht worden, der gegen 
uns gerichtet war. Das nur, weil eine solche Tatsache 
an dem Ansehen des Untersuchungsausschusses und 
des ganzen Parlaments nagen muß. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Wenn wir nicht in der Lage sind, einen Unter- 
suchungsausschuß mit der Diskretion zu führen, die 
dazu gehört, dann nagt das an unserem Ansehen. 

Ich habe schon in der Zeitung gelesen und von 
Herrn Schmitt- Vockenhausen heute auch wieder be- 
stätigt gehört, daß wir ein erfolgreicher Unter- 
suchungsausschuß waren. Ich freue mich natürlich 
dieser Ehre, wenn ich schon in einem Untersuchungs- 
ausschuß bin, in einem erfolgreichen Untersuchungs- 
ausschuß «gewesen zu sein. Ich habe mich natürlich, 
wie ich es zum erstenmal gelesen habe, gefragt: 
Worin besteht denn der Erfolg? 

(Abg. Dr. Frede: Im Ergebnis des Berichts!) 



6011 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. h. c. Güde 
fA) 

* — Sie haben recht. Wissen Sie, ich bin ein alter 
Staatsanwalt, und Staatsanwälte meinen manchmal, 
sie hätten bloß dann ein Ergebnis, wenn sie ihre 
Beschuldigten auch überführen können. Ich habe 
meinen Herren, meinen Staatsanwälten durch lange 
Jahre gepredigt; Eine anständige Einstellung, die 
den Sachverhalt aufklärt, weil sie die Unschuld des 
Angeklagten erweist, ist ein sehr schönes Ergebnis. 

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Schmid.) 

In diesem Sinne akzeptiere ich: ein erfolgreicher 
Untersuchungsausschuß, 

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU) 

der zwar einige Unebenheiten und, wenn Sie wollen 
und wenn Sie mit mir um Worte streiten, auch Miß- 
stände festgestellt hat, der aber die große Wolke 
von Beschuldigungen und Verdächtigungen, die im 
Raum stand, weggeweht hat, insofern durchaus er- 
folgreich, meine Damen und Herren. Der Herr Kol- 
lege Dr. Süsterhenn hat Ihnen vorhin plakatiert, 
was am Anfang dieser Untersuchung im öffentlichen 
Raum Stand. Was ist davon übrig? 

(Abg. Schmitt- Vockenhausen meldet sich zu 
einer Zwischenfrage.) 

— Ja, Herr Schmitt- Vockenhausen, bitte sehr! 

Schmitt-Vockenhausen (SPD) : Herr Kollege 
Güde, leider hat auch der Herr Kollege Süsterhenn 
vorhin eine Wolke in Gang gebracht. Er hat nur 
vergessen, zu zitieren, wo ernsthafte Zeitungen so 
etwas geschrieben haben. Ich frage Sie: Können Sie 
Zitate ernsthafter Zeitungen bringen, die diese be- 
hauptete Wolke dargestellt haben? 

Dr* h. c* Güde (CDU/CSU): Ich muß ja schließlich 
nicht mit Zitaten belegen, was Herr Süsterhenn 
schreibt. 

(Heiterkeit. — Abg. Schmitt- Vockenhausen: 

Gestatten Sie eine weitere Frage?) 

— Bitte sehr. 

Schmitt-Vockenhausen (SPD): Ich frage Sie, 
Herr Kollege Güde: Ist Ihnen nicht vielleicht aufge- 
fallen, daß Herr Kollege Süsterhenn überhaupt 
keine Belege für seine Behauptungen gebracht hat? 

Dr. h.c. Güde (CDU/CSU): Herr Schmitt- Vok- 
kenhausen, ich habe nur wenig Papier mit herauf- 
gebracht und muß jetzt auf gut Glück das nächste 
greifen. Da steht in der „Zeit" ganz dick: „Der Ver- 
fassungsschutz bricht seit Jahren das Postgeheimnis, 
läßt Telefongespräche zahlreicher Bundesbürger ab- 
hören und Briefe öffnen." — „Eklatante Grundrechts- 
verletzung" usw. Nun, hat sich das bewahrheitet, 
was hier in der Überschrift oder im Text steht? Ich 
sage nein. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Im übrigen, Herr Kollege Dr. Mommer, Sie haben 
mich vorhin daran erinnert, daß wir hier im poli- 
tischen Raum stehen. Sie brauchten mich nicht daran 
zu erinnern. Das hätten Sie vorhin Herrn Dr. Schä- 


fer sagen müssen, als er eine Vorlesung über Ver- 
fassungsschutzrecht gehalten hat. Nein, daran brau- 
chen Sie mich nicht zu erinnern. Mir schien die poli- 
tische Grundfrage, das politisch Wesentliche geklärt 
und entschieden zu sein, als die kleine Kommission 
der drei Fraktionen — wenn ich mich nicht täusche, 
am 10. Oktober — festgestellt hat, daß sich aus den 
vorgelegten Unterlagen „kein Anhalt für die An- 
nahme eines Mißbrauchs in der innenpolitischen 
Auseinandersetzung" ergeben hat. Diese prägnante 
Feststellung stand schon am 10. Oktober da, und sie 
ist im Grunde sowohl durch den Silberstein-Bericht 
wie durch das Ergebnis dieses Untersuchungsaus- 
schusses nur bestätigt worden: „kein Anhalt für die 
Annahme eines Mißbrauchs in der innenpolitischen 
Auseinandersetzung I " 

Ich will durchaus anerkennen, daß der Ansatz zu 
dieser Formulierung Ihrem Vertreter in der klei- 
nen Kommission, dem Herrn Kollegen Erler, zu ver- 
danken ist. Ich habe damals schon — und tue es 
rückblickend auch noch in der Erinnerung — den 
nüchternen Realismus und das Veranwortungsbe- 
wußtsein des Kollegen Erler sehr achtungsvoll zur 
Kenntnis genommen. Aber offenbar leben zwei See- 
len in Ihrer Brust, meine Herren von der Opposi- 
tion, wenn auch nicht in derselben Person. Denn 
ich frage mich: Weshalb mußte dann der Unter- 
suchungsausschuß noch in Gang gesetzt werden? 
Herr Schmitt-Vockenhausen hat diese Frage auch 
aufgeworfen, und er hat — ich muß schon sagen, 
naiverweise — auf den wirklichen Anlaß hingewie- 
sen, nämlich auf den oder die Artikel im „Stern". 
Ich erinnere mich, daß mir damals von Ihrer Seite ' 
gesagt wurde, den Untersuchungsausschuß hätten 
wir nicht gebraucht, wenn der Innenminister schnell 
genug dementiert und widerlegt hätte. Ich könnte 
noch sagen, wer mir das gesagt hat. Aber ich habe 
mir im Gegensatz zu anderen Leuten auferlegt, per- 
sönliche Gespräche nicht mit Namensnennung zu 
zitieren. Andere Leute haben andere Sitten. Aber 
Sie haben es ja vorhin mit anderen Worten eben- 
falls gesagt. Dazu muß ich allerdings etwas Grund- 
sätzliches sagen. 

Natürlich haben Sie den Innenminister doch ge- 
radezu von Tag zu Tag zu Erklärungen gehetzt. 

(Zuruf von der SPD: Nicht zu falschen! — 

Abg. Wehner: Der Mann, „kurzgeschlos- 
sen" und „etwas außerhalb der Legalität", 
ist doch wohl nicht zu hetzen!) • 

— Herr Kollege Wehner, einmal sollten Sie sich 
doch wohl etwas Neues einfallen lassen als dieses 
Zitat des Herrn Innenministers. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Das ist ein Salz, das nicht mehr salzt. 

(Abg. Wehner: Gestatten Sie eine Zwi- 
schenfrage?) 

— Bitte sehr! 

Wehner (SPD): Würden Sie es nicht als Akt der 
Versöhnlichkeit auffassen, daß ich nur mit „ollen 



6012 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Wehner 

Kamellen" auf den Herrn Innenminister in diesem 
Falle losgehe und nicht mit neuen? 

(Heiterkeit) 

Dr. h.C. GÜde (CDU/CSU): Herr Kollege Weh- 
ner, wenn Sie neue hätten — so wie ich Sie re- 
spektvoll einschätze, würden Sie die bestimmt nicht 
in der Hosentasche verbergen. 

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU.) 

Der Herr Kollege Dr. Schäfer konzediert sich in 
seiner „Panorama" -Affäre -selbstverständlich, daß 
er sich geirrt haben kann. Einen Minister hält er 
offenbar für ein gottähnliches Wesen, das sich nie 
irren darf. 


funden — sie können verkauft werden. Je grö- 
ßer der Skandal, um so höher der Marktpreis. 
Wenn dazu noch Briefe oder Fotografien die 
Geschichte stützen, um so besser, ob sie nun 
echt oder falsch sind. Sehr oft gestehen die 
Verkäufer, daß sie bei den Mißständen, die sie 
ausbeuten wollen, selbst die Hand im Spiel 
haben. 

Das nur zur allgemeinen Kenntnis aus dem Lord- 
Denning-Bericht, und zwar deswegen, Herr Kollege 
Schmitt- Vockenhausen, weil Sie vorhin unterschieds- 
los alle gelobt haben, die zu dieser Affäre geschrie- 
ben haben, unterschiedslos, ob das ernst und ver- 
antwortungsbewußt oder auf dem Markt, auf dem 
eben beschriebenen Markt, endstanden ist 


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU. 

— Abg. Wehner: Irren will, heißt es! Das 
ist ein Unterschied!) 

Und im übrigen, meine sehr verehrten Damen und 
Herren, ist da eine grundsätzliche Frage: ob wir 
nämlich — und ich sage jetzt: wir alle — einen 
Minister oder überhaupt einen Politiker als in An- 
klagezustand versetzt ansehen wollen, weil er 
irgendwo auf gedrucktem Papier, also in der Presse, 
und ohne jede Unterscheidung, was das für eine 
Presse ist, verdächtigt wird, und ihm die Last der 
Widerlegung und des Entlastungsbeweises aufbür- 
den wollen. Wollen wir das wirklich? Dann ist es 
schlecht um uns alle bestellt. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Ich weiß nicht, wer von Ihnen — ich glaube, es 
(B) war Herr Schmitt- Vockenhausen — - den Lord-Den- 
ning-Bericht so lobend zitiert hat. Ein paar Sätze — 
mit Erlaubnis — aus dem Denning-Bericht in ähn- 
lichem Zusammenhang: 

... Es scheint mir sehr unkorrekt dem Herrn 
Minister gegenüber zu sein-, denn es bedeutet, 
daß er, sobald er das Ziel von Gerüchten ist, die 
Pflicht auferlegt bekommt, seine Unschuld zu 
beweisen. Das wäre für jedermann sehr schwer. 
Es ist schon schlimm genug, jemanden aufzufor- 
dern, einer auf Gerüchten aufgebauten Anklage 
zu entgegnen, d. h. einer Anklage, die keinen 
Ankläger hat, über die man keine Einzelheiten 
kennt, in der sehr oft die Zeugen nur vom 
Hörensagen berichten und auch nicht ins Kreuz- 
verhör genommen werden können. Aber es 
wäre noch schlimmer, wenn der Betreffende 
auch noch beweisen müßte, daß das Gerücht 
falsch ist, wenn über'haupt keine Beweise gegen 
ihn vorliegen. 

Das steht bei Lord Denninig. Ja, ein sehr einleuch- 
tendes Prinzip. 

Und da ich schon im Lord-Denning-Bericht lese, 
noch drei Sätze aus dem Schluß. Da heißt es — 
Sie haben vorhin offenbar nicht zugehört, als Herr 
Schäfer vorgelesen hat, sonst hätten Sie das Herrn 
Schäfer sagen müssen nein, das ist so interes- 

sant, daß Sie ganz bestimmt auch gern zuhören — : 

Skandalgeschichten über prominente Persön- 
lichkeiten sind heute ein Verkaufsartikel ge- 
worden. Wahr oder erlogen, tatsächlich oder er- 


Bitte, Herr Schmitt- Vockenhausen! 


Schmitt-Vockenhausen (SPD): Sie irren sich 
offensichtlich. Ich könnte Ihnen aus meiner Rede 
ausführlich die Stelle zitieren, in der ich dazu Stel- 
lung genommen habe. 

(Zuruf: Frage!) 


Dr. h.C. GÜde (CDU/CSU): Erstens: Es hat mich 
betrübt, daß Sie das Manuskript vorgelesen haben, 
was den Grundsätzen dieses Hohen Hauses wider- 
spricht; und zweitens: dem Sinne nach haben Sie 
ein sehr breites Lob auf alle diejenigen herunter- 
strömen lassen, die diese „segensreiche" Affäre in 
Gang gebracht haben. Das sage ich nicht nur für 
diesen Fall. Man muß unterscheiden, wo, aus wel- 
chen Motiven und zu welchem Zweck geschrieben 
worden ist. Das schöne Wort von Souterrain der 
Öffentlichen Meinung stammt nicht von mir, son- 
dern von dem sehr geehrten Kollegen Dr. Adolf 
Arndt. Er sprach von dem Souterrain der Illustrier- 
ten und Magazine. Nichts gegen sie, aber dagegen, 
daß sie so ernst genommen werden wie eine ernste 
und veranwortungsbewußte Presse. 


(D) 


Bitte ! 


Sänger (SPD): Herr Kollege Dr. Güde, wollen 
Sie denn wirklich diese Skandalgeschichten, die Lord 
Denning zu dieser Aussage veranlaßt haben, in 
einen Vergleich setzen zu der ernsten Besorgnis, die 
in allen Parteien dieses Hauses vorhanden ist 
gegenüber dem, was das Verfassungsschutzamt ge- 
macht hat? 

(Beifall bei der SPD.) 

Dr. h. c. Güde (CDU/CSU) : Ich teile jede ernste 
Besorgnis mit jedem ernst Besorgten in diesem 
Hause. 

(Zuruf von der SPD: Anscheinend nicht!) 

— Doch, sehr geehrter Herr Kollege. Ich wende mich 
nur dagegen, daß Dinge, die auf dem Markt zum 
Marktwert verkauft worden sind, hier ernst genom- 
men werden, als ob sie aus Verantwortungsbewußt- 
sein geschrieben seien. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Wenn Sie mich schon darauf ansprechen: Eber- 
hard Stammler, Mitglied der freiwilligen Sdlbstkon- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6013 


Dr. h. c. Gilde 
fAl 

' trolle der Illustrierten, hat vor anderthalb Jahren 
einmal ein Gespräch wiedergegeben, das er mit 
einem der Matadore der deutschen Illustrierten 
hatte; ich weiß nicht, wer es war. 

(Zuruf von der SPD: Der Kollege Bucerius!) 

— • Es ist mir an sich gleich, ob es Bucerius oder 
sonst jemand ist; ich glaube nicht, daß Stammler 
Bucerius als einen der Matadore der deutschen 
Illustrierten bezeichnet. Der Mann hatte ihm zur 
Antwort gegeben — ich zitiere jetzt aus dem Ge- 
dächtnis, aber wenn es Sie ganz arg interessiert, 
kann ich es auch irgendwo sudien und vorlesen — : 
„Verantwortung? — Ich habe keine Verantwortung 
zu tragen. Ich produziere eine Ware, die der Markt 
verlangt. Meine Aufgabe ist es, die Bedürfnisse zu 
befriedigen mit einer reellen Ware, die ich zu 
erwecken verstanden habe." Das ist der Markt. 

Ich sehe in diesen Affären und in allen anderen 
die Versuchung für die Opposition und für alle, 
die vielleicht halb mit opponieren möchten, groß 
im Aufwind einer solchen Marktbewegung zu 
segeln. 

(Zuruf von der SPD; Hoi! — Abg. Wehner: 

Allerhand!) 

— Natürlich ist es allerhand, Herr Wehner. Ich 
sage es ja deswegen, weil es allerhand ist. Ich sage: 
die Versuchung ist groß, im Aufwind einer solchen 
Marktbewegung zu segeln. Warum ist eine solche 
Ware marktgängig? Weil es attraktiv ist, gegen 
den Staat zu argumentieren. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Abg. Wehner: 

Sehr interessant! Will uns das der Herr 
Staatsanwalt auch noch anhängen?) 

Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine 
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Sänger? — • 
Bitte! 

Sänger (SPD): Herr Kollege Güde, da Sie von der 
Marktgänjgigkeit von Äußerungen sprechen, darf ich 
Sie fragen: Wenn ein amtierender Bundesminister 
sagt, die Beamten des Verfassungsschutzamtes könn- 
ten nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz 
unter dem Arm herumlaufen, finden Sie nicht, daß 
das edne marktgängige Äußerung ist, die die Presse 
geradezu provoziert? 

(Beifall bei der SPD.) 

Dr. h. c. Glide (CDU/CSU): Es ist eine aus der 
bayerischen Sprache, aus dem bayerischen Sprach- 
gebrauch, 

(Lachen bei der SPD) 

leicht zu verstehende saloppe Äußerung, die zweifel- 
los nicht geeignet und nicht bestimmt war, publiziert 
zu werden. 

(Lachen bei der SPD. — Äbg. Wehner: Äch 
so, dann soll er hier § 51 kriegen oder so 
was!) 

— Herr Kollege Wehner, ich würde, doch die Gren- 


zen einhalten, die einzuhalten diesem Hause an- 
steht. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von 
der SPD.) 

— Nein, meine Damen und Herren! Ich bringe den 
Gedanken zu Ende, ob er Sie ärgert oder nicht. 
Natürlich ärgert er Sie. Die Versuchung ist groß, 
wenn eine Hexenjagd gegen einen bestimmten 
Mann, gegen einen Minister von gewissen Trägern 
der öffentlichen Meinung, vom „Souterrain" der 
Illustrierten und Magazine — vom „Souterrain" 
sage ich mit Ädolf Ärndt — entfesselt wird, in ihrem 
Aufwind zu segeln. Ob das Ihnen bekommt, meine 
Damen und Herren von der Opposition, das müssen 
Sie sich angesichts des letzten Sonntags selber über- 
legen. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Lachen und 
Zurufe von der SPD.) 

— Ich habe mich auch redlich gemüht, zum Erfolg 
meiner Partei im Wahlkarnpf Baden-Württemberg 
zu reden. 

(Abg. Wehner: Dabei scheinen Sie ziemlich 
tief unten gewesen zu sein!) 

— Tief unten? 

(Abg. Wehner: Ziemlich tief unten!) 

— Wenn Sie mit „unten" den Süden bezeichnen 
wollen, .ist das wahr: ich bin bis an die Schweizer 
Grenze gekommen. Wenn es „unten" im anderen 
Sinne war, dann lag da unten ganz reichlich di^ 
Frucht (dessen, was Sie an solcher Propaganda aus- 
gesät haben. 

(Beifall bei der CDU/GSU. — Abg. Wehner: 
Können Sie nehmen, wie Sie wollen, Herr 
Staatsanwalt!) 

überlegen Sie es sich bitte selber! Ich sage gar 
nichts weiter. Da Sie ja vermutlich die Wahl vom 
letzten Sonntag sorgfältig analysieren, werden Sie 
sich das auch überlegen. 

Jedenfalls, das Ergebnis dieses Untersuchungs- 
ausschusses sollte man ganz sachlich und loyal zu- 
sammenzufassen versuchen: Es bleibt kein ernst- 
licher Vorwurf gegen den Innenminister. 

(Zuruf von der SPD: Sehr schön!) 

— Ich habe den Ausschußbericht sachlich mitberaten 
und ihm zujgestimmt und sage auf Grund dieses 
Ausschußberichts: Es bleibt kein ernstlicher Vor- 
wurf gegen den Innenminister, gegen diesen Innen- 
minister ganz bestimmt nicht. Alle strukturellen 
Unebenheiten, die sich im Laufe der dreifachen 
Untersuchung — Kleine Kommission, Untersuchungs- 
ausschuß, Silberstein-iBericht — - vorgefunden haben, 
sind auch von dem Minister, von diesem Minister, 
so vorgefunden worden. Er hat sie in keiner Weise 
geschaffen. Er hat gewisse Dinge nicht geändert, 
weil er sie nicht kannte. 

(Zuruf von der SPD: Aha! — Abg. Dr. 
Schäfer: Jetzt meint er -den Schröder!) 

— Ich meine weder noch, sondern ich stelle nur fest, 

weil das psychologisch 

(Abg. Schoettle: Diese Methode sind wir 
seit einer halben Stunde gewöhnt!) 



6014 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. h. c. Güde 

— Welche Methode? 

(Abg. Schoettle: Die Sie gerade anwen- 
den! Madien Sie ruhig weiter!) 

— Ich madie ruhig weiter, Herr Kollege Schoettle. 
Gern mache idi ruhig weiter. Wenn Sie es ärgert, 
kann idi nichts dafür. 

(Abg. Schoettle: Nein, nein! Sie sind sowie- 
so der Berufsreiniger geworden!) 

— Was bin ich geworden? 

(Abg. Schoettle: Der Berufsreiniger!) 

— Wissen Sie, Herr Kollege Schoettle, ich bin unge- 
fähr 20 Jahre meines Lebens Staatsanwalt gewesen. 

(Zurufe von der SPD.) 

Warum gönnen Sie mir nicht auch mal den Genuß, 
gegen die Staatsanwälte zu plädieren, die Sie in 
diesem Fall sein wollen? Sie müssen das doch ver- 
stehen. Sie wollen anklagen, und ich verteidige 
einstweilen. 

(Abg. Wehner: Fauler Witz! — Abg. 
Sdioettle: Wir wollen gar nicht anklagen! 

Wir wollen bloß nicht, daß Sie den Spieß 
' umkehren! Das ist offenbar Ihre Absicht! 

— Beifall bei der SPD.) 

— Nein! 

Meine Damen und Herren, es ist vorhin schon ge- 
sagt worden: In der Frage der allgemeinen Auf- 
sicht — die zweifellos nicht vollkommen war, wie 
jgj sich ja zeigt — 

(Zuruf von der SPD: Kein Wort zur Sache 
bis jetzt!) 

kann sich das Ministerium — nicht bloß dieser Mini- 
ster, sondern das Ministerium — seit Jahren auf den 
Bericht des John- Ausschusses und den Beschluß die- 
ses Parlaments berufen, die nur eine Kontrolle und 
nicht leitende Aufsicht empfohlen haben. 

(Abg. Dr. Schäfer: Aber Kontrolle!) 

— Gewiß. Ich sage auch nicht, daß ich den Zustand 
für sehr glücklich halte, bei dem sich ergeben hat, 
daß etwas, was ich für wohl wichtig gehalten habe, 
nämlich diese Beziehung zu den Alliierten, dem 
Ministerium und dem Minister unbekannt blieb. 
Wenn das einem am wenigsten vorzuwerfen ist, 
dann dem Minister. Wenn man erklären will, warum 
zu Beginn einige widersprüchliche Erklärungen, 
nicht ganz konforme Erklärungen herausgekommen 
sind, dann muß man sich zunächst einmal klar- 
machen, daß dieser Minister da überhaupt erst ins 
Bewußtsein bekam, was da existierte, und das ist 
keineswegs besonders zu begrüßen. Aber Sie kön- 
nen das ja weiter ausschlachten. Mir kommt es dar- 
auf noch nicht einmal so sehr an. 

Worauf es mir ankommt, ist, daß die Behauptung, 
hier sei die Verfassung gebrochen worden, ganz ent- 
schieden beweislos geblieben ist. Nein, sie ist nicht 
wahr. Die Verfassung ist weder subjektiv noch ob- 
jektiv gebrochen worden, meine Damen und Herren. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf des 
Abg. Dr. Schäfer.) 


— Ach was, Herr Kollege Dr. Schäfer. 

(Abg. Dr. Schäfer: Urteile des Bundesver- 
fassungsgerichts interessieren Sie ja nicht!) 

— Nein, weil ich offengestanden gar nicht kapiert 
habe, was Sie mit der Entscheidung aus dem dritten 
Band genau zum Thema Verfassungsbruch des Ver- 
fassungsschutzes sagen wollten. Das habe ich leider 
nicht begriffen. Ich stelle bloß fest: Wenn in dieser 
Materie ein Verfassungsbruch läge, dann hätten 
nicht nur der Bund, das Bundesinnenministerium 
und das Bundesamt für Verfassungsschutz, dann 
hätten auch die Länder und die Landesämter für 
Verfassungsschutz und Ihre Herren samt mir in den 
Beschlüssen der Kleinen Kommission die Verfassung 
gebrochen, selbst wir im Untersuchungsausschuß. 
Denn wir haben doch alle eingesehen — und daran 
soll man nicht mäkeln, das soll man in Gottes Na- 
men im Raum stehen lassen — , daß das Abhör recht 
der Alliierten in einem extrakonstitutionellen Raum 
steht. Es ist begründet außerhalb der Verfassung 
und hat Geltung unabhängig von der Verfassung. 
^Niemand beklagt diesen Zustand mehr als wir und 
ich, niemand beklagt mehr diese Diskrepanz zwi- 
schen zwei Rechtsgrundlagen. In dieser Diskrepanz 
ist diese Praxis des Abhörens entstanden. Ich er- 
innere Sie an sehr einleuchtende Ausführungen des 
Silberstein-Berichts, der sagt: Wenn diese Praxis 
von den Deutschen etwa verweigert worden wäre, 
dann wäre die Folge, daß die Alliierten wie in den 
ersten Jahren sehr viel breitere, eigene Sicherheits- 
behörden halten müßten. 

(Abg. Dr. Schäfer: Ich habe das dort nicht 
gelesen!) 

— Ich zeige es Ihnen nachher, Herr Schäfer. 

(Abg. Dr. Schäfer: Den dürfen Sie doch nicht 
zitieren, der ist doch geheim! — Zuruf des 
Abg. Wehner.) 

— Entschuldigen Sie, ich würde gern zuhören, Herr 
Wehner. Aber da muß ich vorher still sein, damit 
ich Sie verstehen kann. 

(Abg. Wehner: Ich frage, wie Sie den Be- 
richt hier zitieren können gegenüber 
Leuten, die ihn nicht lesen konnten und 
durften!) 

t — Ich habe zu Herrn Schmitt- Vockenhausen gespro- 
chen, der ihn kennt, und habe ein Argument ver- 
wendet, das jedem einleuchten muß: daß hier eine 
Lücke so oder so ausgefüllt werden muß. 

Nein, meine Damen und Herren, es kann auf 
Grund dieser (Untersuchung niemand mit gutem 
Gewissen sagen, hier sei ein Verfassungsbruch 
begangen worden, und trotz aller Unebenheiten 
und teilweiser Mißstände sage ich Ihnen: Das Amt 
im ganzen ist in Ordnung. Das Amt ist ordentlich 
geführt. Wer das Amt seit Jahren kennt — und 
einige von Ihnen müssen es von anderer Seite her 
ebenso gut kennengelernt haben wie ich — , muß 
zugeben, daß das Amt als solches in Ordnung ist. 
Ein Nachrichtendienst läßt sich nicht mit einer ge- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6015 


Dr. h. c. Güde 

wöhnlidien Verwaltungsbehörde vergleichen. Die 
Spione haben, glaube ich, keine Dienstvorschriften, 

(Heiterkeit bei der CDU/CSU) 
und die Spionageabwehr — — 

(Abg. Sänger: Gestatten Sie eine Zwischen- 
frage?) 

Dr. h.c. Güde . (CDU/CSU): Ja, Herr Kollege 
Sänger, wenn es der Herr Präsident erlaubt. 

Sänger (SPD): Herr Kollege Güde, würden denn 
auch Sie den Weg gehen, den Herr Professor 
Süsterhenn vorhin beschriften hat, die Spionage- 
oder Nachrichtendienste mit einem Verfassungs- 
schutzamt auf die gleiche sachliche Stufe zu stellen? 

(Abg. Dr. Süsterhenn: Von gemeinsamen 
Zügen habe ich gesprochen!) 


(B) 


Dr. h.c. Güde (CDU/CSU): Zu den Aufgaben 
dieses Verfassungsschutzamtes gehört in der Tat 
die Spionageabwehr. Es besteht kein Zweifel daran, 
daß in der Abwehr in gewissen Beziehungen eine 
Abhängigkeit von der Art des Angreifens besteht. 
Das liegt in der Natur der Sache. Ich sage noch ein- 
mal: ich glaube nicht, daß die Spione nach Dienst- 
vorschriften handeln. Ich erinnere mich zwar jenes 
Buchtitels von C. S. Lewis: „Dienstanweisung für 
einen Unterteufel", aber ich glaube nicht, daß die 
gegnerischen Nachrichtendienste Dienstanweisungen 
für Unterteufel erfunden haben. In einem gewissen 
Spielraum des Operativen und Taktischen reicht 
man mit Dienstvorschriften nicht bis ins letzte, wo- 
bei ich Ihnen zugebe — auch wenn Sie mich danach 
jetzt gerade fragen wollen; nein. Sie tun es nicht — : 
Registratur, Aktenbehandlung, das gehört also auch 
bei einem Verfassungsschutz so sorgfältig geregelt, 
wie es möglich ist. Da war nicht alles so, wie es 
sein sollte, akzeptiert, was Herr Kollege Busse 
sagte, und wir versuchen, es besser zu machen. 


Der Innenminister war jederzeit, in der Kleinen 
Kommission schon, bereit, alles auf den Tisch des 
Hauses zu legen und jeder vernünftigen Anregung 
nachzugeben. Aber das sind sozusagen bürokra- 
tische Dinge, um die sich der Politiker, auf den 
allein Sie schauen, Herr Kollege Mommer, gar nicht 
so sehr kümmern sollte. Man kann umgekehrt 
sagen: Dieses Amt ist nun dreimal durchleuchtet 
worden, einmal von der Kleinen Kommission, ein- 
mal von Silberstein und einmal vom Untersuchungs- 
ausschuß. Dafür hat es bei Gott gar nicht schlecht 
bestanden. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Das muß man einmal ganz sachlich sehen und hin- 
nehmen. 


Es wäre gut, meine Damen und Herren, wenn wir 
tatsächlich unter diese ganze Affäre nun den Strich 
der Gelassenheit tun würden, der Gelassenheit, wo- 
bei ich durchaus einig bin mit den drei Anträgen, 
die anzunehmen der Ausschuß dem Hause vor- 
schlägt, auch mit dem auf parlamentarische Kon- 
trolle für den ganzen Bereich des Nachrichtendien- 
stes. Das kann lediglich zur Entlastung, zur politi- 


schen Entlastung, wie Figura zeigt, auch des Mini- ^ ^ 
Sters dienen und liegt durchaus im Sinne einer par- 
lamentarischen Demokratie. 

Nein, meine Damen und Herren, seien wir gelas- 
sen und ehrlich. Das, was Sie sicher ehrlich befürch- 
tet haben, was auch mancher von uns befürchtet hat, 
war gar nicht wahr, nämlich daß das im extrakonsti- 
tutionellen Raum entstandene Abhörrecht der Alli- 
ierten von deutschen Dienststellen mißbraucht wor- 
den sei. Es ist nicht mißbraucht worden. Der Verfas- 
sungsbruch, der so plakatiert worden ist, lag nicht 
vor, und damit sollte sich die politische Seite der 
Angelegenheit in der Tat erledigt haben. 

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der 
Abgeordnete Wagner. 

Wagner (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr 
verehrten Damen und Herren! Am 26. März dieses 
Jahres gab die Bundesanwaltschaft die Aushebung 
eines kommunistischen Agentenringes bekannt. Er 
sollte über politische Agitation und über Spionage 
hinaus im Falle eines drohenden Krieges auch durch 
Sabotageakte ein Chaos in der Zivilbevölkerung 
hervorrufen. Zwei Tage zuvor hat der der SPD an- 
gehörende Hamburger Innensenator Schmidt vor 
der Presse berichtet, die verbotene KPD unterhalte 
in 300 Betrieben Betriebsgruppen oder Stützpunkte, 
von denen fast 100 zu Unternehmen gehörten, die 
geheimhaltungsbedürftige Aufträge für die Landes- 
verteidigung ausführen. 

Am 6. März 1964 warnte der niedersächsische 
Innenminister die Öffentlichkeit vor einer verstärk- 
ten Tätigkeit von Ostagenten, die er auf über 10 000 
schätzte. Sie können nun sagen: „Das gehört nicht 
zum Thema dieses Untersuchungsausschusses", und 
Sie haben recht damit, denn seit Wochen sitzen ja 
nicht die Agenten und Spione auf der Anklagebank, 
sondern seit Wochen saßen die Männer des Ver- 
fassungschutzes auf der Anklagebank, die sich eben 
der Abwehr dieser kommunistischen Unterhöhlung 
und Zersetzung verschrieben hatten. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Aber zugehört haben ihnen die Agenten, und ich 
bin der Meinung, ,sie haben dies nicht ohne Freude 
getan. 

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.) 

Ich will mich an dieser Stelle gar nicht sehr breit 
mit dem Sprecher des SPD-Vorstandes beschäftigen, 
der es damals am Beginn dieser Auseinandersetzun- 
gen unerhört fand, daß der deutsche Verfassungs- 
schutz die Allierten auch bei der Bekämpfung links- 
radikaler Elemente eingeschaltet habe, der sich da- 
mals darüber mokierte, daß 400 000 amerikanische 
Soldaten mit Panzern und Atomwaffen sich — wie 
es hieß — vor kommunistischen Flugblattverteilern 
fürchten sollten. Ich .glaube und ich weiß, daß die 
SPD in diesem Punkt in der Zwischenzeit ihre Mei- 
nung gründlich geändert hat. Ich möchte aber die 



6016 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Wagner 

Frage hier wiederholen, ob es notwendig war, dieses 
Schauspiel der deutschen Öffentlichkeit zu zeigen. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Ich sagte soeben „Schauspiel", und ich bleibe da- 
bei. Nicht daß die Mitglieder des Untersuchungsaus- 
schusses sich nicht redlich um eine sachliche Klärung 
der Vorwürfe bemüht hätten; sie haben das nach 
besten Kräften und korrekt getan. Aber eine be- 
stimmte Sensationspresse hat doch immer und immer 
wieder den Versuch gemacht, diesen Untersuchungs- 
ausschuß zur Bühne eines Reißers ^ — so möchte ich es 
einmal nennen — zu erniedrigen. Erinnern Sie sich 
an die Schlagzeilen, die damals erschienen sind mit 
der Vernehmung des Zeugen Patsch: „Jeder Belie- 
bige kann abhören", oder, Herr Kollege Dr. Schäfer, 
erinnern Sie sich an die Schlagzeilen, üie im Zusam- 
menhang mit Ihrer Mitteilung im „Panorama" ent- 
standen isind, hier in diesem Hause habe eine Ab- 
höranlage bestanden. 

(Abg. Dr. Schäfer: Das war keine Mit- 
teilung von mir! — Bitte, drehen Sie nicht 
um! Sie wissen es ganz genau! Sie waren 
im Ältestenrat dabei!) 

— Herr Kollege Schäfer 

(Abg. Dr. Schäfer: Ich bin erstaunt, daß Sie 
nicht korrekt die Wahrheit sagen!) 

— Herr Kollege Schäfer, Sie haben, das weiß ich, 
in einer ganzen Reihe von Versammlungen den 
Brief, den der Herr Bundestagspräsident an Sie ge- 
schrieben hat, zitiert und erwähnt. 

(Abg. Dr. Schäfer: Nein, den habe ich ver- 
öffentlicht!) 

Aber dch bin bis heute nicht darauf gekommen, wie 
Sie eigentlich folgende zwei Fragen beantworten 
wollen: auf Grund welcher Informationen Sie seiner- 
zeit zu dieser Aussage gegenüber „Panorama" 
kamen, 

(Sehr gut! bei der CDU/CSU) 

und vor allem warum Sie die Mitteilung in dieser 
Form Weitergaben und nicht in erster Linie dieses 
Haus oder den Präsidenten dieses Hauses informiert 
haben. 

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine 
Zwischenfrage? — Bitte! 

Dr. Schäfer (SPD): Herr Abgeordneter Wagner, 
halten Sie es für korrekt und mit Ihrem Gewissen 
vereinbar, 

(Zurufe und Lachen bei der CDU/CSU) 

hier Dinge wiederzugeben, die Sie aus der Sitzung 
des Ältestenrates ganz genau wissen? Sie wissen, 
daß ich den stellvertretenden Direktor des Bundes- 
tages darüber informiert habe und wie ich diese 
Information bekommen habe. 

(Erregte Zurufe von der CDU/CSU; Wann?) 

— Das habe ich dem Ältestenrat alles dargelegt, und 
ich habe genauso im Ältestenrat dargelegt, daß ich 


fC) 

nichts weitergegeben habe, sondern gefragt worden ^ ^ 
bin. 

(Lachen bei der CDU/CSU.) 

Wagner (CDU/CSU): Her Kollege Dr. Schäfer, 
ich habe Ihnen keine Vorschrift zu machen, wie Sie 
eine solche Kenntnis oder vermeintliche Kenntnis 
verwerten. Aber ich bin persönlich der Auffassung: 
es wäre zweckmäßiger gewesen, die Stichhaltigkeit 
einer solchen Behauptung hier im Hause unter- 
suchen zu lassen und das Ergebnis abzuwarten, ehe 
eine Mitteilung an die Öffentlichkeit gegeben wurde. 

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU. — Zu- 
rufe von der SPD.) 

Zurück zum Thema. Wo in aller Welt werden denn 
so heikle Themen wie Spionage, umstürzlerische 
Bestrebungen, Spionagebekämpfung iSO wie hier in 
aller Öffentlichkeit behandelt? Als im Oktober 1963, 
zur gleichen Zeit also, da hier in der Bundesrepublik 
die Auseinandersetzung über dieses Thema begann, 
im kanadischen Unterhaus die Frage gestellt wurde, 
ob irgendeine Behörde der Regierung Einrichtungen 
habe, die zum Abhören von Telefongesprächen be- 
nutzt würden, sagte der liberale Minister Pickergill: 

„Es war die Politik dieser Regierung und der frühe- 
ren Regierung, die Beantwortung von Fragen dieser 
Art abzulehnen, da sie dem öffentlichen Interesse 
entgegenstehen. " 

(Zuruf von der SPD.) 

Meine Damen und Herren, die CDU/CSU-Fraktion 
hat aus dem gleichen Grunde vor der Bildung eines (I^) 
Untersuchungsausschusses gewarnt — nicht weil wir 
etwas verschleiern wollten oder weil wir an einer 
Aufklärung nicht interessiert gewesen wären, son- 
dern weil wir der Meinung waren, daß die Vorwürfe 
. ebensogut in der Kleinen Kommission und durch die 
Untersuchung einer unabhängigen Persönlichkeit 
hätten geklärt werden können, ohne daß so viel 
Porzellan zerschlagen worden wäre. 

(Beifall in der Mitte.) 

Das hätte mit weniger Aufwand, mit weniger Spek- 
takel, mit weniger Schaden für den Verfassungs- 
schutz und mit weniger Schaden für die Zusammen- 
arbeit mit unseren Verbündeten geschehen können. 

Darüber hinaus bin ich der Meinung, daß wir 
wahrscheinlich auch eher zu gemeinsamen Über- 
legungen gekommen wären, wie noch bestehende 
Rechtsunklarheiten oder Lücken in unserer Gesetz- 
gebung — ich erinnere beispielsweise an dais Aus- 
führungsgesetz zu Art. 10 des Grundgesetzes — be- 
seitigt werden könnten, wenn die Kleine Kommis- 
sion ihre Arbeit fortgesetzt hätte. In ihr saßen die 
Vorsitzenden der Fraktionen dieses Hauses. 

An dieser Stelle bin ich versucht, vom eigent- 
lichen Thema abzuweichen und zu fragen: Haben 
sich die Untersuchungsausschüsse in der Praxis bis- 
her wirklich bewährt? Ist nicht vielmehr durch zu 
häufige Strapazierung eine im Prinzip gute Einrich- 
tung zum parteipolitischen Kampfinstrument gewor- 
den? 

(Zurufe von der SPD.) 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6017 


Wagner 

(A) Wird nicht bei solchen Untersuchungen dem demo- 
kratischen Gedanken in unserem Volk eigentlich 
geschadet? Ich meine, wir alle sollten uns einmal 
diese Fragen ernsthaft stellen und nach einer Ant- 
wort darauf suchen. Bei dieser Diskussion sollten 
auch diejenigen mitwirk en, die es schon einmal 
miterlebt haben, wie eine Demokratie in Deutsch- 
land Schaden nahm durch den Kampf mit sogenann- 
ten Affairen. 

(Beifall in der Mitte. — Zuruf von der SPD; 

Ermächtigungsgesetz!) 

Ich wiederhole: das positive Ergebnis des Unter- 
suchungsausschusses hätte auch ohne diese Einrich- 
tung erzielt werden können. Dazu noch ein paar 
Bemerkungen. Lange bevor der Bericht des Unter- 
suchungsausschusses vorlag, hatte Bundesinnenmi- 
nister Höcherl für klare Anweisungen im Verfas- 
sungsschutzamt gesorgt. Bevor überhaupt jemand 
die Frage einer verstärkten parlamentarischen Kon- 
trolle aussprach, war er es, der vor der Kleinen 
Kommission genau diese zusätzliche Sicherung vor- 
schlug. Während dieses Hohe Haus noch darüber 
berät, ob und welche personellen Konsequenzen 
aus dem Ergebnis der Untersuchung gezogen wer- 
den sollen, hat der Bundesinnenminister schon ohne 
großes Aufheben gewisse notwendige Veränderun- 
gen vorgenommen oder vorbereitet. Schließlich 
hätte es genausowenig eines Untersuchungsaus- 
schusses bedurft, um ein Gesetz zur Einschränkung 
des Post- und Fernmeldegeheimnisses vorzulegen, 
das in seinem demokratischen Charakter seines- 
gleichen sucht. 

Aber nehmen wir einmal an, der Untersuchungs- 
ausschuß hätte das nun alles durch sein Verfahren 
und durch seine Arbeit beschleunigt. Ist es diese 
Beschleunigung wert, daß so viel Porzellan zer- 
schlagen wurde? Ich meine, es ist mehr Porzellan 
zerschlagen worden, als unserem demokratischen 
Staat guttut. Auch hier wäre ich versucht zu fragen, 
ob es einer Demokratie frommt, wenn man versucht, 
den guten Ruf eines Ministers, wenn schon nicht 
bösartig, so doch zumindest leichtfertig, zu ruinie- 
ren. 

(Abg. Dr. Barzel: Sehr wahr!) 

Ich denke dabei insbesondere beispielsweise an 
einen Chefredakteur, der in einer klaren Verfäl- 
schung der Wahrheit den Bundesinnenminister 
einen Lügner nannte, ihn mit Fouche auf eine Stufe 
stellte, ja sogar das unselige Gespenst Himmlers 
beschwor, um ihn in den Augen seiner Leser abzu- 
werten. 

(Zuruf von der SPD: Warum verklagt er 
ihn nicht? 

Meine Damen und Herren, es war allerdings der 
gleiche Chefredakteur, der diese sogenannte Affäre 
mit eingefädelt hat, der von sich aus einen Unter- 
suchungsausschuß forderte, dann allerdings seine 
Bereitschaft erklärte, auf jede Untersuchung zu ver- 
zichten, wenn der Bundeskanzler den Bundesinnen- 
minister dahin zurückschickte, woher er käme, näm- 
lich in das schöne Brennberg in der Oberpfalz. Diese 
Bemerkung beweist doch, daß es diesem Mann gar 
nicht so sehr um Fragen der Rechtsstaatlichkeit, um 


Fragen der Sauberkeit ging, sondern um die Per- 
son dieses Ministers. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von 
der SPD.) 

Ich glaube nicht, daß unser demokratischer Staat 
schon so fest gefügt ist, daß wir uns in reichem 
Maße einen solchen politischen Stil leisten können, 

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.) 

Ich meine, es wäre auch eindrucksvoll gewesen, 
wenn gewisse Kollegen in diesem Hause, die bei 
anderer Gelegenheit immer wieder die politische 
Fairneß und den guten politischen Stil beschwören, 
auch einmal einen politischen Gegner vor solch 
infamen Beschimpfungen in Schutz genommen hät- 
ten. 

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. — Abg. Dr. 

Schäfer: Herr Wagner, das hat doch der 

Untersuchungsausschuß im Endergebnis 
getan!) 

— Herr Kollege Schäfer, die Debatte hat viel länger 
gedauert, und ich kann mich daran erinnern, daß 
manchmal Organe Ihrer Partei diese Dinge zwar 
nicht völlig übernommen, sie aber doch zitiert 
haben. 

Aber ich meine mit dem „Zerbrechen von Porzel- 
lan" vor allem jenes Porzellan, das im Verfassungs- 
schutz selbst zerschlagen worden ist. Niemand, 
möchte ich sagen, wollte das bewußt in diesem 
Hause; davon bin ich fest überzeugt. Aber die 
Welle, die mit dieser Untersuchung über die deut- P) 
sehe Öffentlichkeit hinwegging, hat, wennschon 
nicht den Verfassungsschutz zerschlagen, so doch 
seine Arbeit auf bestimmte Zeit ernsthaft gelähmt. 

(Widerspruch bei der SPD.) 

Denken Sie einmal an das Bild, das zwar einzelne, 
aber einflußreiche Publikationsorgane von unserem 
Verfassungsschutz gemalt haben. Es war doch das 
Zerrbild des Schnüfflers, des gesetzlosen Gesellen, 
der scheinbar aus persönlicher Neugier, vielleicht 
auch unter Mißbrauch seiner Befugnisse, zum Kampf 
gegen mißliebige politische Gegner mit verwerf- 
lichen Methoden in dte Privatsphäre harmloser Bür- 
ger mit einbrach. Es war zumindest — wie es ein- 
mal ein Kollege im Hause ausdrückte; ich glaube, 
es war Kollege Schmitt- Vockenhausen — ein „frisch- 
fröhlicher Betrieb", der da im Verfassungsschutz ge- 
herrscht haben soll. Oder nehmen Sie nur einmal 
die Kommentare, die zum Ausschußbericht selbst 
gegeben worden sind. Wie viele ziehen aus der For- 
mulierung, daß ein Mißbrauch nicht festgestellt 
wurde, daß ein Mißbrauch aber nicht ausgeschlos- 
sen werden kann, die Folgerung: Also konnte Miß- 
brauch stattfinden und hat Mißbrauch stattgefunden. 

(Abg. Dr. Schäfer: Sie haben doch zuge- 
stimmt!) 

Und wieviel hämische Kommentare sind doch an 
die Feststellung geknüpft worden, Unterlagen im 
Verfassungsschutzamt seien gelegentlich auch ohne 
die übliche Vernichtungs Verhandlung vernichtet 
worden. 



6018 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Wagner 

Da behauptet beispielsweise die Gewerkschafts- 
zeitung „Metall", im Bundesamt für Verfassungs- 
schutz seien nach Einleitung der parlamentarischen 
Untersuchung schnell noch Akten beseitigt worden, 
eine Behauptung, die verständlicherweise von Nach- 
richtenagenturen der Sowjetzone gern übernommen 
wurde. 


Ein Mißbrauch, meine Damen und Herren, ist nie- 
mals ausgeschlossen, bei keiner Behörde, durch 
keine Dienstvorschrift und auch nicht durch streng- 
ste Aufsicht. Aber wer aus der genannten Formu- 
lierung automatisch das Schlimmste ableitet, der 
unterstellt doch, daß unsere Verfassungsschützer — 
ich möchte einmal sagen — halbe Ganoven siiid, und 
nicht Männer, die für eine gute Sache kämpfen, und 
zwar mit großem Eifer. Wie kann man erwarten, 
daß diese Männer mit vollem Herzen diese Auf- 
gabe fortführeii, wenn sie sich groteskerweise plötz- 
lich auf der Anklagebank sehen müssen! 


Meine Damen und Herren, wie soll denn unser 
Verfassungsschutz eigentlich erfolgreich arbeiten 
können, wenn man das Vertrauen zu ihm in der 
deutschen Bevölkerung zerstört! Er ist doch auf die 
Mitarbeit und Mithilfe des Bürgers angewiesen, um 
die Feinde des Staates, die Feinde der Verfassung 
erfolgreich abwehren zu können. Denken Sie einmal 
an die Popularität, an das Ansehen, das beispiels- 
weise FBI in den Vereinigten Staaten oder Secret 
Service in England genießt. 


(B) 


Der einfache Mann verfolgt das Ergebnis solcher 
Untersuchungen nicht in allen Einzelheiten. Bei ihm 
bleibt das Bild haften, das in einer grotesken Ver- 
zerrung über den Verfassungsschutz entworfen 
wurde, 


(Zurufe von der SPD) 


und ich meine, auch mit durch Ihre Schuld, meine 
Kollegen von der Opposition. 


(Abg. Dr. Schäfer: Wer gab den Anlaß?) 

Sicher, der deutsche Bundesbürger muß davor ge- 
schützt werden, daß irgend jemand ohne Not in 
seine Freiheitssphäre eindringt ; auch der Verfas- 
sungsschutz darf es nicht. Dafür müssen Sicherungen 
vorhanden sein. Solche Sicherungen wurden einge- 
baut. Aber die Freiheit des einzelnen ist, glaube ich, 
z. B. doch noch mehr durch jenes kommunistische 
System bedroht, das ich am Anfang skizziert habe, 
das sich den Umsturz in der Bundesrepublik, die 
Vernichtung der Demokratie und damit auch die 
Zerstörung der Grundfreiheiten zum Ziele gesetzt 
hat. Ich meine, ein Staat, der in Überspitzung der 
Freiheitssphäre des einzelnen auf einen Kampf ge- 
gen die eigentlichen Feinde der Freiheit verzichten 
wollte, muß zugrunde gehen. 

Ich glaube, die heutige Debatte wäre umsonst, 
wenn wir nicht auch auf diese Tatsache hinwiesen; 
sie wäre verfehlt, wenn wir nicht an dieser Stelle 
dem deutschen Verfassungsschutz Dank für seine 
aufopferungsvolle Arbeit sagen würden. 


(Beifall bei der CDU/CSU.) 


für einen energischen Kampf gegen ein Heer von 
Agenten und Staatsfeinden, die sich ganz anderer 
Methoden bedienen als derjenigen, die „Super- 


demokraten" bei uns dem Verfassungsschutz zum 
Vorwurf machen. 

Meine Damen und Herren, wir sollten nicht nur 
überlegen, welche Sicherungen eingebaut werden 
müssen, damit der Verfassungsschutz seine Grenzen 
nicht überschreitet. Wir sollten uns im eigenen 
Interesse erst recht den Kopf darüber zerbrechen, 
wie wir diesem Verfassungsschutz helfen können, 
uns und diesen Staat zu schützen. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von 
der SPD.) 

Noch eine abschließende Bemerkung zum Ände- 
rungsantrag der Fraktion der SPD, der zu dem An- 
trag des 2. Untersuchungsausschusses gestellt ist. 
Ich gestehe, ich bin etwas sonderbar davon berührt, 
daß Sie, meine Damen und Herren, diesen Ände- 
rungsantrag hier bei der Aussprache im Plenum vor- 
legen und daß Sie diese Formulierungen nicht be- 
reits anläßlich der Schlußberatung im Untersuchungs- 
ausschuß zum Antrag erhoben haben. Ich kenne Ihre 
Gründe nicht; aber es drängt sich die Vermutung 
auf, daß Sie gar nicht wollten, daß man sich mit 
Ihren Argumenten in allen Einzelheiten auseinan- 
dersetzt. 

Zu der Nr. 4 eine Bemerkung: Haben Sie einmal 
den John-Ausschuß-Bericht damit verglichen? Dort 
ist von diesem Parlament weitgehend ein Hinweis 
gerade auf diese Art der Arbeitsführung gegeben 
worden. 

Zu dem zweiten Punkt, dem Vorwurf gegen den 
Bundesinnenminister, hat mein Kollege Dr. Güde 
bereits ausführlich Stellung genommen. Ich brauche 
dazu nichts mehr weiter zu sagen. Wir haben Ver- 
trauen zu diesem Bundesinnenminister. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Meine Damen und Herren, wir werden den Ände- 
rungsantrag der Fraktion der SPD ablehnen. Die 
CDU/CSU-Fraktion wird dem Antrag des Ausschus- 
ses die Zustimmung geben. 

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeord- 
neten der FDP.) 


Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Kohut. 

(Lachen und Zurufe von der Mitte: Ach, ach!) 


Dr. Kohut (FDP): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Zunächst danke ich Ihnen, möine lieben 
Kollegen von der CDU/CSU, für den Beifall, mit dem 
Sie mich empfangen haben. 

(Heiteiikeit.) 

Ich muß weiter sagen, daß ich nicht im Aufträge 
meiner Fraktion spreche, sondern aus eigenem Ent- 
schluß. 

(Zuruf von der ODU/OSU: Dachte ich mir!) 

Ich kann leider nicht, wie Herr Dr. Güde empfoh- 
len hat, einen Strich der Gelassenheit unter eine 
Affäre ziehen, die mich aufs tiefste erschüttert hat. 

(Rufe: Oho! bei der CDU/GSU.) 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6019 


Dr. Kohut 

Ich bin 1945 politisch tätig geworden, weil ich 
gliahbte, nach idem Zusammenibriudi des Reiches mit- 
helfen zu können, eine Demokratie aufzuhauen, die 
einen Rechtsstaat darstellt, in der die -Fehler der 
Vergangenheit nach Möglichkeit vermieden werden, 
eine Demokratie, in der sich jeder Staatsbürger 
wohlfühlt. 

Wenn ich mich jetzt umschaue, sind wir auf dem 
besten Wege, restaurative iBestrebungen zu ent- 
wickeln. 

(Beifall bei der SPD. — Unruhe bei der 
■CDU/CSU.) 

Ich hörte hier mehrfach das Hohelied des Verfas- 
sungsschutzes. Ich kann nur feststellen, daß erst 
nach Zusammentritt des Untersuchungsausschusses 
die SS-Leute aus dem Verfassungsschutz entfernt 
wurden, die offenbar als bewährte Fachleute die 
ersten Aufgaben zu lösen hatten. Das ist für einen 
Mann mit demokratischem Empfinden, der die 
N-azi'S haßte, tatsächlich die richtige Mannschaft im 
Verfassungsschutz. Das muß mian hören. Sie sind in 
der Mehrzahl an das Oberverwaltungsgericht nach 
Köln gekommen, wo ja im wesentlichen Wiedergut- 
machungssachen betrieben werden. Hoffentlich ist 
man — nachdem man nicht taktvoll genug war und 
sie in den Verfassungsschutz holte — so taktvoll, 
’ sie wenigstens nicht mit Wiedergutmachungssachen 
zu beschäftigen. Das ist das eine, -was ich wenigstens 
von diesem Innenminister zu ei^hofiten wage, wenn 
er noch bleibt. 

(Abg. iSchoettle: Er bleibt!) 

(B) 

Meine Damen und Herren, wie bedeutend diese 
Debatte ist, geht schon damus hervor, daß sich 
wedier der Herr Bundeskanzler noch der Herr Vize- 
kanzler hier sehen lassen. 

(Zuruf von der CDU/CSU: Weil sie nach 
Berlin müssen!) 

Offenbar sind Fragen, die die bürgerlichen Freihei- 
ten betreffen, nicht so interessant wie andere Dinge, 
für die man da ist. 

Ich bin auch der Meinung, nachdem der Unter- 
suchungsausschuß so hervorragend zusa-mmenge- 
arbeitet haben soll, daß die CDU/GSU alles versucht, 
diese Affäre zu vermeidlichen. „Es kreißte ein Berg 
und geboren wurde eine Maus". Ich glaube, das ist 
doch nur der Versuch, etwas, was hier geschehen ist, 
zu bagatellisieren. Es ist einfach nicht zu bagatelli- 
sieren. Denn wenn jetzt die deutschen Stellen zur 
Räson gebracht werden, wenn sie dazu bewogen 
werden, in dem Abhörspiel vorsichtiger zu treten, 
so bleibeh immer noch die Alliierten übrig. Gerade 
diese Tatsache, daß die alliierten Vorbehalte be- 
stehen, beweist uns, daß wir kein souveräner, auto- 
nomer Staat sind. Wir sind das Produkt unserer 
Besatzungsmächte. Wir sind abhängig, und die so- 
genannte Bundesrepublik ist genauso abhängig von 
diesen Besatzungsmächten wie die sogenannte 
Deutsche -Demokratische Republik. 

(Lebhafte Rufe von der CDU/GSU: Pfui! — 

Zurufe von der CDU/CSU: Abtreten! — 

Weitere lebhafte Zurufe von der CDU/GSU.) 


(C) 

— Sie können brüllen, soviel Sie wollen. Ich wollte ' 
Ihnen das nur einmal sagen, damit Sie die Ab- 
hängigkeit smaße erkennen. Hier war der Beweis 
geliefert, und das muß man einmial sagen. 

(Zurufe von der CDU/GSU: Abtretenl — 

Abg. Dr. Stoltenberg: Warum treten Sie 
nicht aus der FDP aus? Was wollen Sie 
denn noch in der FDP, wenn Sie solche 
Reden halten? ■ — Zuruf von der CDU/CSU: 

Der sogenannte Kc^hut schmeckt! — Weitere 
Zurufe von der CDU/CSU.) 

— Ich habe Ihnen nur gesagt, daß die Bundesrepu- 
blik nicht so absolut souverän ist 

(Zuruf von der CDU/GSU: Sogenannte!) 

und daß wir uns nicht 'auf das hohe Pferd setzen 
sollten, wenn wir gewisse Fragen behandeln, die die 
Einheit Deutschlands betreffen, wozu wir laut 
Grundgesetz verpflichtet sind und wozu gerade Ihre 
GDU/CSU nicht das geringste tut. 

(Erneute lebhafte Rufe von der ODU/OSU: 

Pfui!) 

Sie gehen alle über Umwege, lassen Sie sich das 
gesagt sein. Ich werde demnächst die Gelegenheit 
wahrnehmen — heute würde das zu weit gehen — , 
das noch einmal in aller Deutlichkeit nuch von dieser 
Stelle aus Ihnen unter die -Nase zu reiben. 

(Unruhe bei der GDU/CSU.) 

Meine Herren Kollegen, ich habe vorhin bei 
Herrn Süsterhenn den Zwischenruf gemacht: In Eng- 
land würde ein Minister zurücktreten, in dessen pj 
Ressort so etwas passierte, selbst wenn er vollkom- 
men unschuldig an der Sache wäre. Bei uns sind 
offenbar die Ministersessel mit Klebstoff versehen. 

Sie werden nicht zurücktreten, sondern sie werden 
gefeiert, wie mein Vorredner sagte: Volles Ver- 
trauen zu diesem Minister! 

' (Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir auch!) 

Ich würde mich schämen, wenn mir das passierte. 
Und wenn mir hier von dem Vorsitzenden des In- 
nenausschusses des Deutschen Bundestages, ich 
glaube, beinahe ein dutzendmal attestiert würde, 
daß ich zumindest nicht die Wahrheit gesagt habe, 
dann würde ich die Dinge aufklären. Entweder 
würde ich als Minister gehen, oder ich würde meine 
Ministerialbürokratie an die Luft setzen, wenn sie 
mich belogen hat. Aber dies alles mit dem Schleier 
der konfessionslosen Verschwiegenheit zu ver- 
sehen, geht mir über die Hutschnur. Das wollte ich 
Ihnen nur gesagt haben als inoffizieller Redner, 
nicht als Redner meiner Partei, weil ich mich dazu 
verpflichtet fühle. 

(Vereinzelter Beifall bei der SPD. — Zu- 
rufe von der GDU/GSU: Beifall von links! 

— Weitere Zurufe.) 

Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dorn. 

Dorn (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehr- 
ten Damen und Herren! Der Herr Kollege Kohut 



6020 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dorn 

(A) hat von dem Abgeordnetenrecht eines jeden Mit- 
glieds dieses Hauses Gebrauch gemacht 

(Zurufe von der CDU/CSU: Narrenfreiheit!) 

und seine Meinung hier vorgetragen und geäußert. 
Er hat dabei Äußerungen getan, die in ihrem sach- 
lichen Inhalt von der Fraktion der FDP nicht geteilt 
werden können, vor allen Dingen soweit es sich um 
die Frage der staatlichen Anerkennung und der 
staatlichen Ordnung innerhalb der Bundesrepublik 
Deutschland als Staat handelt. 

(Beifall bei den Regierungsparteien.) 

Lassen Sie mich nun zu dem hier anstehenden 
Punkt der Tagesordnung noch einiges sagen. Ich 
hatte zu Beginn der Behandlung dieses Punktes die 
Aufgabe, als Berichterstatter Ihnen etwas vorzutra- 
gen, was die einstimmige Billigung im Ausschuß ge- 
funden hat. Um so erstaunter, meine Damen und 
Herren — das muß ich allerdings in aller Offenheit 
hier vortragen — , bin ich über die diversen Aus- 
legungen unseres Beschlusses und unserer einstim- 
migen Auffassungen im Ausschuß hier im Verlaufe 
der Diskussion geworden. 

Herr Kollege Süsterhenn hat sich so geäußert — 
wenigstens habe ich diesen Eindruck — , als ob man 
das mit einer bagatellisierenden Handbewegung er- 
läutern könnte und man nur zugestimmt hätte, weil 
es sich hier um Fragen des Verfahrens, der büro- 
kratischen Ordnungsliebe handelt. Herr Kollege 
Süsterhenn, so haben wir die Dinge nicht aufgefaßt, 
als wir dem Ausschußbericht unsere Zustimmung 
gaben. 

(Bj (Beifall bei der FDP und bei der SPD.) 

Herr Kollege Wagner hat in seinen Schlußausfüh- 
rungen gesagt: Es bedurfte dieses Untersuchungs- 
ausschusses nicht, und er hat weiter gesagt, es sei 
viel Porzellan zerschlagen worden. Herr Kollege 
Wagner, ich vermag der Schlußfolgerung noch der 
Begründung zu folgen. Auch Herr Kollege Güde hat 
diese Auffassung begründet, daß der Untersuchungs- 
ausschuß eigentlich gar nicht nötig war, weil in der 
Kleinen Kommission doch schon alles geregelt und 
in Ordnung befunden wurde. Meine Damen und 
Herren, nach Vorlage des Untersuchungsberichts, 
nach den Beratungen im Untersuchungsausschuß 
und nach dem, was uns in der Kleinen Kommission 
und vorher im Innenausschuß vom Innenminister, 
von den zuständigen leitenden Herren des Verfas- 
sungsschutzamtes und des Innenministeriums vor- 
getragen worden ist, verhält es sich doch nicht so, 
wie Sie es hier vortragen. Ich werde Ihnen nachher 
noch im einzelnen darlegen müssen — ich bedaure 
sehr, daß das jetzt noch erfolgen muß — , daß die 
Vorlagen für die Kleine Kommission, daß die Vor- 
lagen für die Beratung im Innenausschuß leider in 
Wielen Fällen nicht mit den Ergebnissen des Unter- 
suchungsausschusses übereinstimmen. Deswegen 
war es zwingend notwendig, die Beratungen des 
Untersuchungsausschusses durchzuführen, um Klar- 
heit und Wahrheit wieder an den Tag zu bringen. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Herr Kollege Wagner hat erklärt, es sei ein Vor- 
wurf erhoben worden, als seien die Verfassungs- 


schützer sozusagen halbe Ganoven. Herr Kollege 
Wagner, niemand von uns im Untersuchungsaus- 
schuß — — 

(Abg. Wagner: Das habe ich gesagt! Nie- 
mand in diesem Hause, habe ich gesagt!) 

— Da bin ich eben mit ihnen nicht einer Meinung; 
deswegen komme ich jetzt darauf zu sprechen. — 
Niemand von uns im Untersuchungsausschuß hat 
jemals diese Auffassung vertreten; 

(Sehr wahr! von der CDU/CSU) 

aber daß diese Auffassung aufkommen konnte, Herr 
Kollege Wagner ist in erster Linie die Schuld des 
Herrn Innenministers persönlich, 

(Beifall bei der SPD.) 

der am zweiten Tage der Auseinandersetzung um 
dieses Problem nicht nur die Äußerung „mit dem 
Grundgesetz unter dem Arm“ machte, sondern auch 
wörtlich erklärte: „Es handelt sich hier zum Teil um 
Leute, mit denen man nicht zu Abend essen kann.“ 

(Hört, Hört! und Beifall bei der SPD. — 
Abg. Dr. Stoltenberg: Herr Kollege Dorn, 
gestatten Sie eine Zwischenfrage?) 

— Bitte sehr! 

Dr. Stoltenberg (CDU/CSU) : Halten Sie es wirk- 
lich für fair, obwohl Sie die Umstände kennen, un- 
ter denen dieses Gespräch geführt worden ist, ob- 
wohl Sie wissen, daß es nicht publiziert ist, so 
zu verfahren, nachdem Ihre Fraktion und Ihr Mini- 
ster Bücher sich dagegen verwahrt haben, daß ver- 
trauliche oder telefonische Gespräche mit Journali- 
sten in dieser Form gebraucht werden? 

Dorn (FDP): Herr Kollege Stoltenberg, Sie ver- 
wechseln hier Ursache und Wirkung. 

(Sehr wahr! und Beifall bei der SPD.) 

Es kommt hier darauf an, klarzustellen, was sich 
abgespielt hat; und daß dieser Eindruck draußen 
entstanden ist, ist nun einmal diesem Wort Ihres 
Ministers mit zu verdanken. Ob es beabsichtigt war, 
daß das in die Presse kam, oder nicht, ist eine Frage, 
für deren Beantwortung ich nicht zuständig bin. 
Aber leider ist es nun einmal so in der Presse er- 
schienen. 

Wenn Herr Kollege Güde gesagt hat, der Aus- 
schuß habe die Dunstwolke der Verdächtigungen 
zerrissen, so folge ich ihm. Natürlich ist vieles von 
dem, was an Kombinationen veröffentlicht wurde, 
was an Gesprächen geführt wurde, nunmehr wieder 
auf den realen Grund der Wirklichkeit zurückge- 
führt worden. Dafür, meine ich, sollten wir auch 
dankbar sein. Das ging aber nur durch den Unter- 
suchungsausschuß; denn mit dem Silberstein-Beridit, 
der geheim ist, konnte man das ja nicht erledigen. 

(Sehr gut! bei der SPD.) 

Ich folge Ihnen, Herr Kollege Güde, allerdings 
nicht, wenn Sie sagen, die Versuchung sei groß, im 
Aufwind solcher Marktgängigkeiten zu segeln, und 
ich folge auch Ihrer Zitierung von Herrn Professor 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6021 


Dorn 

Eschenburg nicht. Herr Eschenburg ist eigentlich 
durch das einstimmige Untersuchungsergebnis ad 
absurdum geführt. 

(Sehr gut! bei der SPD.) 

Ich meine, auch das ist eine Bestätigung unserer 
parlamentarischen Aufgabe, die wir, sämtliche Kol- 
legen aller Fraktionen, sehr ernst genommen und 
vorgetragen haben. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, noch 
wenige Worte zu den Ausführungen des Kollegen 
Süsterhenn sagen. Sie haben zu Recht, Herr Kol- 
lege Süsterhenn, die Frage der parlamentarischen 
Kontrolle, ihrer Wirkungsmöglichkeit und die Frage 
der Kontrolle und der Dienstaufsicht des Innenmini- 
steriums angeschnitten. Ich meine aber, die Fragen 
der Kontrolle, die seinerzeit im John- Ausschuß be- 
sprochen worden sind, sind für uns doch gleichzu- 
setzen mit der Dienstaufsicht des Innenministeriums 
gegenüber dem Amt, und ich glaube, auch aus den 
Worten des Kollegen Süsterhenn entnommen zu 
haben, daß ein Ministerium oder die Abteilung eines 
Ministeriums, das die Dienstaufsicht über ein sol- 
ches Amt hat und das nach achtjähriger Dienstauf- 
sicht — ohne Wechsel der Personen — nicht ge- 
merkt hat, was hier los war, und erst aus der Presse 
erfahren hat, welche Dinge sich in dem Amt und den 
Außenstellen abspielten, seine Dienstaufsicht nicht 
so ausgeübt haben kann, wie es notwendig gewesen 
wäre. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Die konspirativen Auseinandersetzungen mit dem 
Gegner und ihre Notwendigkeit werden von uns 
nicht bestritten, Herr Kollege Süsterhenn, aber idi 
würde Sie herzlich bitten, auch einmal das zu lesen, 
was Herr Silberstein über die Konspiration inner- 
halb des Amtes, der Abteilungen und der Personen 
untereinander, geschrieben hat. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun 
etwas dazu sagen, warum dieser Untersuchungsaus- 
schuß doch notwendig war. Ich kann leider nicht dar- 
auf verzichten, jetzt einige Zitate zu bringen. Ich 
beginne mit der 58. Sitzung des Innenausschusses 
vom 26. September des vergangenen Jahres. Der 
Herr Innenminister erklärte dort wörtlich: 

Es kann dokumentarisch nachgewiesen werden, 
daß in jedem Fall der Gesichtspunkt der alliier- 
ten oder derjenige der gemeinsamen Sicherheit 
beachtet worden ist. 

Ich stelle dazu fest, daß das Innenministerium im 
Rahmen der Beweisaufnahme im Untersuchungsaus- 
schuß durch seine Vertreter erklärt hat, daß Doku- 
mente in dem Sinne nicht vorhanden sind, daß die 
Fälle aus dem Gedächtnis der Abteilungsleiter re- 
konstruiert worden sind, und daß auf Seite 4 zu 
Ziffer 2 des Untersuchungsberichtes, der einstimmig 
gefaßt worden ist, diese Ausführungen des Innen- 
ministers eindeutig widerlegt sind. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Der Herr Innenminister hat in derselben Sitzung 
erklärt: 


Der zuständige Abteilungsleiter muß im Falle ^ ^ 
der Inanspruchnahme von Sonderrechten Unter- 
lagen dafür haben, daß alliierte oder gemein- 
same Sicherheitsinteressen berührt werden. 

Die Beweisaufnahme hat ergeben, daß das nicht zu- 
traf. 

(Zuruf von der SPD: Wieder ein „Mäus- 
chen" !) 

In derselben Sitzung erklärte der Innenminister: 

Wenn ein Abteilungsleiter keine Unterlagen 
hat, handelt er nicht rechtmäßig. 

Nun, meine Damen und Herren, wir sind der glei- 
chen Auffassung und hoffen, daß das Innenministe- 
rium daraus die entsprechenden Konsequenzen zie- 
hen wird. 

(Beifall bei der SPD.) 

Wir begrüßen es, daß das Innenministerium in 
einem Falle, bei dem Abteilungsleiter IV, wo es ja 
wohl auch am dringendsten war, die Konsequenzen 
bereits gezogen hat. Ob es allerdings sehr sinnvoll 
ist, daß dieser Abteilungsleiter nun im Ruhestand 
darangeht, für Illustrierte Artikel über seine Arbeit 
im Verfassungsschutz und die Möglichkeiten und 
die Arbeitsmethoden des Verfassungsschutzes zu 
veröffentlichen, ist eine Frage, über die ich mich 
hier nicht weiter äußern möchte. 

(Heiterkeit bei der SPD.) 

Der Herr Innenminister hat weiter wörtlich er- 
klärt: p) 

Was den Personenkreis angeht, über den durch 
Einschränkung des Telefongeheimnisses er- 
langte Nachrichten an deutsche Behörden ge- 
langt sind, so handelt es sich nur um Personen, 
die die Sicherheit der Alliierten bedroht haben, 
und dieser Personenkreis ist einfach abgrenz- 
bar. 

Der Herr Innenminister hat in der nächsten Sitzung 
dann erklärt, daß in 60 Vo aller Fälle eine Entlastung 
der Betroffenen stattgefunden hat. Damit ist also 
das Gegenteil dieser Behauptung erwiesen. 

Er hat dann erklärt: 

Der Artikel in der „Zeit" ist voller Widersprü- 
che und falscher Angaben. Ich habe über den 
Journalisten Dr. Strobel eine ganze Reihe von 
Richtigstellungen veranlaßt. 

Herr Dr. Strobel hat mir erklärt, das stimme nicht, 
und es seien auch keine Berichtigungen erfolgt. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Der Herr Innenminister hat in derselben Sitzung 
zugesichert, daß eine genaue Prüfung stattfinden 
werde, sofern aus einer solchen Formulierung nicht 
abgeleitet werde, daß die Praxis vorher etwas groß- 
zügig und locker gewesen wäre. Die Beweisauf- 
nahme hat ergeben, daß die Voraussetzungen für 
die Einleitung der Überwachung sehr weit ausge- 
legt wurden. — Das steht alles im Bericht drin. 

Lassen Sie mich dann noch zu einigen anderen 
Dingen etwas sagen. Er hat in der 57. Sitzung des 



. 6022 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dorn 

Innenausschusses eine Reihe von Behauptungen 
aufgestellt, insgesamt vier an der Zahl, die eindeu- 
tig nicht mit der Wahrheit in Übereinstimmung sind. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Meine Damen und Herren, da diese Sitzung für den 
Teil, den ich anführen müßte, für geheim erklärt 
worden ist, kann ich mich in der Formulierung jetzt 
dazu nicht äußern-, ich bin aber gern bereit, allen 
Fraktionen dieses Hauses diese Vorgänge schrift- 
lich zu übergeben. 

(Abg. Dr. Stoltenberg: Das ist doch gerade- 
zu der Höhepunkt der Unverschämtheit!) 

— Herr Kollege Stoltenberg, es ist leider so, daß 
das geheim ist, und ich halte mich daran. 

Es ist dann weiter vom Herrn Innenminister am 
11. September in der Kabinettssitzung erklärt wor- 
den: 

In keinem Falle hat der Verfassungsschutz die 
Alliierten um die Telefonüberwachung oder 
Zensur gebeten. 

Herr Kollege Schmitt- Vockenhausen hat schon das 
angeführt, was zwei Tage später im Bulletin ganz 
normal veröffentlicht worden ist. Genau das Gegen- 
teil von dem, was der Herr Innenminister dem Ka- 
binett erzählt hat, trifft zu. 

Ich will nicht die anderen Dinge über die Sendung 
„Report" wiederholen. Ich will auch nichts darüber 
sagen, was in der zweiten Sitzung der Kleinen 
Kommission vom Herrn Innenminister zu diesen 
ßj Dingen vorgetragen worden ist. Der Herr Innen- 
minister, das Innenministerium hat in seiner Stel- 
lungnahme noch eine Reihe von Erklärungen abge- 
geben, die ebenfalls nicht mit den Tatsachen über- 
einstimmen. Er hat u. a. erklärt: Im Bundesamt 
haben die Abteilungsleiter die Meldungen der 
Alliierten entgegengenommen. Auch das trifft nicht 
zu. Er hat darüber hinaus erklärt: Ausgewertetes 
Material ist unter Aufnahme einer Vernichtungsver- 
handlung vernichtet worden. Die Beweisaufnahme 
hat das Gegenteil festgestellt. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Er hat erklärt: Die Zusammenarbeit mit den Alliier- 
ten trug dazu bei, daß in den letzten Jahren zahl- 
reiche rechtsradikale Organisationen verboten wer- 
den konnten. Auch das ist mit „zahlreich" nicht zu 
vergleichen. 

Vizepräsident Dr. Schmid: Herr Abgeordneter, 
gestatten Sie eine Zwischenfrage? 

Dorn (FDP): Bitte sehr! 

Spies (CDU/CSU): Herr Kollege Dorn, ich frage 
Sie, wie Sie bei diesen Behauptungen dem Aus- 
schußbericht zustimmen konnten; das verstehe ich 
nicht. 

Dorn (FDP) : Das habe ich in der Einleitung schon 
erklärt; ich will es aber gern für Sie nachher wie- 
derholen. 

(Lachen bei der SPD.) 


(Q 

Der Herr Innenminister hat weiter erklärt: Nach 
Art. 5 Abs. 2 des Deutschlandvertrages werden die 
Rechte der drei Mächte grundsätzlich nur nach Kon- 
sultationen mit der Bundesregierung ausgeübt. Die 
Beweisaufnahme ergab, daß seit 1958 keine Konsul- 
tationen mehr stattfanden. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Ich habe noch sechs Seiten mit Behauptungen und 
Äußerungen. Ich will mir ersparen, jetzt noch weiter 
auf die Einzelheiten einzugehen. 

(Abg. Dr. Stoltenberg: Es genügt der Vor- 
wurf der Lüge; man braucht es ja nicht zu 
beweisen, weil es geheim ist!) 

— Herr Kollege Stoltenberg, der Vorwurf der Lüge 
ist im sachlichen Zusammenhang von Ihnen hier 
angesprochen. Ich habe zu Beginn meiner Ausfüh- 
rungen erklärt, daß der Herr Innenminister eine 
Vielzahl von Erklärungen abgegeben hat, die mit 
den Tatsachen nicht in Übereinstimmung stehen. 

(Hört! Hört! bei der SPD.) 

Deswegen, Herr Kollege, ist es für uns von entschei- 
dender Bedeutung, daß wir nicht mit der Kleinen 
Kommission aufgehört haben; denn dann hätten wir 
das alles nicht feststellen können, was wir nun- 
mehr einmütig im Untersuchungsausschuß festge- 
stellt haben. Darum ging es uns nämlich, daß hier 
Klarheit geschaffen wird und daß wir uns nicht 
mehr in dem Dschungel der halben Indiskretionen 
und halben Informationen weiter bewegen wollen. 

Das wollte ich an dieser Stelle nur noch sagen. 

(Beifall bei der FDP und der SPD.) 

Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der 
Abgeordnete Gedat. 

Gedat (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Als einer der Abgeordneten aus dem 
süddeutschen Raum, die sich insonderheit mit der 
Panorama-Affäre und dem Wirbel, den Herrn Dr. 
Schäfer dadurch hergerufen hat, 

(Zuruf von der SPD: Ablenkung!) 

auseinandersetzen mußten, fühle ich mich zu einer 
ganz einfachen Feststellung gezwungen. Wenn Herr 
Dr. Schäfer Wert darauf legt, daß ausgerechnet der 
Brief, den der Herr Bundestagspräsident ihm ge- 
schrieben hat, hier im Protokoll festgehalten wird, 
dann lege ich Wert darauf, daß festgehalten wird, 
daß Herr Dr. Schäfer diesen Brief nicht zur Klärung 
der Sache benutzt hat, sondern idaß die Verwirrung 
nur noch größer gemacht wurde. 

(Zuruf von der SPD: Bei Ihnen!) 

Ich glaube es ist nötig, daß das festgehalten und 
auch der Öffentlichkeit gesagt wird. 

(Zustimmung in der Mitte. — Lachen und 
Zurufe von der SPD.) 

Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat der 
Abgeordnete Schmitt- Vockenhausen, 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6023 


Schmitt-Vockenhausen (SPD): Nach diesem 
Ausflug des Kollegen Gedat, der in )der Hoffnung 
gesprochen hat, im nächstjährigen Wahlkampf da- 
mit spazieren gehen zu können, können wir uns 
wieder der Sache zuwenden. 

(Heiterkeit bei der SPD.) 


Der Herr Kollege G ü d e war so liebenswürdig, 
von dem Souterrain der Journalistik zu sprechen. 

(Abg. Dr. h. c. Güde: Ich habe Herrn Arndt 
zitiert!) 

— Sie haben Herrn Arndt zitiert, haben es sich aber 
zu eigen gemacht. 

(Abg. Dr. h. c. Güde: Ganz gern!) 

— Auch das ist bei Ihnen zweifelhaft; es ist bei 
Ihnen ja immer am Schluß alles zweifelhaft. 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) 

Ich darf Ihnen mal eines sagen, Herr Kollege 
Güde: ganz sicher gibt es auch ein Souterrain der 
Politik, 

(Abg. Dr. h. c. Güde: Ja!) 


(B) 


und ganz sicher sind Sie heute in einzelnen Passagen 
Ihrer Rede da reingestiegen. Lassen Sie mich ganz 
klar sagen. Ich bin eigentlich traurig, nach der Art, 
wie Sie im Ausschuß mit uns zusammengearbeitet 
haben, daß Sie hier heute so eine klägliche Absatz- 
bewegung von der deutschen Öffentlichkeit durch- 
geführt haben. 

(Beifall bei der SPD.) 

Das war kein Ruhmesblatt für Sie. 


(Abg. Wehner: Ein Feigenblatt!) 


Meine Damen und Herren, hier ist viel vorge- 
tragen worden, um die Sache zu bagatellisieren. Um 
auf den Bucerius-Bericht zurückzukommen, Herr 
Kollege Güde: Sie wissen genau, wie der Bericht 
zustande gekommen ist, mit welchen Mehrheiten. 
Sie haben doch sicher die Protokolle nachgelesen. 
Ich kann hier nur dem zustimmen, was der Kollege 
Dorn gesagt hat: Das ist kein Freibrief, daß man fast 
zehn Jahre nichts davon gemerkt hat, was eigentlich 
in diesem Amt passiert ist. 


in das sie damals durch die Erklärung des Herrn 
Bundesministers gekommen waren. 

(Beifall bei der SPD.) 

Da kann man doch nicht von einer Hexenjagd reden, 
sondern da muß man sich doch einmal vorstellen, 
wie erregt die deutsche Öffentlichkeit war, wenn sie 
jeden Tag aus ministeriellem Munde eine andere 
Erklärung bekam. 

(Zustimmung bei der SPD. — Zurufe von 
der CDU/CSU.) 

— Ja, meine Damen und Herren, ich kann doch 
nichts dafür, daß Sie alles, was ein Minister sagt, für 
wahr halten. Das müssen Sie doch vor sich selbst 
verantworten. 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) 

Ich kann mich hier nur der Ansicht des Kollegen 
Dorn anschließen. Was heißt hier „Porzellan zer- 
schlagen"? Ich weiß nicht, womit mehr Porzellan zer- 
schlagen wird, mit leichtfertigen Äußerungen der 
Regierung, die in der Sache nicht stimmen, oder mit 
einer sachgemäßen Prüfung, mit der wir hier ge- 
meinsam vor das Parlament und die deutsche 
Öffentlichkeit treten, um das gemeinsam vor ihr zu 
verantworten. 

(Beifall bei der SPD.) 

Herr Kollege Güde, Sie haben gemeint, wir hät- 
ten die Absicht, den Ruf eines Ministers zu ruinie- 
ren. Es gibt Minister, denen gelingt es selbst viel 
besser, ihren Ruf zu ruinieren, als es eine Oppo- 
sition jemals kann. 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD.) (D) 

Ich kann Ihnen auch sagen: wir haben nie ein 
Zerrbild der Sache geben wollen. 

(Zurufe von der CDU/CSU.) 

Im Gegenteil, ich muß Ihnen sagen: Wie kann uns 
daran liegen, hier ein Zerrbild zu geben? Sie wissen 
genau, wieviel uns am Verfassungsschutz liegt. Sie 
wissen ja selbst, in welcher Weise wir gerade auch 
durch die positive Arbeit dieses Ausschusses uns 
bemüht haben, dem Verfassungsschutz, der uns ge- 
nauso wie Ihnen am Herzen liegt, das Vertrauen der 
Bevölkerung zu erhalten bzw. wiederzugeben. 


Ich bin auch überrascht, Herr Kollege, daß Sie von 
Schlagzeilen sprechen, die der Vorsitzende gemacht 
habe. Entschuldigen Sie, die Schlagzeilen hat der 
Minister immer gemacht. Der Vorsitzende hat natür- 
lich geantwortet. Ich bitte dafür um Nachsicht. Glau- 
ben Sie, daß ich ruhig bin, wenn ich angegriffen 
werde? Das kann doch nicht der Fall sein. 

(Abg. Dr. h. c. Güde: Ich .suche gleich etwas 
raus für Sie!) 

— Suchen Sie mir etwas raus! 

Herr Kollege Güde, Sie haben hier dann den Ver- 
such gemacht, so mit der großen Geste von (der Ver- 
suchung der Opposition zu sprechen. Herr Kollege 
Güde, es gibt auch die Pflicht der Opposition, Fragen 
aufzuklären, vor allem dann, wenn sie so im Dunkel 
und im Halbdunkel sind, 

(Abg. Wehner: im Souterrain!) 


Der Herr Kollege Wagner sagt, der Untersu- 
chungsausschuß habe das Verfassungsschutzamt auf 
die Anklagebank gebracht. Entschuldigen Sie, ich bin 
der Meinung, ein parlamentarischer Untersuchungs- 
ausschuß ist keine Anklagebank. Ich hätte Sie mal 
hören mögen: der Herr Kollege Strauß hat doch 
auch nicht auf der Anklagebank gesessen vor dem 
Untersuchungsausschuß. Sonst hätte der Kollege 
Hoogen ihm nie ein so wohlwollendes Attest geben 
können. 

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD. — Abg. 

Strauß: Glauben Sie das alles selber?) 

— Ich halte mich hier an den Kollegen Hoogen, 
Herr Kollege Strauß. 

Der Herr Kollege Wagner sagt hier: Das war 
ein Schauspiel. Meine Damen und Herren, die Ar- 
beiten des Untersuchungsausschusses waren kein 
Schauspiel. Aber ein Schauspiel waren die ministe- 



6024 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Schmitt- Vodtenhausen 

riellen Erklärungen vom 5. September bis zum Ende 
dieser Geschichte. 

(Zuruf von der CDU/CSU: Was daraus 
draußen gemacht wurde!) 

— Ach, meine Damen und Herren, ich will Ihnen 
was sagen: ich habe natürlich Verständnis dafür, 
wenn Sie die Geschichte hier jetzt verniedlichen und 
verharmlosen wollen und gewissermaßen ein Mäus- 
chen daraus machen wollen. Herr Kollege Süster- 
henn, es waren natürlich Mäuse, die hier im Ge- 
bäude der rechtsstaatlichen Ordnung genagt haben. 
Und wir haben sie gefangen! Das ist doch die Haupt- 
sache! Das sollten wir nicht vergessen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Ich muß es Ihnen überlassen, ob und wie Sie 
hier Ihren angeschlagenen Minister verteidigen, 
meine Damen und Herren. Sie haben ja noch mehr 
angeschlagene Minister. Einer ist Blank, und ein 

anderer na, ja, meine Damen und Herren, tun 

Sie, was Sie für recht halten. Wir haben jedenfalls 
unsere Haltung in den Punkten 4 und 5 unseres 
Änderungsantrags zum Ausdruck gebracht, und ich 
darf Sie noch einmal bitten, unseren Antrag anzu- 
nehmen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Dr* Schmid: Weitere Wortmel- 
dungen liegen nicht vor. Da ich annehme, daß Sie 
als letzter sprechen möchten, habe ich das Haus 
gefragt, ob noch jemand sprechen möchte. 

(B)' (Zurufe von der SPD: Dann geht es wieder 

los!) 

Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister 
des Innern. 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Herr Prä- 
sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 
Ich darf eine Bemerkung vorweg machen: ich möchte 
nicht in eine polemische Debatte eintreten. Das 
Thema ist für mich zu bedeutungsvoll, und der An- 
laß berührt uns gemeinsam und ist Gegenstand 
unserer gemeinsamen Sorge. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Es ist gerade im letzten Teil der Debatte sehr viel 
Polemik getrieben worden. Ich werde einige An- 
merkungen tatsächlicher Art machen und überlasse 
es Ihnen, daraus Schlüsse zu ziehen und sich ein 
Urteil zu bilden. 

Ich darf eine zweite Bemerkung machen: ich bin 
außerordentlich dankbar, daß durch alle möglichen 
Beiträge, worunter der von Oberlandesgerichtpräsi- 
dent Silberstein vom Sachlichen und von der Gründ- 
lichkeit her naturgemäß den ersten Rang einnimmt, 
so viele Verbesserungsvorschläge für eine bessere 
Organisation dieses sehr schwierigen Amtes, das in 
allen Ländern der Welt Probleme besonderer Art 
aufwirft, gemacht worden sind. Ein Teil ist uns auch 
selbst eingefallen. Wir haben die Dinge sehr rasch 
verbessert, soweit das in der kurzen Zeit möglich 
war. Wir sind auch heute und morgen dankbar für 
jeden ehrlich gemeinten und sachlichen Beitrag für 
eine Verbesserung der Organisation, der Arbeits- 


(Q 

weise und vor allem der Gesetzmäßigkeit. Das ist 
mein Standpunkt. Dafür gilt Dank jedem, der in 
ehrlicher und anständiger Absicht dazu beigetragen 
hat, diese Dinge zu verbessern und in Ordnung zu 
bringen. 

Es ist nicht das erste Mal, daß der Verfassungs- 
schutz in diesem Hause zur Debatte steht, es ist 
das dritte Mal. Man muß eigentlich die Väter unse- 
rer Verfassung wegen ihres Weitblicks bewundern. 

Sie haben schon in der Verfassung selbst in Art. 87 
Abs. 1 von solchen Einrichtungen gesprochen, Ein- 
richtungen nachrichtendienstlicher Art auf der Ebene 
des Bundes und der Ebene der Länder, die beide 
zu einer gewissen Kooperation gehalten sind. Daß 
damals in einer Zeit, in der noch sehr frische Wun- 
den aus der Vergangenheit in diesem Bereich vor- 
handen waren und Schmerz verursachten, sich die 
Verfassungs Väter und das Hohe Haus trotzdem sehr 
rasch im Gesetz vom 27. September 1950 zur Aus- 
führung dieser Absichten entschlossen haben, ehrt 
die Mitwirkenden von damals. Sie haben sich in 
notwendiger Erkenntnis der unerhörten Gefahren, 
die kein anderes Land in diesem Ausmaß berühren, 
würdig gezeigt und Vorsorge getroffen. 

Ich habe ausdrücklich erwähnt, daß auch die Ver- 
fassungsschutzämter der Länder schon damals zur 
Debatte standen und auch in der Verfassungsbestim- 
mung genannt waren. In der ganzen Aussprache, die 
wir hier führen, ist von den Verfassungsschutzäm- 
tern der Länder sehr wenig die Rede gewesen. 
Sehr viele, die hier aufklärend beigetragen haben 
und auch in der Debatte gesprochen haben, kennen (D) 
aus dem Bereich der Länder — das weiß ich ganz 
genau — sehr viele Einzelheiten über diese gute 
Zusammenarbeit, über gemeinsame Rechtsauffas- 
sungen und die gemeinsame Praxis. Es hätte der 
Wahrheit außerordentlich gedient, wenn das ge- 
meinsam vorgetragen vor den wäre. Man hätte aus 
diesen Quellen wahrscheinlich sehr vieles schöpfen 
können. Man hat auch daraus geschöpft, aber dieses 
Wissen unterdrückt. In Wirklichkeit waren diese 
Dinge anderen mehr bekannt. Sie waren auch den- 
jenigen, die sich in eine anklagende Rolle begeben 
haben, mehr bekannt, als sie mir nach dieser kur- 
zen Tätigkeit bekannt waren und bekannt sein 
konnten. Das Gesetz vom 27. September 1950 zur 
Einrichtung dieser Ämter hat schon eine ganz we- 
sentliche rechtsstaatliche Vorsorge getroffen. Es 
hat nämlich diese Ämter rein auf die Nachrichten- 
sammlung beschränkt und sie ganz entschieden 
von der Verwertung und von der Exekutive abge- 
setzt. Es war das entscheidende rechtsstaatliche Ele- 
ment und die entscheidende rechtsstaatliche Garan- 
tie überhaupt, daß diese beiden großen Aufgaben, 
die in der inkriminierten Vergangenheit jener zwölf 
Jahre zusammengeschlossen waren, getrennt wur- 
den und daß ferner alle politischen Instanzen von 
dieser Einrichtung abgesetzt wurden, die aus diesen 
Erkenntnissen entsprechende Folgerungen zu 
ziehen hatten. 

Innerhalb des Amtes selbst und in seiner ersten 
Organisation gab es ein weiteres Moment der 
Sicherung, indem man Beschaffung und Auswertung 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6025 


Bundesminister Höcherl 

getrennt und sich gegenseitig unter Kontrolle ge- 
halten hat. 

Das sind Elemente, meine Damen und Herren, die 
eine hohe rechtsstaatliche Funktion und eine hohe 
rechtsstaatliche Bedeutung haben. 

Damals mußte man, da wir nicht Herr im eigenen 
Hause waren, sondern die alliierten Sicherheits- 
direktoren die absolute Verfügungsgewalt über 
diesen ganzen Bereich hatten und sie sehr energisch 
und sehr intensiv in Anspruch genommen hatten, 
in einem pragmatischen Verfahren sehen, wie über- 
haupt im Rahmen dieses Amtes eigene Arbeits- 
möglichkeiten geschaffen werden konnten. Das war 
ein sehr schwieriger Prozeß. 

Vor allem aber war etwas entscheidend, was 
auch in den heutigen Zusammenhang hineingehört. 
Alles das, was heute zur Debatte steht, ist nämlich 
in der Presse durch zwei Behauptungen hochge- 
bracht worden. Es wurde einmal behauptet, in die- 
sem Amt sei eine ganz große Zahl von alten Nazis, 
Gestapo- und SD-Angehörigen, und außerdem hät- 
ten diese Leute die Möglichkeit, ohne Rücksicht auf 
alles, allein über den Weg des Augenzwinkerns, 
unter grober Verletzung aller Bestimmungen des 
Art. 10 des Grundgesetzes jeden nur mißliebigen 
Bürger abzuhören. So kräftig, so stark waren einmal 
die Behauptungen, die das ganze Verfahren aus- 
gelöst haben. 

Nun darf ich Sie doch auf folgendes aufmerksam 
machen. Die erste Vorsorge über die organisatori- 
(B) sehen Bestimmungen hinaus, die man in der Richtung 
der Rechtsstaatlichkeit treffen konnte, lag im perso- 
nellen Bereich. An die Spitze des Amtes wurde da- 
mals, wie Sie wissen, Herr John gesetzt, der durch 
den Ausschuß gegangen ist, der zur Beurteilung 
über die Einstellung und den Aufbau des Auswär- 
tigen Amtes eingesetzt war; er hat auch sehr viele 
Gutpunkte von allen möglichen Seiten bekommen. 
Als Vizepräsident wurde der heute noch amtierende 
Vizepräsident Radtke eingesetzt, ein Mann der Ab- 
wehr, ein Generalstabsoffizier und ein Mann, der 
im Zusammenhang mit dem 20. Juli mehrere Mo- 
nate in Haft verbracht hat. Das war der Mann, der 
damals von der Bundesregierung als Vizepräsident 
in diesem Amt mit der technischen Leitung betraut 
worden ist. Herr Heinemann wird vielleicht mehr 
darüber sagen können, weil er die ersten Anfänge 
miterlebt hat. Ich weiß es nicht. Das zur personellen 
Sicherstellung. 

Das Vorrecht der Alliierten im personellen Bereich 
wurde so ausgeübt, daß kaum eine Putzfrau — ich 
darf es in dieser etwas vulgären Form vortragen — 
ohne Billigung der Alliierten eingestellt werden 
konnte. Denken Sie jetzt einmal daran, wie Anfang 
September 1963 die ersten Behauptungen hoch- 
kamen, in diesem Amt seien SD-, Gestapo-Beamte in 
maßgebenden Positionen mit diesen und jenen 
Möglichkeiten. Ich darf dem Hohen Hause hier in 
aller Form folgendes mitteilen. Es wurde damals 
auch ein Vertrauensmann der Opposition in eine 
sehr wichtige Position in diesem Amt eingebaut. Es 
war der Leitende Regierungsdirektor Merz, der die 
bedeutsame Abteilung der Auswertung leitete und 


der im personellen Bereich in engster Zusammen- 
arbeit mit dem Vorstand der Opposition stand und 
auch bei Einstellungen, die in der letzten Zeit sehr 
heftig angegriffen worden sind, schon 1954, also vor 
10 Jahren, sein Votum abgegeben hat. Man war 
übereingekommen, diese Einstellungen zu billigen, 
wie überhaupt festgehalten werden muß, daß wir 
in der Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes 
die Rechtslage haben, daß das Element der persön- 
lichen Schuld und nicht einer formellen Belastung in 
Betracht kommt. Das hat den Herrn Kollegen Weh- 
ner nicht gehindert, im Rahmen dieses ersten Wir- 
bels Äußerungen von sich zu geben, daß es der 
Innenminister nicht fertigbringe, diese Leute aus 
diesem Amt herauszubringen, die in der Zwischen- 
zeit — 10 Jahre — in ein Angestellten-, zum Teil 
ins Beamtenverhältnis gekommen waren. 

Vizepräsident Dn Schmid: Gestatten Sie eine 
Zwisdienfrage? 

Wehner (SPD) : Herr Bundesminister, darf ich Sie 
fragen, ob Sie sich hier nicht vielleicht irren? Bezog 
sich meine Bemerkung nicht darauf, daß aus Ihrem 
Hause die Behauptung kam, die Leute seien wegen 
ihrer „Sachkenntnisse", wegen ihrer „Spezialkennt- 
nisse" nicht zu entbehren? Und erinnern Sie sich 
nicht, daß ich sagte: Was auch sonst immer über die 
Menschen zu sagen ist — wir jedenfalls wollen 
keine neue Entnatifizierung — , aber das ist der 
schlechteste Dienst, der ihnen und dem Amt geleistet 
wird!? — Erinnern Sie sich daran, wenn Sie schon 
zitieren? 

Höcherl^ Bundesminister des Innern: Ja, Herr 
Wehner, ich erinnere mich auch an folgendes. In 
der Äußerung, auf die Sie Bezug nehmen, ist erklärt 
worden, wie die Rechtslage nach Art. 131 des Grund- 
gesetzes ist, wie sie sich gefestigt hat, daß Ihre 
Partei genau über die Einstellung informiert war 
und sie damals gebilligt hat. 

Ich bin der Meinung, rechtlich war gar nichts zu 
machen, rechtlich waren die Dinge gefestigt, — Sie 
wußten es und hatten es gebilligt. Aber ich meine, 
es ist eine Frage des politischen Taktes, ob man den 
einen da oder dort verwendet. Ich habe die Ver- 
wendung geändert. Ich habe sie nicht in der Form 
geändert, wie es der Herr Kohut hier zu behaupten 
beliebte, daß diese Beamten vielleicht in die Wieder- 
gutmachungsabteilung des Kölner Verwaltungs- 
amtes gekommen seien, sondern ich habe die Ver- 
wendung in einer korrekten und anständigen Form 
geändert — 14 Jahre nach der Einstellung — , so 
geändert, daß diese Leute einen angemessenen Ar- 
beitsplatz und nicht einen solchen Arbeitsbereich 
hatten. Das habe ich gegenüber Herrn Kohut klar- 
zustellen, vne es kürzlich auch in der Presse klar- 
gestellt v/orden ist. Aber Herr Kohut hält sich an 
solche Berxhtigungen nicht, weil er sonst kein 
Material für ungerechtfertigte Angriffe hätte. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Nun war die große Frage, in welcher Form die 
ersten Organisationsverfügungen zu erlassen waren. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6026 

Bundesminister Höcherl 

' ' Die damalige Leitung des Amtes hat sich an einem 
Beispiel orientiert, das uns in vielen Bereichen und 
in vielen Fällen als musterhaft vor Augen steht. 
Wir sind zur Mutter der Demokratie, nach England 
gegangen und haben uns nach den dortigen Organi- 
sationsverhältnissen im Geheimdienst orientiert. 
Dort herrschen interessante Praktiken, die vielleicht 
aus rechtlichen Gründen in unseren Bereich nicht 
ganz übertragen werden können, aber die immerhin 
lesenswert sind. Ich zitiere aus einem Bericht von 
Sir Findlater Stewart aus dem Jahre 1945: 

. . , mit Rücksicht auf die Natur dieser Arbeit 
kann die Notwendigkeit für eine Anleitung, 
ausgenommen allgemeinste Gesichtspunkte, 
oberhalb der Ebene des Generaldirektors nie- 
mals entstehen. Dessen Ernennung ist von gro- 
ßer Verantwortlichkeit, die ungewöhnliche Er- 
fahrung und eine solche Verbindung von Eigen- 
schaften erfordert; . . . 

Genau diesen Weg, meine Damen und Herren, ist 
dieses Amt gegangen. Es hat den Versuch — den 
leider nicht geglückten Versuch — mit Herrn John 
unternommen und hat als Vizepräsident einen Im 
Widerstand verhafteten Mann mit Abwehrerfahrun- 
gen aus dem Militärbereich eingesetzt und ver- 
sucht, eine ganz neue Institution einzurichten, die 
sich vor allem noch dadurch von allen vergleich- 
baren Einrichtungen unterscheidet, daß sie unter 
einer ganz harten und starken Besatzungsaufsicht 
stand und erst in einem schwierigen und langwieri- 
gen Prozeß ein Eigenleben entwickeln mußte. 

(B) 

Ich glaube, daß niemand ein Recht hat, hinsichtlich 
dieser Entwicklungsgeschichte — und deswelgen 
wiiid sie von mir hier zitiert — Angriffe wiegen 
mangelhafterOriganisation, die in eicn'em Neuland be- 
gonnen werden mußte, zu führen. Viele von Ihnen 
sind noch mit den Einzelheiten aus dieser Zeit aus 
eigenem Erleben und aus der großen DeJbatte vom 
Juli und vom September 1954 genauestens vertraut. 
Andere wissen aus dem John-Untersuchungsaus- 
schuß ebenfalls sehr genau Bescheid. 

Ich darf hier in aller Form klarsitellen: wer auf die 
Entstehurtgsjgeschichte zurückblickt und wer sich das 
Vermögen erhalten hat, an Hand von Tatsachen 
gerecht zu urteilen, der wird izugeben müssen, daß 
in der Spitzjenbesetzung bei den ersten tastenden 
Versuchen den damaligen bescheidenen Möglich- 
keiten Rechnung getragen woiiden ist. So und nicht 
anders waren die Dinge. Das muß hier festgestellt 
werden, um die historischen Tatsachen ins rechte 
Licht zu rücken und keine Legende aufkommen zu 
lassen. 

Lassen Sie mich auf die eigentliche Problematik 
eines solchen Amtes eingehen. Ich habe schon die 
bewundernswerte Weitsicht der Väter unserer Ver- 
fassung wie auch der Mitglieder des 1. Deutschen 
Bundestages hervorgehoben, die, offenbar beein- 
druckt durch die damalige Berlin-Blockade, sich ge- 
nötigt sahen, diese Gedanken so rasch wie möglich 
in die Tat umzusetzen. Es ist ein uraltes Thema, 
das damit angesprochen wird, ein Thema, das gar 
nicht auf den Verfassungsschutz beschränkt ist, .son- 
dern sich auf Polizei und alle derartigen Einrichtun- 


gen erstreckt: auf der einen Seite die Wirksamkeit 
und Arbeitsfähigkeit, auf der anderen Seite die 
RechtSiStaatlichkeit und Gesetzmäßigkeit. In diese 
Polarität ist jiede Einrichtung hineingezwungen, die 
sich mit solchen Aufgaben zu befassen hat. Das gilt 
ganz besonders für die Einrichtung eines Verfas- 
sungsschutzamtes. 

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen doch 
noch einige wieitere ausländische Stimmen aus dem 
englischen Bereich vertragen, die die dortige Denk- 
weise illustrieren und uns auch einiges zeigen, was 
durchaus nachahmenswert erscheint. Im Rahmten der 
Vorgänge um Burgess und McLean sagte z. B. der 
damalige englische Außenminister Macmillan: 

Am Können und an der Aulsidauer unid an der 
Loyalität des Sicherheitsdienstes kann kein 
Zweifel bestehen. Es ist wirklich erstaunlich,, 
daß wir immer noch Männer mit so festem 
Charakter unJd S'Olchen Fähigkeiten bekommen. 
Die Entlohnung ist nicht isehr hoch, die Verant- 
wortung dagegen ist sehr groß. Die meisten 
Menschen finden ihre Befriedigung darin . . . 

So könnte ich weiter zitieren. Aber nun ein Wort 
von Herbert Morrison in »einer gleichen Debatte, 
und zwar in einer Debatte, die unmittelbar zum 
Gegenstand unserer Verhandlungen führt. Damals 
wurde in England ebenfalls untersucht, aber in einer 
ganz -anderen Richtung, nämlich wegen mangelhafter 
Wirkung. Herbert Morrison, ein Mann, der Ihnen 
viel nähersteht, erklärte: 

Es ist äußerst schwierig, eine Untersuchung des pj 
Sicherheitsidienstes vorzunehmen. Es ist klar, 
daß es keine öffentliche Untersuchung sein 
kann. Das wäre einfach lächerlich. Es darf auch 
keine Untersuchung mit einem öffentlichen Be- 
richt sein. Das steht meines Erachtens außer 
Präge. Wir können die Aibeitsmiethoden des 
Geheimdienstes nicht öffentlich preisgeben, 
weder unsere eigenen Methoden noch die an- 
derer Staaten. Wir können nicht riskieren, daß 
Geheimnisse der Spionage und der (Spionage- 
abwehr enthüllt wenden. In diesem Fall sollte 
eine Untersuchung durch einen Richter oder 
einen Richter außer Dienst vorgenommen wer- 
den, und es sollte für den Ministerpräsidenten 
ein persönlicher Bericht erstellt werden. 

Genau diesen Weg, meine Damen und Herren, 
bin auch ich gegangen, obwohl ich gar nicht zu de- 
nen gehöre, die sich über den Untersuchungsaus- 
schuß in der Form beklagen, wie Sie das hier vor- 
getragen haben. Ich werde noch auf die Rolle des 
Untersuchungsausschusses zu sprechen kommen, auf 
seine Funktion, auf das, was sich während der Ar- 
beit dieses Ausschusses alles ereignet hat, und auf 
seine Ergebnisse. Ich bin der allerletzte, der in die 
Kontrollfunktion des Parlaments auch nur den ge- 
ringsten Zweifel setzen wollte. Ich möchte nur fol- 
gendes sagen: wenn wir Untersuchungsausschüsse 
nicht immer in dieser etwas spektakulären Form 
einsetzen wollten, sondern vielleicht viel häufiger 
in Form von Hearings als Kontrollinstrument arbei- 
ten lassen wollten, dann würde das nicht immer als 
Sanktion, als großes politisches Ereignis, als Straf- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6027 


Bundesminister Höcherl 

geridit und weiß Gott was alles in der Öffentlich- 
keit erscheinen. Es kommt doch auf den öffentlichen 
Eindruck an, der mit dieser Art erweckt wird, und 
ein solcher Eindruck ist in diesem Fall zweifellos 
erweckt, wenn nicht beabsichtigt worden. 

Meine Damen und Herren, es kann keinen Zwei- 
fel darüber geben, daß Einrichtungen dieser Art aus 
dieser Polarität, aus dieser harten dialektischen 
Spannung zwischen Wirksamkeit auf der einen und 
Rechtmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit auf der ande- 
ren Seite entstanden sind, wobei wir überall — das 
darf ich mit ganz besonderem Nachdruck hier be- 
tonen — der Gesetzmäßigkeit, der Rechtmäßigkeit 
und der Verfassungsmäßigkeit den absoluten Vor- 
rang einräumen. Daran darf es keinen Zweifel 
geben, auch wenn dies auf Kosten der Wirksamkeit 
geht. Das sind Dinge, die ich aus einem Vortrag 
zitieren könnte, den der derzeitige Präsident des 
Amtes im Jahre 1959 in Köln gehalten hat. Dann 
würden Sie die Denkweise des Präsidenten kennen- 
lernen und die Art, wie er an seine nicht leichte 
Aufgabe herangegangen ist. 

Im Juli 1954 kam es hier im Hause zu der ersten 
großen Debatte über dieses Thema. Es war im An- 
schluß an die „Vulkan-Affäre", wie Sie wissen. In 
einer sehr tiefgründigen und weit ausholenden, 
rechtlich, sachlich und politisch unerhört fundierten 
Debatte wurden dazu von dem zur Zeit amtieren- 
den Herrn Präsidenten von der Abgeordnetenbank 
aus wesentliche Beiträge geliefert, auch von Herrn 
Kiesinger, von Herrn von Merkatz und vielen an- 
ßj deren wurden dazu bedeutsame Ausführungen ge- 
macht. 

(Abg. Schoettle: Reinhold Maier dürfen Sie 
nicht vergessen!) 

— Ja; Reinhold Maier hat sich aber erst bei der 
zweiten Debatte im September geäußert. 

(Abg. Schoettle: Er hat ein wunderschönes 

Wort geprägt, das auch heute noch gilt!) 

— Ich habe es nachgelesen; ich habe die Debatte 
selbst erlebt, aber ich habe es noch einmal nach- 
gelesen, und ich muß sagen: das, was damals gesagt 
worden ist, ist heute noch gültig, wird von mir an- 
erkannt und von mir praktiziert, Herr Schoettle. 

Dann kam der Fall „John", und damit kam für 
das neue und junge Bundesamt für Verfassungs- 
schutz eine ganz schwere Prüfung. Es ist interessant, 
meine Damen und Herren, wenn man heute nach- 
liest, was damals über diese Dinge gesagt worden 
ist. Damals hat mein Herr Amtsvorgänger die These 
vertreten, es sei vielleicht doch nicht eine Flucht ge- 
wesen, vielleicht doch eine Entführung oder etwas 
Ähnliches. Wenn ich jetzt an die neueste Prozeß- 
lage denke, dann weiß ich nicht, ob er so ganz un- 
recht gehabt hat; aber das werden die Gerichte zu 
klären haben. Wenn ich an die Leidenschaften 
denke, die damals hier in Szene gesetzt worden 
sind, dann, muß ich sagen, ist die heutige Ausspra- 
che in der rechtlichen und politischen Fundierung 
der damaligen nicht angemessen. Damals wurde 
sehr hart gesprochen. Aber ich glaube, daß damals 
in einigen Punkten etwas mehr Fairneß geübt 
wurde, als leider da oder dort gelegentlich, in einem 


fO 

Zwischenruf vor allem und dann in einigen Aus- ^ 
führungen zum Ausdruck gekommen ist. 

(Zuruf von der SPD.) 

Nun war für das Bundesamt für Verfassungs- 
schutz eine ganz neue Lage geschaffen. Es mußte 
vorübergehend eine stellvertretende Besetzung 
erfolgen, und es mußte ein neuer Mann gefunden 
werden. Das war eine Vertrauenskrise, die weit 
über den Bereich dieses Amtes hinausgegangen ist, 
eine Vertrauenskrise, die eine ganz andere Ursache 
hatte und die einen ganz anderen Auslösungspunkt 
hatte. Aber immerhin, es war doch außerordentlich 
schwierig und außerordentlich kompliziert, jeman- 
den zu finden, der an die Spitze eines solchen Amtes 
treten wollte. Ich glaube, die Bundesregierung war 
gut beraten — und das Haus hat das ja auch bestä- 
tigt — , daß sich nach über einjähriger Suche ein 
Mann aus der Justiz, der hohe Positionen und einen 
hohen Rang in der Justiz als Generalstaatsanwalt 
und als Bundesanwalt eingenommen hat, bereit 
fand, an die Spitze dieses Amts zu treten und einen 
neuen Abschnitt in der Geschichte dieses Amts zu 
schreiben. Das war ein Einschnitt, den wir uns bei 
der Betrachtung auch heute immer wieder vor 
Augen halten sollten, um rückblickend aus der Ge- 
schichte in die Wahrheit der Zusammenhänge ein- 
zudringen. 

Meine Damen und Herren, Herr Präsident Schrüb- 
bers hat sich nur mit äußerster Zurückhaltung — er 
mußte von vielen Seiten bewogen werden — bereit 
erklärt, diese schwierige Aufgabe des moralisch 
und innerlich, kann man fast sagen, aufgelösten (D) 
Amtes zu übernehmen und einen neuen Abschnitt 
zu schreiben. 

Dann, meine Damen und Herren, gab es einen 
Untersuchungsausschuß John, einen Untersuchungs- 
ausschuß, der zwei große Aufträge hatte. Der eine 
Auftrag war, zu prüfen, wie die Dienstaufsicht des 
Bundesinnenministeriums über das Verfassungsamt 
geführt wurde. Der zweite Auftrag war der, zu prü- 
fen, ob, wenn ich es mit einem Wort bezeichnen 
darf, ein innenpolitischer Mißbrauch vorgekommen 
sei. Bei der damaligen Untersuchung über die Art 
und Weise und die Methode, eine solche Dienstauf- 
sicht zu führen — man hatte sich an dem Beispiel 
des englischen Amtes orientiert, das, wie es über- 
haupt der englischen Verwaltungspraxis entspricht, 
eine sehr lockere und distanzierte und der beson- 
deren Art und Arbeitsweise des Amtes angepaßte, 
zurückhaltende Aufsicht führt — , ist man einen 
neuen Weg gegangen. Der Untersuchungsausschuß, 
dem Herr Bucerius Vorstand und der im Juli 1957 
seinen Bericht ablieferte — Herr Bucerius ist im 
Rahmen der heutigen Ereignisse und mit seinen 
Verlagserzeugnissen genannt worden — , hat zu 
der Frage der Dienstaufsicht in einer Ziffer des 
Berichts folgende Erkenntnis niedergelegt: 

Das Bundesministerium des Innern hat über das 
Bundesamt eine sehr straffe Aufsicht ausgeübt, 
fast als ob es sich um eine Abteilung des Bun- 
desinnenministeriums handeln würde. Im Aus- 
schuß ist diskutiert worden, ob die Aufsichts- 
behörde die eigene Aufgabe und die Aufgabe 
des Amtes hierbei richtig gesehen habe und ob 



6028 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Bundesminister HÖdierl 

vielleicht die eingetretene Entwicklung vermie- 
den worden wäre, wenn John ein größeres Maß 
an Selbständigkeit und damit das Bewußtsein 
besonderer eigener Verantwortung gehabt 
hätte. Der Ausschuß hat aber von einer ab- 
schließenden Meinungsbildung in dieser Frage 
Abstand genommen. Jedoch sollte für die Zu- 
kunft stets eine Persönlichkeit ausgewählt wer- 
den, der gegenüber nur eine Kontrolle, nicht 
eine leitende Aufsicht nötig ist. 

Meine Damen und Herren, das ist ein Absatz aus 
einer Drucksache des Bundestages, der ganz unab- 
hängig von den Mehrheitsverhältnissen war, mit 
denen der eine oder andere Punkt des Ausschußbe- 
richts angenommen wurde; aber in diesem Punkt 
war man offenbar ganz einer Meinung. Man wollte 
haben, daß die bisherige Art der Aufsicht geändert 
wurde. Ich könnte Ihnen hier aus den Akten jener 
Zeit Berichte von Herrn von Lex usw. vorlegen und 
Ihnen vortragen, wie sehr man darauf aus war, die- 
sem jungen, neuen Gebilde, das seiner Natur nach 
immer einem demokratischen und parlamentarischen 
Soup<pon ausgesetzt ist, eine adäquate, angemessene 
Kontrolle zuteil werden lassen könnte. Aber hier 
war der Beschluß, war die Willensbekundung des 
Parlaments im Jahre 1957, eine distanzierte Aufsicht 
zu führen, weil man die bisherige Art in einen Kau- 
salzusammenhang mit den Ereignissen von 1954 
brachte. 

Ich darf vielleicht noch eine Aussage des damals 
zuständigen Abteilungsleiters, des Ministerialdirek- 
. tors Egidi, vortragen. Danach ist keine Bundesver- 
waltung so intensiv beaufsichtigt worden wie das 
Bundesamt für Verfassungsschutz, so intensiv, daß 
bisweilen dieses Verfahren von der anderen Seite 
als kleinlich und als reglementierend empfunden 
worden sei. Staatssekretär Ritter von Lex hat vor 
dem Ausschuß erklärt, das Bundesministerium des 
Innern habe das Bundesamt als ein junges Amt in 
einer ungemein schwierigen und neuralgischen 
Sphäre als dem Ministerium sehr attachiert betrach- 
tet und eine strengere Aufsicht ausgeübt, als das 
sonst gegenüber einer oberen Bundesbehörde der 
Fall gewesen sei. 

Da war der frühere Abschnitt: 1957 die Willens- 
kundgebung des Parlaments. Und, meine Damen und 
Herren, jetzt möchte ich denjenigen sehen, der ange- 
sichts einer solchen Entwiddung den ersten Stein 
werfen will, weil nun in Ausführung eines solchen 
Beschlusses die Aufsicht etwas distanzierter gehand- 
habt worden ist, weil zwischen das Amt und das 
Miniisterium ein hoher Justi^zbeamter geseitzt wurde, 
bei dem jeder auf Grund der Persönlichkeit und 
früherer Amtsführung das Vertrauen haben konnte, 
daß er in einem besonderen Maße auf Gerechtigkeit 
und auf Gesetzmäßigkeit sehen würde. 

Vizepräsident Dr. Schmid: Gestatten Sie eine 
Zwischenfrage des Abgeordneten Sänger? 

Höcherlr Bundesminister des Innern: Bitte sehr. 

Sänger (SPD): Herr Minister, stimmen wir darin 
überein, daß distanzierte Aufsicht ein relativer Be- 


griff ist und daß es die Aufgabe des zur politischen 
Verantwortung Berufenen ist, diese Distanz jeweils 
richtig auszuloten? 


Höcherlr Bundesminister des Innern: Ja, Herr 
Sänger, ich komme noch darauf. Ich möchte mich 
zwar Ihrer Relation nicht anpassen, aber ich bin der 
Meinung, daß es ein relativer Begriff ist. 

Ich möchte denjenigen sehen — ich darf es wieder- 
holen ■ — , der angesichts einer solchen Entwicklung 
für ein Amt mit dieser Vertrauenskrise bei all den 
Ereignissen mit Fug und Recht hier aufstehen und 
sagen kann: Es ist das eine oder das andere in der 
Organisation aus wesentlichen Schuldgründen ver- 
säumt worden. 


Wir sollten uns eigentlich dafür bedanken, daß 
schon 1954 bis 1957 die gründliche Untersuchung des 
Personals erfolgt ist, bei der auch ein Ausschuß aus 
vier Landesministern aller Couleurs tätig war. Das 
Personal ist ja heute noch da. Die ersten Verände- 
rungen wurden überhaupt von mir vorgenommen. 
Da war Ihr Herr Ehlers, Bremen, dabei, Herr Wehner, 
er hat Gelegenheit gehabt, alles zu sehen, und hat 
1954 und 1955 nichts beanstandet. Zehn Jahre später 
ist es auf einmal zu einem neuen „Verbrechen" des 
neuen Innenministers gemacht worden, der einige 
Monate im Amt war. Meine Damen und Herren, Sie 
müssen mich von der Ehrlichkeit eines solchen Vor- 
wurfes immer noch überzeugen. 


Welches sind die klassischen Vorwürfe, die einem 
solchen Amte begegnen können? Der klassische Vor- 
wurf betrifft den politischen Mißbrauch; Dossiers 
fallen an, die in innerpolitischen Auseinandersetzun- 
gen mißbraucht werden. Das war doch auch der 
innere Kern des Vorwurfs. Und es ist doch nicht das 
geringste vorgekommen oder auch nur der Schatten 
eines solchen Beweises gefunden worden. Das ist 
ein Ergebnis, das zumindest sehr beachtlich ist, und 
dankbar von uns zur Kenntnis genommen werden 
sollte. 


(D) 


(Zustimmung bei der CDU/CSU.) 


Der /Zweite Vorwurf, mit dem sich sehr viele an- 
dere Länder auseinanderzusetzen haben, ist der, daß 
hier nicht ordentlich gearbeitet werde und daß nicht 
die nötige Effektivität gegeben sei. Auch in dieser 
Richtung hat es gegenüber diesem Amte bisher 
keinen Vorwurf gegeben. Ich meine, ein Land, das 
geradezu von solchen Gefahren subversiver Betäti- 
gung, der Spionage, der Sabotage umflutet ist, müßte 
außerordentlich dankbar sein, daß sich die klas- 
sischen Vorwürfe nicht bestätigt haben. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Nun ist ein neuer Vorwurf im Zusammenhang mit 
der deutsch-alliierten Zusammenarbeit erhoben wor- 
den. Ich habe Ihnen die Entstehungsgeschichte der 
deutsch-alliierten Zusammenarbeit mit wenigen 
Worten dargestellt. Die Verträge sind zitiert, sind 
schon wiederholt angesprochen worden. Sie sind — 
die letzte Fassung ist vom Bundestag einstimmig 
genehmigt worden — innerdeutsches Recht. Ange- 
sichts der Ratifikation hat niemand das Recht, so zu 
reden, wie es geschehen ist. Die erste Ratifikation 
war etwas anderes. Die zweite Fassung war aber 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6029 


Bundesminister Höcherl 

dann doch so, daß Sie sich etwas anderes hätten über- 
legen müssen, wenn Sie einen solchen Vorwurf erhe- 
ben. Jetzt komme ich auf einen ganz entscheidenden 
Punkt: Wer hier behauptet, daß das Bundesamt für 
Verfassungsschutz durch ganz gleich welche Organe 
über die Alliierten den Art. 10 verletzt hat, der be- 
hauptet in Wirklichkeit, daß sich die Alliierten be- 
wußt durch deutsche Stellen hätten mißbrauchen las- 
sen, deutsche Verfassungsbestimmungen zu brechen. 
Einen solchen Vorwurf weise ich in aller Form, mit 
allem Nachdruck energisch zurück. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Hier wird in einer sehr merkwürdigen Weise ver- 
fahren, Das impliziert doch diesen Vorwurf. Der 
erste Zeitungsartikel — Sie sagen, das sei vielleicht 
eine Konstruktion — , der die Dinge hochgebracht 
hat, lautete, daß untergeordnete Funktionäre des 
Amtes auf Grund des engen Einvernehmens mit den 
Alliierten mit Augenzwinkern eine Telefon- und 
eine Postzensur in Gang setzten. So ist es behaup- 
tet worden, auch wenn es nicht wörtlich war, bis 
vor wenigen Tagen die Haltlosigkeit für alle greif- 
bar und sichtbar geworden ist. So hat man die Pro- 
paganda, die Demagogie, die Hetze und die Kam- 
pagne betrieben; das wird doch niemand von Ihnen 
bestreiten wollen. 

Hier ist über die alliierten Vorbehaltsrechte in 
einer sehr lockeren Form gesprochen worden. Abge- 
sehen von der Rechtslage finde ich es merkwürdig 
— das muß ich schon sagen — , daß man in einem 
Land, das in seiner Sicherheit in Berlin und in der 
(B) Bundesrepublik davon abhängt, daß die Alliierten 
körperlich und physisch anwesend sind, 

(Beifall bei der CDU/CSU) 

diesen unseren heutigen Verbündeten das Recht 
bestreiten will, die Sicherungsmaßnahmen zu tref- 
fen, die sie für notwendig halten. Darauf geht doch 
alles hinaus. 

Herr Dorn, was Sie mit der Konsultation als einem 
Lieblingskind von Ihnen immer ansprechen, geht 
weit in den außenpolitischen Bereich hinein. 

(Abg. Dorn; Sie haben das gar nicht begrif- 
fen, Herr Minister, was ich vorgetragen 
habe! — Abg. Schoettle; Dann sagen Sie es 
Ihren Freunden meinetwegen, aber doch 
nicht uns! — Weitere Zurufe.) 

— Herr Dorn, Ihnen muß ich es auch sagen, auch 
dem Herrn Schäfer muß ich es sagen. Herr Schäfer 
hat nämlich große Ausführungen darüber gemacht; 
Warum haben keine Konsultationen stattgefunden? 
Wie war die Rechtslage? Das war nicht eine juri- 
stisch zu lösende Frage, meine Damen und Herren, 
das war eine politische Frage allerersten Ranges. 
Wenn wir auf Grund irgendwelcher Ereignisse und 
Bündnisverpflichtungen verpflichtet wären, z. B. 
deutsche Truppen in irgendein Land zu geben, dann 
würde ich dringend daran interessiert sein, daß das 
Höchstmaß an Sicherungsmöglichkeiten für unsere 
Truppen ausgenützt wird. Genauso ist das hier. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Das heißt keineswegs, meine Damen und Herren, 
daß man sich nicht um die vorgesehene Ablösung 


der alliierten Vorbehalts rechte bemühen sollte. 
Aber man sollte sich mit politischem Takt und zur 
richtigen Zeit darum bemühen, und man sollte nicht 
bei untergeordneten, sondern bei ganz großen Din- 
gen anfangen. Und bei ganz großen Dingen habe 
ich mit der Notstandsverfassung angefangen, die ich 
Ihnen vorgelegt habe, weil hiermit der unerhörte 
Bereich des alliierten Vorbehalts, der über das 
ganze Grundgesetz weit hinausreicht, angesprochen 
wird. Seit eineinhalb Jahren, meine Damen und 
Herren, haben Sie Gelegenheit, diesen Ablösungs- 
prozeß in Form einer deutschen Gesetzgebung zu 
vollziehen und damit den größten Teil' des Vorbe- 
halts wegzubringen. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Die Mitwirkung und die rasche Verabschiedung 
eines solchen Komplexes ist der richtige Maßstab 
dafür, auch hier hineinzuleuchten. Dies ist zweifellos 
auch eine wichtige Angelegenheit, aber im Vergleich 
zu dem anderen Komplex doch nur von relativer 
Bedeutung. 

Nun steht in dem Bericht die Bemerkung, daß von 
1955 bis 1958 Konsultationen stattgefunden haben 
— • das ist richtig — und daß sie 1958 nicht mehr 
stattgefunden haben. Es steht mir mit Rücksicht auf 
die alliierte und die deutsche Geheimhaltung nicht 
zu, alle Einzelheiten in diesem Zusammenhang hier 
auszubreiten. Aber die Tatsache einer solchen Kon- 
sultation ist in dem Bericht mit Recht erwähnt. War- 
um, glauben Sie, haben im Jahre 1958 auf einmal 
die Konsultationen auf gehört? Ist Ihnen das Jahr 
1958 mit der Drohung Chruschtschows und all die- (D) 
sen Dingen nicht mehr in Erinnerung? Glauben Sie, 
daß es passend gewesen wäre, 1958 bei besonderer 
Beanspruchung zu sagen: All diese Sicherungen und 
all diese Vorbehaltsrechte müssen vom Tisch, aber 
ihr müßt eure Truppen verstärken und ihr müßt 
euch noch mehr engagieren? Meine Damen und 
Herren, so sind doch die Dinge. Es ist ein hochpoli- 
tischer Bereich, dem man mit solchen Betrachtungen, 
wie Sie sie angestellt haben, Herr Dorn, gar nicht 
gerecht wird, 

(Beifall bei der CDU/CSU) 

obwohl ich Ihnen gar nicht absprechen möchte — 
und das ist ein gemeinsames Bemühen — , daß wir 
einen politisch günstigen Zeitpunkt erspähen müs- 
sen, damit wir die volle Souveränität auch in diesem 
Bereich bekommen, weil wir das, was wir rechtlich 
zurückbekommen, durch Bündnistreue ausgleichen 
und damit den Zustand faktisch hersteilen können, 
der vorher durch eine rechtliche Bindung begründet 
war. 

Diese VoFwiürfe, die ich bereits dargestellt habe, 
die hier wiederhoit formuliert worlden sind, wiurden 
in der Öffentlichkeit erhoben und aufgenomanen. 
Jetzt will ich Ihnen einmal sangen, wie — Herr Kol- 
lege Wagner hat es schon vorgetragen — in einem 
anderen Parlament, im kanadischen Parlament, das 
uns doch recht vorbildlich erscheint, der kanadische 
Innenminister, ein Liberaler, und wie sein Vorgän- 
ger, ein Konservativer, auf eine solche, im selben 
zeitlichen Zusammlenhang gestellte Anfrage geant- 
wortet hat. Die Anfrage im kanadischen Parlament 
lautete : 



6030 Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 

Bundesminister Höcherl 


^ ^ Hat irgendeine Behörde der Regierung Einrich- 
tungen, die zum A'bhören ^von Tel ef Ölleitungen 
benutzt iweiiden, unid wenn ja, welche Behörde, 
iür welchen Zweck und auf welcher Rechts- 
grundlage? 

Die Antwort des liberalen Ministers lautete: 

Es war die Politik dieser Regierung und der 
früheren Regierungen, die Beantwortung von 
Fragen dieser Art abzulehnen, da sie dem 
öffentlichen Interesse entgegenstehen. Es be- 
'steht nicht die Absicht, diese Politik izu ändern. 

Auf eine ähnliche Anfrage des Abgeordneten 
Howard im Jahre 1962 gab der konservative Mini- 
ster Brown wörtlich die gleiche Erklärung. In Hol- 
land hat sich vor wenigen Monaten dasselbe voll- 
zogen. 

Meine Damen und Herren, ich möchte nicht wis- 
sen, was geschehen wäre, wenn ich es gewagt hätte, 
hier eine solche Antwort zu geben. Ich glaube, das 
ganze Haus von links bis rechts wäre explodiert. 

(Rufe: Na, na! und ^weitere Zurufe von der 
SPD.) 

— Meine Herren, Sie sind doch schon explodiert, 
obwohl ich alles auf den Tisch gelegt habe, und Sie 
versuchen jetzt noch, eine Explosion zu spielen, ob- 
wohl der ganze Sprengstoff längst beseitigt ist. 

(Beifall bei der CDU/GSU.) 

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen ins Ge- 
dächtnis zurückrufen, was ich gemacht habe. Ich 
^ habe von diesen Dingen gerade so wie Sie in der 
Presse gelesen. Ich habe darauf unverzüglich, schon 
am nächsten Tag, mit dem Staatssekretär, dem Prä- 
sidenten des Amtes und dem Sachbearbeiter unserer 
Abteilung eine Untersuchung begonnen. Das war 
der erste Schritt. Dann habe ich das getan, was in 
allen heiklen, hochpolitischen Fragen in diesem 
Hause üblich, ist: ich habe den Fraktionsvorsitzenden 
angeboten, in einer Dreier-Kommission alle diese 
Dinge auf den Tisch zu liegen. Wenige Tage darauf 
ist diese Dreier-Kommission — leider nicht in der 
prominenten Besetzung, wie ich es mir gewünscht 
hätte — zusammengetreten. Dort sind — das kann 
niemand bestreiten — Dinge auf den Tisch gelegt 
worden, wie sie in der ganzen westlichen Welt in 
einem ähnlichen Fall nicht auf den Tisch gelegt 
werden. Das war der „Vertuschungsversuch" des 
Innenministers, von dem hier in dieser leichtffertigen 
Weise gesprochen wiiid. 

(Beifall bei der GDU/CSU.) 

Meine Damen und Herren, es ist ein Volkssport 
geworden, daß man sagt: Parlamentarismus besteht 
vielleicht darin, daß mun recht großzügig und recht 
ungeprüft, vor allem wenn es sich um einen Resisort- 
chef hanidelt, Behauptungen, izum Teil mit ehren- 
rührigem Charakter, in die Welt setzt. Ich habe eine 
andere Meinun)g. Ich bin der Meinung, unser Grund- 
gesetz hat einen ganz entscheidenden Artikel, das 
ist der Artikel 1 über die Menschenwürde, und die- 
ser Artikel muß hier auch in der Praxis gehandhabt 
werden. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 


Wenn man allein die Höflichkeit, die man im Stra- 
ßenbahnwagen zeigt, hier anwenden würde, hätten 
wir für unsere gemeinsame politische Arbeit schon 
viel gewonnen. Aber das bringt man nicht fertig, 
sondern es werden Behauptungen aufgestellt, die 
einfach objektiv unrichtig sind, und zum Teil in 
einer Form aufgestellt, daß man vermuten muß, daß 
subjektiv eine unlautere Absicht dahintersteckt — 
um mich ganz vorsichtig und zurückhaltend auszu- 
drücken. 

Dieses Dreier-Gremium wurde dann durch den 
Innenausschuß verstärkt; ich habe dann den In- 
nenausschuß ebenfalls mit allem bedient, was ich 
überhaupt zur Verfügung hatte. Ich darf hier viel- 
leicht noch etwas erwähnen. Ich war erst wenige 
Monate im Amt, als ich am 16. März 1962 eine sehr 
scharfe Dienstanweisung herausgegeben und die 
Berichtspflicht außerordentlich verschärft habe. Das 
darf ich vielleicht in diesem Zeitpunkt mitteilen, da- 
mit Sie nicht meinen, es wäre mir vollkommen 
gleichgültig gewesen. Die Dinge interessieren midi 
von der Vertrauensbasis her, die für eine solche 
Einrichtung unerläßlich ist. Wir können unsere ganze 
politische Arbeit ohne laufende Abstimmung und 
Einpendelung mit den Grundzügen, den ethischen 
Grundzügen der öffentlichen Meinung nicht voll- 
ziehen, und ein solches Amt kann nicht existieren, 
wenn es nicht von dem Vertrauen aller getragen 
ist. 

(Zuruf des Abg. Dr. Schäfer.) 

Darum habe ich ja doch, Herr Schäfer, vom ersten 
Augenblick an alles an Untersuchungen auf geboten, pj 
was mir überhaupt zur Verfügung stand, habe dann 
Herrn Dr. Silberstein gewonnen. Ich stehe nicht 
an, meine Damen und Herren, hier zu sagen, ob- 
wohl Freunde sich anders ausgedrückt und erklärt 
haben: „Ja, der Untersuchungsausschuß war dann 
überflüssig!": Für mich ist überhaupt nichts über- 
flüssig, was dazu beitragen kann, hier zu besseren 
Verhältnissen zu führen. Das ist und bleibt meine 
Einstellung. 

Aber ich lasse den Vorwurf nicht auf mir sitzen, 
ich hätte bewußt falsche Aussagen und falsche An- 
gaben gemacht. Ich gebe zu, meine Damen und Her- 
ren, daß ich jeweils von Stadium zu Stadium An- 
gaben gemacht habe. Dieser ganze Vorgang hat sich 
in einer hektischen, von vielen angeheizten, von 
vielen merkwürdigen Elementen angeheizten Atmo- 
sphäre vollzogen. Man war von Stunde zu Stunde 
zu Äußerungen gezwungen, wenn man sich nicht 
dem Verdacht aussetzen wollte, daß das Schweigen 
ein Eingeständnis der Schuld sei. So waren doch 
diese Dinge. Was konnte ich mitteilen? Ich konnte 
das mitteilen, was mir im Rahmen der Untersuchung 
an Erkenntnissen zugewachsen ist, und ich habe, je- 
weils den Stand — immer mit der Einschränkung: 
.„soweit ich das weiß" — bekanntgegeben. 

Jetzt werden Sie sagen: „Na ja, da sind Sie falsch 
informiert worden." Ich .will Ihnen einmal etwas 
sagen, meine Damen und Herren, wie der Herr Prä- 
sident Schrübbers, dessen Amtsübernahme, dessen 
Aufbauleistung, dessen Herkunft und dessen Ein- 
stellung zu Recht und Gesetz ich Ihnen schon dar- 
stellen konnte, seine Aufgabe angesehen hat. Es 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6031 


Bundesminister Höcherl 

hat einige Zeit gedauert, bis ein Mann aus der 
Justiz, der eine ganz andere Arbeitsweise gewöhnt 
ist und in ein solches Amt an die Spitze gesetzt 
wird, Boden unter den Füßen gewonnen und neue 
Formen gefunden hat. Formen, die ihm auch vorge- 
schrieben waren durch den Ausschuß im Rahmen 
der John-Untersuchung. Es war Schrübbers, der 
keine Gelegenheit vbrübergehen ließ, im Amt und 
außerhalb des Amtes die Rechtsstaatlichkeit bis 
hinunter zur Beschaffung klarzulegen. Ich könnte 
hier zitieren — auch im Ausschuß ist die Aussage 
gemacht worden, die Beteiligten wissen das ge- 
nau — , daß er peinlich darauf gesehen hat, daß den 
Alliierten gegenüber nicht unmittelbare Aufträge 
für namentlich genannte Personen erteilt wurden. 
Und er hat bewußt formaljuristisch formuliert und 
definiert. Das lag ihm, und das lag auch im Bereich 
und im Rahmen seiner Aufgabe, und deswegen hat 
er das vielleidit überspitzt gemacht, und ich habe 
es überspitzt übernommen. Aber ich stelle -midi vor 
diesen Mann! Ich kenne seine Rechtlichkeit und sein 
sauberes Eintreten, seine Aufbauarbeit, und ich 
weiß, daß er mich nicht hereinlegen wollte. Wir 
haben vielleicht, in dem Bemühen, jedes Wort ganz 
genau zu ziselieren, einen Sinn hineingebracht, den 
ich heute nicht mehr schreiben würde. Das ist zuzu- 
geben. Das sind Dinge, die aus der Entwicklung ver- 
ständlich sind. Aber ich nehme die Ehre für mich in 
Anspruch und lasse sie mir auch durch so oberfläch- 
liche Verdächtigungen nicht nehmen, dadurch, daß 
sich jemand hinstellt und sagt, das sei vielleicht ein 
Vertuschung s versuch. Wer solche Untersuchungsin- 
stanzen und Instrumente einschaltet, meine Damen 
ß) und H erren, und unverzüglidi, sofort, noch bevor 
weitere Klärungen in Betracht kommen, eine ganze 
Reihe von entscheidenden Organisationsverbesse- 
rungen trifft, dem dürfen und können Sie — das 
liegt nicht im Interesse der Sache und der Zusam- 
menarbeit — nicht vorwerfen, daß etwas habe ver- 
tuscht werden sollen. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Daß da oder dort, meine Damen und Herren, et- 
was geändert werden muß, bestreite auch ich nicht; 
das ist bereits geschehen und wird noch mehr ge- 
schehen. Ich bin gerade dabei, eine einheitliche 
Dienstanweisung zu erlassen. Diese Dinge haben 
allerdings zwei Seiten. Je mehr Sie die Dinge ver- 
bürokratisieren, um so mehr , gefährden Sie die 
Wirksamkeit. Aber ich gebe dieser Formalisierung 
den Vorzug, weil sie ein weiteres rechtsstaatliches 
und gesetzmäßiges Element für die Praxis ist; und 
das ist für das Vertrauensverhältnis im Rahmen 
einer allergischen und jungen Demokratie notwen- 
dig. Vielleicht kommen wir noch in eine Gewöhnung 
und in eine Art der Betrachtung hinein, wie sie 
glücklichere Völker in England und in Amerika seit 
eh und je in diesem Bereich haben. Aber das dauert 
auch seine Zeit, und diesen „pädagogischen" Teil 
müssen wir einfach, wenn auch auf Kosten der 
Effektivität, durchstehen; das ist gar nicht anders 
zu denken. 

Herr Dorn hat bei den vielen Punkten, in denen 
ich objektiv nicht die Wahrheit gesagt haben soll, 
auch vorgetragen, ich hätte einmal erklärt, es gebe 


ein Dokument dafür, daß es bei diesen Anregungs- 
fällen immer um alliierte oder gemeinsame Sicher- 
heitsinteressen gegangen wäre. Ich kann keine Ein- 
zeldokumente vorlegen. Aber ich kann ein anderes 
Dokument vorlegen, das bereits einmal verlesen 
worden ist. Wir haben mit den Alliierten ein Proto- 
koll aufgesetzt. Dieses Protokoll handelt von der 
Arbeitsweise. Es ist der Öffentlichkeit durch eine 
Pressemitteilung bekanntgeworden. Deswegen darf 
ich es hier in dem entscheidenden Teil wiederholen. 
Es lautet: 

Im Gefolge von Informationen, die von deut- 
schen Behörden stammen oder von ihnen einge- 
holt werden, ergeben sich Fälle, bei denen aus 
gemeinsamem Sicherheitsbedürfnis Verbin- 
dungslinien von den Alliierten in Übereinstim- 
mung mit ihren Rechten überwacht werden. 
Jede derartige Überwachung, die von den 
Alliierten vorgenommen wird, geschieht auf 
ihre eigene Initiative und in Übereinstimmung 
mit den Erfordernissen des Schutzes ihrer Streit- 
kräfte. 

Das ist das entscheidende Dokument derjenigen 
Kräfte — — 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Gestatten Sie eine 
Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer? 

Dr. Schäfer (SPD) : Herr Minister, würden Sie uns 
bitte Überschrift, Datum und Unterschrift, von wem 
diese Erklärung ist, hier mitteilen. 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Ja, wir ha- 
ben schon im Innenausschuß darüber gesprochen. Ich 
werde Ihnen das persönlich mitteilen. 

Dr, Schäfer (SPD) : Jetzt hier, wenn Sie zitieren, 
Herr Minister! Von wem stammt es, wer hat es 
unterschrieben, welcher Kopf ist oben? 

Höcherl, Bundesminister des Innern: Herr Schä- 
fer, ich sage Ihnen jetzt: das ist eine Erklärung, die 
mit den Alliierten im September 1963 formuliert 
worden ist. 

(Abg. Dr. Schäfer: Und nie von den Bot- 
schaften veröffentlicht wurde!) 

— Herr Schäfer, das gebe ich Ihnen zu. 

(Zuruf von der SPD: Also!) 

Ich habe aber erklärt, daß es vorher in der Presse 
stand und daß ich es deswegen bekanntgebe. Sie 
sollten sich an dem sachlichen Sinn orientieren und 
nicht an Formalitäten; wir wollen gemeinsam die 
Dinge bewältigen. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Ein weiterer Vorwurf: daß jeder untergeordnete 
Funktionär und Referent usw. eine solche Anregung 
hätte auslösen können. Sie haben zwei klassische 
Zeugen, auf die Sie nicht stolz sein können; aber 
das weiß man nie bei Zeugen. Was Pätsch und 
Bethke ausgesagt haben, war interessant. Die bei- 
den, die den Beweis bringen sollten, daß die Dinge 



6032 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29, April 1964 


Bundesminister Höcherl 
fAl 

' ' nicht rechtlich und gesetzlich vollzogen werden, 
haben gesagt: Ich nicht und der andere auch nichts 
ich weiß keinen Fall, ich hätte es phyisich gekonnt. 
— Ich kann mich auch auf den Marktplatz hinstellen 
und physisch etwas vorlesen, was nicht verlesen 
werden darf. So waren die Dinge. — Bitte, Herr 
Wehner, 

Wehner (SPD): Herr Minister, würden Sie nicht 
annehmen, daß der Begriff Zeuge hier für die Öffent- 
lichkeit eigentlich etwas irreführend ist? Ist es nicht 
so, daß es die Aufgabe des Parlaments ist, im Falle 
so gravierender und in einer Weise, wie das jeder 
miterlebt hat, vorgetragener Vorwürfe, Behauptun- 
gen und Feststellungen, den Dingen auf den Grund 
zu gehen? Verwischen Sie damit, daß Sie von Zeu- 
gen sprechen — für die man nicht immer könne — , 
nicht die eigentliche Funktion des Parlaments und 
seines Untersuchungsausschusses? 

HÖcherlr Bundesminister des Innern: Herr Kol- 
lege Wehner, ich habe in meinen Ausführungen er- 
klärt, daß ich mich nicht gegen die Einsetzung des 
Untersuchungsausschusses und nicht gegen das Er- 
gebnis wende, sondern daß ich die Kontrollaufgabe 
des Parlaments bejahe, daß ich mir aber einige For- 
men, die ich selbstverständlich bejahe, anders vor- 
stellen könnte und daß jieder Anschein vermieden 
werden muß, daß hier Sanktionen stattfinden und 
daß — darauf kommt es an — die äußerste Zurück- 
haltung bewiesen werden muß. 

(B) (Abg. Dr. Mommer: Da könnten wir uns 
auch einen anderen Innenminister vor- 
istellenl) 

— Ja, ja! Aber wenn Sie so weitermachen wie in 
Baden-Württemberg, müssen Sie sich mit einem aus 
unseren Reihen noch lange zufriedeugeben. 

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von 
der SPD.) 

Herr Wehner, ich darf Ihre Frage beantworten. 
Ich bin Ihrer Meinung, daß Zeugen gehört werden 
müssen. Andere Auskunftsmittel gibt es nicht. Ich 
darf hier auf folgendes hinweisen — und das war 
das, was ich zum Ausdruck bringen wollte — ; der 
Herr Bethke war in einer gehobenen Position, in 
der er viel mehr Möglichkeiten physischer Art hatte 
als andere, die unmittelbar in den Rahmen des Am- 
tes eingebaut waren. Selbst er hat zugegeben und 
mußte zugeben, daß er nichts gegen die vom Präsi- 
denten verfügte Ordnung in diesem Bereich gemacht 
hat. Das ist eine wertvolle Feststellung. 

Nun ist vorhin etwas über die Zahl der Fälle ge- 
sagt worden. Meine Damen und Herren, dazu darf 
ich Ihnen jetzt einmal in aller Offenheit folgendes 
sagen. Was sagen Sie denn zu der Tatsache, daß 
z. B. in der Abteilung IV, in der Spionage- und 
Sabotagefälle zu behandeln sind, im Jahr Tausende 
von Fällen über den Tisch gehen, daß aber selbst 
in dem peinlich genauen Bericht des Herrn Silber- 
stein, der Unterlagen der Alliierten für seine Fest- 
stellungen hatte, im Jahr nur 15 bis 20 Fälle fest- 
gestellt worden sind? Ich kann dazu leider keine 
weiteren Einzelheiten vortragen. Aber für jeden. 


der hören kann, für jeden, der über ein inneres 
Verständnis für solche Zusammenhänge verfügt, be- 
deutet dieses Zahlenverhältnis eine größere Ent- 
lastung als alles andere, was hier vorgelegt worden 
ist. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Daraus ergibt sich, daß hier nicht der blinde Eifer 
am Werke war, die Verfassung zu brechen, sie zu 
umgehen und mit Hilfe der Alliierten, denen hier 
Mißbrauch oder Beihilfe imd Begünstigung vorge- 
worfen wird, etwas Rechtswidriges zu unternehmen, 
sondern daß man äußerst zurückhaltend war, schon 
deswegen, weil die Dienste ja nun auch einen ge- 
wissen eigenen Ehrgeiz entwickeln und weil hier 
viele andere Dinge mitspielen, die nur in vertrau- 
testem Kreise besprochen werden können. 

Meine Damen und Herren, so ist die Lage. Wir 
müssen heute, wenn wir uns ein Urteil zu bilden 
haben, die Beschuldigungen und das Untersuchungs- 
ergebnis einander gegenüberstellen. Wenn es heißt: 

Es ist kein Mißbrauch festgestellt worden, dann 
heißt das, kein rechtlicher und kein tatsächlicher 
Mißbrauch. So war es gemeint, und eine bessere 
Lösung im Interesse des Amtes ist gar nicht denk- 
bar. Da geht es gar nicht um die Person. Ich könnte 
mich leicht herausreden und könnte vielleicht sagen: 
Der oder jener meiner Vorgänger . . . Das tue ich 
nicht, meine Damen und Herren. Hier wirkt eine 
Kontinuität, eine gemeinsame politische Verant- 
wortung, die Sie im übrigen angesichts Ihres Kon- 
trollrechtes und Ihrer Konfrollpflicht genauso tref- (D) 
fen würde wie mich — damit wir die Dinge völlig 
klarstellen. Nein, nicht Schuldfragen stehen hier zur 
Debatte, sondern das Ergebnis, und eine befriedi- 
gendere Feststellung als die, daß weder rechtlich 
noch tatsächlich Schuld in der schwersten Form der 
Verletzung des Art. 10 des Grundgesetzes vorliegt, 
kann ich mir nicht vorstellen. Das ist ein befriedi- 
gendes Ergebnis. Ebenso befriedigend war es, daß 
in den 14 Jahren ein Mißbrauch politischer Art mit 
Dossiers nicht nachgewiesen werden konnte. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Das sind Dinge, meine Damen und Herren, die die- 
sem Amt alle Ehre machen, die diesem Amt ein An- 
sehen verleihen und die von uns allen — wir haben 
es ja zu tragen — Respekt gegenüber diesem Amt 
verlangen. 

Heute sind einige sehr anerkennende Worte für 
dieses Amt gefunden worden. Es wäre recht gut 
gewesen, wenn solche Äußerungen gleich im Sep- 
tember und Oktober zu hören gewesen wären. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Dann hätten wir uns alle viel leichter getan. Es gibt 
Leute — ich meine sicher nicht Sie, Herr Güde; es 
gibt andere — , die betrachten, soweit sie früher 
Staatsanwalt waren, ihre politische Tätigkeit als 
Fortsetzung der staats anwaltschaftlichen Tätigkeit 
mit anderen, mit politischen Mitteln. 

(Zuruf von der SPD: Wer?) 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6033 


Bundesminister Höcherl 

(■A-) — Wer? Na ja, es muß ja nicht immer alles so ge- 
nau ausgesprochen werden. Die Andeutung ist ja 
viel interssanter als das Unmittelbare. 

(Abg. Schoettle: Da sind Sie Meister!) 

— Nein, Herr Schoettle, Sie werden mir nicht vor- 
werfen können, daß in einem einzigen Satz dessen, 
was ich jetzt gesagt habe, etwas enthalten war, was 
Sie mehr belastet, als Sie selbst verschuldet haben. 

(Lachen bei der SPD. — Zuruf des Abg. 

Schoettle.) 

Es genügt nicht, angesichts einer solchen Debatte 
und angesichts einer solchen Entscheidung wie der, 
die wir zu fällen haben, einfach zu sagen: Jawohl, 
wir erkennen das Amt an und die Pflichttreue usw. 
Wir müssen auch noch sehen, welche Aufgaben be- 
wältigt worden sind. Im militärischen Bereich, im 
Bereich der zivilen Verteidigung, im Bereich der 
Wirtschaft, meine Damen und Herren, könnte ich 
Ihnen Namen über Namen von Personen nennen, 
die von diesen Männern in unerhörter Pflichterfül- 
lung zur Strecke gebracht worden sind. Unsere 
Sicherheit ist vermehrt worden. Bis hinnein in den 
Bundestag reichen diese Dinge. Keine einzige Partei 
ist von Unterwanderung verschont geblieben. Und 
in welcher taktvollen, diskreten, vornehmen und 
staatspolitischen Form hat das Bundesamt die Mit- 
teilung an die Parteien vollzogen! Das muß jeder, 
der von diesen Dingen etwas weiß — und es sitzen 
einige hier im Saal — , bestätigen. Das ist ohne 
Dienstvorschriften in einer vorzüglichen Weise ge- 
(B) macht worden, vielleicht besser, als wenn auch noch 
für diesen Fall für Schriftgelehrte eine Dienstvor- 
schrift ausgearbeitet worden wäre. Es gibt so viel 
individuellen Fälle, die sich oft gar nicht in eine 
Dienstvorschrift fassen lassen. Im übrigen gab es 
auch ein Gesetz. Die Verwaltung ist gesetzmäßig 
zu führen. Das scheint mir im wesentlichen doch 
der Fall gewesen zu sein. 

Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, wie der 
Rechtsradikalismus in Schach gehalten worden ist 
und wie sehr wir der Beobachtung der internationa- 
len Öffentlichkeit gerade in diesem Bereich ausge- 
setzt sind. Immer wieder kommen internationale 
Verbände in meine Diensträume und erkundigen 
sich, wie die Dinge gerade in diesem Bereich sind. 
Im ganzen kommunistischen Bereich gibt es heute 
viel, viel mehr davon. Ich bin sehr erstaunt, Herr 
Kollege Schäfer, daß Sie wiederum Ihre alte These 
vertreten, daß die Abwehr der kommunistischen 
Subversion nicht eine gemeinsame deutsch-alliierte 
Sache sei. Das gehört mehr als alles andere in die- 
sen Bereich. 

(Abg. Dr. Schäfer: Sie haben gar nicht be- 
griffen, was ich gesagt habe!) 

— • Ich habe das sehr wohl begriffen; Sie haben das 
schon zwei- oder dreimal gesagt. 

(Zuruf des Abg. Schmitt-Vockenhausen.) 

— Herr Schmitt, das ist nicht die Art, wie wir dis- 
kutieren sollten. Das ist die Art, wie man sich auf 
der Straße etwas zuruft, aber nicht die Art, wie wir 


uns hier in diesem verantwortlichen Gremium aus- 
einanderzusetzen haben. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, mit welchem 
materiellen Einsatz die andere Seite arbeitet, von 
der Methode und vom personellen Einsatz gar nicht 
zu reden. Es sind Beispiele zitiert worden, die das 
Maß der Aufgabe und das Maß der Schwierigkeiten 
besser umschreiben als alles andere, was dazu ge- 
sagt worden ist. 

Ich darf noch einmal betonen, was ich eingangs 
gesagt habe. Das Entscheidende, zu dem sich die 
Bundesregierung und alle Parteien — daran besteht 
gar kein Zweifel — bekennen, ist folgendes. In der 
Spannung zwischen dieser unerhörten Aufgabe und 
der Rechtssicherheit der Gesetzmäßigkeit hat die 
Gesetzmäßigkeit den Vorrang, auch wenn sie Nach- 
teile für unsere Sicherheit bringt. Das Ganze ist ja 
in erster Linie ein Sicherheitsproblem. Aber weil 
wir gemeinsam die Verantwortung für die Rechts- 
sicherheit genauso wie für das andere tragen, müs- 
sen Sie, wenn Sie dieser Verantwortung gerecht 
werden wollen, den Sicherheitsbereich genauso ab- 
stützen und genauso unterstützen. Dann wird es 
eine Ausgewogenheit geben und ein Einpendeln in 
der öffentlichen Meinung. Das muß in einem stän- 
digen Prozeß errungen werden, und das wird viel- 
leicht noch vielen Prüfungen ausgesetzt sein. 


Ich würde es für richtig halten, wenn wir unter 
diese ganzen Vorgänge, die sehr viel Unangeneh- 
mes und sehr Peinliches und Ehrenrühriges und 
alles mögliche enthalten, einen Strich ziehen könn- 
ten, damit wir uns in dieser bedeutsamen Frage der 
nationalen Sicherheit in Zukunft auf einer gemein- 
samen Front bewegen können. 


P) 


Meine Damen und Herren, ich darf schließen mit 
einem Wort von Kennedy, der sich auch zu diesem 
Bereich geäußert hat: Die Erfolge dieser Männer, 
vor die ich mich stelle und deren Pflichterfüllung 
unsere gemeinsame Anerkennung verdient, bleiben 
unbesungen. Ihre Fehlschläge werden ausposaunt. 
Ich bin davon überzeugt, daß Sie wissen, wie wich- 
tig und wie wesentlich für das Ganze ihre Arbeit 
ist. In diesem Geiste und in diesem Sinne sollten 
wir auf dem Weg nach vorn gemeinsam den Streit 
begraben und die Einrichtung in ihrer Sicherheits- 
bedeutung für das Volk beachten und stützen. Auch 
diejenigen, die keine Gelegenheit versäumen, uns 
anzugreifen, leben von dieser Sicherheit. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Schmitt-Vockenhausen. 

(Zuruf von der CDU/CSU. — Abg. Schmitt- 
Vockenhausen: Die Debatte ist wieder er- 
öffnet; das ist mein gutes Recht!) 


Schmitt-Vockenhausen (SPD): Herr Präsident! 
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnen- 
minister hat jetzt eine Stunde gebraucht, um an dem 
eigentlichen Kern der Probleme vorbeizureden. 

(Beifall bei der SPD.) 



6034 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. April 1964 


Schmitt- Vockenhausen 

Et hat nämlich die ganze Stunde dazu gebraucht, um 
hier, wenn auch nur bruchstückweise, sich endlich 
zu den Behauptungen zu stellen, die objektiv un- 
richtig waren und die der Herr Berichterstatter noch 
einmal, nach dem ich heute mittag schon darauf 
zurückgekommen war, vorgetragen hat; der Mini- 
ster hat bekannt, daß seine damaligen Äußerungen 
falsch waren. Er hat es begründet. Gut, wir werden 
in seinem Bericht sicher Näheres hören, wie es da- 
zu kam, daß er die Öffentlichkeit damals falsch 
unterrichtet hat. Meine Damen und Herren, die 
Frage bleibt weiter gestellt, und ich bin dankbar, 
wenn in dem Bericht der Bundesregierung dann im 
einzelnen dazu Stellung genommen wird, warum 
damals die deutsche Öffentlichkeit in einer Reihe 
von Punkten falsch unterrichtet worden ist. 

Ich will nun nicht — das würde in der vorhande- 
nen Zeit gar nicht mehr möglich sein — auf all das 
eingehen, was Sie, Herr Minister, gesagt haben. 
Lassen Sie mich eines erklären. Sie haben gesagt: 
Den Kampf müssen wir gemeinsam mit den Verbün- 
deten führen. Natürlich führen wir ihn gemeinsam. 
Helfen Sie auch dabei beispielsweise Ihrem Außen- 
minister, statt mit dem Dolch im Gewände in der 
Gegend herumzuschleichen, wie das gerade in den 
Kreisen der CSU geschieht. 

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der CDU/ 
CSU: Bleiben Sie bei der Sache!) 

Noch einige kleine Bemerkungen zu der person- 
nellen Frage. Herr Minister, Sie wissen genau, um 
(B) was es damals gegangen ist. Nachdem Herr Globke 
in der Sache Felfe eine unglückliche 1-Vo-Rechnung 
aufgemacht hatte, hatte Ihr Haus eine 2-®/o-Rech- 
nung aufgemacht, ohne sich dabei klarzusein, wel- 
ches Sicherheitsrisiko in einer solchen Situation 
steckt. Und darum ging es damals. Und sagen Sie 
doch nicht, die Viererkommission habe die Perso- 
nalien dieser Leute geprüft. Sie wissen doch, Herr 
Minister, daß die Leute, um die es hier geht, zu die- 
sem Zeitpunkt nicht eingestellt waren, sondern sehr 
viel später eingestellt worden sind. Das haben wir 
doch alles schon im kleineren Kreise besprochen. 
Warum müssen wir uns über diese Dinge nun wie- 
der auseinandersetzen? 

Lassen Sie mich noch folgendes sagen, Herr Mini- 
ster. Wenn die Öffentlichkeit das Gefühl hatte, hier 
sei eine Clique, — war das falsch? Soll ich mich auf 
einen prominenten Untersuchungsführer als Zeugen 
berufen, der sich in Ihrem Amt umgesehen hat? Ist 
es denn nicht so, daß man dort selbst das Gefühl 
hatte, daß ein bißchen viel der Leute auf einem 
Fleck waren? 

(Sehr wahr! bei der SPD.) 

Und sagen Sie doch nicht, Herr Minister, die Oppo- 
sition hätte das gebilligt! Sie wissen ganz genau, 
daß die Einstellung einzelner Leute der Opposition 
niemals in diesem Sinne vorgetragen worden ist. 
Das alles geht doch an den Tatsachen vorbei. 


Ich bitte nochmals um Annahme unseres Antra- 
ges. 


(Beifall bei der SPD.) 


(C) 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Schultz. 


Schultz (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- 
ehrten Damen und Herren! Gerade zu diesem An- 
trag, Herr Kollege Schmitt-Vockenhausen, wollte 
ich noch ein paar Worte sagen. Aber zunächst bin 
ich der Auffassung — und mit mir meine Freunde — , 
daß Herr Kollege Dorn keine leichtfertigen Behaup- 
tungen aufgestellt hat. Ich glaube vielmehr, daß die 
beiderseitigen Temperamente meines Kollegen und 
des Herrn Ministers sie nicht immer so Zusammen- 
kommen ließen, wie das wünschenswert gewesen 
wäre. 

Der Herr Innenminister hat sich, so glaube ich 
das jedenfalls betrachten zu können, von Anfang 
dieser Ereignisse an vor die Beamten und Ange- 
stellten des Verfassungsschutzes und seines Hauses 
gestellt. Daraus sind manche Äußerungen zu erklä- 
ren, die der Herr Minister getan hat und die meiner 
bescheidenen Meinung nach besser unterblieben 
wären. Ob alle, vor die er sich gestellt hat,' ihm das 
gelohnt haben, wage ich auch zu bezweifeln. Ich 
meine nämlich, daß der Minister falsch informiert 
worden ist und sich daher zwangsläufig im Unter- 
suchungsausschuß korrigieren lassen mußte. Herr 
Kollege Dorn mußte aber auf Grund der Debatte, 
die hier geführt worden ist, an zitierten Beispielen 
dartun, daß eben der Untersuchungsausschuß doch 
notwendig gewesen war. Wäre in der vorangegan- 
genen Debatte diese Notwendigkeit nicht in dieser 
Form bestritten worden, dann, glaube, ich, hätten 
wir uns die Auseinandersetzungen sparen können 
und die Debatte wesentlich verkürzt. Wir von der 
Freien Demokratischen Partei haben aber keine 
Veranlassung, einem Antrag der SPD zuzustimmen, 

(Zurufe von der SPD) 

der, meine sehr verehrten Kollegen, wenn über- 
haupt, dann im Ausschuß hätte gestellt werden müs- 
sen. 

(Beifall bei den Regierungsparteien. — 
Abg. Schmitt-Vockenhausen: Nicht im Aus- 
schuß! Das haben wir extra besprochen!) 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Wird weiter das 
Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich 
schließe die Aussprache; wir kommen zur Abstim- 
mung. 

Ich schlage Ihnen vor, daß wir den einfachsten 
Weg nehmen: Abstimmung zuerst über die Ziffern 1 
bis 3, die den Antrag des Ausschusses enthalten, 
dann über die Ziffern 4 und 5, die den Änderungs- 
oder Ergänzungsantrag der SPD darstellen. Sind Sie 
mit dieser Methode einverstanden? — Das ist der 
Fall. 


Erstatten Sie zum 1. 10. den fälligen Bericht! Die 
deutsche Öffentlichkeit wartet gespannt, wie Sie im 
einzelnen zu den Fragen Stellung nehmen, wie es 
kam, daß wir von Ihnen falsch unterrichtet wurden. 


Ich lasse also abstimmen über den Antrag des 
Ausschusses, Ziffern 1, 2 und 3. Wer zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Keine Gegenstimmen. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6035 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen ohne 
Gegenstimmen angenommen. 

Dann lasse ich abstimmen über den Antrag der 
SPD Umdruck 453, dem Antrag des Ausschusses noch 
die Ziffern 4 und 5 anzufügen. Wer zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Keine 
Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt und damit 
die Beratung zu diesem Punkt der Tagesordnung ab- 
geschlossen. 

Gemäß der interfraktionellen Vereinbarung rufe 
ich nun auf: 

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- 
desregierung eingebrachten Entwurfs eines 
Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vor- 
schriften (Drucksache IV/806). Zweiter Schrift- 
licher Bericht des Rechtsausschusses (Druck- 
sachen IV/2195 und ^ IV/2195), 

b) Zweite Beratung des von der Fraktion der 
SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes 
zur Änderung des § 556 a des Bürgerlichen 
Gesetzbuchs (Drucksache IV/1554); 
Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses 
(Drucksache IV/2201). 

Berichterstatter ist für beide Entwürfe der Abge- 
ordnete Dr. Hauser, der jeweils einen Schriftlichen 
Bericht erstattet hat. Ich danke ihm dafür. 

In der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs unter 
a) rufe ich auf Art. I Nr. 1. — Das Wort wird nicht 
gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich 
um das Handzeichen. — Ich bitte um. die Gegen- 
probe. • — Angenommen. 

Ich rufe auf Nr. 2 und dazu den Antrag der Frak- 
tion der SPD auf Umdruck 445, Buchstabe a. 

Das Wort hat der Herr Abgeordneter Jacobi. 

(Anhaltende Unruhe.) 

— Ich bitte um Ruhe, damit wir die Verhandlungen 
zügig fortführen können. 

Jacobi (Köln) (SPD): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Ich spreche zu dlem Antrag Um- 
druck 445, Buchstabe a. Nach der in den Ausschuß- 
beratungen unverändert gebliebenen Regierungs- 
vorlage SiOll der § 538 neu gefaßt werden. Der bil- 
ligenswerte Grund hierfür ist die Behebung von 
Zweifeln, die durch die bisherige Fassung hinsicht- 
lich des Rechtes der Mietminderung nach § 537 und 
der eventuellen Geltendmachung auch eines Scha- 
densersatzanspruches wiegen Nichterfiüllung aufge- 
treten sind. Die Neufassung entscheidet dahin, daß 
der Mieter auch im Falle der Mietminderung Scha- 
densersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann. 

In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des 
Bundesrats sind die Antragsteller der Auffassung, 
daß die Rechte des Mieters wie in § 537 auch in 
§ 538 unabdingbar sein sollten. Es ist nicht einzu- 
, sehen, warum diese Unabdingbarkeit bei Mängeln 
der Mietsache nur hinsichtlich der Mietminderung 
gelten soll. Sie ist auch hinsichtlich einer eventuel- 
len Schadensersiatzforderung geboten, um zu verhin- 


dern, daß ein solcher Schadensersatzanspruch idurdi 
Formularmietverträge ausgeschlossen wird. 

Im Ausschußbericht wird die gegenüber der An- 
regung des Bundesrats ablehnende Stellungnahme 
der Mehrheit des Rechtsausschusseis geradezu haar- 
spalterisch begründet. Die Gleichsetzsung der Miet- 
rechte aus •§ 538 mit denen aus § 537 wird mit fol- 
genden Hinweisen abgelehnt: 

Erstens regele § 537 nur die Mietminderung, § 538 
dagegen weite rgehende Ansprüche. 

Zweitens stellten diese weitergehenden An- 
sprüche nur einen Teil möiglicher Schadensersatz- 
ansprüche dar. So seien die im Falle des Verzugs 
entstehenden Ansprüche unabdingbar. 

Drittens würden bei einer Unabdingbarkeit der 
Ansprüche aus § 538 besonders Fälle einer Scha- 
densersatzpflicht ohiLe Verschulden betroffen. Das 
belaste den Vermieter besonders stark, zumal er 
sich um eine zusätzliche Versicherungs-Deckungs- 
vorsotge bekümmern müsse. 

Alle diese Argumente -erscheinen wenig überzeu- 
gend. Sie lassen deutlich erkennen, daß die Mehr- 
heit des Rechtsausschusses davon ausgeht, daß die 
formularvertragliche Ausschließung des Schadens- 
ersatzanspruchs die Regel sein sollte. Damit wir/d 
aber die ganze Neufassung des .§ 538 Abs. 1 prak- 
tisch zu einer bloßen Deklamation. Wenn das nicht 
beabsichtigt, wenn eine Effektivität dieser Bestim- 
mung .gewollt ist, dann bedarf es der Einfügung der 
beantragten Unabdingbarkieitsklausel. 

Ich bitte demigemäß um Zustimmung zu dem An- pj 
trag Umdruck 445 Buchstabe a. 

Vizepräsident Dn Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Hauser. 

Dn Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag Um- 
druck 445 auf Einfügung eines Abs. 3 in § 538 zwecks 
Einführung einer Unabdingbarkeitsklausel abzuleh- 
nen, 

Wohl hat der Bundesrat empfohlen, auch die 
Rechte des Mieters nach § 538 für unabdingbar zu 
erklären, weil er meint, es sei nicht einzusehen, 
daß zwar die Befugnisse eines Mieters auf Miet- 
minderung vertraglich abbedungen werden könn- 
ten, die Rechte auf Schadensersatz wegen Nichter- 
füllung aber im Mietvertrag ausschließbar sein sol- 
len. 

Nun handelt es sich hier aber doch um einen sehr 
erheblichen quantitativen Unterschied. Während bei 
§ 537 nur der Mietzins in Frage steht, den der Ver- 
mieter eventuell nicht hereinbekommt, macht eine 
Schadensersatzforderung aus § 538 BGB weit mehr 
aus als nur den Mietzins. 

Hinzu kommt, daß in § 538 eine Schadensersatz- 
pflicht des Vermieters auch ohne dessen Verschul- 
den, ja ohne Kenntnis des Mangels und der Erkenn- 
barkeit des Mangels statuiert ist, und zwar aus 
dem Gedanken heraus, daß die Haftung auf der 
stillschweigenden Garantie des Vermieters beruht. 



6036 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Dr. Hauser 

die Mietsache im vertragsgemäßen Zustand zu über- 
geben und zu erhalten. 

Drittens regelt § 538 Abs. 1 BGB auch nicht alle in 
Betracht kommenden Schadensersatzansprüche. Ist 
nämlich ein Verzugsschaden gegeben, so greifen 
ganz allgemein die schuldrechtlichen Bestimmungen 
der §§ 286 und 326 ein, die auch sonst abbedungen 
werden können. 

Viertens schließlich ist gegen die Erwägung der 
Opposition zu sagen, daß sehr wohl versicherungs- 
wirtschaftliche Überlegungen auch für uns im 
Rechtsausschuß maßgebend waren, die dem Antrag 
der Opposition hier entgegengesetzt werden müs- 
sen. Der Vermieter könnte sich nämlich genötigt 
sehen, bislang nicht übliche Versicherungen zu 
seinem Schutz und zum Schutz des Mieters abzu- 
schließen, soweit solche Schäden überhaupt durch 
eine Versicherung abdeckbar sind. Die Kosten der- 
artiger zusätzlicher Versicherungen würden dann 
aber meist so hoch, daß sie zwangsläufig einer Er- 
höhung des Mietpreises zur Folge hätten. 

(Abg. Jacobi [Köln]: Glauben Sie wirklich 
daran?) 

— Aber sicher! — Wenn dann gar der Mieter seiner- 
seits, etwa durch eine Hausratsversicherung gegen 
Wasserschäden oder gegen Gesundheitsschäden 
durch eine Kranken- oder Unfallversicherung, ge- 
schützt ist, müßte er im Grunde eigentlich zweimal 
zahlen. Gerade aus dieser letzten Erwägung wird 
sich eine Vorschrift, wie sie die Opposition aufzu- 
nehmen beantragt, nicht zugunsten des Mieters aus- 
wirken. 

(Abg. Jacobi [Köln]: Wer lacht da?) 

Schließlich erstreben wir nun auch einen ver- 
nünftigen Interessenausgleich zwischen Mieter und 
Vermieter, der nach unserer Überzeugung gerade 
hier ohne Ausschlußklausel weit eher erreicht ist 
als durch eine entsprechende gesetzliche Festlegung, 
wie Sie sie mit Ihrem Antrag aufgenommen haben. 

(Abg. Jacobi [Köln]: Warum steht sie denn 
in der Regierungsvorlage, wenn sie so über- 
flüssig ist?) 

— Nein, der Absatz 3 steht nicht in der Regie- 
rungsvorlage, Herr Kollege Jacobi. 

(Abg. Jacobi [Köln]: BundesratI) 

Ich bitte deshalb im Auftrag meiner Freunde um 
Ablehnung dieses Änderungsantrags. 

(Beifall in der Mitte.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Herr 
Abgeordneter Busse. 

Busse (FDP): Her Präsident! Meine sehr verehr- 
ten Damen! Meine Herren Kollegen! Auch ich bitte, 
den Antrag der SPD abzulehnen. Das Leben ist nun 
einmal vielgestaltig, Herr Jacobi, und es gibt alle 
möglichen Fälle, wo zu Beginn des Mietverhältnis- 
ses Mängel vorhanden sind. In Kenntnis dieser 
Mängel mietet der Mieter. Unter den Parteien wird 
eine Regelung getroffen, die die Verhältnisse be- 
rücksichtigt. Im Laufe der Zeit entstehen Dinge, die 


man untereinander vernünftig regelt. Wollen Sie — 
wir kommen auf die Frage im Laufe unserer Dis- 
kussion heute häufiger zu sprechen — alles das 
durch die Weisheit des hiesigen Gesetzgebers er- 
setzen? Ich bin der Überzeugung, daß viele ver- 
nünftige Leute das besser können. 

(Beifall bei den Regierungsparteien.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Weitere Wortmel- 
dungen hierzu liegen nicht mehr vor. 

Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD Umdruck 445 Buchstabe a abstimmen. Wer 
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- 
zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das 
zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. 

Ich lasse nunmehr über Art. I Nr. 2 in der Aus- 
schußfassung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, 
den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um 
die Gegenprobe. — Mit der gleichen Mehrheit an- 
genommen. 

Wir kommen zu Nr. 3 und damit zu dem Antrag 
unter b auf Umdruck 445. Wird das Wort ge- 
wünscht? 

Herr Abgeordneter Jahn. 

Jahn (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Wir haben es beim § 541 a Abs. 2 mit einer 
sehr interessanten Frage zu tun. Sie ist in zweier- 
lei Hinsicht interessant, der Sache nach und auch pj 
der Form nach. Es handelt sich um eine Frage, auf 
die wir heute noch öfters zurückkommen werden, 
nämlich auf den merkwürdigen Umstand, daß die 
Opposition sich genötigt sieht, das Haus darum zu 
bitten, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. 

Ich habe mehrfach Gelegenheit gehabt, in diesem 
Hause einiges über unsere grundsätzlichen Einwen- 
dungen und Vorbehalte gegenüber dieser und den 
früheren Mietrechtsvorlagen vorzubringen. 

Immerhin muß eingeräumt werden, daß die Re- 
gierungsvorlage gegenüber dem, was in den Aus- 
schüssen und insbesondere im Rechtsausschuß be- 
schlossen worden ist, immer noch das geringere 
Übel darstellt. Ich wäre dem Herrn Bundesminister 
Lücke außerordentlich dankbar, wenn er nun endlich 
das täte, wozu er gelegentlich schon aufgefordert 
werden mußte, hier seine eigene, die Regierungs- 
vorlage zu vertreten und sie gegenüber den Ver- 
schlechterungsabsichten und Beschlüssen seiner 
eigenen Fraktion und der Koalitionsfraktion zu ver- 
teidigen. 

Worum geht es bei § 541 a Abs. 2? Es geht um die 
Frage, welche Regelung gilt, wenn der Vermieter 
den Wunsch hat oder in der Notwendigkeit ist, in 
seinem Hause die Räume, die gemietet worden sind, 
durch bauliche Maßnahmen zu verbessern oder in 
sonstiger Weise zu verändern. 

Die Regierungsvorlage hat dazu völlig eindeutig, 
klar und, wie ich meine, im wesentlichen auch be- 
friedigend gesagt: 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6037 


Jahn 

Werden durch diese Maßnahmen Aufwendun- 
gen des Mieters erforderlich, so hat sie ihm der 
Vermieter zu ersetzen; auf Verlangen hat der 
Vermieter Vorschuß zu leisten. 

Das ist eine eindeutige Regelung. Wenn hier vom 
Vermieter in die Rechtsposition des Mieters einge- 
griffen wird und der Mieter Aufwendungen machen, 
Nachteile in Kauf nehmen muß, dann muß derjenige, 
zu dessen Gunsten er sie in Kauf nimmt, dafür ein- 
stehen; das ist der Vermieter. Was macht die Mehr- 
heit des Ausschusses daraus? Sie sagt: 

Aufwendungen, die der Mieter infolge dieser 
Maßnahmen machen mußte, hat der Vermieter 
ihm in einem den Umständen nach angemesse- 
nen Umfange zu ersetzen . . . 

Das heißt, es wird — und darauf wird sich in Zu- 
kunft jeder Kommentator einfach berufen müssen — 
eindeutig erklärt: der Mieter 'hat nicht den Anspruch 
darauf, das ersetzt zu bekommen, was er hat auf- 
wenden müssen, sondern er hat nur Anspruch dar- 
auf, Ersatz in einem den Umständen nach angemes- 
senen Umfange zu erhalten. Er bekommt also auf 
jeden Fall nicht mit Sicherheit das, was er hat auf- 
wenden müssen. Ganz abgesehen davon bringt eine 
derartige Regelung ein ganz erhebliches Maß an 
Rechtsunsicherheit mit sich. Der Mieter, der sich 
vor Benachteiligungen schützen will, kommt gar 
nicht umhin, einen Rechtsstreit mit dem Vermieter 
darüber zu beginnen, was denn nun eigentlich der 
den Umständen nach angemessene Umfang seiner 
Aufwendungen ist. 

Wenn Sie eine klare und den Mieter nicht nur 
„hinreichend" schützende Regelung wollen, meine 
Damen und Herren, müssen Sie unserem Antrag zu- 
stimmen, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. 
Ich hoffe, der Herr Bundesminister Lücke hat den 
Mut, das hier zu bestätigen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr, Huser. 

Dr. Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag des Herrn 
Kollegen Jahn nicht zu entsprechen und es bei der 
vom Rechts aus schuß beschlossenen Fassung zu be- 
lassen. 

Ich darf zunächst einmal feststellen, daß im Aus- 
schuß — im übrigen einstimmig — beschlossen 
wurde, die hier zu beachtenden Umstände wirklich 
so zu berücksichtigen, wie das in § 541 a vorgesehen 
ist. Wir haben in Abs. 1 den Begriff „Einwirkungen" 
gebraucht, um damit klar zu umreißen, daß alle 
Möglichkeiten, wie sie die Lebensverhältnisse bie- 
ten,, erfaßt werden können. Wir haben bei Abs. 2 
die Frage, die Herr Kollege Jahn aiigesprochen hat, 
sehr eingehend überlegt und sind zu dem Ergebnis 
gekommen, es müsse hinsichtlich derWerpflichtung 
des Vermieters zum Ersatz von Aufwendungen, die 
einem Mieter bei zu duldenden Maßnahmen ent- 
stehen, klargestellt werden, daß die Aufwendungen 
eben nur in einem den Umständen nach angemes- 
senen Umfange ersetzt werden müssen. Das ist eine 


Regelung, die im übrigen etwa der Bestimmung des 
§ 670 BGB entspricht. 

Ich darf noch hinzufügen, daß damit für das in der 
Regierungsvorlage ursprünglich vorgesehene Wort 
„erforderlich" vom Rechts aus schuß eindeutig die 
Grenzen umrissen worden sind. Ich bitte, auch des- 
wegen dem Antrag des Rechtsausschusses zu ent- 
sprechen, 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Herr Bundesminister der Justiz. 

Dr. Bücher, Bundesminister der Justiz: Herr Prä- 
sident! Meine Damen und Herren! Ich habe aus dem 
Änderungsantrag Umdruck 445 der SPD ersehen, daß 
in einigen Fällen die Regierungsvorlage wiederher- 
gestellt werden soll. Ich muß sagen, ich habe das 
nicht etwa mit Bestürzung ersehen, sondern mit 
Befriedigung; denn ich kann daraus schließen, daß 
die Regierungsvorlage doch in einigen Punkten den 
Beifall der SPD gefunden hat, wenn Sie, Herr Jahn, 
es auch gleich mit dem „geringeren Übel" abge- 
schwächt haben. Andererseits stehen wir nicht an, 
zuzugeben — Herr Kollege Lücke hat mir das Stich- 
wort gegeben — , daß selbst Regierungsvorlagen 
verbesserungsfähig sind,. 

(Abg. Jahn: „Verbesserungsfähig" zum 
„Nachteil des Mieters", Herr Minister! — 
Gegenruf von der CDU/CSU; Ach wo 
denn?!) 

Ich bin im Einvernehmen mit Herrn Kollegen Lücke 
der Meinung, daß tatsächlich die Formulierung, die jpj 
der Rechtsausschuß gefunden hat, besser ist. Auch 
wenn wir es so stehen ließen, wie es in der Regie- 
rungsvorlage stand, wo es hieß „Werden durch 
diese Maßnahmen Aufwendungen des Mieters er- 
forderlich", so würde auch diese Formulierung 
sicherlich nicht gegen Prozesse schützen. Im Einzel- 
fall würde der Vermieter sagen: Es war nicht er- 
forderlich, etwa ganz neue Geräte bei Umstellung 
der Einrichtung von Elektrizität auf Gas anzuschaf- 
fen. Das führt im Einzelfall sicher auch zu Prozessen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Bundesmini- 
ster, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abge- 
ordneten Jahn? 

Dr. Bücher, Bundesminister der Justiz: Ja. 

Jahn (SPD): Darf ich der Tatsache, Herr Minister, 
daß sich die Bundesregierung nunmehr von ihrer 
eigenen Vorlage zu distanzieren beginnt, entneh- 
men, daß damit auch eine Distanzierung vom Be- 
griff des sogenannten sozialen Mietrechts erfolgt? 

Dr. Bücher, Bundesminister der Justiz: Herr 
Kollege Jahn, was wir hier tun, ist keine Distan- 
zierung. Es ist ja nicht etwas völlig anderes, was 
hier vorliegt, sondern eine Formulierung, die ich 
als Verbesserung bezeichne. Damit distanziere ich 
mich nicht von der Vorlage. 

(Beifall bei den Regierungsparteien.) 



6038 


Deutscher Bundestag — • 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Busse. 

Busse (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Ich brauche nach den vorhergehenden Aus- 
führungen nur wenig zu sagen. Aber es scheint mir 
doch notwendig zu sein, darauf hinzuweisen, daß 
hier nur der Tatbestand geregelt wird, daß in bei- 
derseitigem Interesse Maßnahmen zur Verbesse- 
rung der gemieteten Räume oder der sonstigen 
Teile des Gebäudes getroffen werden, soweit dies 
dem Mieter zugemutet werden kann. Ich meine, der 
Gesichtspunkt, daß hier nur dieser Tatbestand ge- 
regelt wird, dürfte für die Entscheidung von wesent- 
licher Bedeutung sein. 

(Beifall bei der FDP.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Meine Damen und 
Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. 

Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD auf Umdruck 445 unter Buchstabe b abstim- 
men. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um 
ein Handzeichen, — Ich bitte um die Gegenprobe. 
— Mit Mehrheit abgelehnt. 

Ich lasse über Nr. 3 in der Ausschußfassung ab- 
stimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich 
um ein Handzeichen, — Ich bitte um die Gegen- 
probe. — Mit der gleichen Mehrheit angenommen. 

Ich rufe Nr. 4 auf. Das Wort wird nicht gewünscht. 
Wer Nr. 4 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um 
(B) das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. 
— Mit Mehrheit beschlossen. 

Ich rufe auf Nr. 5 und dazu den Änderungsantrag 
der Fraktion der SPD auf Umdruck 445 unter Buch- 
stabe c. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. 
Reischl. 

Dr. Reischl (SPD): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Ich darf zunächst eine Berichtigung zu 
unserem Antrag zu Protokoll geben. Auf Umdruck 
445 unter Buchstabe c heißt es: 

in Nr. 5 (§ 547) die Fassung der Regierungsvor- 
lage wieder hergestellt, 

Es muß noch ergänzt werden: 

mit der Maßgabe, daß Abs. 3 Satz 3 folgende 
Fassung erhält: 

Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum 
ist eine zum Nachteil des Mieters abwei- 
chende Vereinbarung unwirksam. 

Die Fassung muß geändert werden, weil der 
Rechtsausschuß allgemein beschlossen hat, den soge- 
nannten mißbilligten Klauseln die Fassung, die aus- 
drücklich von Unwirksamkeit spricht, zu geben. Des- 
wegen muß auch unser Antrag diesen allgemeinen 
Beschlüssen angepaßt werden. 

Gleichzeitig darf ich in diesem Zusammenhang 
mit Genehmigung des Herrn Präsidenten auch unse- 
ren Antrag zu Buchstabe d mit begründen; denn die 
Streichung des § 547 a ergibt sich logischerweise 
aus der Wiederherstellung der Regierungsvorlage 


zu § 547 Abs. 3. Zur Begründung darf ich kurz fol- 
gendes anführen: Die Fassung des § 547 a Abs. 3 
in der Ausschußvorlage bedeutet gegenüber § 547 
Abs. 3 Satz 3 der Regierungsvorlage eine erhebliche 
Einschränkung. Nach der Regierungsvorlage sollen 
nämlich Vereinbarungen, die zum Nachteil des Mie- 
ters von den Vorschriften über sein Wegnahmerecht 
abweichen, schlechthin unwirksam sein, jedenfalls 
in der Fassung, wie sie nach den Beschlüssen des 
Rechtsausschusses gegeben werden mußte. Nach 
dem Beschluß des Rechtsausschusses dagegen soll 
eine Ausnahme von diesem Grundsatz gelten, wenn 
in der Vereinbarung ein angemessener Ausgleich 
vorgesehen ist. Ich muß namens meiner Fraktion 
erklären, daß wir diese Vorschrift für nicht prak- 
tikabel halten. Ich darf auf folgendes hinweisen: Bei 
diesem letzten Satz geht es in der Regel gar nicht 
um Einzelvereinbarungen; den dafür gilt ja der 
Satz 2 des Abs. 3 des § 547 oder der § 547 a Abs. 2, 
wenn nämlich die Wegnahme bevorsteht und der 
Vermieter sie durch eine angemessene Entschädi- 
gung abwenden will. 

Dagegen müßte er in erster Linie Anwendung fin- 
den für die Vereinbarungen im Mietvertrag selbst. 
Was soll denn nun im Mietvertrag über einen ange- 
messenen Ausgleich stehen? Beim Abschluß des 
Mietvertrages weiß man ja noch gar nicht, mit wel- 
chen Einrichtungen der Mieter im Laufe des längere 
Zeit dauernden Mietverhältnisses die Wohnung 
versehen wird. Genau genommen könnte also wie- 
derum nur der Wortlaut des Gesetzes in den Miet- 
vertrag aufgenommen werden. Dann stehen wir vor 
dem Ergebnis, daß es jedesmal einen endlosen Streit 
um die Höhe des angemessenen Ausgleichs gibt und 
daß diese sogenannte mißbilligte Klausel zum Ge- 
genteil dessen führt, was man damit erreichen will; 
denn dann wird eben eine abweichende Vereinba- 
rung getroffen, deren Inhalt in Wirklichkeit auch 
nicht feststeht. Eine solche Unklarheit kann prak- 
tisch nur zu neuen Streitigkeiten führen. 

Ich muß sagen, daß auch hier die Regierungsvor- 
lage wesentlich klarer und wesentlich besser war. 
Ich darf die für die Regierungsvorlage veranwort- 
lichen Minister der Bundesregierung dringend bit- 
ten, sich mit uns für ihre Vorlage, die erheblich bes- 
ser als die Ausschußvorlage ist, einzusetzen. Denn 
der Ausschußbeschluß kann nach dem, was ich dar- 
gelegt habe, nur zu Unklarheiten und zu erneuten 
Streitigkeiten führen. 

Ich darf Sie also bitten, unseren Anträgen zu 
Buchstabe c und Buchstabe d des Umdrucks 445 
Ihre Zustimmung zu geben. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter 
Dr, Reischl, ich bitte Sie, mir die von Ihnen ver- 
lesene Ergänzung zu übergeben. 

Herr Abgeordneter Dr. Hauser! 

4 ': 

Dr. Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Der Rechtsausschuß hat es, 
mindestens mehrheitlich, für richtig gehalten, die 
Frage des Wegnahmerechts, die dann in § 547 a 
geklärt worden ist, gesondert in einer eigenen Be- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6039 


Dr. Hauser 

Stimmung zu fassen und nicht als Abs. 3 anzuhän- 
gen. 

Wir sahen uns zu dieser Modifizierung des Abs. 3, 
der Unabdingbarkeitsklausel, auch aus folgenden 
Erwägungen veranlaßt: Ich denke hier an die Über- 
legung, die vor allem Herr Kollege Busse im Aus- 
schuß in die Debatte warf. Es gibt doch die Möglich- 
keit, daß meinetwegen bei Beginn eines Mietver- 
trages Vermieter und Mieter schon miteinander ver- 
einbaren, daß der Mieter eine bestimmte Einrich- 
tung anbringt, ihm dafür ein niedrigerer Mietzins 
oder eine längere Mietdauer zugestanden wird, und 
das etwa als Ausgleich dafür gewertet werden muß. 
Der Ausgleich braucht also gar nicht am Ende, bei 
Lösung des Mietverhältnisses vorgenommen zu 
werden, sondern kann zweifellos schon bei Beginn 
des Mietverhältnisses vorgesehen sein. Um allen 
Lebensumständen gerecht zu werden, schlägt Ihnen 
der Rechts aus schuß diese Fassung des Abs. 3 vor. 

(Abg. Jahn: Eine weitere Verschlechterung 
der Regierungsvorlage!) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Frau 
Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus. 

Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP): Herr Prä- 
sident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen in 
vollem Umfang den Ausführungen, die Herr Kol- 
lege Hauser soeben gemacht hat, zu, und ich will 
sie nicht wiederholen. Ich möchte nur darauf hin- 
weisen, daß wir gerade über dieses Recht, eine 
(B) Sache wegzunehmen, sehr eingehend beraten haben. 
Das sage ich vor allem für die anderen Kollegen 
und Kolleginnen, damit sie nicht glauben, weil wir 
die Dinge heute abend nur noch kurz begründen, 
wir hätten die ganze Problematik nicht sehr ein- 
gehend erörtert. 

Ich möchte noch ergänzend auf folgendes hinwei- 
sen. Sie haben gesagt, Herr Kollege Reischl, „ange- 
messener Ausgleich" würde nachher Anlaß zu Strei- 
tereien geben. Vielleicht haben Sie dabei übersehen, 
daß auch in der Regierungsvorlage in dem Abs. 3, 
den Sie ja wiederherstellen wollen, von „angemes- 
senen Entschädigung" die Rede ist. Ob ein Aus- 
gleich oder eine Entschädigung angemessen ist, kann 
natürlich immer streitig werden, davor ist niemand 
sicher; aber Herr Kollege Hauser hat mit Recht die 
ganz speziellen Fälle angeführt, die zeigen, daß es 
eben nicht mit einer „angemessenen Entschädigung" 
getan sein kann, sondern ein echter „angemessener 
Ausgleich" stattfinden muß. 

(Beifall bei der FDP.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Ich kann im Augen- 
blick noch nicht abstimmen lassen, weil mir diese 
neue Änderung des Abgeordneten Dr. Reischl noch 
nicht vorliegt. Wir müssen daher die Angelegenheit 
vorerst zurückstellen. 

Ich rufe auf Ziffer 6. Dazu der Umdruck 445 
Buchst, d. Wird dazu das Wort gewünscht? — 

(Abg. Dr. Hauser: Bis Ziffer 9 unstreitig!) 

— Ja! Ziffer 7, — Ziffer 8. — Keine Wortmeldungen! 


Dann rufe ich auf Ziffer 9 mit dem Umdruck 445 * 

Buchst, e. Wer wird hierzu sprechen? — Herr Abg. 
Jahn! 

Jahn (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Hier gilt im Prinzip das gleiche wie das, was 
ich zur Einleitung des zuerst von mir begründeten 
Antrages gesagt habe. Im § 552 a der Regierungs- 
vorlage ist vorgesehen, daß der Mieter von Wohn- 
raum entgegen einer vertraglichen Bestimmung 
gegen eine Mietzinsforderung mit einer Forderung 
aus dem Mietverhältnis aufrechnen kann, also ganz 
gleich, worauf diese Forderung aus dem Mietver- 
hältnis zurückgeht, und ganz gleich, welche Rechts- 
grundlage sie hat. Der Mieter soll auf jeden Fall die 
Möglichkeit haben, wenn er seinerseits Forderungen 
gegen den Vermieter hat, sich gegen eine Forderung 
des Vermieters dadurch zu wehren, daß er — als 
ein Gleichberechtigter in diesem Mietverhältnis — 
seinerseits aufrechnen kann. 

Diese im Grunde richtige Vorstellung, die in der 
Regierungsvorlage enthalten war, ist im Rechts- 
ausschuß dahin gehend eingeschränkt und verschlech- 
tert worden, daß der Mieter in Zukunft nur noch 
mit den Mängelforderungen auf Grund des § 538 
aufrechnen kann. Das ist ganz eindeutig eine Ein- 
schränkung und damit eine Verschlechterung des ur- 
sprünglichen Gedankens zum Nachteil des Mietend. 

Nachdem es mir soeben nicht gelungen ist, den 
Herrn Bundeswohnungsbauminister zu veranlassen, 
hier ein Wort zur Verteidigung des sozialen Miet- 
rechts zu sagen, sieht er sich jetzt vielleicht dazu in (D) 
der Lage, um deutlich zu machen, daß es hier in der 
Tat um nichts anderes als um eine Verschlechterung 
seiner eigenen Vorlage geht, die wir verhindern 
möchten. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeondnete Dr. Hauser. 

Dr. Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen unid Herren! Die Varla,ge des Rechtsaus- 
schusses folgt lediglich der Fassung, die bis jetzt 
§ 28 des Mieterschutzgesetzes hat, und ich glaiuhe, 
diese LÖsunig hat sich doch in den 40 Jahren, in 
denen sie Geltung hat, als ganz gut erfwiesen. 

(Abig. Jahn: Das meinen Sie!) 

— Ja, als ganz gut erwiesen, denn der § 538 umfaßt 
doch den weitaus größten Komplex der Sdiadens- 
ersatzforderungen, die es hier überhaupt gibt. Was 
darüber hinaus noch mö-glich ist, soll auf dem Klage- 
wege klargestellt werden. 

Denken Sie doch auch an die kleinen Hausbe- 
sitzer, die dabei in eine schwierige Situation kom- 
men können. Nach einer Statistik aus dem Jahre 
1962 sind 15,9 '®/o aller Hau^esitzer in der Bundes- 
republik Arbeiter und 7,2 Vo Pensionäre und Rent- 
ner, und -auf Beamte und Amgestellte entfallen 
immerhin 18,1 ’®/o. Sie stellen es immer so dar, als 
ob die Hausbesitzer Krösusse wären. Dabei muß 
man andererseits auch den gerechten sozialen Aus- 
gleich zwischen Hausbesitzer und Mieter in Rück- 
sicht stellen. 



6040 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Vizepräsident Dr. Jaeger: Herr Abgeordneter 
Hauser, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ab- 
geordneten Jahn? 

Dr. Hauser (CDU/CSU): Bitte! 

Jahn (SPD): Herr KolLege Hauser, aus welcher 
Stelle meiner Ausführungen heute oder bei anderer 
Gelegenheit entnehmen Sie eigentlich, daß ich von 
der von Ihnen mir unterstellten Auffassung ausfgehe, 
alle Hausbesitzer seren Krösusse? 

Dr. Hauser (CDU/CSU): Ja, weil Sie immer und 
immier wieider nur betonen, es sei kein soziales 
Mietrecht, das wir schaffen, immer wieder betonen, 
hier werde nur verschlechtert, statt auch einmal 
gerechterweise anzuerkennen, daß hier ein Aus- 
gleich der Interessen gesucht wird, 

(Beifall bei der CDU/GSU. — Abg. Jahn: 

Zum Nachteil des Mieters!) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeoijdnete Baisse. 

Busse (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehr- 
ten iDamen und Herren! Ich möchte die letzten Aus- 
führungen des Herrn Kollegen Hauser sehr nach- 
drücklich unterstreichen. Gerade eine Vielzahl von 
Leuten, die jetzt gebaut haben, die angespart haben, 
die laufend unter Verpflichtungen stehen, die püinkt- 
(B) lieh erfüllt werden müsiSen, seien es Steuern, seien 
es Zinsen, seien es Amortisationsquoten und ähn- 
liche Dinge, müsse die Gewähr haben, daß sIq 
pünktlich über die Miete verfügen können. 

(Abg. Jahn: Sie müssen laber auch ihren 

Mietern die Gewähr geben, daß sie ihre 

■eigenen Verpflichtungen rechtzeitig er- 
füllen!) 

— Dafür ist § 538 da, Herr Kollege; da steht es 
ausldrücklich drin. 

(Albg. Jahn: Es gibt aber noch andiere Fälle!) 

— Natürlich gibt es noch anJdere. 

(Abg. Jahn: Die schließen Sie aus!) 

— Nein. 

Ich wollte Ihnen noch etwas anderes sagen, Herr 
Kollege. Es ist doch nicht etwa so, daß diese An- 
sprüche abgeschnitten werden sollen. 

(Zuruf von der CDU/GSU: So tut er aber!) 

Nun darf ich Ihnen noch etwas anderes sagen: 
wie sich überhaupt diese Aufrechnungaausschlie- 
ßungsvereinbarungen in anderen Fällen, wo 'Sle ja 
möglich -sind, entwickelt haben und wie sie dort 
praktiziert weilden. Sie haben sich entwickelt, weil 
häufig gegenüber Ansprüchen unberechtigte Forde- 
rungen geltend gemacht wurden, lediglich um Zeit 
zu gewinnen unid um fällig gewordene Verpflichtun- 
gen hinauszuschieben. Das haben wir in einor Fülle 
von Fällen in unserer praktischen Arbeit im Rechts- 
leben .erfahren. Darum haben wir geraten: Schließt 
die Aufrechnunigsmöglichkeit <aus, verweist ihn auf 


fCI 

den ordentlichen Weg, seine Ansprüche geltend 
zu machen. 

Nun, wie werden diese Klauseln praktiziert? Der- 
jenige, der sieht, daß ein begründeter Gegenan- 
spruch seines Schuldners vorliegt, wäre ein Tor, 
wenn er sich lediglich auf die Nichtaufrechenbarkeit 
beriefe, um dann einen aussichtlosen Prozeß zu 
führen. Da wird er vernünftig sein und mit seinem 
Schuldner oder Gläubiger ein Arrangement treffen. 

So geschieht es praktisch. Nur da, wo evident von 
einer Aufrechnungsmöglichkeit unzulässiger Ge- 
brauch gemacht wird, nur da wird diese Vereinba- 
rung in der Praxis aktuell; und diese Möglichkeit 
sollten wir nicht ausschließen. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort wird nicht 
mehr gewünscht. Ich kann zu diesem Punkt die 
Aussprache schließen. 

Ich komme jetzt zunächst zurück zu Nr. 5 und 
dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Um- 
druck 445 Buchstabe c). Ich darf diesen Änderungs- 
antrag nochmals verlesen, damit keine Zweifel be- 
stehen : 

c) in Nr. 5 (§ 547) wird die Fassung der Regie- 
rungsvorlage wiederhergestellt, mit der Maß- 
gabe, daß § 547 Abs. 3 Satz 3 BGB folgende 
Fassung erhält: 

Bei einem Mietverhältnis über Wohnraum 
ist eine zum Nachteil des Mieters abwei- 
chende Vereinbarung unwirksam. ^ (D) 

Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die 
Mehrheit; abgelehnt. 

Ich komme zu Nr. 5 in der Ausschußfassung. Wer 
zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- 
zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit der- 
selben Mehrheit angenommen. 

Ich rufe Nr, 6 auf. Herr Abgeordneter Dr. Reischl, 
ich nehme an, daß Ihr Änderungsantrag Buch- 
stabe d) nunmehr obsolet geworden ist, erledigt 
ist. 

(Abg. Dr. Reischl: Ja!) 

Ich lasse also über Nr. 6 in der Ausschußfassung 
abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte 
ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist 
so beschlossen. 

Ich lasse abstimmen über Nr. 7 und Nr. 8. Wer 
zuzustimmen wünscht, gebe das Handzeichen. — 
Gegenprobe! — Es ist so beschlossen. 

Ich komme nun zu Nr. 9 und dem bereits begrün- 
deten und diskutierten Änderungsantrag der Frak- 
tion der SPD Umdruck 445 Buchstabe e). Wer zuzu- 
stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. 

— Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit 
abgelehnt. 

Ich lasse abstimmen über Nr. 9 in der Ausschuß- 
fassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe ein Hand- 
zeichen. — Gegenprobe! — Mit der gleichen Mehr- 
heit angenommen. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6041 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

(A) kommen zu den Nummern 10, 11, 12 und 13. 

— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den auf- 
gerufenen Nummern zuzustimmen wünscht, den bitte 
ich um das Handzeichen. — • Ich bitte um die Gegen- 
probe. — Es ist so beschlossen. 

Wir kommen zu Nr. 14. Hierzu liegen die Ände- 
rungsanträge auf Umdruck 446 — der Fraktion der 
SPD — und auf Umdruck 452 Ziffer 1 — der Frak- 
tion der CDU/CSU — vor. Wer wird den Antrag 
der Fraktion der SPD begründen? — Herr Abgeord- 
neter Jahn! 

Jahn (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und 
Herren! Wir legen dem Hause mit unserem Antrag 
auf Umdruck 446 noch einmal die Bitte vor, die — 
wie wir von Anfang an betont haben — schlechte 
Regelung des § 556 a geltender Fassung zu über- 
winden. Ich will mich nach den sehr eingehenden 
Debatten, die wir bei der Beratung des ersten und 
des zweiten Mietrechtsänderungsgesetzes hier ge- 
führt haben, kurzfassen. 

Die Regelung, die jetzt im Gesetz vorgesehen ist, 
ist unbefriedigend. Sie ist nicht nur unbefriedigend, 
sie ist gefährlich, weil sie nicht aus reicht, um einen 
wirksamen Schutz für den Mieter zu gewährleisten. 
Wir wissen inzwischen aus der Rechtsprechung, daß 
sich gewisse Interpretationen durchzusetzen begin- 
nen, die ganz eindeutig diese vielleicht guten Glau- 
bens von ihren Erfindern gedachte Schutzvorschrift 
zu einer ausgesprochenen und nur ausnahmsweise 
anzuwendenden Sondervorschrift machen. Das ist 
jßj neben vielen anderen Bedenken, die ich hier im 
einzelnen nicht mehr vortragen will, einer der 
Gründe dafür, daß wir sagen: auf dieser Grundlage 
des § 556 a ist es einfach unmöglich, auf die Dauer 
einen befriedigenden, einen ausreichenden Schutz 
des Mieters zu gewährleisten. 

Wir haben unsere Fassung für einen § 556 a vor- 
gelegt, wobei wir allerdings — das ist einzuräumen, 
und da gibt es eine entscheidende Schwierigkeit 
zwischen Ihnen und uns — von einer anderen 
Grundvorstellung ausgehen. Wir gehen nämlich von 
der Grundvorstellung aus, daß das Mietverhältnis 
nicht schlechthin und völlig frei verfügbar ist und 
sein kann, weil es ein Rechtsverhältnis besonderer 
Art ist und deswegen auch eine besondere Wertung 
und eine besondere Behandlung notwendig macht. 

In dem Schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses 
wird zu dieser Frage gesagt, so etwas sei verfas- 
sungsrechtlich nicht möglich. Bei dem Hinweis auf 
die Eigentumsgarantie wird aber geflissentlich ver- 
schwiegen, daß nach dem Grundgesetz dazu auch die 
Sozialbindung des Eigentums gehört. 

(Abg. Dr. Weber [Koblenz]: Wird im näch- 
sten Satz erwähnt!) 

Aus diesem Gedanken heraus ist unser Antrag er- 
wachsen. Wir meinen, daß das nicht nur gerecht- 
fertigt ist, sondern -das es, um auf einem so wich- 
tigen Lebensgebiet für Millionen Bürger dieses 
Landes eine hinreichende Sicherheit zu schaffen, 
notwendig ist, die Rechte des Mieters in einem ange- 
messenen, in einem ausreichenden Maße zu sichern. 
Dem dient unser Antrag, dem dienen aber auch die 


fC) 

von uns eingebr achten Hilfsanträge, auf Grund deren 
erfreulicherweise eine erste beginnende Selbstkritik 
in den Reihen der Verfasser des ursprünglichen 
§ 556 a zu erkennen ist. — Herr Kollege Weber, Sie 
schauen so erstaunt; das ist doch die einfachste 
Wertung, die man vornehmen kann. Wenn hier in 
Übereinstimmung mit uns auch seitens der Christ- 
lich-Demokratischen Union nunmehr beantragt wird, 
in § 556 a Abs. 4 wenigstens die Ziffer 3 zu streichen 
und damit grundsätzlich die Möglichkeit zu schaffen, 
die Ausübung des Widerspruchsrechts durch den 
Mieter wiederholen zu lassen, dann ist das ein er- 
freuliches — das gebe ich gern zu — ,aber doch ein 
erstes Eingeständnis dafür, daß hier eine der Fehl- 
konstruktionen des fatalen § 556 a sichtbar wird. 
Wir werden uns also mindestens in dieser Frage 
einigen können. 

Wir meinen darüber hinaus, daß weitere Punkte 
— wenn Sie schon glauben, unserem Antrag nicht 
zustimmen zu können — in der geltenden Fassung 
des § 556 a mindestens einer Klärung und Berich- 
tigung bedürfen. 

Das gilt insbesondere für unseren unter den 
Eventualanträgen auf Umdruck 446 enthaltenen An- 
trag zu § 564 a. Ich darf ihn, da er sachlich in diesen 
Zusammenhang gehört, gleich mitbegründen. Es 
geht dabei um die für uns außerordentlich wichtige, 
ja, grundlegende Forderung für ein modernes Miet- 
recht überhaupt, daß die Kündigung eines Mietver- 
hältnisses über Wohnraum schriftlich erfolgt und 
daß die Kündigungsgründe angegeben werden. 
Denn, meine Damen und Herren, das ist ja nun 
eigentlich das Mindeste, was Sie dem Mieter zuge- 
stehen müssen, wenn Sie ihn schon dieser schlech- 
ten Regelung des § 556 a überlassen wollen, daß er 
in den Stand versetzt wird, sich zu wehren, und 
weiß, wogegen er sich wehren soll. Dazu muß er 
die Kündigungsgründe kennen. Das wollen Sie ihm 
verweigern. 

Nun kommt nachher gewiß der Einwand: Wir 
haben aber doch im Rechtsausschuß eine kosten- 
rechtliche Regelung getroffen — d. h. Sie haben sie 
dort getroffen — , die dem Vermieter Kostenfolgen 
für den Fall androht, daß er eine Kündigung aus- 
spricht und durch die Nichtangabe der Gründe eine 
Verzögerung herbeiführt und damit das Verfahren 
belastet. 

Abgesehen davon, daß ich sehr ernsthafte Zwei- 
fel an der Wirksamkeit dieser Bestimmung habe, 
halte ich es für ein schlechtes Gesetzgebungsverfah- 
ren, über die Kostenvorschriften der Prozeßordnung 
einen Ausweg aus der Notwendigkeit zu suchen, 
dem Mieter volles Recht widerfahren zu lassen. Im 
Grunde räumen Sie doch auch mit der Änderung 
dieser Kostenvorschrift ein, daß die von Ihnen be- 
fürwortete und nun durch drei Gesetzentwürfe be- 
harrlich beibehaltene Lösung des § 556 a mit der 
Verweigerung der Kündigungsgründe für den Mie- 
ter eine schlechte Lösung ist. 

(Abg. Jacobi [Köln]: Sehr richtig!) 

Nun, wenn Sie diesen halben Schritt machen, dann 
tun Sie doch den ganzen und geben Sie zu, daß 
diese ganze Konstruktion an sich eine falsche, feh- 



6042 


Deutscher Bundestag — ■ 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Jahn 

lerhafte, schädliche und für den Mieter nachteilige 
Konstruktion ist. 

(Abg. Dr. Hauser: Da eben unterscheiden 
wir uns in der Auffassung!) 

— Ja, Sie wollerL.es nicht gern zugeben. Dafür habe 
ich ein gewisses Maß an Verständnis. Aber Sie kön- 
nen es ja vielleicht so machen, daß Sie gar nicht 
mehr dazu reden, sondern unseren Anträgen zu- 
stimmen. 

(Abg. Dr. Hauser: Oder umgekehrt!) 

Vielleicht wäre das ein Kompromißvorschlag, Herr 
Kollege Hauser, auf den Sie eingehen können. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort zur Be- 
gründung des Antrags auf Umdruck 452 Ziffer 1 hat 
der Abgeordnete Hauser. 

Dr. Hauser (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Es war zu erwarten, daß die 
Opposition ihren Antrag auf Änderung des § 556 a 
im Plenum nochmals stellen würde. Man kann es 
verstehen, da sie sicherlich glaubt, das Ei des 
Kolumbus gefunden zu haben. Aber ich muß ehrlich 
sagen: es ist schon ein Kuckucksei, das sie damit 
dem Hohen Haus beschert. Denn mit diesem Antrag 
zeigen Sie, meine Damen und Herren von der Oppo- 
sition, eigentlich nur, daß — um mit FrickhÖffer von 
der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft zu 
sprechen — bei Ihnen gerade in der Wohnungsbau- 
ßj Politik noch recht erhebliche ägyptische Finsternis 
herrscht 

(Zuruf von der SPD: Na, na!) 

und das Godesberger Programm noch keinerlei 
Wunder bei Ihnen bewirkt oder eine Revision rück- 
ständiger wohnungsbaupolitischer Konzeption ge- 
bracht hat. 

(Zurufe von der SPD.) 

— Bitte, ich zitiere bloß. Denn in der Tat: auf die- 
sem Gebiet hinken Sie noch auf den Krücken eines 
staatlichen Dirigismus, und die Vorstellung, daß 
Wohnungsversorgung in jedem Falle eine staatliche 
Aufgabe sei, wird wohl nach den Überlegungen, die 
Sie auch jetzt wieder bieten, bei Ihnen noch lange 
dominieren, etwa so wie auch Ihr „Doppelspül- 
becken-Gesetz", wie in der FAZ Ihr Änderungs- 
gesetz zum Dritten Wohnungsbaugesetz genannt 
worden ist. 

(Abg. Könen [Düsseldorf]: Da habt ihr aber 
einen Geistesblitz übernommen!) 

Ich will nicht noch einmal all die Erwägungen, die 
unseres Erachtens gegen Ihren Antrag sprechen, 
vortragen. Wir bleiben bei unserem grundsätzlichen 
Bedenken, -daß durch die von Ihnen vorgeschlagenen 
Formulierungen die Eigentumsgarantie des Art. 14 
des Grundgesetzes wahrhaftig nicht gewahrt ist und 
daß Sie damit dem Mieter eine Dauerposition ein- 
räumen wollen, wie sie vielleicht der Wohnungs- 
eigentümer hat, ohne aber dem Mieter auch die 
Pflichten und Risiken aufzuerlegen, die das Eigen- 
tum nun einmal mit sich bringt. Der Schutz, der dem 
Mieter zukommen muß, ist mit dem Erfordernis der 


Schriftlichkeit der Kündigung zweifellos gewahrt. (C) 
Um es zu unterstreichen, Herr Jahn: wir wollen mit 
diesem Gesetz eine echte Partnerschaft zwischen 
Mieter und Vermieter begründen. Deswegen wollen 
wir über die Kostenvorschriften die Parteien dazu 
bringen, sich vor einer prozessualen Auseinander- 
setzung erst einmal zusammenzusetzen, um die 
Risiken gegeneinander abzuklären. Erst wenn man 
nicht zu einer Einigung kommt, muß man vor das 
Gericht gehen und den Richter entscheiden lassen. 

Wir haben mit unserem Antrag, den ich gleich 
mitbegründen möchte, Herr Präsident, dem Anliegen 
des Bundesrates entsprochen, der eine Wiederholung 
der Sozialklausel in § 556 a dringend empfohlen hat. 
Wir sehen auch ein, daß es Fälle geben kann, die 
das erforderlich machen. Aus diesem Grnude sind 
wir, meine Freunde und ich, zu dem Vorschlag ge- 
kommen, der Ihnen auf dem Umdruck 452 unter den 
Ziffern 1 und 2 vorliegt. Wir haben nur eine geson- 
derte Vorschrift zu dieser Frage vorgesehen und 
kommen damit eigentlich, Herr Kollege Jahn, zu 
Ihrer dritten Alternative, die Sie auf Umdruck 446 
zur Debatte stellen. Ich darf, nachdem Sie so even- 
tualiter mit Ihrem Antrag Schritt für Schritt zurück- 
gehen und langsam auch auf Konzeptionen der so- 
zialen Marktwirtschaft im Wohnungswesen kommen, 
hoffen, daß Sie vielleicht doch dem guten Wort 
Ihres Herrn Senators Schiller folgen und der so- 
zialen Marktwirtschaft auf den Fersen bleiben wol- 
len. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der pj 

Abgeordnete Busse. 

Busse (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehr- 
ten Damen! Meine Herren Kollegen! Ich will nicht 
die Debatte, die wir bereits hier im Plenum haben, 
/über die Frage, wieweit die von Ihnen gewünschte 
Änderung, Herr Kollege Jahn, des geltenden Rechts 
überhaupt grundgesetzlich vertretbar ist, wieder- 
holen. Ich will nicht wiederholen, warum wir bisher 
den Standpunkt vertreten haben, daß das grundsätz- 
lich freie Kündigungsrecht des Vermieters entschei- 
dend wichtig ist. 

Ich möchte aber an dieser Stelle Sie, meine Damen 
und Herren von der CDU/CSU, ganz dringlich bit- 
ten, Ihren Antrag nicht durchzusetzen. Warum? Wir 
behandeln hier bürgerliches Recht, ein Gesetz, das 
kein übergangsrecht mehr sein soll, sondern das 
eines Tages gelten soll, wenn wirklich die volle 
freie Marktwirtschaft herrscht. Die Konzeption, die 
bereits früher mit § 556 a von der Regierung ver- 
treten und von der Mehrheit dieses Hauses ange- 
nommen worden ist, entsprach nicht etwa den Vor- 
stellungen, die die FDP von einer Sozialen Markt- 
wirtschaft hat. Das möchte ich hier noch einmal ganz 
klar hervorheben. Wir haben damals gegen diese 
Bestimmung gestimmt, weil bereits sie die Rechte 
des Vermieters zu weit einschränkte und uns in den 
Rahmen einer sozialen Marktwirtschaft nicht zu 
passen schien. 

Wenn wir heute davon abgesehen haben, unserer- 
seits in dieser Richtung Änderungsanträge zu stel- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6043 


Busse 

len, so haben wir es ganz einfach getan aus Achtung 
vor dem Gesetz. Ich bitte, diesen Gesichtspunkt nicht 
zu gering zu bewerten. Hier ist vor allerkürzester 
Zeit nach reiflicher Überlegung, wie ich wohl unter- 
stellen kann, im Bewußtsein der Bedeutung dessen, 
was man nicht nur für eine kurze Übergangszeit, 
sondern für eine lange Frist schaffte, eine gesetzliche 
Regelung getroffen worden, die man nicht ohne 
zwingenden Grund nach kurzer Zeit bereits wieder 
ändern sollte. 

Welches ist der zwingende Grund? In den Aus- 
sdiußberatungen ist eindeutig klargestellt worden, 
daß bisher keine Erfahrungen gemacht worden 
sind, wie sich § 556 a nachher praktisch auswirken 
wird. Es sind insbesondere keine Tatbestände fest- 
gestellt, die eine Notwendigkeit oder nur — ich will 
gar nicht einmal von einer Notwendigkeit reden — 
den Wunsch aufkommen lassen müßten, hier heute 
bereits wieder eine Änderung vorzunehmen. Ich 
bitte ernstlich, dieses Anliegen sorgsam zu prüfen 
und nicht ein Gesetz von heute auf morgen wieder 
zu ändern, insbesondere nicht ein Gesetz, das unse- 
res Erachtens für lange Zeit gelten soll. 

(Beifall bei der FDP.) 

Vizepräsident Dr« Jaeger: Wird noch das Wort 
gewünscht? — Das ist nicht der Fall. 

Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst 
abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD auf ümdruck 446, und zwar zunächst über 
den Hauptantrag unter Ziffer 1. Wer zuzustimmen 
' wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — ^ Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt. 

Wir stimmen ab über den Eventual antrag unter 
Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um 
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Abgelehnt. 

Ich rufe auf den Eventualantrag unter Ziffer 3. 
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das 
Handzeichen. — - Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Ab gelehnt. 

Eventualantrag unter Ziffer 4! Wer zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt. 

Damit ist der gesamte Antrag abgelehnt. 

Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag 
der Fraktion der CDÜ/CSÜ auf Umdruck 452 Ziffer 1. 
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das 
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — - 
Das erste war die Mehrheit; der Äntrag ist ange- 
nommen. Damit ist die Neufassung von Nr, 14 be- 
schlossen. 

Wir kommen nunmehr zu dem Antrag der Frak- 
tion der CDU/CSU auf Umdruck 452 Ziffer 2 auf 
Einfügung einer neuen Nr. 14 a. Der Antrag ist schon 
begründet. — • Das Wort wird nicht mehr gewünscht. 

Wer dem auf gerufenen Antrag zuzuistimmen 
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Angenommen. 

Ich rufe auf die Nummern 15, — 16, — 17 und 18. 
— Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufge- 


rufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den ^ ^ 
bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die 
Gegenprobe. — Angenommen. 

Ich rufe Nr. 19 auf. Dazu liegt vor der Änderungs- 
antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 447 sowie 
der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf 
Umdruck 452 Ziffer 3. 

Das Wort hat Herr Abgeordneter Jacobi. 

Jacobi (Köln) (SPD): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Als wir unseren Antrag vorlegten, 
war uns noch nicht bekannt, daß auch von der CDU/ 
CSU zu diesem Petitum ein Änderungsantrag vor- 
gelegt würde. Wir haben uns jedoch bei unserem 
Antrag an die Vorschläge gehalten, die der mitbe- 
teiligte Ausschuß für Wohnungswesen, Städtebau 
und Raumordnung hierzu dem Rechtsausschuß unter- 
breitet hat. 

Uber den § 565 b, der Mietverhältnisse über 
Wöhnräume behandelt, die mit Rücksicht auf das 
Bestehen eines Dienstverhältnisses vermietet sind, 
hat es sowohl im Rechts aus schuß, als auch im Aus- 
schuß für Wohnungswesen lange Erörterungen ge- 
geben. Der Schriftliche Bericht läßt dies erkennen 
und ebenso die Tatsache, daß es in einigen wesent- 
lichen Punkten zwischen beiden Ausschüssen nicht 
zu einer Übereinstimmung der Auffassungen gekom- 
men ist. 

Im Kern handelt es sich dabei um eine unter- 
schiedliche Beurteilung der Mietverhältnisse und 
ihrer Schutzbedürftigkeit je nach der Funktionsge- pj 
bundenheit der Wohnung. Während der Wohnungs- 
bauausschuß zwischen funktionsgebundenen und 
nicht funktionsgebundenen Wohnungen unterschei- 
den wollte, hat der federführende Rechtsausschuß 
diese unterschiedliche Behandlung abgelehnt; er 
will eine gleichmäßige Behandlung aller Werkswoh- 
nungen. 

Ich isagte schon, daß unser Antrag auf Um- 
druck 447 die Empfehlung des Wohnungsbauaus- 
sdiusses zu § 565 b übernimmt. Ich darf darauf hin- 
weisen, daß mit der Empfehlung des Wohnungsbau- 
ausschusses eine knappe Begründung verbunden 
war, die dem Rechts ausschuß vor gelegt wurde. Mit 
Genehmigung des Präsidenten möchte ich sie ver- 
lesen, um klarzumachen, um was es geht. Es heißt 
dort: 

Der Ausschuß hält es wohnungspolitisdi nicht 
für gerechtfertigt, für Mietverhältnisse über 
Werkswohnungen jeder Art besondere Vor- 
schriften vorzusehen, durch die zum Nachteil 
des Mieters der Schutz der im § 565 BGB be- 
stimmten langen Kündigungsfristen und der 
Schutz der sogenannten Sozialklausel — §§ 

556 a, 556 b BGB — eingeschränkt wird. Er ist 
der Auffassung, daß die Einschränkung dieses 
Schutzes nur in den Fällen erforderlich und 
daher zu rechtfertigen ist, in denen die Über- 
lassung der Werkswohnungen besonders eng 
mit dem Dienstverhältnis gekoppelt ist. Für 
diese Fälle der sogenannten funktionsgebunde- 
nen Werkswohnungen schlägt der Ausschuß 
vor, daß das Mietverhältnis unter Einhaltung 



6044 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Jacobi (Köln) 

einer Kündigungsfrist von annähernd einem 
Monat gekündigt werden kann und die Sozial- 
klausel nicht anzuwenden ist (§ 565 b, Abs. 2). 
Für die übrigen Werkswohnungsmietverhält- 
nisse soll § 565 b Abs. 1 klarstellen, daß bei 
Anwendung der Sozialklausel auch die Belange 
des Dienstberechtigten zu berücksichtigen sind. 
Das scheint für die Fälle, in denen der Dienst- 
berechtigte nicht der Vermieter ist, erforderlich. 

So weit die Begründung des Wohnungsbauaus- 
scbusses. 

Gegenüber der von diesem mitbeteiligten Aus- 
schuß vorgescblagenen Regelung scheint uns der 
dieselbe Materie behandelnde Änderungsantrag der 
CDU einengend zu sein. Wir bitten Sie daher, sich 
doch dem Vorschlag des Wohnungsbauausscbusses, 
den wir mit unserem Antrag übernommen haben, 
anzuscbließen und den vorgetragenen Erwägungen 
durch Ihre Zustimmung zu unserem Antrag Rech- 
nung zu tragen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger; Das Wort hat der 
Abigeoridnete Dr. Weber (Kcyblenz). 

Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU): Herr Präsident! 
Meine sehr geehrten Damen unld Herren! Das Pro- 
blem der Werkswohnung war idem BQB fremd. Das 
BGB batte an sich so kurze Kündigunigsfristen, daß 
es dieses Problem nicht besonders zu behandeln 
brauchte. Nachdem durch die Einführung ides sozialen 
(B) Mietrechts die Kündigungsfristen erheblich . verlän- 
gert worden sind, scheint uns nunmehr eine spe- 
zielle Regelung für die Werkswohnung geboten, wie 
sie ja auch au der Zeit geboten war, als der Mieter- 
scJ-iutz ganz allgemein eingefübrt wurde und man 
die Werkswohnungen vom Mieterschutz ausnahm. 
Es kann nicht geleugnet werden — und daran 
krankt der Antrag des Wohnungsbauausschus- 
ses — , daß hier eine Verknüpfung zwischen 
Dienstverhältnis und Wohnverhältnis besteht, die 
auch nicht gelöst werden kann. Die Überlas- 
sung der Wohnung erfolgt mit Rücksicht auf 
den Eingang des Dienstverhältnisses. Infolgedessen 
kann man meines Erachtens diese Verknüpfung 
später nicht lösen, und diesem Grundgedanken 
trägt der Antrag des Rechtsausschusses Rechnung. 
Wir haben (aber geglaubt, einige Anregungen, die 
sich aus dem Antrag des Wohnungsbauausschusses 
ergeben, in den nunmehr modifizierten Antrag, den 
ich namens meiner Fraktion stelle, übernehmen zu 
sollen. Wir haben eiugesehen, daß die von dem 
Wohnungsbauausschuß für die funktionsgebunde- 
nen Wohnungen vorgeschlagene Regelung besser 
ist und den Interessen der beteiligten Kreise besser 
Rechnung trägt. Zum anderen sinJd wir aber auch 
der Meinung, dlaß für die übrigen Werkswohnungen 
eine (kürzere Kündigungsfrist geschaffen werden 
muß. 

Wir wollen nunmehr abweichend vom Rechfs- 
ausschuß auf die Verkürzung der Kündigungs- 
fristen verzichten, wenn die Überlassung der Woh- 
nung zehn Jahre gedauert hat. Wir übernehmen da- 
mit einen aus der Arbeitsrechtsprechung kommen- 


den Gedanken. Die Rechtsprechung der Arbeits- 
gerichte geht dahin, daß, wenn ein Arbeitsverhältnis 
länger als zehn Jahre besteM, dieses Arbeitsverhält- 
nis nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden 
kann, also keine Willkiürkündigung möiglich ist. 
Diesen Gedanken greifen wir mit unserem Antrag 
auf. Wir meinen, daß unter diesen Umständen, wenn 
das Wohnverhältnis einmal zehn Jahre gedauert 
hat, auch die ordentliche Kündigunigsfrist in Kauf 
genommen werden kann und darin keine Unbillig- 
keit ZU sehen ist. 

Wir bitten deshalb, unseren Anträgen Umdruck 
452 Ziffer 3 zuzustimmen. 

(Beifall in der Mitte.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Busse. 

Busse (FDP): Herr Präsident! Meine sehr ver- 
ehrten Damen! Meine Herren Kollegen! Es ist heute 
manchmal wirklich etwas komisch: Bei der Beratung 
dieses Gesetzes kämpft die SPD für die Regierungs- 
vorlage, und ich bin jetzt in der angenehmen Lage, 
mich zur Begründung dessen, was ich auszuführen 
habe, auf die Ausführungen in Ihrem Bericht, sehr 
verehrter Herr Kollege Hauser, zu berufen. Das ist 
so klar, so einleuchtend, was Sie da geschrieben 
haben. Es ist das Ergebnis sehr langer und gründ- 
licher Beratungen im Rechtsausschuß, wo all das, 
was hier heute an Einzelproblemen angeklungen 
ist, eingehend durchgesprochen worden ist. 

Ich glaube, daß die Regelung den berechtigten 
Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Darüber 
hinaus hat sie vor allen anderen Regelungen, die 
hier jetzt wieder angeregt werden, den Vorteil, daß 
sie klar ist. Diese Klarheit ist auch ein wesentlicher 
Gesichtspunkt, der uns bei der Abfassung von Ge- 
setzen mit bestimmen sollte. 

Wir sind der Überzeugung, daß das, was damals 
im Rechtsausschuß mit überwiegender Mehrheit, 
auch von Ihnen, meine Damen und Herren von der 
CDU/CSU, vertreten worden ist, tatsächlich besser 
ist als das, was jetzt hinterher in einsamen Frak- 
tionssitzungen von Ihnen beraten und beschlossen 
worden ist. 

Wir werden daher sowohl den Änderungsantrag 
der SPD als auch den Antrag der CDU auf Ände- 
rung der Ausschußvorlage ablehnen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort wird nicht 
mehr begehrt. 

Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst 
abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD Umdruck 447. Wer zuzustimmen wünscht, 
den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um 
die Gegenprobe. — Das zweite war die Mehrheit; 
der Antrag ist abgelehnt. 

Ich lasse nunmehr abstimmen über den Ände- 
rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 452 
Ziffer 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich 
um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegen- 
probe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehr- 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6045 


(A) 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

heit; bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. 
Damit ist die Nr. 19 neu gefaßt worden. 


Ich rufe nunmehr Nr. 20 auf. Das Wort wird nicht 
gewünscht. Wer Nr. 20 in der Ausschußfassung zu- 
zustimmen wünscht, den bitte ich um das Hand- 
zeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist 
so beschlossen. 


Ich rufe Nr. 21 auf, dazu den Antrag Umdruck 445 
der Fraktion der SPD Buchstabe f) und den Antrag 
Umdruck 452 der Fraktion der CDU/CSU Ziffer 4. 

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Czaja. 


Dr* Czaja (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine 
Damen und Herren! Ich glaube, es gibt niemanden 
im Saale, der nicht die Schutzbedürftigkeit der Haus- 
haltsangehörigen des Mieters für dann am stärksten 
gegeben hält, wenn der Haushaltsvorstand gestor- 
ben ist. Wir glauben, daß hier das größte Schutz- 
bedürfnis besteht. Deshalb hat der Wohnungsbau- 
ausschuß — ich glaube, einstimmig — eine etwas 
andere Fassung als der Rechtsausschuß gewählt. 
Wir waren außerordentlich dankbar, daß der Rechts- 
ausschuß bereits von sich aus den § 556 a als für 
diesen Fall für anwendbar erklärt hat. So steht es 
jedenfalls in der Vorlage des Rechtsausschusses. 

Dagegen scheint bezüglich der Kündigungsfristen 
für den Todesfall ein Mißverständnis entstanden zu 
sein, und zwar insofern, als bei länger bestehenden 
Mietverhältnissen, also bei Mietverhältnissen, die 
beispielsweise über zehn Jahre bestehen, im Vor- 
schlag des Rechtsausschusses nicht mehr die Kündi- 
gungsfrist von einem Jahr — wie in § 565 Abs. 2 — , 
sondern eine verkürzte Kündigungsfrist, die dort 
als „gesetzliche" bezeichnet wurde — und darin 
bestand wohl das Mißverständnis — , gewählt wor- 
den ist, nämlich eine dreimonatige Kündigungsfrist. 

Wir glauben — und das haben wir auch mit un- 
seren Kolleginnen und Kollegen aus dem Rechtsaus- 
ausschuß eingehend in der Fraktion besprochen — , 
daß das nicht vertretbar ist und daß dieses Mißver- 
ständnis ausgeräumt werden müsse. Es ergibt sich 
dabei aber folgende Schwierigkeit. Es kann natür- 
lich bei den im Haushalt verbliebenen Angehörigen 
des Verstorbenen auf Grund der ganzen Verhält- 
nisse und der Personen der Fall eintreten, daß in 
ihrer Person ein „wichtiger Grund" liegen kann, der 
den Vermieter veranlaßt, insbesondere bei Mietver- 
hältnissen auf bestimmte Zeit, vorzeitig zu kündi- 
gen. Wir müssen daher für diesen Fall dem Ver- 
mieter einer verkürzte Kündigungsfrist zugestehen, 
wenn ein „wichtiger Grund" in der Person liegt, 
den ich nicht besonders erörtern muß. 

Wir haben daher den Änderungsantrag auf Um- 
druck 452 eingebracht. Wir bitten auch die SPD — 
weil sie unseren Antrag vielleicht nicht kannte — , 
ihren Antrag zurückzustellen; denn wir glauben, 
daß unser Antrag die Verhältnisse noch etwas bes- 
ser regelt. Er ermöglicht auch in solchen Fällen die 
Anwendung der Sozialklausel, was der Regierungs- 
entwurf ja nicht vorsah, und er ermöglicht damit 
dem Richter, in Zusammenhang mit § 308 der Zivil- 
prozeßordnung unter Umständen auch bei einem 


solchen wichtigen Grund umgestaltend auf das Miet- 
Verhältnis einzuwirken. 

Ich glaube, niemand im Saal wird die Berechti- 
gung des Anliegens, das nur infolge von Mißver- 
ständnissen anders gefaßt worden ist, verneinen. Ich 
bitte daher um Annahme unseres Antrages. 

(Beifall bei der CDU/CSU.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Jacobi. 

Jacobi (Köln) (SPD): Herr Präsident! Meine Da- 
men und Herren! Für unseren Antrag gilt dasselbe, 
was ich vorhin in Verbindung mit dem inzwischen 
von der CDU/CSU eingebrachten Antrag gesagt 
habe, der ebenfalls § 569 a Abs. 5 betrifft. Nach den 
Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Czaja und 
nach Prüfung des Vorschlages ziehen wir unseren 
Antrag zurück. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Frau 
Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus. 

Frau Dr. Diemer-Nicolaus (FDP): Herr Präsi- 
dent! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Czaja, 
idi muß Sie enttäuschen. Sie haben gemeint, nie- 
mand könne Ihren Ausführungen widerstehen. Wir 
Freien Demokraten tun es, und zwar aus folgendem 
Grund. Ich habe mir die Formulierungen sehr sorg- 
fältig angesehen und möchte doch noch auf den 
Grundgedanken des § 569 a hinweisen. Es ist nicht (D) 
nur zugunsten des Ehegatten, sondern aller Fami- 
lienangehörigen, einerlei welchen Verwandtschafts- 
grades, die in einem gemeinsamen Hausstand leben, 
vorgesehen, daß das Mietverhältnis kraft Gesetzes 
übergeht. Das geht außerordentlich weit. Bezüglich 
des Ehegatten ist das ohne weiteres berechtigt. 
Aber, Herr Kollege Czaja, Sie sind in Wohnungs- 
sachen selber viel zu erfahren, als daß Sie nicht 
wüßten, daß der Übergang auf Kinder, Kindeskinder,’ 
Neffen, Nichten usw. eine sehr umstrittene Sache 
ist und für den Vermieter manchmal außerordent- 
lich große Härten mit sich bringt. 

Wenn Sie jetzt von der Ausschußvorlage abwei- 
chen, schaffen Sie wieder neue Schwierigkeiten für 
die Handhabung des Gesetzes. Sie wissen aus den 
Erfahrungen mit den Bestimmungen des Mieter- 
schutzgesetzes, daß die Fassung „wenn ein wichtiger 
Grund vorliegt" natürlich sehr allgemein ist und — 
das ist menschlich und kann gar nicht anders sein 
— eine sehr subjektive Auslegung durch den Rich- 
ter Platz greift. Wir sind der Auffassung, daß man- 
cher Prozeß vermieden wird, wenn es bezüglich des 
Abs. 5 bei der jetzigen Formulierung des Rechtsaus- 
schusses bleibt, wenn auf die gesetzlichen Fristen 
abgestellt wird. Die vom Rechts aus schuß noch vor- 
gesehene Einfügung der Sozialklausel ist außerdem 
auch ein ganz, ganz großes Entgegenkommen ge- 
genüber den Familienangehörigen. Wir sollten hier 
nicht noch die Einschränkung hineinbringen, daß 
bei den Familienangehörigen ein wichtiger Grund 
vorliegen müsse, damit die Kündigung erfolgen 
könne. Deswegen werden wir Freien Demokraten 



6046 


Deutsdier Buiwiestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Frau Dr. Diemer-Nicolaus 

für die nadi unserer Auffassung klarere Formulie- 
rung des Rechtsaussdiusses, der auch noch die So- 
zialklausel eingefügt hat, stimmen; wir halten die 
Fassung des Rechtsaussdiusses für eine Verbesse- 
rung. 

(Beifall bei der FDP.) 

Vizepräsident Dr« Jaeger: Das Wort wird nicht 
mehr gewünscht. Ich stelle zunächst fest, daß der 
Umdruck 445 — Änderungsantrag der Fraktion der 
SPD — bezüglich des Buchstabens f zurückgezogen 
ist. Ich habe nur noch über den Umdruck 452 — 
Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU — zu 
Ziff. 4 abstimmen zu lassen. Wer zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Bei Gegenstimmen 
rechts angenommen. 

Ich lasse über Nr. 21 — Ausschußfassung — mit 
der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. 
Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das 
Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Angenommen. 

(Zurufe: Enthaltungen!) 

— • Wenn Sie wünschen: Enthaltungen? — Bei Ent- 
haltungen rechts und links. 

Ich lasse nunmehr über Art. I mit den verschie- 
denen Änderungen, die wir vorhin beschlossen 
haben, abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den 
bitte ich um ein Handzeichen. — Ich bitte um die 
Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen 
Enthaltungen angenommen. 

ß) Ich komme nunmehr zu Art. II Ziff. 01. — Das 
Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? - — Bei 
zahlreichen Enthaltungen und einigen Gegenstim- 
men angenommen. 

Ich komme zu dem Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD auf Umdruck 444. Sollen die Buchstaben a, 
b, c, d und e gemeinsam begründet werden? — 
Herr Dr. Reischl. 

(Abg. Dr. Reischl: a, b und c können ge- 
meinsam begründet werden!) 

— Gut. 

Dr. Reischl (SPD): Herr Präsident! Meine Damen 
und Herren! Ich werde der Anregung des Herrn 
Präsidenten folgen und die Änderungen unter a, b 
und c betreffend die Nrn. 1, 2 und 4 der Vorlage zu- 
sammen begründen. 

Zunächst zu Buchstaben a: Die Regierungsvorlage 
ging von der richtigen Erkenntnis aus, daß eine 
Klage auf zukünftige Räumung bei Mietverträgen 
über Wohnräume unerträglich ist. Sie hat deshalb 
die Wohnräume aus § 257 ZPO mit der Folge her- 
ausgenommen, daß für diese nur der § 259 ZPO gel- 
ten sollte. Hiernach wäre eine Klage auf zukünftige 
Räumung von Wohnraum nur dann zulässig, wenn 
die Besorgnis gerechtfertigt wäre, daß sich der Mie- 
ter der rechtzeitigen Räumung entziehen werde. Das 
Vorliegen dieser Voraussetzung müßte der Vermie- 
ter als Kläger beweisen. Das war eine in sich ge- 


schlossene Konzeption, der ich, um mich ganz vor- 
sichtig auszudrücken, immerhin das Zeugnis aus- 
stellen möchte, daß sie von einem Hauch sozialen 
Mietrechts umweht war. 

Die Mehrheit des Rechtsausschusses, und zwar 
die aus den Regierungsparteien bestehende Mehr- 
heit, hat hier die gute Vorlage ihrer Regierung sehr 
izum Nachteil des Mieters verschlechtert. Die Klage 
auf zukünftige Räumung, die jetzt also auch für 
Wohnräume zugelassen sein soll, kann nämlich die 
Sozialklausel des § 556 a BGB, das ohnehin recht 
dünne Recht des Mieters, praktisch illusorisch 
machen. 

Ich will ein Beispiel geben. Ich gehe von einem 
zehnjährigen Mietverhältnis, also einer einjährigen 
Kündigungsfrist aus. Die Kündigung kann bekannt- 
lich ohne Begründung erfolgen. Der Mieter will sich 
nunmehr überlegen, ob er Widerspruch einlegen 
soll. Ob er es tut, hängt zu einem erheblichen Teil 
auch davon ab, ob er Aussicht hat, innerhalb der 
Kündigungsfrist, die also in dem Falle ein Jahr be- 
trägt, eine andere Wohnung zu finden. Er macht sich 
also zunächst auf den Weg, um diese zu suchen, Er 
kann sich dies auch lange überlegen; denn nach 
§ 556 a braucht er ja den Widerspruch erst drei Mo- 
nate vor dem Ablauf der Kündigungsfrist einzu- 
legen. Nun klagt der Vermieter vorher, weil er das 
nicht abwarten will. Ein Widerspruch ist nicht ge- 
kommen. Er will Klarheit schaffen. Er will also den 
Schwebezustand abkürzen. Dann muß der Mieter, 
wenn er nicht überhaupt von vornherein verurteilt 
werden will, vorzeitig Widerspruch einlegen, ob- (D) 
wohl er, weil er noch gar nicht klären konnte, ob es 
für ihn eine unzumutbare Härte bedeutet, auszu- 
ziehen, seinen Widerspruch nicht richtig begründen 
kann. Er muß es aber jetzt tun. Er muß im Prozeß 
erwidern, um nicht von vornherein verurteilt zu 
werden. Ist er dann verurteilt, dann kann er keinen 
Widerspruch mehr einlegen; denn es steht dann be- 
reits im voraus fest, daß er räumen muß. Der Kläger 
hat einen Titel, und der Mieter kann nun nur noch 
die ihm sonst gebotenen Möglichkeiten der Einräu- 
mung einer Räumungsfrist, die ja ausdrücklich vor- 
gesehen ist, und später vielleicht den Vollstrek- 
kungsschutz in Anspruch nehmen. 

Hier muß ich also sagen, daß durch die Beschlüsse 
des Rechtsausschusses eine an sich richtige Konzep- 
tion, und zwar ein entscheidender Teil der Konzep- 
tion der Regierungsvorlage zerschlagen worden ist. 

Ich sollte eigentlich annehmen, daß einer der beiden 
Herren Minister — ich denke dabei in erster Linie 
an den Bundeswohnungsbauminister, von dem im- 
merhin bekannt ist, daß er vehement und mit Energie 
für seine Vorlagen eintritt — auf unsere Seite tritt 
und uns hilft, die Regierungsvorlage mit ihrer guten 
Konzeption wiederherzustellen. Viel Hoffnung, muß 
ich allerdings gestehen, habe ich nach den Erfahrun- 
gen vom heutigen Abend nicht. Es bleibt mir nur, 
Ihnen die Annahme unseres Antrages unter Buch- 
stabe a auf Umdruck 444 zu empfehlen. 

Zu den Anträgen unter den Buchstaben b und c 
kann ich die Begründung zusammen und wesent- 
lich kürzer geben. Hier dreht es sich nur darum, die 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6047 


(A) Dr. Reischl 

Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. 
Also wiederum trete idi auf die Seite der Bundes- 
regierung, um ihre Vorlage gegen die eigenen Par- 
teien zu verteidigen. 

Hier geht es also darum, dem Gericht zu ermög- 
lichen, auch ohne Antrag von Amts wegen die 
Räumungsfristen zu gewähren. Wer die Abwicklung 
von Prozessen bei Amtsgerichten von Großstädten, 
die schwer überlastet sind, kennt, der weiß, daß es da 
manchmal verhältnismäßig schnell gehen muß; und 
so kann es auch einmal Vorkommen, daß eine dahin 
gehende Belehrung oder eine Erörterung dieser 
Frage vergessen wird. Es ist ja so, daß vor dem 
Amtsgericht die Parteien nicht durch Rechtsanwälte 
vertreten zu sein brauchen. Der oft unbeholfene 
Beklagte wird dann nicht darauf kommen, und in 
dem Eifer des Gefechts, wo ja in erster Linie ein 
Ausgleich versucht wird und wo versucht werden 
soll, zu einer Einigung, vielleicht zu einem Vergleich 
zu kommen, kann es unterbleiben, daß er auf diese 
Möglichkeit hingewiesen wird. Dann hat das Ge- 
richt wenigstens die Möglichkeit, ihm von Amts 
wegen diese Frist zu gewähren. Wenn Sie es aber 
bei dem Beschluß des Rechtsausschusses belassen, 
meine Damen und Herren, dann kann das Gericht 
das nicht mehr korrigieren. Es müßte dann die Ver- 
handlung deswegen noch einmal aufnehmen. 

Ich bitte Sie also auch hier, die wesentlich bes- 
sere Regierungsvorlage wiederherzustellen und 
unseren Anträgen Umdruck 444 Buchstaben b und c 
zuzustimmen. 

(B) 

Vizepräsident Dr* Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Dr. Weber (Koblenz). 

Dr. Weber (Koblenz) (CDU/CSU): Herr Präsident! 
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens 
der CDU/CSU-Fraktion bitte ich Sie, die Änderungs- 
anträge abzulehnen. Wir sehen keinen durchschla- 
genden Grund, von einer Regelung, die die Zivil- 
prozeßordnung seit dem Jahre 1897 hat, abzuwei- 
chen. Wir sind der Meinung, daß gerade die nim- 
mehr durch das soziale Mietrecht eingeführten lan- 
gen Kündigungsfristen mit dem Widerspruchsrechf 
es erforderlich machen können, daß die Klärung der 
Rechtsverhältnisse alsbald erfolgt und daß deshalb 
die Klage auf künftige Räumung grundsätzlich zu- 
gelassen wird. Es ist ja nicht so, daß der Mieter 
davon überfallen würde, sondern in jedem Falle 
geht die Kündigung voraus, und der Mieter hat 
dann das Recht, seinerseits Widerspruch zu erhe- 
ben. In diesem Widerspruchsverfahren wird sich 
durchweg schon eine Klärung des Verhältnisses er- 
geben. Infolgedessen besteht kein Gnmd, dann, 
wenn der Widerspruch etwa zurückgewiesen wor- 
den ist und der Mieter seinerseits keine Erklärung 
abgibt, eine Klage auf künftige Räumung nicht mehr 
zuzulassen. 

überdies ist, wie auch Herr Kollege Reischl schon 
hervorgehoben hat, durch die Hinzufügung des 
Abs. 1 a zu dem § 721 Vorsorge getroffen, daß der 
Mieter keinen Nachteil erleidet, sondern daß er 
diesen Antrag auch dann, wenn über eine Räu- 
mungsfrist nicht entschieden ist, noch zwei Wochen 


vor dem Tage, an dem nach dem Urteil zu räumen 
ist, stellen kann. 

Wir sind deshalb der Meinung, daß diese Bestim- 
mungen auch im Rahmen des sozialen Mietrechts 
durchaus ihre Berechtigung haben und daß zu einer 
Änderung keine Veranlassung besteht, zumal durch 
die Einfügung der Kostenvorschrift des § 93 b, der 
wir soeben zugestimmt haben, auch hier wiederum 
Vorsorge getroffen ist, daß unnötige Klagen ver- 
mieden werden. Der Vermieter, der unnötigerweise 
klagt, bekommt nämlich eine echte Kostenstrafe, 
und die hat er dann auch verdient. Ebensowenig 
sind wir der Meinung, daß man in dem § 308 von 
einem Grundsatz des Zivilprozesses, daß nämlich 
der Richter nicht über die Anträge der Parteien 
hinausgehen darf, abweichen sollte. 

Im ülbriigen besteht gar kein erheblicher Unter- 
schied zwischen der Regierungsvorlage und den Be- 
schlüssen des Ausschusses. Auch in der Regierungs- 
vorlage steht zwiar, daß der Richter ohne Antrag 
berechtigt ist, auszusp rechen, für welche Dauer und 
unter welchen Änderungen der Vertrag über das 
Mietverhältnis fortgesetzt wird, aber es heißt dann 
w^eiter: Vor dem Ausspruch sind die Parteien zu 
hören. Das ist eine zwingende Vorschrift. Der Aus- 
schuß schlägt Ihnen vor, daß auf Antrag die Folge 
auszusprechen ist, für welche Dauer oder unter wel- 
chen Änderungen das Mietverhältnis fortgesetzt 
wird. Der § 139 der Zivilprozeßordnung zwingt den 
Richter nunmehr, in diesem Falle seinerseits, genau 
wie er nach der Regierungsvorlage die Parteien 
hören muß, sie darauf hinzuweisen und darauf hin- 
zuwirken, daß sie einen entsprechenden Antrag 
stellen. Er muß also diesen Antrag mit ihnen er- 
örtern. Das steht jietzt schon in der Zivilprozeßorfd- 
nunig. Infolgedessen sollten wir nicht ohne Not von 
einer schon seit 1879 bestehenlden Fassung der Zivil- 
prozeßordnung abweichen. 

Wir bitten deshalb, die Anträge der SPD abzu- 
lehnen. 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der 
Herr Bunidesminister der Justiz. 

Dr« Bucher,Bundesministier der Justiz: Herr Prä- 
sident! Meine Damen und Herren! Die Bundeis- 
regierung kann sich natürlich dem ständigen Liebes- 
werlben der Opposition, Stellung zu nehmen, nicht 
entziehen. Ich muß auch sagen, daß ich in diesen 
drei Punkten die Regierungsvorlage nach wie vor 
verteidige. Denn wenn wir vorhin festgestellt ha- 
ben, daß eine Regierungsvorlage durchaus verbeis- 
semingsfähig ist und dann nicht in ihrer alten Fas- 
sung verteidigt werden muß, so ist es andererseits 
auch nicht so, daß eine Regierungsvorlage dadurch 
schlechter würde, daß sich die Opposition später zu 
ihr bekennt. 

(Abg. Ja)hn: Das ist eine Über treib ung! Wir 
nehmen sie hin, wir bekennen uns nicht 
dazu!) 

— Einigen wiir uns auf „abf inden" . 

Ich briauche also dem, was Herr Kollege Reischl 
zu § 257 gesagt hat, nicht mehr viel hmzu23ufü)gen. 



6048 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Bundesminister Dr. Budier 

Nur noch ein Gesichtspunkt: Wenn der Mieter, ver- 
anllaßt durch die Klage auf künftige Räumung, lange 
Zeit vor dem Termin der Beendigung des Mietver- 
hältnissies dessen Fortsetzung verlangt, so könnte 
der Richter, der über die Räumungsklage zu ent- 
scheiden hat, nur vorausschauend prüfen, ob im 
Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses die 
Vioraussetzungen für eine Fortsetzung nach § 556 ^a 
gegeben sein werden. Läßt isich aber der Mieter 
nicht durch die Klage auf künftige Räumung ver- 
leiten, schon alsbald die Fortsetzung des Mietver- 
hältnisses ;zu verlangen, so wiüilde zunächst Urteil 
auf künftige Räumung ergehen. Endgültige Klarheit 
hätte der Vermieter damit aber nicht; denn dem 
Mieter bleibt es ja unbenommen, bis drei Monate 
vor Beendigung des Mietverhältnisseis die Fort- 
setzung des Mietverhältnisses zu verlangen und 
daraufhin durch eine Vollstreckungsgögeniklaige die 
Wirkung des Räumungsurteils zu beseitigen. Man 
muß also damit rechnen, daß dann zwei Prozesse 
aufeinanderfolgen, und das erscheint unerwünscht. 

Demgegenüber glauben wir tatsächlich, daß die 
im § 259 geltenden Rechts enthaltene Vorschrift ge- 
nügt, daß Klage auf künftige Räumung dann mög- 
lich ist, wenn die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß 
der Mieter nicht rechtzeitig räumen werde. 

Zu den ^anideren beiden Anträgen brauche ich nicht 
mehr viel zu sagen. Ich glaube tatsächlich auch, daß 
es oft schwierig sein wird, einem Rechtsiunkunkiigen 
klarzumachen, daß er hier Anträge zu stellen hat. 
Indem Falle des § 308 a und insbesondere des § 721 
stellt man immer wieider fest, daß bei Parteien, die 
" nicht von Anwälten vertreten sind, der Eindruck 
besteht, daß man, wenn man einen Hilf sant rag auf 
Räumungsifrist stelle, damit selber zugebe, daß man 
seinen Hauptantrag nicht für beigründet halte. Diese 
Auffassung ist weit verbreitet. Ich glaube deshalb, 
diaß es kein Schaden wäre, wenn man es bei der 
Regierungsvorlage beließe, nach der auch ohne An- 
trag diese Räiumungsfrist usw. auszusp rechen ist. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Dn Jaeger: Das Wort hat der 
Abgeordnete Mick, 

Mick (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr ver- 
ehrten Damen und Herren! Auch ich wollte für die 
Wiederherstellung der Regierungsvorlage plädie- 
ren. Da der Herr Justizminister das in so hervor- 
ragender Form getan hat, kann ich auf weitere 
Begründungen verzichten. Meine Meinung ist, daß 
man hier nicht durch irgendwelche Manipulationen 
auch nur den Anschein erwecken sollte, als wenn 
das soziale Mietrecht überspielt werden könnte. Ich 
bitte also auch darum, die Regierungsvorlage in 
den genannten Punkten wiederherzustellen. 

(Beifall bei der SPD.) 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat Herr 
Abgeordneter Busse. 

Busse (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehr- 
ten Damen, meine Herren Kollegen! Ich will Ihnen 


offen gestehen: die Ausführungen, die Herr Minister 
Bücher vorhin zu § 257 gemacht hat, haben mich 
und, ich glaube, auch meine politischen Freunde 
überzeugt. 

(Zuruf von der SPD: Bravo! — Zuruf von 
der SPD: überzeugt oder überrascht?) 

— Nein, Herr Kollege: „überzeugt", habe ich ge- 
sagt. Diese Ausführungen waren nämlich bisher 
noch nicht gemacht worden. Das, was bisher zu die- 
sem § 257 gesagt worden ist, hätte ich nicht als aus- 
reichend angesehen. 

Wir werden also insoweit dem Antrag der SPD 
zustimmen und uns für die Wiederherstellung der 
Regierungsvorlage aussprechen. 

Dagegen glauben wir gleiches nicht tun zu können 
bezüglich des § 308 a. 

Wenn § 257 in der Fassung der Regierungsvor- 
lage wiederhergestellt wird, wäre natürlich die 
Folge, daß wir in § 721 den im Rechtsausschuß ein- 
gefügten Absatz nicht mehr nötig hätten, so daß 
wir dann auch in diesem Punkte Ihrem Antrag 
würden zustimmen können. 

Ich darf zusammenfassen. Wir stimmen dem An- 
trag zu, Nr. 1 die Fassung der Regierungsvorlage 
wiederherzustellen. Wir lehnen den Antrag ab, in 
Nr. 2 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. 
Wir stimmen dem Antrag zu, in Nr. 4 die Fassung 
der Regierungsvorlage wiederherzustellen, 

Vizepräsident Dr. Jaeger: Es liegen keine ™ 
Wortmeldungen mehr vor. Ich lasse abstimmen 
über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD 
Umdruck 444 Buchstabe a), in Nr. 1 in § 257 die 
Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen. 
Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um 
das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — 
Das erste war die Mehrheit; angenommen. 

Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD Umdruck 444 Buchstabe b), in Nr. 2 in 
§ 308 a) Abs. 1 die Fassung der Regierungsvorlage 
wiederherzustellen. Begründung und Aussprache 
sind schon erfolgt. Wer dem Änderungsantrag zuzu- 
stimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. 

— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war 
die Mehrheit; angenommen. 

Zu Nr. 3 liegt kein Änderungsantrag vor. Das 
Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen 
wünscht, gebe das Handzeichen. — Ich bitte um die 
Gegenprobe. — Angenommen. 

Zu Nr. 4 liegen Änderungsanträge unter Budi- 
stabe c) und Buchstabe d) des Umdrucks 444 vor. 

Der Antrag unter Buchstabe c) ist bereits begrün- 
det. Wird der Antrag unter Buchstabe d) noch be- 
gründet? — 

(Zuruf.) 

Sie wollen zunächst über Buchstabe c) abstimmen 
lassen. — Wer dem Änderungsantrag der Fraktion 
der SPD Umdruck 444 Buchstabe c) zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 
bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die 
Mehrheit; angenommen. 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6049 


Vizepräsident Dr. Jaeger 

Ist zu Buchstabe d) noch etwas zu bemerken? — 
Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den 
Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 444 
Buchstabe d), in Nr. 4 in § 721 Abs. 3 Satz 1 das 
Wort „darf“ durch „soll" zu ersetzen. Wer zuzustim- 
men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — 
Ich bitte um die Gegenprobe. — Abgelehnt. 

Wir stimmen ab über Nr. 4 in der Ausschußfas- 
sung mit der beschlossenen Änderung. Wer zuzu- 
stimmen wünscht, gebe das Handzeichen, — Gegen- 
probe! — Es ist so beschlossen. 

Nr. 5! Hierzu liegt der Antrag der Fraktion der 
SPD Umdruck 444 Buchstabe e) vor, in § 794 a Abs. 
3 Satz 1 das Wort „darf" durch „soll" zu ersetzen. 
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer zuzustimmen 
wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich 


bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehr- 
heit; abgelehnt. 

Ich lasse über Nr, 5 in der Ausschußfassung ab- 
stimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe das 
Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist so beschlos- 
sen. 

Ich lasse nunmehr abstimmen über den gesamten 
Artikel II in der Ausschußfassung mit den beschlos- 
senen Änderungen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe 
das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? 
— Mit Mehrheit so beschlossen. 

Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste 
Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 30. April, 
9 Uhr, ein. 

Die Sitzung ist geschlossen. 

(Schluß der Sitzung: 21.20 Uhr.) 




Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6051 


Anlagen zum Stenographischen Bericht 


Anlage 1 



Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich 

Liste der beurlaubten Abgeordneten 



Metter 

30. 

5. 




Dr. h. c. Dr.-Ing. E. h. Möller 

29. 

4. 

Abgeordnete (r) beurlaubt bis einschließlich 

Müller (Remscheid) 

20. 

5. 




Dr. Müller-Hermann * 

29, 

4. 

a) Beurlaubungen 



Peters (Norden) 

30. 

4. 

Dr. Adenauer 

12. 

5. 

Rademacher 

29. 

4. 

Dr. Aigner * 

30. 

4. 

Rasnier 

6. 

5. 

Arendt (Wattenscheid) * 

30. 

4. 

Richarts * 

2. 

5. 

Dr. Arndt (Berlin) 

30. 

6. 

Schulhoff 

30. 

4 

Frau Berger-Heisie 

30. 

4. 

Dr. Seffrin 

30. 

4. 

Biegler 

30. 

4. 

Seidl (München) 

30. 

4. 

Dr. von Brentano 

4. 

7. 

Spitzmüller 

30. 

4. 

Burckardt 

30. 

4. 

Dr. Starke 

30. 

4. 

Deneke 

30. 

4. 

Stordi * 

30. 

4. 

Dr. Elbrächter 

29. 

4. 

Frau Strobel * 

30. 

4. 

Etzel 

30. 

4. 

Wehking 

10. 

5. 

Faller * 

30. 

4. 

Weinkamm * 

30. 

4. 

Gscheidle 

29. 

5. 

Dr. Winter 

30. 

4. 

Dr. Harm (Hamburg) 

1. 

6. 

Dr. Zimmermann (München) 

6. 

5. 

Haussier 

29. 

4. 




Heiland 

29. 

4. 

b) Urlaubsanträge 



Hellenbrock 

29. 

4. 

Bauer (Wassenburg) 

8. 

5. 

Hörmann (Freiburg) 

30. 

4. 

Dr Birrenbach 

30. 

5. 

Illerhaus 

29. 

4. 

Frehsee 

10. 

5. 

Jacobs 

2. 

5. 

Dr. Frey (Bonn) 

10. 

5. 

Kalbitzer 

30. 

4. 

Dr. Dr. h. c. Friedensburg 

5. 

6. 

Klinker * 

30. 

4. 

Dr. Fritz (Ludwigshafen) 

6. 

5, 

Könen (Düsseldorf) 

30. 

4. 

Hilbert 

23. 

5. 

Dr. Kreyssig * 

30. 

4. 

Mauk 

5. 

^ (D) 

Kriedemann * 

29. 

4. 

Mengelkamp 

30. 


Frau Dr. Kucbtner 

4. 

7. 

Freiherr von Mühlen 

30. 

5. 

Leber 

30. 

4. 

Dr. Tamble 

1'6. 

5. 

Lenz (Bremerhaven) 

30. 

4. 

Wisdinewski 

6. 

5. 

Lenze (Attendorn) * 

2. 

5. 

Wullenhaupt 

9. 

5. 

Dr. Löhr 

30. 

4. 




Lücker (Mündien) * 

29. 

4. 

* Für die Teilnahme an Sitzungen 

des Europäischen 

Dr. von Merkatz 

30. 

4. 

Parlaments 





6052 


Deutscäier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Anlage 2 


Welthandel mit Getreide 

in 1000 t 

0 1960/61 bis 1962/63 


Einfuhr- bzw. Ausfuhr- 
länder 

Getreide insgesamt 

davon: Weizen und -mehl zusammen 

Ausfuhr 

Einfuhr 

Ausfuhr- (+) 
bzw. Einfuhr- 
überschuß 
(-) 

Ausfuhr 

Einfuhr 

Ausfuhr- (+) 
bzw. Einfuhr- 
überschuß 
(-) 

Bundesrepublik 

1 106 

5 822 

- 4 716 

877 

2 614 

- 1 737 

Belgien/Luxemburg 

116 

1 966 

- 1 820 

89 

441 

- 352 

Frankreich 

3 799 

916 

+ 2 883 

2 164 

452 

+ 1 712 

Italien 

128 

4 180 

- 4 052 

108 

1 182 

- 1074 

Niederlande 

323 

3 905 

- 3 582 

15 

947 

- 932 

EWG-Länder 







zusammen . . . 

5 502 

16 789 

-11 287 

3 253 

5 636 

- 2 383 

Dänemark 

189 

928 

- 739 

32 

78 

- 46 

Finnland 

72 

302 

- 230 

55 

204 

- 149 

Griechenland 

— 

161 

- 161 

— 

47 

- 47 

Großbritannien 

290 

9 325 

- 9 035 

53 

4 549 

- 4 496 

Irland 

105 

343 

- 238 

79 

200 

- 121 

Island 

— 

17 

- 17 

— 

12 

- 12 

Norwegen 

16 

585 

- 569 

— 

347 

- 347 

Österreich 

49 

585 

- 536 

45 

72 

“ 27 

Portugal 

— 

308 

- 308 

— 

243 

- 243 

Schweden 

336 

337 

- 1 

142 

126 

+ 16 

Schweiz 

— 

889 

- 889 

— 

393 

- 393 

Spanien 

8 

1 534 

- 1526 

8 

788 

- 780 

Türkei 

58 

716 

- 658 

1 

712 

- 711 

Jugoslawien > 

244 

903 

- 659 

57 

863 

~ 806 

SBZ ‘) 

89 

98 

- 9 

58 

90 

- 32 

Albanien 

— 

63 

- 63 

— 

69 

69 

Bulgarien 

57 

64 

- 7 

— 

23 

23 

Polen 

37 

1 328 

- 1 291 

— 

988 

- 988 

Rumänien 

648 

0 

+ 648 

4 

— 

+ 4 

CSR 1) 

42 

160 

- 118 

3 

154 

- 151 

Ungarn 

3 

118 

- 115 

0 

109 

- 109 

UdSSR 1) 

2 239 

80 

+ 2 159 

1 477 

68 

+ 1 409 

Kanada 

10 344 

693 

+ 9 651 

9 420 

— 

+ 9 420 

USA 

31 925 

463 

+ 31 462 

18 291 

170 

+ 18 121 

Kuba 

— 

244 

- 244 

— 



Mexiko 

19 

192 

- 173 

— 

17 

- 17 


nur Handel mit Ländern der westlichen Welt 




Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6053 


noch: Welthandel mit Getreide 


(C) 



Getreide insgesamt 

davon: Weizen und -mehl zusammen 

Einfuhr- bzw. Ausfuhr- 
länder 

Ausfuhr 

Einfuhr 

Ausfuhr- (-f) 
bzw. Einfuhr- 
überschuß 
(-) . 

Ausfuhr 

Einfuhr 

Ausfuhr- (-f) 
bzw. Einfuhr- 
überschuß 
(-) 

Argentinien 

5 186 



+ 5 186 

2 043 



+ 2 043 

Brasilien 

2 

2 192 

- 2 190 

— 

2 145 

- 2 145 

Chile 

4 

175 

- 171 

— 

165 

- 165 

Kolumbien 

— 

155 

- 155 

— 

130 

- 130 

Paraguay 

11 

84 

- 73 

— 

83 

- 83 

Peru 

2 

426 

- 424 . 

— 

421 

- 421 

Uruguay 

0 

78 

- 78 

— 

0 

± 0 

Venezuela 

— 

379 

- 379 

— 

349 

- 349 

Irak 

151 

174 

- 23 

13 

174 

- 161 

Israel 

9 

685 

- 676 

9 

280 

~ 271 

Jordanien 

6 

215 

- 209 

4 

186 

- 182 

Libanon 

3 

257 

- 254 

— 

200 

- 200 

Syrien 

277 

225 

H“ 52 

100 

199 

- 99 

Ceylon 

— 

240 

- 240 

— 

237 

- 237 

China Taiwan 

3 

350 

- 347 

3 

337 

- 334 

Hongkong 

33 

256 

- 223 

31 

154 

- 123 

Indien 

— 

3613 

- 3613 

— 

3 524 

- 3 524 

Indonesien 

— 

135 

- 135 

— 

135 

- 135 

Japan 

73 

5 231 

- 5 158 

73 

2 757 

- 2 684 

Korea, Rep 

— 

702 

- 702 

— 

501 

- 501 

Malaya-Singapur 

11 

423 

- 412 

9 

286 

- 277 

Pakistan 

— 

1 255 

- 1255 

— 

1 241 

- 1241 

Philippinen 

1 

346 

- 345 

— 

340 

- 340 

Thailand 

610 

32 

+ 578 

— 

32 

- 32 

VR China i) 

25 

4 577 

- 4 552 

— 

3 839 

- 3 839 

Algerien 

82 

475 

- 393 

30 

426 

- 396 

Kenia, Uganda, 

Tanganjika 

23 

135 

- 112 

0 

36 

- 36 

Marokko 

157 

477 

- 320 

37 

335 

- 298 

Rhodos u. Njassaland .... 

260 

110 

+ 150 

3 

105 

- 102 

Rep. Südafrika 

1 624 

148 

+ 1476 

— 

133 

- 133 

Rep. Sudan 

109 

66 

+ 43 

— 

66 

66 

Tunesien 

46 

337 

- 291 

42 

272 

- 230 

Ver. Arab. Republik 

12 

1 695 

- 1683 

9 

1 473 

- 1464 

Australien 

6 297 

— 

+ 6 297 

5 349 

— 

+ 5 349 

Neuseeland 

— 

173 

- 173 

— 

173 

- 173 

Welt insgesamt . . . 

67 912 

66 763 

+ 1 149 

40 803 

39 893 

+ 910 


0 nur Handel mit Ländern der westlichen Welt 

2) ohne Handel innerhalb der Ostblockstaaten Quelle: FAO, World Grain Trade Statistics 




6054 


Deutsdier Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Sdiwellenpreiser cif-Preise und Abschöpfungen gegenüber Drittländern 

DM je 100 kg 


Monatsdurchschnitt 

Weich weizen | 

Roggen | 

Gerste | 

Mais 

Sdiwel- 

len- 

preis 

cif- 

Preis 

Ab- 

sdiöp- 

fung 

Sdi wel- 
len- 
preis 

cif- 

Preis q 

Ab- 

schöp- 

fung 

Schwel- 

len- 

preis 

cif- 

Preis 1) 

Ab- 

schöp- 

fung 

Schwel- 

len- 

preis 

cif- 

Preis 1) 

Ab- 

schöp- 

fung 




Bundesrepublik 

Deutschland 





1963 

August 

47,80 

22,91 

24,98 

43,60 

23,75 

19,89 

41,80 

20,22 

21,54 

41,80 

24,73 

17,07 

1964 

Januar 

49,94 

25,85 

24,10 

45,74 

29,55 

16,15 

43,45 

26,49 

16,96 

43,45 

25,01 

18,42 


Februar 

50,34 

25,33 

24,80 

46,14 

28,41 

19,60 

43,45 

25,19 

17,79 

43,45 

23,83 

19,36 






Belgien 







1963 

August 

39,68 

22,40 

17,28 

30,24 

23,36 

6,88 

32,64 

20,16 

12,64 

30,64 

24,32 

6,40 

1964 

Januar 

41,28 

25,20 

16,00 

31,36 

28,96 

2,40 

33,76 

25,84 

7,92 

31,76 

24,40 

7,36 


Februar 

41,60 

24,88 

16,72 

31,60 

27,92 

3,68 

34,00 

24,72 

9,20 

32,00 

23,36 

8,56 






Frankreich 







1963 

August 

39,10 

22,83 

16,34 

31,73 

23,76 

8,00 

32,21 

20,54 

11,70 

38,35 

24,73 

13,64 

1964 

Januar 

40,72 

25,81 

14,90 

33,35 

29,52 

3,81 

33,75 

26,29 

7,44 

36,22 

24,78 

11,41 


Februar 

41,04 

25,46 

15,57 

33,67 

28,54 

5,10 

34,06 

25,30 

8,74 

36,60 

23,76 

12,82 







Italien 







1963 

August 

45,12 

22,83 

22,36 

39,48 

24,55 

14,94 

26,36 

21,32 

5,06 

24,40 

25,53 

— 

; 1964 

Januar 

46,72 

26,28 

20,37 

39,48 

30,50 

8,97 

26,36 

27,21 

— 

25,72 

25,95 

0,08 


Februar 

47,04 

26,14 

20,84 

39,48 

29,52 

9,91 

26,36 

26,28 

0,31 

25,72 

24,94 

0,77 






Luxemburg 







1963 

August 

45,84 

24,88 

21,04 

42,24 

25,76 

16,40 

32,64 

20,16 

12,64 

30,64 

24,32 

6,40 

1964 

Januar 

47,60 

27,68 

19,48 

43,84 

31,36 

12,40 

33,76 

25,84 

7,92 

31,76 

24,40 

7,36 


Februar 

49,92 

27,28 

20,48 

43,84 

30,40 

13,36 

34,00 

24,72 

9,20 

32,00 

23,36 

8,56 






Niederlande 







1963 

August 

39,39 

22,43 

16,97 

28,34 

23,35 

5,00 

31,60 

20,14 

11,58 

29,39 

24,33 

5,07 

1964 

Januar 

41,32 

25,22 

16,10 

28,34 

28,92 

— 

31,60 

25,87 

5,76 

29,39 

24,38 

4,96 


Februar 

41,71 

24,85 

16,86 

28,34 

27,93 

0,49 

31,60 

24,72 

6,78 

29,39 

23,36 

6,00 


Diese cif-Preise, die für die Ermittlung des Abschöpfungssatzes zu verwenden sind, werden gemäß Verordnung 19 
im Regelfall täglich von der Europäischen Kommission festgesetzt. Dafür sind gemäß VO 19 die günstigsten Ein- 
kaufsmöglichkeiten zu ermitteln. Die effektiven cif-Preise für die verschiedenen Sorten einer Getreideart werden 
durch Anwendung der Ausgleichskoeffizienten gemäß VO 70 der Europäischen Kommission mit dem Sdiwellen- 
preis, der für die sogenannte europäische Standardqualität gilt, vergleichbar gemacht. Der niedrigste Preis, der 
sich aus dieser Rechnung ergibt, ist dann der für die Ermittlung der Auschöpfung maßgebende cif-Preis. 

Quelle: Generaldirektion Landwirtschaft: Abteilung Bilanzen, Studien, Information — Agrarmärkte, Preise — 




Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6055 


Anlage 3 Umdruck 440 

Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/ 
CSU, SPD, FDP zur dritten Beratung des von der 
Bundesregierung eingebraditen Entwurfs eines 
Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes 
(6. Änderung) (Drucksachen IV/1646, IV/2121). 


Der Bundestag wolle beschließen: 

Die Bundesregierung wird ersucht, 

1. im internationalen Rahmen auf eine weitere 
Erhöhung der Haftungssummen nach § 46 des 
Luftverkehrsgesetzes hinzuwirken und 

2. teine angemessene Erhöhung der Unfallversiche- 
rungssummen nach § 50 des Luftverkehrsgesetzes 
anzustreben. 


Bonn, den 28. April 1964 


Dr. Müller-Hermann 
Dr. Barzel und Fraktion 
Dr. Bleiß 
Börner 
Iven (Düren) 

Müller (Nordenhamm) 
Regling 


Schmidt (Braunschwieig) 

Seibert 

Seifriz 

Erler und Fraktion 
Rademacher 

Freiherr von Kühlmann- 
Stumm und Fraktion 


Anlage 4 Umdruck 451 

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, 
FDP zur zweiten Beratung des von den Fraktionen 
der CDU/CSU, FDP eingebrachten Entwurfs eines 
Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen 
Jahres (Drucksachen IV/986, IV/2138). 

Der Bundestag wolle beschließen: 

§ 2 Abs. 1 Nr. 1 wird wie folgt ergänzt: 

Hinter dem Wort „Verbände" werden das Komma 
gestrichen und die Worte „und ihre Untergliede- 
rungen," angefügt. 

Bonn, den 29. April 1964 

Dr. Barzel und Fraktion 
Mischnik und Fraktion 


Anlage 5 Umdruck 442 

Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Ditt- 
rich, Dr. Jungmann zur zweiten Beratung des von 
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines 
Zweiten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittel- 
gesetzes (Drucksachen IV/1370, IV/2162). 

Der Bundestag wolle beschließen: 

In Artikel 1 Nr. 01 erhält Buchstabe a folgende Fas- 
sung: 

,a) Absatz 1 Satz 2 folgende Fassung: 

„Auf Behältnissen von nicht mehr als drei Milli- 
liter Rauminhalt und auf Ampullen müs- 


sen sich mindestens die Angaben nach Nummern 
2, 4, 5, 6 und 9 befinden.",' 

Bonn, den 28. April 1964 

Dr. Dittrich 
Dr. Jungmann 


Anlage 6 Umdruck 441 

Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Hamm 
(Kaiserlautern), Dr. Jungmann, Frau Dr. Hubert, 
Frau Blohm, Dr. Dittrich, Dr. Schmidt (Offenbach) 
und Fraktionen der SPD, FDP zur zweiten Beratung 
des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- 
wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des 
Arzneimittelgesetzes (Drucksachen IV/1370, IV/ 
2162). 

Der Bundestag wolle beschließen; 

In Artikel 1 wird folgende Nummer vor 8 a einge- 
fügt: 

,vor 8 a. § 36 Abs. 2 Satz 1 erhält folgende Fassung: 

„Das Verbot des Absatzes 1 erster Halb- 
satz findet keine Anwendung, soweit der 
Gewerbetreibende andere Personen im 
Rahmen ihres Geschäftsbetriebes aufsucht, 
es sei denn, daß es sich um Arzneimittel 
handelt, die für die Anwendung an Tie- 
ren in land- und forstwirtschaftlichen Be- 
trieben sowie in Betrieben des Gemüse-, P) 
Obst-, Garten- und Weinbaus, der Imkerei 
und der Fischerei feilgeboten oder daß 
bei diesen Betrieben Bestellungen auf Arz- 
neimittel, deren Abgabe den Apotheken 
Vorbehalten ist, aufgesucht werden."' 

Bonn, den 28. April 1964 

Dr. Hamm (Kaiserlautern) 

Freiherr von Kühlmann-Stumm 
und Fraktion 
Dr. Jungmann 
Frau Blohm 
Dr. Dittrich 
Frau Haas 
Frau Dr. Hubert 
Dr. Schmidt (Offenbach) 

Erler und Fraktion 


Anlage 7 Umdruck 439 

Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Böhm 
(Frankfurt) unld Genos'sen zum Antrag des Wirt- 
schaftlsiausschusses (16. Ausischuß) über den von der 
Bundesregierung zur Unterrichtung vongelagten 
Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des 
Rats über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 
EWG auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen 
und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen 
(Drucksachen IV/2024, IV/2177). 



6056 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Bundestag wolle beschließen: 

Der Antrag des Wirtschaftsausschusses — Druck- 
sache IV/2177 — wird wiie falgt geändert: 

1. Der bisherige Wortlaut dels Ausschußantrages 
wird Nr. 1. 

2. , Folgende Nr. 2 wird'anigefügt: 

„2. Die Bundesregierung wird gebeten, im Riat 
der BWG darauf hinzujwirken, daß der Kom- 
mission keine Ermächtigung zu Gruppenfrei- 
stellungen im Verordnungswege erteilt wird, 
sondern daß nach Vorschlaig der Kommission 
die Gruppenfreistellungen durch Veroridnung 
des Rats erlassen werden können." 

Bonn, den 28. April 1964 

Dr. Böhm (Frankfurt) 

Arndgen 
Dr. Arnold 
Blumenfelld 
Harnischfeger 
Kaiser 

Klein (iSaarbrücken) 

Kuntscher 
Dr. Luda 


(B) 

Anlage 8 Umdrudi 453 

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum 
Antrag des 2. Untersuchungsausschusses gemäß An- 
trag der Fraktion der SPD [(Drucksache IV/2170) 

Der Bundestag wolle beschließen: 

Der Antrag des Ausschusses wird um folgende Nr. 4 
und 5 ergänzt: 

„4. Der Deutsche Bundestag bedauert, daß die in 
Idem Ausschußbericht festgestellten Mißstänjde 
in den zurückliegeniden Jahren von dem auf- 
sichtsführenden Bunldesmini^terium des Innern 
durch Unterlassung geeigneter Dienstaufsichts- 
maßnahmen nicht festgestellt worden sind und 
dadurch der Schutz der durch das Grundgesetz 
gewährleisteten Grundrechte nicht gesichert 
war. 

5. Der Deutsche Bundestag mißbilligt, daß der 
Bundesminiister des Innern durch die nach den 
Ergebnissen des Untersuchungsausischusses 
w»iderlegten Behauptungen, es habe keine deut- 
schen Initiativen gegeben un!d das Verfahren 
sei streng gesetzlich geregelt gewesen, mehr- 
fach die Öffentlichkeit unrichtig und irreführend 
unterrichtet hat." 

Bonn, den 29. April 1964 

Erler und Fraktion 


Anlage 9 Umdruck 444 

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur 
zweiten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- 
setzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften 
(Drucksachen IV/806, IV/2195). 

Der Bundestag wolle beschließen: 

In Artikel II — Änderung der Zivilprozeßordnung 
— wird 

a) in Nr. 1 in § 257 die Fassung der Regierungs- 
vorlage wieder hergestellt; 

b) in Nr. 2 in § 308 a Abs. 1 die Fassung der Regie- 
rungsvorlage wieder hergestellt; 

c) in Nr. 4 in § 721 Abs. 1 die Fassung der Regie- 
rungsvorlage wieder hergestellt; 

d) in Nr. 4 in § 721 Abs. 3 Satz 1 das Wort „darf" 
durch „soll" ersetzt; 

e) in Nr. 5 in § 794 a Abs. 3 Satz 1 das Wort „darf" 
durch „soll" ersetzt. 

Bonn, den 29. April 1964 

Erler und Fraktion 


Anlage 10 Umdruck 445 

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur 
zweiten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- pj 
setzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften ^ 
(Drucksachen IV/806, IV/2195). 

Der Bundestag wolle beschließen: 

In Artikel I — Änderung des Bürgerlichen Gesetz- 
buchs — wird 

a) Nr. 2 wie folgt gefaßt: 

,2. § 538 wird wie folgt geändert: 

a) Absatz 1 wird wie folgt gefaßt: 

(unverändert wie Drucksache IV/2195 S. 2) 

b) Folgender Absatz 3 wird angefügt: 

„(3) Bei einem Mietverhältnis über Wohn- 
raum ist eine zum Nachteil des Mieters 
abweichende Vereinbarung unwirksam.", 

b) in Nr. 3 in § 541 a Abs. 2 die Fassung der Regie- 
rungsvorlage wieder hergestellt, 

c) in Nr. 5 (§ 547) die Fassung der Regierungsvor- 
lage wieder hergestellt, 

d) Nummer 6 (§ 547 a) gestrichen, 

e) in Nr. 9 in § 552 a die Fassung der Regierungs- 
vorlage wieder hergestellt, 

f) in Nr. 21 in § 569 a Abs. 5 die Fassung der 
Regierungsvorlage wieder hergestellt. 

Bonn, den 29. April 1964 

Erler und Fraktion 


Rauhaus 
Dr. Reinhard 
Scheppmann 
Schlick 
Stooß 

Dr. Süsterhenn 
Dr. Willeke 
Wittmer^Eigenbroidt 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6057 


Anlage 11 Umdruck 446 

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur 
zweiten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- 
setzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften 
(Drucksachen IV/806, IV/2195) 


Der Bundestag wolle beschließen: 

1. In Artikell I — Änderung des Biürgeriichen Ge- 
-setzlbudis — wii'ild 

a) Nr. 14 wie folgt gefaßt: 

'14. § 556 a wird wie folgt gefaßt: 

„ § 556 a 

(1) Der Vermieter kann ein Mietverhältnis 
über eine Wohnung nur kündigen, wenn er 
ein berechtigtes Interesse an der Beendigung 
des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung ist 
schriftlich unter Angabe von Gründen zu er- 
klären. 


(B) 


(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermie- 
ters an der Beendigung des Mietverhältnis- 
ses liegt insbesondere vor, wenn 

a) der Mieter oder eine zu seinem Hausstand 
oder Geschäftsbetrieb gehörige Person 
sich eine erhebliche Belästigung des Ver- 
mieters oder eines Hausbewohners schul- 
dig macht, oder durch unangemessenen 
Gebrauch des Mietraums oder Außeracht- 
lassung der gebotenen Sorgfalt den Miet- 
raum oder das Gebäude erheblich gefähr^ 
det oder 

b) der Vermieter die Räume der Wohnung 
für sich, die zu seinem Hausstand gehöri- 
gen Personen oder Familienangehörigen 
benötigt oder 

c) der Vermieter durch Fortsetzung des Miet- 
verhältnisses an einer gerechtfertigten 
wirtschaftlichen Verwertung des Grund- 
stücks gehindert und dadurch erhebliche 
Nachteile erleiden würde. 


(3) Der Mieter • kann die Fortsetzung des 
Mietverhältnisses verlangen, wenn unter an- 
gemessener Änderung der Vertragsbedingun- 
gen dem berechtigten Interesse des Vermie- 
ters Rechnung getragen werden kann. 

(4) Eine entgegenstehende Vereinbarung ist 
uniwiifksam. " ' 


b) folgende Nr. 14 a eingefügt: 

'14 a. § 556 b wird wie folgt gefaßt: 

"§ 556 b 

Ist ein Mietverhältnis über Wohnraum auf 
bestimmte Zeit eingegangen, so wird es nach 
Ablauf auf unbestimmte Zeit fortgesetzt, so- 
fern der Vermieter es nicht zum Ablauf unter 
Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist 
künldigt. § 556 gilt sinngemäß." ' 


Für den Fall der Ablehnung des Antrags unter 
Nummer 1: 

2. In Artikel I — Änderung des Bürgerlichen Ge- 
setzbuchs — wird 

a) Nr. 14 wie folgt gefaßt: 

,14. § 556 a wiild wie folgt geändert: 

a) In Äbsatz 4 wird Ziffer 3 gestrichen. 

b) Folgender Absatz 4 a wird eingefügt: 

(4 a) Ein auf Grund der Absätze 2 oder 3 
für eine bestimmte Dauer festgesetztes 
Mietverhältnis gilt als ein Mietverhältnis 
im Sinne des § 556 b." 

c) Absatz 7 wird wie folgt gefaßt: 

(unverändert nach Drucksache IV/2195 
iS. 5)', 

b) folgende Nr. 16 a eingefügt: 

46'a. § 564 a Satz 1 erhält folgende Fassung: 
„Die Kündigung eines Mietverhältnis- 
ses über Wohnraum ist schriftlich unter 
Angabe von Gründen zu erklären." 

Für den Fall der Ablehnung des Antrags unter 
Nummer 2; 

3. In Artikel I — Änderung des Bürgerlichen Ge- 
setzbuchs — wird 

a) Nr. 14 wie folgt gefaßt: 

,14. § 556 a wiild wie folgt geänldert; 

a) In Absatz 4 Ziff. 3 wird der Punkt durch 
ein Komma ersetzt und folgendes ange- 
fügt: 

„sofern nicht während eines auf Grund des 
Absatzes 2 oder 3 für eine bestimmte Dauer 
festgesetzten Mietverhältnisses neue Um- 
stände auftreten, die im Falle einer Kün- 
digung zum" Widerspruch nach Absatz 1 
berechtigen würden." 

b) Absatz 7 wie folgt gefaßt: 

(unverändert nach Drucksache IV/2195 
iS. 5)', 

b) folgende Nr. 16 a eingefügt: 

'16 a. § 564 a Satz 1 wird wie folgt gefaßt: 

„Die Kündigung /eines Mietverhältnisses 
über Wohnraum ist schriftlich unter Angabe 
von Gründen zu erklären." 

Für den Fall der Ablehnung des Antrags unter 
Nummer 3: 

4. In Artikel I — Änderung des Bürgerlichen Ge- 
setzbuchs — wird Nr. 14 wie folgt gefaßt: 

,14. § 556 a wind wie folgt geändert: 

a) In Äbsatz 1 werden die Worte „wegen be- 
sonderer Umstände des Einzelfalls gestrichen. 



6058 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124, Sitzung, Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


b) Absatz 7 wird wie folgt gefaßt: 

{unverändert nach Drucksache IV/2195 S, 5)'. 

B'onn, den 29, April 1964 

Erler und Fraktion 


Anlage 12 Umdruck 447 

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur 
zweiten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- 
setzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften 
(Drucksachen IV/806, IV/2195) 

Der Bundestag wolle beschließen: 

In Artikel I — Änderung des Bürgerlichen Gesetz- 
buchs — erhält in Nr. 19 § 565 b folgende Fassung: 

㤠565 b 

(1) Ist Wohnraum mit Rücksicht auf das Bestehen 
eines Dienstverhältnisses vermietet, so sind bei An- 
wendung der §§ 556 a, 556 b auch die Belange des 
Dienstberechtigten zu berücksichtigen. 

(2) Hat das Dienstverhältnis seiner Art nach die 
Überlassung des vermieteten Wohnraums wegen 
seiner unmittelbaren Nähe zur Stätte der Dienst- 
leistung erfordert, so gelten, wenn nach Beendigung 
des Dienstverhältnisses der Wohnraum aus dem 
gleichen Grunde für einen anderen zur Dienstleistung 
Verpflichteten benötigt wird, die folgenden beson- 
deren Vorschriften: 

1. Die §§ 556 a, 556 b sind nicht anzuwenden. 

2. Bei einem Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit 
ist eine Kündigung des Vermieters spätestens 
am dritten Werktag einer Kalendermonats für 
den Ablauf dieses Monats zulässig. Im übrigen 
bleibt § 565 unberührt." 

Bonn, den 29. April 1964 

Erler und Fraktion 


Anlage 13 Umdruck 448 

Änderungsantrag der Fraktion der SPD zur 
zweiten Beratung des Entwurfs eines Zweiten Ge- 
setzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften 
(Drucksachen IV/806, IV/2195). 

Der Bundestag wolle beschließen: 

Nach Artikel II wird als Artikel II a eingefügt: 

Artikel II a 
Güteverhandlung 

§ 1 

In Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Vermieter 
und dem Mieter oder dem Mieter und dem Unter- 


fCl 

mieter wegen Räumung von Wohnraum oder wegen 
Fortsetzung des Mietverhältnisses nach §§ 556 a, 

556 b des Bürgerlichen Gesetzbuches gelten die fol- 
genden besonderen Vorschriften. 

§ 2 

Die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht 
beginnt mit einer Verhandlung zum Zwecke der 
gütlichen Einigung der Parteien (Güteverhandlung). . 
In der Ladung ist darauf hinzuweisen. 

§ 3 

In der Güteverhandlung erörtert das Gericht mit 
den Parteien das gesamte Streitverhältnis und sucht 
einen gütlichen Ausgleich herbeizufühfen. Zur Auf- 
klärung des Sachverhalts kann das Gericht alle 
Handlungen vornehmen, die ohne Verzug möglich 
sind. Eidliche Vernehmungen sind ausgeschlossen. 

§ 4 

Erscheint eine Partei nicht, wird die Klage zurück- 
genommen oder der Anspruch anerkannt, so tritt 
das Gericht in das allgemeine Verfahren ein. 

§ 5 

Kommt eine Einigung nicht zustande, so tritt das 
Gericht in die mündliche Verhandlung nach den all- 
gemeinen Vorschriften ein. 


Kommt es vor Beendigung der Güteverhandlung 
zu einem Vergleich, so entfallen etwa bereits ent- 
standene Gerichtsgebühren. Das gleiche gilt, wenn 
vor Beendigung der Güteverhandlung die Klage 
zurückgenommen oder der Klageanspruch anerkannt 
wird. 

§ 7 

Die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte 
vom 26. Juli 1957 (Bundesgesetzbl. I S. 861 S. 905) 
wird wie folgt geändert: 

§ 33 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: 

„Für eine nicht streitige VeiJiandlung, insbeson- 
dere eine Güteverhandlung, erhält der Rechtsan- 
walt nur eine halbe Verhandlungsgebühr." ‘ 


Bonn, den 29. April 1964 

Erler und Fraktion 


Anlage 14 Umdruck 452 

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU 
zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Zweiten 
Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften 
(Drucksachen IV/806, IV/2195). 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6059 


Der Bundestag wolle beschließen: 

1. In Artikel I erhält Nr. 14 folgende Fassung: 

„14. § 556 a wird wie folgt geändert: 

a) In Absatz 4 wird die Ziffer 3 gestrichen; 

b) Absatz 7 wird wie folgt gefaßt; 

(unverändert nach Drucksache IV/2195) 

2. In Artikel I wird eine neue Nr. 14 a eingefügt: 

'14 a. Nach § 556 b wird folgender § 556 c ein- 
gefügt: 

㤠556 c 

Ist auf Widerspruch des Mieters bereits 
einmal durch Einigung oder Urteil die 
Fortsetzung des Mietverhältnisses be- 
stimmt worden, so kann der Mieter eine 
weitere Fortsetzung nur verlangen, wenn 
dies durch eine wesentliche Änderung der 
Umstände, die nach dem § 556 a oder § 
556 b maßgebend waren, gerechtfertigt 
ist."' 

3. In Artikel I erhält Nr. 19 folgende Fassung: 

'19. Nach § 565 a werden folgende §§ 565 b, 
565 c, 565 d und 565 e eingefügt: 

㤠565 b 

Ist Wohnraum mit Rücksicht auf das Beste- 
hen eines Dienstverhältnisses vermietet, 
so gelten die besonderen Vorschriften der 

§§ 565 c und 565 d. 

(ö) 

§ 565 c 

Ist das Mietverhältnis auf unbestimmte 
Zeit eingegangen, so ist nach Beendigung 
des Dienstverhältnisses eine Kündigung des 
Vermieters zulässig 

1. spätestens am dritten Werktag eines 
Kalendermonats für den Ablauf des 
nächsten Monats, wenn der Wohnraum 
weniger als zehn Jahre überlassen war 
und für einen anderen zur Dienstlei- 
stung Verpflichteten dringend benötigt 
wird; 

2. spätestens am dritten Werktag eines 
Kalendermonats für den Ablauf dieses 
Monats, wenn das Dienstverhältnis sei- 
ner Art nach die Überlassung des 
Wohnraums, der in unmittelbarer Be- 
ziehung oder Nähe zur Stätte der 
Dienstleistung steht, erfordert hat und 
der Wohnraum aus dem gleichen 
Grunde für einen anderen zur Dienst- 
leistung Verpflichteten benötigt wird. 

Im übrigen bleibt § 565 unberührt. 

§ 565 d 

(1) Bei Anwendung der §§ 556 a, 556 b 
sind auch die Belange des Di enstbe recht! g- 
tigten zu berücksichtigen. 

(2) Hat der Vermieter nach § 565 c Satz 1 
Nr. 1 gekündigt, so gilt § 556 a mit der Maß- 
gabe, daß der Vermieter die Einwilligung 


zur Forsetzung des Mietverhältnisses ver- 
weigern kann, wenn der Mieter den Wider- 
spruch nicht spätestens einen Monat vor der 
Beendigung des Mietverhältnisses erklärt 
hat. 

(3) Die §§ 556 a, 556 b gelten nicht, wenn 

1. der Vermieter nach § 565 c Satz 1 
Nr. 2 gekündigt hat; 

2. der Mieter das Dienstverhältnis ge- 
löst hat, ohne daß ihm von dem 
Dienstberechtigten gesetzlich be- 
gründeter Anlaß gegeben war, 
oder der Mieter durch sein Verhal- 
ten den Dienstberechtigten gesetz- 
lich begründeten Anlaß zur Auflö- 
sung des Dienstverhältnisses ge- 
geben hat. 

§ 565 e 

Ist Wohnraum im Rahmen eines Dienstver- 
hätlnisses überlassen, so gelten für die Be- 
endigung des Rechtsverhältnisses hinsicht- 
lich des Wohnraums die Vorschriften über 
die Miete entsprechend, wenn der zur Dienst- 
leistung Verpflichtete den Wohnraum ganz 
oder überwiegend mit Einriditungsgegen- 
ständen ausgestattet hat oder in dem Wohn- 
raum mit seiner Familie einen eigenen Haus- 
stand führt." 

(Wortlaut entspricht unverändert dem Wort- 
laut des § 565 c auf Drucksache IV/2195 S. 6) 

4. In Artikel I Nr. 21 erhält Absatz 5 des § 569 a (D) 
folgende Fassung: 

„(5) Der Vermieter kann das Mietverhältnis 
unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kündigen, 
wenn in der Person des Ehegatten oder Familien- 
angehörigen, der in das Mietverhältnis eingetre- 
ten ist, ein wichtiger Grund vorliegt); die Kün- 
digung kann nur für den ersten Termin erfolgen, 
für den sie zulässig ist. § 556 a ist entsprechend 
anzuwenden. " 

Bonn, den 29. April 1964 

Dr. Barzel und Fraktion 


Anlage 15 

Sdiriftlidie Begründung 

des Abgeordneten Logemann zu dem Antrag (Druck- 
sache IV/2154). 

Die zukünftige Existenz der bäuerlichen Familien- 
betriebe hängt entscheidend von dem Anteil ab, den 
sie an der Veredelungswirtschaft haben. Die FDP 
will hier diesen Betrieben mit gesetzlichen Maß- 
nahmen einen Vorrang sichern und verhüten, daß 
die vorhandenen Chancen der Veredelung von 
einigen wenigen kapitalstärkeren, bodenunabhän- 
gigen Veredelungsbetrieben genutzt werden. Mit 
unseren Vorschlägen wird eine möglichst breite 
Streuung der Veredelungsbetriebe durch eine Viel- 



6060 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


zahl rationell produzierender bäuerlicher Schweine- 
und Geflügelhalter erreicht. 

Dazu bedarf es zunächst der Beseitigung steuer- 
licher Benachteiligungen kleinerer landwirtschaft- 
licher Betriebe gegenüber Betrieben, die über eine 
größere landwirtschaftliche Nutzfläche verfügen. 
Hinzu kommt die Notwendigkeit, einem festzustel- 
lenden Trend zur bodenunabhängigen Veredelung 
bei Sc±Lweinen und Legehennen entgegenzuwirken. 
Wir verlangen deshalb die Festlegung einer oberen 
Grenze der landwirtschaftlichen Schweine- und 
Legehennenhaltung, die bei der jährlichen Erzeu- 
gung von 800 Mastschweinen oder der Haltung von 
5000 Legehennen gezogen werden soll. 

Die Neuerrichtung oder Ausweitung bestehender 
bodenunabhängiger Veredelungsbetriebe soll, wie 
in anderen EWG-Ländern, nur nach Erteilung einer 
Lizenz durch das Ministerium für Ernährung, Land- 
wirtschaft und Forsten erfolgen. 

Außerdem soll den Veredelungsbetrieben, die 
nach ihrer Entstehung oder nach ihrer Grundlage 
gewerblich sind, verwehrt werden, sich über Zukauf, 
Zupachtung von Land oder durch andere Nutzungs- 
rechte die für die bäuerlichen Betriebe bestimmten 
steuerlichen und sonstigen Vergünstigungen zu be- 
schaffen. 

Die Frage der Geflügelmast ist absichtlich deswe- 
gen nicht in diesen Antrag aufgenommen worden, 
weil wir bislang in der Bundesrepublik nur gut 
30 000 t produzieren und weit über 200 000 t ein- 
führen. Hier zeichnet sich also noch ein großer 
Spielraum ab; deswegen brauchen Einschränkungen 
in der Produktionshöhe für den einzelnen Betrieb 
nach unserer Ansicht nicht vorgenommen zu wer- 
den. 


Anlage 16 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Staatssekretärs Bargatzky vom 18. April 
1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeord- 
neten Dr. Kohut (Drucksache IV/2139 Fragen Xlll/ß, 
XIII/7 unid XIII/8) : 

Bestehen für die Durchführung des ärztlichen Sonntagsdienstes 
im Bundesgebiet einheitliche Richtlinien? 

Es bestehen keine einheitlichen Richtlinien. Der 
ärztliche Notfalldienst wird von den Ärztekam- 
mern der Länder auf Grunld der Berufs Ordnungen, 
die von den zuständigen Landesbeihörden genehmigt 
worden sind, geregelt. 

Sind der Bundesregierung die Schwierigkeiten bekannt, die 
beim ärztlichen Sonntagsdienst mancherorts für Ärzte und Patien- 
ten bestehen? 

Es ist bekannt, daß hier und dort aufitreteniden 
Schwierigkeiten von den Länldern in Zusammen- 
arbeit mit den K'ammern nachgegangen wird. 

Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, den diensthabenden 
Ärzten am Sonntag Autorufanlagen zur Verfügung zu stellen, 
um damit gefährdende und unnötige Wartezeiten zu vermeiden? 

Wie mir von zuständigen LandesbehÖrden mit- 
getöilt wurde, haben sich bereits Ärzte mit Auto- 


fCl 

rufianlagen ausgerüstet. Es ist jedoch bisher kein 
Wunsch -an die öffentliche Hand herangetragen 
worden, der Ärzteschaft dabei behilflich zu sein. 
Sollte ein derartige Unterstützung gewünscht wer- 
den, wird es Aufgabe der Länder sein, darüber zu 
entscheiden. 


Anlage 17 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Bundesministers Stücklen vom 18. April 
1964 auf die Mündliche Anfrage deis Abgeordneten 
Lemmrich (Drucksache IV/2139 Frage X/1): 

Beabsichtigt die Deutsche Bundespost, die Postordnung § 14 III 
dahin gehend zu ändern, daß in Zukunft Briefmarkensammler die 
auf Paketkarten aufgeklebten Briefmarken behalten können? 

Leider kann ich. für die Praxis der Briefmarken- 
sammler mit dem Inkrafttreten der neuen Postord- 
nung vom 16. Mai 1963 zum 1. Juni 1964 keine neue 
Funjdgrube für Freimarken erschließen, obwohl mit 
Ablauf der bisherigen Postordnung vom 30. Januar 
1929 zum 31. Mai 1964 der in der Anfrage zitierte 
§ 14, III Postordnung wegfällt. Vom 1. Juni 1964 an 
sind nämlich nach § 8 Abs. 3 der neuen Postordnung 
alle Paketsenidungen bar freizumiachen. Die Gebüh- 
ren sinld dann bei der Einlieferung durch Zahlung dn 
Geld bzw. durch Scheck oder Überweisung bzw.- 
Abbuchung vom Postscheckkonto zu entrichten. Es 
gibt somit ab 1. Juni 1964 keine auf Paketkarten 
aufgeklebiten Briefmarken für dien Anwendungs- 
bereich der Postordnung mehr. 

Der Grunld der Neuregelung ist darin zu sehen, 
daß sich im Zuge der stäridigen Bemühungen, die 
Deutsche Bunde‘spost mit der technischen Entwick- 
lung Schritt halten zu lassen, beim Einsatz von Ge- 
bühren verrechnender Buchungsmaschinen im Paket- 
sch alt erdienst ein Rationalisierungiseffekt heraus- 
gestellt hat. 

Der Einsatz derartiger die Gebühren verrechnender 
Einnahmemasciilinen an den Paketschaltern ist im 
übrigen heute schon so weit verbreitet, daß in der 
Praxis zur Zeit nur noch in ganz bescheMenem 
Umfang Freimarken auf Pakiet- und Postgutkarten 
meistens bei kleinen Dienststellen zur Entrichtung 
der Geibühr verklebt werden. 


Anlage 18 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Bundesministers Stücklen vom 18. April 
1964 auf die Mündlichen Anfragen der Abgeord- 
neten Frau Dr. Flitz (Drucksache IV/2139 Fragen 
X/2 und X/3): 

Trifft es zu, daß die Deutsche Bundespost für die Installation 
eines Fernsprechansdilusses eine Pauschalgebühr erhebt, gleich- 
gültig, welche Leistung vollbracht wirdt 

Ja, es trifft zu, daß durch die Verordnung zur 
Änderung der Fernsprechgebührenvorschriften vom 
19. Dezember 1962 ab 1. Januar 1963 die Gebühren 
für die Herstellung von Fernsprechanschlüssen 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6061 


fAl 

pauschaliert worden sind. Die zu entrichtende Ge- 
bühr hängt damit nicht mehr im einzelnen von dem 
Umfang der verschiedenartigen Herstellungsleistun- 
gen ab. 

Hält es die Bundesregierung für richtig, daß ein Fernsprech- 
teilnehmer bei dem Anschluß seines Apparates an eine vorhan- 
dene Leitung die gleiche Pauschale von 90 DM bezahlen muß wie 
für die Installation eines Fernsprechanschlusses mit langer Frei- 
leitung und größerer Hausinstallation, obwohl die Arbeitsleistung 
in einem solchen Fall im allgemeinen nicht mehr als 30 Minuten 
beträgt? 

Wie ich schon erwähnte, liegt es im Wesen einer 
Pauschale, hier z. B. die Zahlungspflichtigen Fern- 
sprechteilnehmer allgemein gleich zu belasten, selbst 
wenn unterschiedliche Leistungen bei Einrichtung 
von Fernsprechanschlüssen aufkommen sollten. Da- 
zu ist jedoch noch grundsätzlich zu bemerken, daß 
der eingeführte Pauschalsatz von 90,— DM kein 
willkürlicher Betrag ist, sondern einen Erfahrungs- 
wert über die durchschnittliche Höhe der tatsäch- 
lichen Einriehtungskosten darstellt. In den vielen 
Fällen wird also die geforderte Gebühr den wirklich 
entstandenen Kosten im wesentlichen entsprechen, 
und nur im geringen Umfang werden die Teilnehmer 
gleichmäßig verteilt durch die Pauschalierung gün- 
stiger bzw. ungünstiger als früher wegkommen. 

In diesem Zusamenhang erscheint es mir aber auch 
noch wesentlich zu erwähnen, daß der Arbeitsauf- 
wand für die Herstellung eines einzelnen Anschlus- 
ses sich keineswegs nur auf die Arbeiten in den 
Wohn- oder Geschäftsräumen des Teilnehmers und 
die teilweise sichtbaren Außeninstallationen der 
ß) Freileitungen beschränkt. Ein von diesen Beobach- 
tungen ausgehendes Urteil über die z. B. unter- 
schiedliche Höhe der tatsächlichen Errichtungskosten 
und den Wert oder Unwert der auf 90, — DM fest- 
gesetzten Pauschale, wie es teilweise versucht wird, 
und wie es sich übrigens auch aus Ihrer Anfrage — 
sehr geehrte Frau Kollegin — ergibt, kann damit 
nicht vollständig und richtig sein. 

Es sind nämlich bei der Einrichtung eines Fern- 
sprechanschlusses nicht nur die reinen Installations- 
arbeiten, sondern sogar überwiegend auch in den 
verschiedensten Betriebsstellen der Deutschen Bun- 
despost und z. T. an den Schalteinrichtungen des 
Ortsleitungsnetzes Arbeiten erforderlich. Ferner ist 
zu bedenken, daß ebenfalls eine umfangreiche Ver- 
waltungsarbeit von der Entgegennahme des An- 
trages auf Einrichtung eines Anschlusses bis zur 
Ergänzung der Unterlagen für Auskunft, Entstö- 
rungsdienst und Fernsprechbuch durchzuführen ist 
All diese von den Teilnehmern nicht wahrzuneh- 
menden Tätigkeiten verursachen in der Regel weit 
höhere Kosten als die Installation des Fernsprech- 
apparates. 

Die Erhebung einer Pauschale von 90, — DM für 
die Herstellung eines Fernsprechanschlusses ist 
unter diesen Umständen durchaus gerechtfertigt und 
gegenüber den damit allgemein gleich behandelten 
Teilnehmern zu vertreten. Dies noch um so mehr 
als die Pauschale zu einer bemerkenswerten Ratio- 
nalisierung des bisherigen Abrechnungsverfahrens 
geführt und damit zur Erhaltung der Wirtschaftlich- 
keit im Bereich dieser Leistungen beigetragen hat. 


Anlage 19 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Bundesministers Stücklen vom 18. April 
1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordne- 
ten Unertl (Drucksache IV/2139 FragenX/4 und X/5): 

Ist dem Herrn Bundespostminister bekannt, daß durch die 
bisher nicht erfolgte Fertigstellung des geplanten neuen Knoten- 
amtes in Passau einem großen Teil des östlichen niederbaye- 
rischen Raumes die Umschaltung ln die Landesfernwahl nicht 
möglich ist? 

Im Bereich der Hauptvermittlungsstelle mit Wähl- 
betrieb Passau können nach dem Stand von Dezem- 
ber 1963 bereits 92,8 v. H. aller abgehenden Fernge- 
spräche von den Teilnehmern selbst gewählt wer- 
den. Der Anteil der durch Selbstwahl abgewickelten 
Ferngespräche im Bereich der Hauptvermittlungs- 
stelle Passau, zu dem auch die Knotenvermittlungs- 
stellen Passau, Obernzell, Waldkirchen, Freyung 
(Wald), Vilshofen, Pfarrkirchen, Simbach (Inn) 
und Pöcking gehören, liegt damit über dem Bundes- 
durchschnitt, der nach dem Stand vom Dezember 
1963 91,5 V. H. betrug. 

Wann ist mit der Fertigstellung des geplanten Knotenamtes 
in Passau zu rechnen, um damit eine nachhaltige Verbesserung 
der Telefon- und Fernschreib(Telex)-Verhältnisse im Raume 
Passau und im östlichen Niederbayern zu erreichen? 

Es trifft zu, daß Voraussetzung für die volle Ein- 
gliederung des Raumes Passau und des östlichen 
niederbayerischen Gebietes in die Landesfernwahl 
der Umbau und die Erweiterung des Fernmelde- 
dienstgebäudes in Passau, Lambergstraße 4/Grünau- 
straße 35 ist. Die Planung hierfür ist bereits im 
Gange. Ich hoffe, daß es bei der schwierigen Finanz- 
situation der Deutschen Bundespost möglich sein 
wird, das Bauvorhaben, dessen Kosten auf etwa 
3,5 Mio DM veranschlagt sind, in den Haushaltsvor- 
anschlag der Deutschen Bundespost für das Rech- 
nungsjahr 1965 einzustellen. Die Durchführung der 
Hochbaumaßnahmen wird bei dem vorgesehenen 
Umfang etwa 2 bis 3 Jahre in Anspruch nehmen. 
Erst wenn die Räumlichkeiten bezugsfertig herge- 
stellt sind, was nicht vor 1967 der Fall sein wird, 
kann mit dem Aufbau der neuen technischen Einrich- 
tungen, deren Beschaffung und Einbau übrigens wei- 
tere 3,0 Mio DM kostet, begonnen werden. Für den 
Aufbau der technischen Einrichtungen werden HA 
bis 2 Jahre gebraucht werden. Unter diesen Umstän- 
den kann mit der Inbetriebnahme der neuen Haupt- 
vermittlungsstelle mit Wählbetrieb Passau nicht vor 
1969 gerechnet werden. 

Hinsichtlich der Abwicklung des Fernschreib- 
verkehrs sind mir Schwierigkeiten im Raume Passau 
und im östlichen Niederbayern bisher nicht bekannt 
geworden. 

Der Fernschreibverkehr ist im gesamten Bundes- 
gebiet, also auch im Raume Passau voll automati- 
siert. Im übrigen ist die Telex-Vermittlungsstelle 
Passau für die Anschaltung weiterer Fernschreib- 
teilnehmer auch noch aufnahmefähig. 



6062 


Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


Anlage 20 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Bundesministers Stücklen vom 18. April 
1964 auf die Mündlichen Anfragen des Abgeordne- 
ten Mancher (Drucksache IV/2139 Fragen X/6 und 
X/7): 

Ist dem Bundespostministerium bekannt, daß es zwischen der 
Bundespost und den Gemeinden immer wieder zu Schwierigkeiten 
betreffend die Kabelverlegung auf Gehwegen usw. kommt? 

Ja, das Problem ist mir durchaus bekannt. Aller- 
dings sind bei dem großen Umfang der von den ver- 
schiedenen Bauträgern vorzunehmenden Arbeiten 
Schwierigkeiten kaum zu vermeiden. In etwa 
2 Gruppen lassen sich die häufiger wiederkehrenden 
Schwierigkeiten aus der Sicht des Bundespostmini- 
sterium einordnen. 

a) Nicht rechtzeitig bekannt gewordene und damit 
einzuplanende Straßenumbauvorhaben. Die 
Deutsche Bundespost wird hierdurch zu unpro- 
duktiven und nach ihrer Interessenlage meistens 
unnötigen Umbauten an unterirdischen Fernmel- 
deanlagen in relativ kurzer Frist und dazu nöch 
Tausenden von Einzelbauvorhaben gezwungen. 
Allein im Jahre 1963 mußte die Deutsche Bun- 
diespost hierfür 85 Mio. DM aufbringen. Es ist 
offensichtlich, daß bei einem derartigen Umfang 
diese von der Deutschen Bundespost in der 
Regel nicht verschuldete Situation sowohl zu 
unliebsamen Verzögerungen im Straßenbau als 
auch zu kostspieligen Improvisationen und Stö- 

(B) rungen und Verschiebungen im Ablauf der plan- 
mäßigen Investitionsmaßnahmen der Deutschen 
Bundespost führt. 

b) Bei der Erschließung von Baugebieten usw. 
kommt es vor, daß neue Straßen- und Gehweg- 
decken durch die Deutsche Bundespost zum Ein- 
bau der Kabel später wieder aufgerissen wer- 
den. Die finanziellen Möglichkeiten der Deut- 
schen Bundespost reichen hier nicht aus, um in 
allen Fällen vor Aufbringen der Wegedecken 
die künftig erforderlichen Anlagen vorsorglich 
einzubauen. Die vorzeitige Inanspruchnahme der 
knappen Investitionsmittel ist bei der ange- 
spannten Finanzlage der Deutschen Bundespost 
in der Regel einfach nicht möglich. 

Ist das Bundespostministerium bereit, dem in Frage X/6 er- 
wähnten Ubelstand abzuhelfen, indem die Planung für Verlegun- 
gen von Kabeln und dergleichen auf mehrere Jahre hinaus den 
Gemeinden mitgeteilt wird, damit sich die Gemeinden für be- 
absichtigte Straßenbauarbeiten darauf einstellen können? 

Selbstverständlich bin ich zu jeder vertretbaren 
und sinnvollen Maßnahme bereit, um die angedeu- 
teten Schwierigkeiten zumindest zu mindern. Ich 
muß allerdings darauf hinweisen, daß in meinem 
Bereich bereits derartige Anordnungen bestehen 
und das Mögliche in dieser Richtung getan wird. So 
besagen z. B. die Planungsvorschriften für den Orts- 
netzausbau, daß zur Vermeidung häufiger Straßen- 
aufbrüche gleich größere Kabelreserven mit einzu- 
bauen sind. Dies erfordert allerdings wieder höhere 
Investitionsmittel und beschränkt die Möglichkeiten 
an anderen Stellen. Ferner sind alle Baukräfte der 
Deutschen Bundespost angewiesen mit den Gemein- 
den in allen Planungs- und Koordinierungsfragen 


persönlich Verbindung zu halten. Spätestens anläß- 
lieh der vorgeschriebenen Planfeststellungsver- 
fahren werden die Gemeinden auch schriftlich über 
die Kabelbauvorhaben der Deutschen Bundespost 
unterrichtet und dazu gehört. 

Es erscheint dagegen kaum möglich, den Gemein- 
den darüber hinaus noch ein mehrjähriges verbind- 
liches Planungsprogramm zu geben. Allein schon 
die Ungewißheit über die Haushaltsvorlage der 
Deutschen Bundespost, die begrenzte personelle 
Planungskapazität und im übrigen auch die man- 
gelnde Kenntnis der Bauprogramme der übrigen 
Beteiligten stehen dem entgegen. 


Anlage 21 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Bundesministers Dr. Dollinger vom 
22. April 1964 auf die Mündliche Anfrage des Ab- 
geordneten Dr. Müller-Emmert (Drucksache IV/2139 
Frage XII/1). 

Bis wann kann mit dem Neubau für das Bundesverfassungs- 
gericht in Karlsruhe begonnen werden? 

Die Baumaßnahme ist so weit vorbereitet worden, 
daß am 1. 6. 1964 mit der Baureifmachung des Bau- 
geländes und am 1. 9. 1964 mit den Bauarbeiten be- 
gonnen werden kann. Die Rohbauarbeiten ein- 
schließlich der Gestaltung der Fassaden sollen bis 
zum 1. 9. 1966 fertiggestellt sein. Die gärtnerische (D) 
Gestaltung soll bis zum Beginn der Bundesgarten- 
schau im Frühjahr 1967 durchgeführt werden. Mit 
der Fertigstellung des Gebäudes wird voraussicht- 
lich 1968 gerechnet. 


Anlage 22 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Bundesministers Dr. Dollinger vom 
22. April 1964 auf die Mündlichen Anfragen des 
Abgeordneten Börner (Drucksache IV/2139 Fragen 
XII/3 und XII/4): 

Die Fragen berühren die Angelegenheit der Pla- 
nung beim Neubau -der Kanzlei, für die mein Haus 
zuständig ist, und auch fürsorgierische Angelegen- 
heiten und solche des Raumprogramms, für die das 
Auswärtige Amt zuständig ist. 

Im Einvernehmen mit des Auswärtigen Amt be- 
antworte ich die Fragen wie folgt: 

Stimmt es, daß im neuerbauten Botschaftsgebäude der Deut- 
sdien Botsdiaft in Paris keine Kantinenräume für dort beschäf- 
tigte Botschaftsbedienstete vorgesehen wurden? 

Es trifft zu, daß im neu errichteten Botschaftsge- 
bäude der Deutschen Botschaft in Paris keine Kan- 
tinenräume für die dort beschäftigten Botschaftsbe- 
diensteten vorhanden sind. 

Wer ist für dieses in Frage XII/2. genannte Versäumnis ver- 
antwortlich? 



Deutscher Bundestag — 4. Wahlperiode — 124. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 29. April 1964 


6063 


Ein Versäumnis liegt nicht vor. Die Kantine 
konnte im Neubau der Kanzlei nicht untergebracht 
werden, weil dies die beschränkte Größe des Bau- 
platzes nicht zuließ. 

Der Neubau der Kanzlei wurde auf dem Grundstück 
an der Avenue Franklin Roosevelt Nr. 13 — 15 er- 
richtet, auf dem auch bisher das Dienstgebäude der 
Botschaft stand, 'das wegen Überalterung abgebro- 
chen werden mußte. 

Bei Untersuchung der Ausnutzbarkeit des Grund- 
stücks, also bei Aufstellung der Raumbedarfsnach- 
weisung, die -der Planung für den Neubau zugrunde 
liegt, wurde gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt 
erörtert, in der Kanzlei eine Kantinenanlage vor- 
zusehen. Das behördlich zugelassene Bauvolumen 
war aber schon durch die Unterbringung der Kanz- 
leiräüme so ausgeschöpft, daß der Einbau einer 
Kantinenanlage nicht verwirklicht werden konnte. 
Aus dem gleichen Grunde konnte auch die Rechts- 
und Konsularabteilung nicht auf dem Grundstück 
untergebracht werden. Sie befindet sich noch in 
einem Gebäude in der Avenue de Jena. Sobald es 
möglich ist, ein Nachbar grundstück zu erwerben, 
soll die Rechts- und Konsularabteilung mit dem 
Kanzleineubau räumlich verbunden werden. Dabei 
ist nach wie vor geplant, auf dem Nachbargrund- 
stück auch eine Kantine zu schaffen. 


(B) Anlage 23 

Schriftliche Antwort 

des Herrn Staatssekretärs Bargat:^ky vom 24. April 
1964 auf diie Mündlichen Anfragen des Abgeord- 
neten Jacobi (Köln) (Drucksache IV/2139, Fragen 
XIII/3, X'IIl/4 unid XIII/5): 

Da vom 1. Oktober 1964 an nur nodi Wasch- und Reinigungs- 
mittel mit sogenannten weichen Detergentien hergestellt und in 
den Handel gebracht werden dürfen, die gegenüber den bisher 
gebräudilidien in biologischen Kläranlagen leichter und schneller 
abgebaut werden können, frage ich die Bundesregierung: 

Wieviel a) mechanisch, b) biologisch arbeitende Kläranlagen 
gibt es in der Bundesrepublik? 


Wieviel a) mechanisch, b) biologisch arbeitende Kläranlagen 
sind in der Bundesrepublik im Bau? 


Wie groß ist der Fehlbedarf an Kläranlagen in der Bundes- 
republik? 

Ich bitte damit einverstadden zu sein, daß diie 
Fragen nicht einzeln, isonfdern im Zusammenhang 
beantwortet werden. 

Die Angabe von Zahlen über den Bestand an 
mechanischen und biololglischen Kläranlagen sowie 
über den FeMbedarf ist in der gegenwärtigen 
Situation nicht möglich, denn die früheren Erhebun- 
gen sind veraltet. 

Eine amtliche Erhebung ist erstmfalig für dias Jahr 
1957 auf Grund der Verordnung über die Statistik in 
der öffentlichen Wiasserversorgung und im öffent- 


lichen Abwasserwesen vom 3. April 1958 durchge- 
führt woijden. Die Befragung erstreckte sich damals 
nicht auf die Zahl der Kläranlaigen, sondern auf die 
Menge unid die Behandlung des Abwassers und die 
Zahlen der Einwohner, die an öffentliche Kanali- 
sationen angeschlossen sind. Seit 1957, besonders 
aber in den letzten zwei Jahren, sind von den Ge- 
meinden zahlreiche mechanische und biologische 
Kläranlagen neu gebaut sowie alte Anlagen ver- 
größert und zu biologischen Anlagen erweitert wor- 
den. Die Zahl geht in die Hunlderte. 

Um neue Zahlen zu eilhalten, ist von meinem 
Haus in Zusammenarbeit mit den Länldem und dem 
Statistischen Bundesamt eine amtliche Erhebung für 
das Jahr 1963 vorbereitet worden, die gegenwärtig 
anläuft. Dazu hat die Bundesregierung mJit Zustim- 
mung des Bundesrates die Verordnung vom 21. März 
1964 erlassen. Die Auswertung der Ergebnisse wird 
allerdings nicht vor Anfang 1965 vorliegen, so daß 
erst dann Ihre Fragen zuverlässig beantwortet wer- 
den können. 

Ursiprünglich war geplant, die zweite Erhebung 
schon im Jahre 1960 durchzuführen. Der Entwurf für 
die Verordnung vom 3. April 1958 enthielt einen 
entsprechenden Hinweis, der aber vom Bundesrat 
gestrichen worden ist, weil er der Meinung war, daß 
zunächst einmal das Ergebnis dieser ersten Wasser- 
und Abwasserstatistik abgewartet werden sollte, be- 
vor der Zeitpunkt für eine zwed-te Erhebung fest- 
gelegt würde. 

1960, nach Abschluß der Auswertung der Erbe- 
bungsergebnisse für 1957, wurden die Verhandlun- 
gen über die zweite Verordnung wieder aufgenom- 
men. Dabei mußte längere Zeit über den Inhalt der 
Erhebungsbögen und über das Erheb ungsjahr ver- 
handelt werden. 

Im der Öffentlichkeit sind wiederholt Besorgnisse 
über idie größere Giftigkeit der neuen Detergentien 
gegenüber den alten geäußert worden. Überlegun- 
gen, die Detergentien- Verordnung etwa wegen der 
noch nicht ausreichenden Zahl von bioiloigischen 
Kläranlagen nicht am 1. Oktober 1964, sonldern erst 
zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten zu las- 
sen, wären jedoch falsch. Nach dem Urteil aller dar- 
über gehörten SacbverstänJdigen wirkt sich die er- 
höhte Ablbaufähiigkeit neuer Detergentien nicht nur 
in Kläranlagen, sondern auch ln den Wasserläufen 
selbst aus. Auch wenn nicht mehr Kläranlagen vor- 
handen wären, würde dadurch ein Fortschritt erzielt. 
Tatsächlich sind aber wesentlich mehr biologische 
Kläranlagen vorhanden als seinerzeit bei der Bie- 
ratung des Detergentien-Gesetzes. über die Giftig- 
keit der neuen Detergentien, die im übrigen nur auf 
Fische, nicht auf Warmiblüter wirken könnte, hat 
das Bundeisge'sunjdheitsamt auf meine Anforderung 
hin ein Gutachten erstattet, in dem neue Gefahren 
verneint werden. Ich bin der Überzeugung, daß das 
Inkrafttreten derDetergentien-Verordnung am 1. Ok- 
tober 1964 dem Gewässerschutz funld idlamiit der 
Volksgesunidheit dient, unid daß man diesen Termin 
nicht wegen des Fehlens biologischer Kläranlagen 
hinausschieben sollte.